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Was wäre wenn...

von

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Neid

Sein anfänglicher Elan hatte sich in den letzten fünf Stunden in Luft aufgelöst. Schwermütig saß Seth in der Krankenhauskantine und starrte schlecht gelaunt auf sein Mittagessen.

Vorhin war er wieder mit Hisagi aneinander geraten und er wäre diesem Mistkerl beinahe an die Kehle gegangen, wenn seine innere Stimme ihn nicht zur Vernunft gemahnt hätte. „Verdient hätte er es.“ Sein Blick fiel auf den Nachbartisch, wo sich seine Kollegen angeregt unterhielten. Immer öfter kam die Frage in Seth hoch, wie es wäre, wenn er seine Neigung nicht offen ausleben würde. Säße er dann mit den anderen am Tisch? Unterhielt sich entspannt und gehörte einfach dazu? Oder lag es vielleicht nicht an seiner Homosexualität sondern an ihm selbst?

Wenn er an Yasuo’s Freunde dachte, die ihn mit offenen Armen empfangen hatten, fand er seine Gedanken wieder unsinnig.
 

„So wird das aber nichts!“
 

Seth blaue Augen weiteten sich vor entsetzten, als er Yasuo’s Stimme hörte. „Was...machst du hier?“

Yasuo gab seinem Freund einen Kuss auf die Lippen und setzte sich zu ihm an den Tisch. „Wenn du nicht auf isst gibt es morgen Regen.“, lächelte Yasuo und genoss Seth’s teils verwirrtes und teils entsetztes Gesicht.

Seth konnte nichts sagen und auch seine Kollegen hatten ihre Gespräche eingestellt, weil sie lieber den fremden Mann in Augenschein nahmen.

„Du solltest dein Gesicht sehen.“, lächelte Yasuo. „Ich bin eigentlich auf dem Rückweg vom Einkaufen und da dachte ich mir, ich statte dir einen kleinen Besuch ab. Um Seto brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Mein Bruder ist noch da und passt, solange ich weg bin, auf ihn auf. Die zwei waren mitten in einer Partie Duel Monsters und dein Sohnemann schien die Nase vorne zu haben, so wie Masao am fluchen war.“

„O-okay.“ Seth versuchte sich zu entspannen und seine Kollegen auszublenden, dessen Blicke er auf sich spürte. „Was gibt es denn heute zum Abendessen?“, versuchte er sich abzulenken.

„Da ich meinen neuen Herd endlich einweihen kann, gibt es Tamagoyaki. Vorher werde ich noch für Atemu’s Besuch etwas schönes Backen und Mittagessen sollen sie auch bekommen. Wenn er schon Freunde mitbringt, sollen sie sich auch wohl fühlen.“

„Wird dir das nicht zu viel? Ich meine weil du doch nebenbei noch am Computer arbeiten musst.“

Yasuo winkte ab. „Ich kann mir meine Zeit einteilen wie ich möchte und das meiste habe ich bereits heute Morgen erledigt.“ Er konnte Seth jetzt unmöglich die Wahrheit sagen. Je näher sein veranschlagter Tag rückte, an dem er mit der Sprache rausrücken wollte, um so nervöser wurde er.

„Dann bin ich beruhigt.“ Seth schaute aus den Augenwinkel zu seinen Kollegen, die angefangen hatten zu tuscheln.

Auch Yasuo fiel es auf und sein freundliches Gesicht verfinsterte sich, als er die Worte Schwuchteln und abartig vernahm. Seth zu liebe versuchte er diese Leute zu ignorieren. „Ich gehe davon aus, das du und Seto wieder bei mir übernachten möchtet?“

„J-ja, sehr gerne sogar.“, wurde Seth immer leiser und schielte zu seinen Kollegen rüber.

„Ist dir das so peinlich?“, sorgte sich Yasuo, dem die Leute zwar egal waren, aber es schon störte, weil sie immer lauter wurden.

„Wie kommst du darauf?“

Yasuo rückte mit dem Stuhl näher an Seth heran und legte seine Hand an die Wange seines Freundes. „Wenn du es nicht ignorieren kannst, musst du ihnen eine Ansage machen, die sich gewaschen hat.“

„Es ist nicht so, das ich es nicht könnte, aber ich kann hier nicht so einen Aufstand machen.“, gestand Seth. „Ich bin schließlich der Direktor und muss mit guten Beispiel voran gehen.“

„Das ist doch quatsch. Du sollst sie nicht gleich zusammen schlagen, sondern sie zurecht weisen. Ihnen zeigen wer hier das Sagen hat. Du bist der Chef und diesen kannst du ruhig mal raus hängen lassen.“

„Denk bitte nicht das ich keine Courage habe. Es ist mir irgendwann nur egal geworden.“

Für Yasuo sah das ganz und gar nicht so aus, aber er wollte das Gespräch an diesem Ort nicht weiter vertiefen. „Ich möchte dich nicht bedrängen, du wirst deine Gründe haben.“

Dankbar lächelte Seth und vergaß für einen Moment, wo er sich befand. Er lehnte sich ein Stück vor und gab Yasuo einen Kuss, was er im nächsten Augenblick bereute, denn das Getuschel am Nachbartisch wurde lauter.

„Nehmt euch doch ein Zimmer.“, keifte einer der Ärzte.

„Schämt ihr euch nicht? Hier sitzen auch Familien.“
 

Yasuo’s Augenbraue zuckte gefährlich. So eine Unverschämtheit brauchte er sich bis heute noch nie anhören. Er wusste, das er manchmal zu schnell die Beherrschung verlor, aber das hier musste dringend geklärt werden. „Entschuldige mich bitte, Seth. Ich habe ein ernstes Wörtchen mit denen zu reden.“

„Bitte lass das!“ Flehend sah Seth seinen Freund an.

„Dann sollen wir uns das also gefallen lassen?“

„Ich bitte dich.“

Yasuo atmete durch und nickte schließlich. „Nur weil du es bist. Ich geh uns einen Kaffee holen.“

Erleichtert entspannte sich Seth und fing an seine Mahlzeit zu essen. Das Yasuo so schnell in die Offensive gehen würde, hätte er nicht gedacht. Lächelnd schaute Seth zu ihm rüber. So ähnlich war er früher auch mal, aber inzwischen fehlte ihm der Antrieb, weil es sowieso nichts brachte.
 

„Da haben Sie sich aber einen tollen Hecht geangelt.“, grinste Hisagi. „Wie lange es wohl dauert bis er Sie abserviert? Die Wetten laufen schon.“

Seth ballte die Hände zu Fäusten. „Warum interessiert Sie so sehr, was ich tue? Haben Sie kein eigenes Leben?“

„Schon, aber Ihres ist so jämmerlich, das man nicht wegschauen kann.“

Seth platzte fast vor Wut. Wie gerne würde er diesem Großmaul jetzt die Fresse polieren. Doch in seiner Position konnte er sich so ein Verhalten nicht erlauben.

„Wie dem auch sei, es wird so laufen wie immer.“ Hisagi stand auf und schaute zu Yasuo, der mit zwei Tassen Kaffee in den Händen zurück kam. Im Vorbeigehen rempelte Hisagi ihn absichtlich an der Schulter an, so das Yasuo die Tassen aus der Hand fielen.

„Können Sie nicht aufpassen?“, fing Hisagi an drauf los zu donnern. Im nächsten Moment fand er sich auf dem Fußboden wieder, während Yasuo über ihm thronte und ihm den rechten Arm auf den Rücken gedreht hatte. „Kann ich nicht.“, wurde Yasuo’s Stimme gehässig. „Genauso wenig kann ich meine Kraft einschätzen und dir ganz aus versehen den Arm brechen.“ Zur Bestätigung drückte er Hisagi’s Arm ein Stück nach oben.

„Halt! Warte! Bitte!“

„Wozu?“

„Wozu?“, verlor Hisagi kurz die Fassung. „Sie können mir doch nicht so einfach den Arm brechen.“

„Eigentlich ist das ganz leicht, ich brauche nur ein wenig mehr Druck ausüben. Der richtige Winkel, etwas Kraft und ein beherzter Ruck.“, sagte Yasuo, als würde er übers Wetter reden.
 

Stumm beobachtete Seth das Geschehen und auch die anderen schauten gebannt zu, ohne sich zu rühren. Auf die Idee, die Zwei auseinander zu bringen kam keiner.

Yasuo ging dicht an Hisagi’s Ohr und achtete darauf, das ihn keiner der anderen Anwesenden hören konnte. „Wenn du meinen Arzt nicht in Ruhe lässt, wirst du mich kennen lernen. Wenn er mir nur noch einmal erzählt, wie respektlos du dich ihm gegenüber verhältst, komme ich wieder und dann kannst du was erleben.“ Yasuo ließ ihn los und stand auf. Als wäre nichts gewesen hob er die Tassen auf, setze sich zurück an seinen Tisch und schaute den verdatterten Seth entschuldigend an. „Bevor du mich tadelst, er hat angefangen.“
 

Völlig durch den Wind ließ Hisagi sich von den Kollegen aufhelfen.

„Ist alles in Ordnung?“

„Hast du dich verletzt?“

Wie unangenehm ihm diese Situation war, konnte er nicht in Worte fassen. „Alles okay.“ Wüten schaute er zu Yasuo. Wie konnte diese Schwuchtel es wagen ihn dermaßen zu blamieren? Dabei sah der gar nicht so kräftig aus und war sogar noch ein Stückchen kleiner als er selbst.
 

„Du lässt nichts anbrennen.“, stellte Seth erstaunt fest und schaute seinen Yasuo ganz verliebt an.

„Es war mehr ein Reflex.“ In Wirklichkeit hatte Yasuo gehofft, das Hisagi in die Offensive geht. Solche Typen kannte er und sie provozierten wo sie nur konnten.

„Ich bin ehrlich beeindruckt.“, gab Seth zu. „Wie gerne wäre ich an deiner Stelle gewesen. Was war das für ein Gefühl? Hat es Spaß gemacht?“

Es war genauso, wie Yasuo seinen Arzt eingeschätzt hatte. Er wollte gerade antworten, als Seth schon weiter redete, seine Begeisterung nicht im Zaum halten konnte. „Zeigst du mir, wie du ihn auf die Matte geworfen hast?“ Seth war Feuer und Flamme. „Früher habe ich viel Kampfsport betrieben, aber seit ich Seto habe, bin ich nicht mehr dazu gekommen.“

„Sehr gerne, ich kann dir eine Menge zeigen. Kampfsport betreibe ich auch und noch einige andere Sachen.“ Wie gerne würde Yasuo ihm alles zeigen, ihm alles erzählen.

Seth’s Augen strahlten um die Wette. „Wir haben viel mehr Gemeinsamkeiten, als ich dachte. Was ist deine Lieblingssportart? Was liegt dir am meisten? Bist du schon oft an Typen wie Dr. Hisagi geraten? Hast du dann das gleiche wie eben gemacht?“

Yasuo wusste nicht auf welche Frage er als erstes antworten sollte. „Seit meiner Kindheit bin ich im Training. Das meiste hat mir mein Vater beigebracht und...“

„Dann hast du dich gut mit ihm verstanden?“, unterbrach Seth seinen Freund.

„Ja, er war ein toller Vater. Was ist denn mit deinen Eltern?“

Seth stütze sein Kinn auf seine Hand und nahm einen bissen Gemüse von seinem Teller. „Als ich mich geoutet habe, wollten meine Eltern nichts mehr von mir wissen. Sie waren enttäuscht und wir haben jeden Tag aufs neue gestritten. Deshalb bin ich früh von Zuhause ausgezogen und von da an war ich auf mich alleine gestellt.“

Yasuo’s Blick fiel auf zwei Kollegen von Seth, die sich drei Tische weiter mit vorgehaltener Hand unterhielten. „Deine Kollegen scheinen die gleiche Einstellung zu vertreten, wie deine Eltern. Was für ein rückständiges Pack.“

„Ich bin es schon gewohnt.“, winkte Seth zwar ab, aber stören tat es ihn schon irgendwie. „Wie sieht es bei deinen Freunden aus? Sie schienen viel offener zu sein hatte ich den Eindruck.“

„Das sind sie auch.“ Yasuo erlaubte sich ein Fleischbällchen von Seth’s Teller zu stibitzen. „Meine Brüder waren damals sehr überrascht, aber nicht meine Schwester. Sie meinte zu mir, wurde auch Zeit das du es endlich merkst.“

„Du hast noch eine Schwester?“

Yasuo nahm seine Brieftasche aus seiner Lederjacke und holte ein Foto raus. „Das ist ein Foto von mir und meinen Geschwistern.“ Neugierig schaute Seth sich das Bild an. „Deine Schwester hat große Ähnlichkeit mit Atemu. Sie hat genau die gleiche Haar und Augenfarbe.“ Seth schaute zu einem rothaarigen jungen Mann, der als einziger nicht lächelte.

„Das ist Takumi.“ Yasuo erzählte nicht so gerne von ihm. „Er ist sehr speziell und du solltest dich von ihm fern halten.“

„Wie meinst du das?“

„Er ist anders als Masao oder Akiko. Er lebt in seiner eigenen Welt und macht sich seine Gesetzte, ganz so, wie sie ihm gerade in den Kram passen. Atemu mag ihn nicht und er legt auch keinen Wert darauf mit ihm Zeit zu verbringen. Anders ist es bei Masao und Akiko, denn die Zwei liebt er.“

„Seine Familie kann man sich nicht aussuchen.“ Seth dachte an seine Eltern zurück, die noch nicht einmal von Seto etwas wussten. „Hätte dein Vater dich denn akzeptiert, so wie du bist?“

Überlegend schaute Yasuo seinen Freund an. „Schwer zu sagen. Meine Mutter jedenfalls tat sich anfangs schwer damit, aber sie freut sich, das ich ihr vorher noch einen Enkel geschenkt habe. So gesehen kann sie damit leben. Mein Vater wäre vermutlich schwer damit zurecht gekommen. Ich glaube aber nicht, das er mich raus geschmissen hätte.“

Sie unterhielten sich noch eine Weile, bis die Zeit vorbei war und Seth zurück an die Arbeit musste. „Schön das du hergekommen bist.“

„Ich komme dich wieder besuchen.“, zwinkerte Yasuo. „Wir sehen uns dann später.“ Er ließ es sich nicht nehmen Seth einen Abschiedskuss zu geben und begleitete ihn noch ein Stück.

Zwar freute Seth sich darüber, doch die Blicke seiner Kollegen behagten ihm ganz und gar nicht. Genug Stoff zum tratschen hatten sie heute jedenfalls bekommen.
 

*
 

„Schon wieder gewonnen.“, lächelte Seto, während Masao sich die Haare raufte. „Das gibt es doch nicht. Was mach ich denn nur falsch? Los, lass uns noch eine Runde spielen.“

So sehr Seto Duel Monsters liebte, wurde es ihm gerade zu viel. Er war eben noch nicht ganz gesund. „Können wir die Runde nicht auf später verschieben?“

„Warum das denn?“ Masao hätte nicht enttäuschter sein können. „Nur noch eine Runde, bitte.“

„Also...“
 

„Masao, hör auf Seto die Ohren voll zu quengeln. Er ist noch nicht wieder fit und sieht müde aus.“

Masao drehte sich um und sah seinen Bruder, der mit verschränkten Armen im Türrahmen stand, finster an. „Da bist du ja wieder.“, hielt seine Freude sich in Grenzen.

Seto machte da schon ein freudigeres Gesicht. „Warst du noch bei meinem Vater?“

„Ja, aber viel Zeit hatte er nicht.“ Yasuo kontrollierte Seto’s Temperatur in dem er seine Hand auf die Stirn legte. Seto verdrehte innerlich die Augen. Atemu hatte ihm gestern Abend noch gesagt, das Yasuo manchmal etwas über fürsorglich sein konnte und er sich besser daran gewöhnen sollte.

„Du scheinst das schlimmste wirklich überstanden zu haben. Nachher bringt Atemu ein paar Freunde mit. Wenn es dir zu viel werden sollte, kannst du dich in mein Schlafzimmer zurückziehen, oder einfach zu mir in die Küche kommen.“

„Okay.“ Seto senkte den Kopf, als Yasuo wieder den Raum verließ.

„Du siehst auf einmal so betrübt aus.“, stellte Masao fest.

„Es ist nichts.“

Masao stand auf und streckte seinen Rücken durch. „Mein Bruder mag dich wirklich. Er behandelt dich nicht anders wie Atemu. Zu mir war er damals genauso. Als unser Vater gestorben ist, hat er sich wie ein Vater um mich gekümmert. Wenn ich krank war, musste ich streng das Bett hüten und er hat stündlich nach mir gesehen. Wenn ich Probleme hatte konnte ich immer zu ihm gehen und wir haben gemeinsam nach einer Lösung gesucht.“

Aufmerksam hörte Seto ihm zu. „Obwohl er damals nur zwei Jahre älter war, als ich heute?“

„Unglaublich oder? Dazu musst du wissen, das wir anders aufgewachsen sind, als du oder Atemu. Nachdem unser Vater nicht mehr war, hat er sich um alles gekümmert. Meine Mutter war mit allem überfordert und dann gab es noch mich und meinen sechsjährigen Bruder Takumi. Wir haben fast die ganze Zeit geweint, bis Yasuo angefangen hat sich um uns zu kümmern. Von dem Moment an begriff Yasuo, das er erwachsen werden musste. Plötzlich hatte er Verantwortung, musste viele Aufgaben unseres Vaters übernehmen. Zwar gibt es noch Akiko, die die älteste von uns vier Geschwistern ist, aber sie war damals hochschwanger und mitten in ihren Hochzeitsvorbereitungen mit ihrem Zukünftigen. Sie hat zwar versucht meine Mutter und meinen Bruder zu unterstützen, aber schnell wurde es ihr zu viel und sie bekam Probleme mit ihrem Ungeborenen. Deshalb hat Yasuo von da an alles alleine gemacht.“

Gebannt hörte Seto zu. „War das nicht schwer für ihn?“

„Als kleiner Junge habe ich das alles nicht mitbekommen, aber später hat Yasuo mir dann erzählt, wie schwer diese Zeit auch für ihn war. Er hat es sich nur nie anmerken lassen, um es für seine kleinen Brüder nicht noch schwerer zu machen. Von allen hat er am meisten durchmachen müssen, aber er ist immer wieder aufgestanden, egal wie oft er auf Widerstand gestoßen ist.“

Seto setze sich aufs Bett und schaute auf seine Hände. „Legt er auf die Schule großen Wert? Ich meine, weil Atemu so gute Noten schreibt.“

„Überhaupt nicht.“, lachte Masao. „Er hat zwar früher selber gute Noten gehabt, aber für die Schule hat er sich nie interessiert. Wenn ich mal mit einer schlechten Note nach Hause gekommen bin, hat er mir beim lernen geholfen.“

Seto zweifelte. „Warum ist Atemu dann so gut? Ich bin jetzt die ganze Woche hier gewesen und habe ihn viel beobachtet, aber wirklich gelernt hat er nicht. Höchstens eine Stunde und halt die Hausaufgaben, die wir machen sollen.“

„Das liegt an Atemu’s eidetischem Gedächtnis. Er hat es von Yasuo vererbt bekommen. Die Zwei sind die einzigen in der Familie mit dieser Gabe.“

In Seto sprudelte der Neid hoch, aber auch Resignation breitete sich aus. „Da kann ich doch niemals mithalten.“

Das wollte Masao jetzt nicht erreichen. „Keiner erwartet von dir mitzuhalten. Jeder hat seine ganz persönliche Gabe, du musst deine nur finden.“

„Dummes Geschwätzt.“, fauchte Seto.

„Meinst du?“, lächelte Masao und setze sich neben Seto aufs Bett. „Ich habe Yasuo damals auch nicht geglaubt, aber irgendwann habe ich festgestellt, das er recht hatte. Du darfst dich nur nicht von anderen beeinflussen lassen und musst deinen eigenen Weg finden.“

Seto ließ sich rücklings aufs Bett fallen und starrte zur Decke. „Leichter gesagt, als getan.“
 

*
 

Schluckend stand Joey vor Yasuo und stotterte ein „Guten Tag.“ Der Mann guckte aber böse.

„Freut mich, ich bin Yasuo Katsuro.“

„I-ich bin Joey Wheeler.“

Yugi war nicht ganz so ängstlich und stellte sich ebenfalls vor. „Ich bin Yugi Muto und das ist Thea Gardner.“

„Guten Tag, Herr Katsuro.“

„Bis auf Yugi, klingen eure Namen amerikanisch.“, wurde Yasuo neugierig.

Thea nickte. „Meine Eltern sind Amerikaner, aber wir haben auch japanische Wurzeln.“

Joey zuckte zusammen, als Yasuo ihn wieder ansah. „Meine Mutter kommt aus Amerika und mein Alter ist Japaner.“, sagte er hastig. Joey konnte sich nicht helfen, aber es war beinahe so, als würde sein Vater vor ihm stehen.

Yasuo zog die Stirn kraus. „Hast du Angst vor mir?“

Hastig schüttelte Joey den Kopf, was ihm ein Lachen der anderen einbrachte.

„Herr Katsuro ist total nett. Jetzt stell dich nicht so an.“, flüsterte Thea ihm zu.

„Ich stell mich nicht an, ich habe lediglich Respekt.“

Atemu sah seinen Vater entschuldigend an. Dieser sah das nicht so eng. „Ich habe Essen gekocht, ihr wollt doch bestimmt mitessen?“

„Vielen Dank, sehr gerne.“, freute sich Yugi und setze sich auf die Couch. Thea gesellt sich zu ihm und auch Joey setzte sich zögerlich hin.

Atemu ging derweil in die Küche um seinen Vater zu helfen.

„Sag mal, Atemu. Was ist mit deinem Freund Joey los?“, wollte Yasuo wissen und stellte je zwei Teller auf seine beiden Tabletts. „Ich habe deutlich gesehen, das er Angst vor mir hat.“

Atemu zögerte zunächst. „Es liegt nicht an dir. Joey ist eigentlich offen gegenüber anderen.“

Yasuo nahm noch vier Gläser aus dem Schrank und stellte sie dazu. Nachdenklich schaute er seinen Sohn an, der so aussah, als ob er ihm etwas sagen wollte.
 

Seto hatte sich in der Zwischenzeit angezogen. Im Pyjama wollte er nicht vor die anderen treten. Sofort wurde er begrüßt, was Seto murrend zur Kenntnis nahm.

„Wie immer der alte Griesgram.“, feixte Joey. „Wie ist denn dein neuer Vater so? Ist er streng?“

Wenn man genau hinsah, sah man aus den blauen Augen Eisblitze raus schießen. „Er ist nicht mein Vater, sondern der Freund meines Vaters.“

„Man bist du genau. Scheinst dich jedenfalls gut erholt zu haben.“

„Hast du ein Problem damit? Und um deine Frage zu beantworten, Yasuo ist nicht streng.“ Seto erschrak vor sich selbst, weil sein Mund schneller war und Yasuo verteidigte.

„Du hast mal wieder Glück, aber wie ich dich kenne, wirst du ihn vergraulen.“

Wütend ballte Seto die Hände zu Fäusten. „Das geht dich nichts an, was ich tue und ob ich Yasuo aus meinem Leben schmeiße, kann dir auch egal sein.“

Joey zuckte nur mit den Schultern. „Sei doch froh das er sich so um dich kümmert. Als Herr Katsuro plötzlich in unserer Klasse stand, hätte ich gerne mit dir getauscht.“

Yugi schaute seinen Freund Joey traurig an, denn er wusste, weshalb er so reagierte. „Hört bitte auf zu streiten, wir wollten uns doch einen schönen Nachmittag machen.“

Doch Joey reagierte nicht auf Yugi und stierte Seto weiterhin wütend an. „Dein Vater hat dich viel zu sehr verwöhnt.“

„Du hättest dich doch nur auf die faule Haut gelegt, nur deshalb bist du neidisch.“, fauchte Seto zurück.

Joey konnte es nicht abstreiten, er war tatsächlich neidisch auf diesen verwöhnten Streber. „Du weißt das gar nicht zu schätzen. Du hast gleich zwei Väter, die sich um dich kümmern.“

Keiner sagte mehr was, weil alle wussten worauf Joey anspielte.
 

Yasuo und Atemu zogen fragend die Augenbrauen hoch, als sie mit ihren Tabletts in den Händen ins Wohnzimmer kamen. „Das Essen ist fertig... Ist alles okay bei euch? Habt ihr euch gestritten?“, sorgte sich Yasuo und sah ganz besonders Seto dabei an.

„Nein“, lächelte Yugi gezwungen. „Wir hatten nur eine kleine Meinungsverschiedenheit.“

Das glaubte Yasuo zwar nicht, aber er beließ es dabei. „Seto, möchtest du jetzt schon was essen? Oder willst du später mit mir und deinem Vater essen?“

Seto biss sich auf die Unterlippe, weil Joey ihn die ganze Zeit anstarrte. „Ich esse später mit euch.“

„In Ordnung.“

Seto zuckte leicht zusammen, als Yasuo ihm von hinten die Hände auf die Schultern legte. „Wenn es dir nichts ausmacht...“, begann Seto. „...würde ich jetzt gerne zu dir in die Küche kommen.“

„Natürlich, über deine Gesellschaft würde ich mich freuen.“ Yasuo spürte wie sich Seto’s Schultern entspannten. „Dann lassen wir Atemu mit seinem Besuch mal alleine.“

Seto nickte, er sah Joey nicht mehr an und verschwand mit Yasuo in der Küche.
 

Wenig später saßen die Vier auf dem Fußboden in Atemu’s Zimmer, aßen Kekse und plauderten ausgelassen über Gott und die Welt. Der kleine Streit von vorhin war längst vergessen, wenn man davon absah, das Seto sich während der ganzen Zeit bei Yasuo aufhielt.

„Bei dir ist das richtig gemütlich.“, bemerkte Joey, während er sich die leckeren Kekse in den Mund stopfte.

„Gleich verschluckst du dich.“, mahnte Thea.

„Was soll ich denn machen, wenn die nun mal so lecker sind. Hätte ich deinem Vater nicht zugetraut.“

„Das höre ich oft.“, lächelte Atemu. „Backen kann er noch besser als kochen.“

„Weil du so gerne naschst.“, lachte Thea, was Atemu rote Wangen bescherte.
 

Yasuo wuschelte Seto durch die Haare. „Du machst ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Wollen wir zusammen dein geliebtes Kartenspiel spielen? Dann kommst du auf andere Gedanken.“

„Von mir aus.“ Gelangweilt stütze Seto seinen Kopf auf seine Hand. Er gewann doch eh. Wenigstens war er nicht allein und Yasuo nahm sich wirklich Zeit für ihn. Auch wenn er es vor Joey niemals zugegeben hätte, war er insgeheim froh, das er nun Yasuo in seinem Leben hatte. Er zwang ihn nicht sich zu den anderen zu setzen und verlor auch kein Wort darüber. Er nahm es einfach hin, wofür Seto ihm dankbar war.
 

„Ich bin Pappsatt.“, lehnte sich Joey zurück.

„Ein Wunder das so viel in dich hineingepasst hat.“, war Atemu beeindruckt. „So viel schaffe ich nicht.“

„So viel schafft keiner.“, sprach Yugi aus Erfahrung, während er sich die Plüschtiere anschaute, die im Regal saßen. „Hat dein Vater die gekauft?“ „Nein, sie sind ein Andenken an meinen Urgroßvater. Ich spiele nicht mehr damit, aber immer wenn ich sie ansehe, kommen Erinnerung an ihn hoch.“
 

Nach einer langen Partie und hartem Kampf musste Seto sich geschlagen geben. „Du hast gewonnen. Können wir noch eine Runde spielen?“

„Ich bin bereit.“

„Du bist ein viel härterer Gegner, als Masao.“

Yasuo mischte seine Karten und überließ Seto den ersten Zug. „So hat jeder seine Stärken und Schwächen.“

Nachdenklich schaute Seto ihn an. „Hast du denn Schwächen? Dir scheint immer alles zu gelingen.“

Überrascht schaute Yasuo in die blauen Augen, die ihn neugierig musterten. „Sehr viele, aber ich kann sie gut überspielen.“

„Welche zum Beispiel?“, bliebt Seto hartnäckig.

Verlegen schaute Yasuo zur Seite. „Ich bin manchmal zu voreilig und zu hitzköpfig.“ Yasuo dachte an vorhin zurück und an seinen letzten Elternabend, bei dem er ein wenig die Kontrolle verloren hatte.

„Wann bist du denn zu voreilig und hitzköpfig?“

Himmel, der Junge blieb aber dran. „Wenn mich ein hochnäsiger Arzt absichtlich einfach anrempelt und mir beide Tassen Kaffee aus den Händen rutschen.“

„Ist das heute passiert?“

„Ja, aber dein Vater war nicht sauer. Der Andere hat schließlich angefangen. Mein schöner Kaffee...“

Seto konnte es nicht verhindern zu lachen. Yasuo klang wie ein kleiner Junge, der was ausgefressen hatte. „Das war bestimmt dieser Hisagi. Ich kann ihn auch nicht leiden. Papa hat schon so oft über ihn geschimpft.“

„Der kann einen wirklich wütend machen.“

„Was hast du denn mit ihm gemacht?“, wollte Seto unbedingt wissen.
 

Joey, der eigentlich nur zur Toilette gehen wollte, stand vor der Küchentür und hörte den Beiden seit einer Weile zu. Er beneidete Seto und hätte so gerne den Platz mit ihm getauscht. Wie gerne würde er jetzt in der Küche sitzen und Karten spielen, sich betüddeln lassen, sich einfach sorglos unterhalten ohne sich Gedanken machen zu müssen. Dabei hatte Seto bereits einen tollen Vater, der alles für ihn tat und jetzt bekam er einen zweiten dazu, der sich um ihn kümmerte, als wäre es nie anders gewesen. Warum war das Leben nur so unfair? Was hatte er verbrochen um diesen Säufer zu bekommen, der sich einen Scheiß für ihn interessierte. Joey stieß sich von der Tür ab und ging zurück zu den anderen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  Usaria
2021-01-31T16:54:11+00:00 31.01.2021 17:54
Hallo Donna,

Wieder ein tolles Kapitel. Ich freue mich so für die zwei. Also wenn ich die Chefin wäre würde ich denen so einen Einlauf verpassen, dass ihnen hören und sehen vergeht, und diesem Hisagi würde ich besonders auf die Finger schauen und beim kleinsten Fehler, die erste Abmahnung! Ich glaube nach drei schriftlichen Abmahnungen kann man jemanden fristlos entlassen.
Das mit Joey tut mir leid. Ich hoffe er vertraut sich Atemu irgendwann mal an. Und wenn dieser es dann seinem Papa erzählt dann kann sich Joeys Vater warm anziehen.
Antwort von:  DonnaHayley
31.01.2021 23:42
Guten Abend!

Da ist Seth wieder zu gutmütig und verhält sich lieber passiv. Yasuo wird noch den kleinen Teufel in ihn wecken und den wirklichen Seth ans Tageslicht locken. Dann ist Schluss mit lustig.
Für Joey ist es hart mit seinem Vater nicht über seine Probleme reden zu können. Dafür ist dieser zu sehr mit sich selbst beschäftig. Aber zu Joeys Geschichte mit seinem Vater werde ich noch ausführlich erzählen. Es ist nicht immer alles schwarz und weiß.
Von:  Duchess
2021-01-30T18:13:28+00:00 30.01.2021 19:13
Awwwmmmmm
Das war so süß!
Dieser Drecksack von einem Hisagi brauchte echt eine Ansage. Oder wohl vermutlich auch mehr als eine. Also selbst wenn man über die Privatangelegenheiten seines Chefs herzieht (was an und für sich ja schon extrem falsch ist) sollte man immer noch den nötigen Respekt seinem Arbeitgeber entgegenbringen.
Und wie niedlich aufgeregt Seth erst mal mach der Aktion war <3
Bin nur gespannt wann Yasuo endlich mit seinem kleinen Geheimnis rausrücken wird.
Antwort von:  Duchess
30.01.2021 19:14
Aber ich freue mich, dass das Treffen mit Atemus Freunden einigermaßen gut gelaufen ist. Joey tut mir wahnsinnig leid.
Aber ja den Neid kann ich nachvollziehen. Dabei ist es egal ob er sich nun mit Seto versteht oder nicht. Er sucht doch nur eine Vaterfigur q_q
Antwort von:  DonnaHayley
01.02.2021 14:07
Die wird Hisagi noch bekommen. Seth muss nur aus der Reserve gelockt werden. :D
Am liebsten hätte Seth das selbst so gemacht, aber was nicht ist kann noch werden.
Lange kann Yasuo es nicht mehr hinterm Berg halten. Das wird noch schwer für ihn werden.
Für Joey ist es besonders schwer, weil Seto anfangs so feindselig gegenüber Yasuo war. Im Grunde kennen sich Seto und Joey nicht richtig und keiner kennt die Geschichte des jeweils Anderen.
Vielleicht ändert sich das noch.
Von:  ireenkaiba97
2021-01-26T22:01:54+00:00 26.01.2021 23:01
toll mach weiter so
Antwort von:  DonnaHayley
27.01.2021 17:16
Lieben Dank, ich gebe mir Mühe.
Von:  CharlieBlade1901
2021-01-25T22:00:26+00:00 25.01.2021 23:00
Ach da ist wieder dieses alkoholiker Klischee von joeys vater. Bloß weil es mal ein Ausschnitt in nem Manga gegeben hat wo man Alkohol Flaschen gesehen hat. Aber es kann auch andere Hintergründe geben. Ein Beispiel mein Opa ist auch immer von der Arbeit heim gekommen und hat zwei Bier vorm Fernseher getrunken. Hat dann mit meiner Oma geredet und ist dann auch mal vorm Fernseher eingeschlafen. Mit beiden Bierflaschen auf dem Tisch. Deswegen war er noch kein alkoholiker. Das sind zu schnelle Vorurteile, ich kenne kaum jemanden, der mal ne nette Ff über joeys Vater schreibt. Ich schreib zum Beispiel eine Sa ist er kein alkoholiker aber sie wohnen trotzdem in nem armen Viertel. Aber er wird trotzdem nicht vom Vater geschlagen. Aber die Geschichte gefällt mir dennoch, mal sehen was Yasou macht, wenn er raus bekommt was bei Joey daheim abgeht, lass ihn das Sorgerecht übernehmen, lass ihn das Sorgerecht übernehmen, lass ihn das Sorgerecht übernehmen. Stoßgebet an den Himmel.
Antwort von:  DonnaHayley
27.01.2021 17:16
Da habe ich ein Klischee ausgepackt, ich weiß.
Ich musste mich zwischen Yugi und Joey entscheiden und da ich, was Joeys Familienverhältnisse angeht, bereits einiges angedeutete habe, kam er am ehesten in Frage. Außerdem mag ich diesen Charakter und er kommt in meiner anderen Geschichte nicht zum Zug. Hier wird er eine größere Rolle einnehmen.
Was deine Stoßgebete angehen, lass dich überraschen. ;)
Antwort von:  Usaria
31.01.2021 17:49
Charlie,

Das mit dem Alkoholiker ist kein Klischee. In der YGO! 0 die bei uns nie aus gestrahlt wurde, gibt es eine Folge es ist die mit den Jojos wo man Joeys Vater zu Gesicht bekommt und er wirklich betrunken ist. Da her. Bei einem Streaming Dienst hab ich mir mal ein paar Folgen an geschaut und Uhuu! Die ist wirklich düster.
Antwort von:  CharlieBlade1901
31.01.2021 18:02
Es ist dennoch ein Klischee denn auch wenn diese Folgen existieren und die Manga Seite auch so werden diese jedes mal wieder in ffs benutzt. Aber man kann sie auch gerne mal aus nem andern Blick Winkel nehmen vllt macht der Vater auch einen Entzug vllt hat ein Nachbar es mitbekommen und das Jugendamt informiert oder ich habe es so geklärt, dass der Vater einfach einen schlecht bezahlten Job hat und sich dennoch gerne mal Bier holt und so wie viele Männer auch einfach unordentlich sind und Joey das genaue Gegenteil von ihm, aber anders als bei andern wird joeys Vater dennoch nicht handgreiflich er hat halt einfach ein kleines Alkoholproblem. Also ja ich für mich ist das Glas immer halb voll denn auch wenn ich weiß dass joeys Vater ein arsch ist und ich nichts dagegen hätte wenn ihm mal jemand eine rein haut (lass es Yasou sein), habe ich nichts gegen ein wenig Abwechslung in Geschichten. Warum immer der alkoholiker mit Handgreiflichkeiten? Es gibt noch andere storylines mit so nem Aufbau, die auch noch interessant sind.


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