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D E A T H

Schrödingers Katze
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Aloha! c;
Da ich plane, alle von mir veröffentlichten Werke auf ff.de auch hier hochzuladen, dachte ich mir, ich fange mit DEATH an. Ein One Shot, der mich so ziemlich alle Nerven gekostet hat; vorallem, weil er auch so ganz anders wurde, als ursprünglich geplant und er mit Sicherheit alles, aber nicht perfekt ist.
Dennoch hoffe ich, dass er euch gefällt und ihr Freude daran habt. c; Komplett anzeigen

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Schrödingers Katze

D E A T H

 

Die Dose Bier zischte in seiner Hand, als er sie öffnete. Einer der letzten Vorzüge, der das Ende der Erde überlebt hatte und seinen Fortbestand auf den Grenzmonden feiern konnte.

Kein günstiges Vergnügen, aber man leistete sich sonst ja nichts.

Kid nahm einen genüsslichen Schluck von dem Bier. Es erinnerte ihn an bessere Zeiten, als man noch im Inneren der Galaxie legal Bier kaufen und trinken durfte - und als es noch besser schmeckte.

Trotzdem war die Nostalgie vorhanden und lenkte ihn für einen Moment von seiner beschissenen Situation ab.
 

Sie - sein Schiff, der Rest der Besatzung und er selbst - trieben seit knapp einer Woche ohne Treibstoff durch die äußeren Ringe der Grenzmonde, ohne Hoffnung auf Rettung.

Durch den fehlenden Treibstoff wurde auch die Sauerstoff- und Stromversorgung knapp; sie atmeten den letzten Rest, der ihnen noch zur Verfügung stand und sollte der auch verbraucht sein...

...würden sie elendig ersticken. Sofern sie vorher nicht schon erfroren waren.

Kid tippte auf den deutlich schmerzhafteren Tod des Erstickens, aber noch waren die Wetten nicht gänzlich abgeschlossen.

Warum sie überhaupt wetteten, wusste er nicht - vielleicht, um sich die Zeit zu vertreiben, vielleicht, um ihren Tod nicht zu verzögern. Gemeinschaftlich hatten sie sich darauf geeinigt, einfach weiterzumachen wie bisher und nicht auf Rettung zu hoffen.

Dementsprechend waren die Vorräte auch schnell knapper geworden; die Atmung flacher und fiel ihnen schwerer.
 

Kid schnaubte, als er die Dose auf den metallenen Tisch vor sich abstellte. Vor ihm, durch die breite Glasfront sichtbar, erstreckte sich die schwarze Weite der Galaxie; völlig unspektakulär, nachdem man sich an den Anblick gewöhnt hatte.

Irgendwo in der Ferne konnte er einen Mond erkennen; die Farbe der Oberfläche verriet ihm, dass er bewohnt sein musste. Doch ohne Strom konnte er keinen Notruf absetzen und so blieb ihm nur, weiter herumzutreiben und auf das Glück zu setzen.

So wie es aussah, war Fortuna nicht auf seiner Seite.

»Das ist doch alles scheiße«, spuckte er aus und hievte sich aus seinem Stuhl. Das Cockpit seines Schiffes war schon nicht mehr besetzt - der, der sein Schiff flog, hatte vor einer Weile aufgegeben und verrottete in irgendeiner Ecke vor sich her.

»Mh?«, hörte er Killer vom anderen Ende des Cockpits aus sagen. Er stand auf der Treppe, die den mittleren Teil des Schiffes und die Ladebucht mit den Wohnräumen und dem Cockpit verband und sah seinen Captain neugierig an.

Die weiße Maske, die er sonst immer trug, hatte er abgelegt und hielt sie stattdessen in der Hand - und zum ersten Mal seit langer Zeit sah Kid seinen besten Freund wieder ohne diese Maske.
 

Er zuckte mit den Schultern, ging mit schweren Schritten auf Killer zu und drängte sich dann an ihm vorbei.

»Wir verrecken, weil unser Mechaniker nicht dran gedacht hat, den scheiß Treibstoff aufzufüllen.«

»Du hast ihn doch schon umgebracht, er hat seine Strafe bekommen.«

Und wie er die bekommen hat.

Kid erinnerte sich gerne daran, wie er den Nichtsnutz von Mechaniker in den abgetrennten Raum der Ladebucht geworfen, die Tür, die zum Druckausgleich und zur Sauerstoffzufuhr die Ladebucht von der riesigen Luke trennte, durch die sie die Waren einluden, geschlossen hatte und das Tor geöffnet hatte.

Innerhalb von nur einem Augenblick wurde er in das Vakuum des Alls gesogen und war elendig verreckt.
 

Vielleicht war das am Ende doch keine gute Idee gewesen. Im Gegensatz zu der Besatzung war er an einem schnellen Tod draufgegangen, während sie über mehrere Tage langsam ersticken würden.

»Aber wegen ihm werden wir alle draufgehen«, widersprach Kid trotzdem und ging den Gang entlang. Alles war mit Metall ausgeschmückt; kein Hauch von Gemütlichkeit oder Geborgenheit konnte aufkommen. Im Gegenteil - Kid fühlte sich regelmäßig an ein steriles Krankenhaus erinnert, obwohl er den Großteil seines Lebens auf Raumschiffen verbracht hatte.

»Ändern können wir es jetzt auch nicht mehr«, zuckte Killer neben ihm mit den Schultern. »Nur noch hoffen.«

Kid schnaubte, sah ihn dann wütend über die Schulter an. Mit der rechten Hand schlug er fest gegen die metallene Auskleidung, hinterließ eine kleine Beule in der Platte.

»Wer verfickt nochmal hofft denn jetzt noch?!«, rief er, »die Scheiße hier ist aussichtslos. Wir können keinen Notruf absetzen, die Notfallgeneratoren sind auch für'n Arsch und wenn wir nicht ersticken, werden wir erfrieren. Die Chance auf Rettung ist eigentlich nicht existent.«
 

Killer seufzte leise, während er weiterging.

»Hoffnung ist für die, die einfach nicht aufgeben wollen, weißt du? Du wirkst, als hättest du schon aufgegeben.«

»Am Arsch hab ich aufgegeben«, Kid schüttelte den Kopf, knurrte leise, »Ich seh nur keinen Ausweg mehr; weiß nicht mehr, was ich machen soll.«

»Ein Anfang wäre, der Crew zu zeigen, dass du noch hoffst«, erwiderte Killer und ging nun gleichen Schrittes wie Kid durch den Gang. Sie hatten die runde Tür fast erreicht, die zum Gemeinschaftsraum führen würde, in dem sich die kläglichen Reste der Mannschaft aufhielt.

Kid schnaubte.

»Damit sie glauben können, dass wenigstens ihr Captain noch 'nen Hoffnungsschimmer sieht? Ich will sie nicht belügen, wir kommen hier nicht mehr raus.«

Killer packte in einem Anflug von unkontrollierter Wut die Schultern von Kid und schüttelte ihn einmal kräftig durch.

»Ich fühl mich hier auch wie in einer gottverdammten Sardinenbüchse, okay? Aber das heißt nicht, dass ich nicht noch einen Ausweg sehen kann, der einem zumindest die Zeit bis zum Ende noch ein wenig verschönert. Es geht verdammt nochmal nicht darum, wirklich auf Rettung zu hoffen, sondern nur darum, dass wir uns am Ende nicht alle gegenseitig die Köpfe einschlagen.«
 

Kid sah ihn für einen langen Moment an.

Seit er denken konnte, hatte er zusammen mit Killer alle möglichen Abenteuer erlebt - und sei es nur, die Schrotthaufen auf ihrem Heimatplaneten zu erklimmen und sich vorzustellen, eines Tages durch die Weiten des Alls zu fliegen.

Manchmal waren sie in Schlägereien in zwielichten Bars geraten, deren Meinung nicht mit ihrer konkurrieren konnte; manchmal hatten sie sich gegenseitig die Köpfe eingeschlagen, weil Kids Temperament mit ihm durchgegangen war.

Aber immer war Killer für ihn dagewesen; diese unumstößliche Stütze, diese uneinnehmbare Festung, die er darstellte, war nie von seiner Seite gewichen.

Nicht einmal nach der Sache mit Law.
 

Schnell schüttelte er den Kopf, grinste dann sein freches, provokantes Grinsen und zuckte gelassen mit den Schultern, bevor er Killers Hände abschüttelte.

»Keine Sorge«, sagte er dann, »bevor sich diese Schwachköpfe die Schädel einschlagen, geb ich ihnen den Gnadenschuss.«

Killer stieg in das Grinsen mit ein.

»Das wollt ich hören, du Spinner«, antwortete er dann und öffnete die Tür zum Gemeinschaftsraum.

Da der Strom ausgefallen war, funktionierten die automatischen Bewegungsmelder nicht mehr, weshalb sie alle Türen von Hand aufdrücken und zuziehen mussten; immer darauf bedacht, einen Spalt offen zu lassen, um den Raum nicht vollends zu schließen.

Einige Türen konnten sie nicht mehr öffnen, was ihnen wichtige Teile des Schiffes abgeschnitten hatte: einige Wohnräume waren verloren, genauso wie die Krankenstation und die gemeinschaftlichen sanitären Anlagen. Zur Verfügung standen ihnen lediglich die Toiletten und Waschbecken in den Wohnräumen, sie die durch das begrenzte Wasser allerdings nicht ausgiebig nutzten; durch den langsamen Verfall des Schiffes aber konnten sie die Abwassertanks nicht mehr leeren.

An den Gestank hatten sie sich schnell gewöhnt, an den Mangel von Hygiene allerdings nicht.
 

Kid und Killer traten in den Gemeinschaftsraum. Um eine Ansammlung von Kerzen hatten sich die restlichen Mitglieder der Crew versammelt und spielten mit abgenutzten, grauen Karten.

Altmodischer Kram, mit dem Kid nie wirklich viel anfangen konnte, wo die Menschheit doch technisch so weit fortgeschritten war, aber er war Killer für den Hang zum Schnickschnack ausgesprochen dankbar.

Es hatte ihnen in der letzten Woche mehr als einmal das verdammte Leben gerettet.

Sie setzten sich zu den verbliebenen Mitgliedern an den runden Tisch und bekamen gleich Karten ausgeteilt. Killer widmete sich aber nicht dem Spiel, sondern lieber dem merkwürdigen Gerät, das er aus irgendeiner verstaubten Kiste gekramt hatte:

Ein rundes Ding mit einem Lautsprecher in der Mitte, einem Kabel und Telefonhörer an der rechten Seite und einer Scheibe über dem Lautsprecher. Es sah fast aus, wie eine fette Schnecke mit ihrem Gehäuse.

Seit Tagen fuchtelte er schon an diesem Ding herum, was er damit aber bezwecken wollte wusste Kid nicht. Er wunderte sich nur über den neuentdeckten Hang für altes Zeug, den Killer in kürzester Zeit entwickelt zu haben schien.
 

»Yo, Captain?«

»Mh?«, antwortete Kid abwesend, als er seine Karten durchging und sie absteigend sortierte.

»Wir haben eben ein Schiff gesehen. Ich glaub, es hat uns gescannt.«

Beinahe sofort lag Kids gesamte Aufmerksamkeit auf dem Kerl, der ihm diese Nachricht überbracht hatte. Ein Schiff?! Unmöglich, niemand außer irgendwelche Gesetzlosen würden sich in diesen Gefilden des Universums rumtreiben - schon gar keine Kreuzer, die sie scannen würden.

Kid und Killer warfen sich einen vielsagenden Blick zu, dann ließ Kid die Karten fallen, griff über den Tisch hinweg nach den Haaren des Kerls und schlug seinen Kopf mit erschreckender Härte auf den kalten Tisch.

»Was?!«, donnerte er, schlug den Kopf seines Crewmitglieds erneut auf den Tisch, bevor er ihn losließ, »und sowas sagst du uns erst jetzt, du Vollidiot?!«

Killer stand auf, ging zu dem Kerl hin und stellte sich hinter ihn. Kid konnte sehen, dass sein bester Freund mit sich rang - zwischen Hoffnung und Misstrauen hin und hergerissen.

»Hast du das Modell erkannt?«, fragte Killer ruhig und behielt Kid aufmerksam im Blick.

»Nein, hab ich nicht. War aber nicht sonderlich groß, also kein Kreuzer. Hab nur gesehen, wie sie langsamer wurden. Haben aber wohl keine Restwärme-«
 

Das Ding, an dem Killer herumgefuhrwerkt hatte, begann seltsame Geräusche zu machen. Es klang fast wie ein Anruf, aber war abgehackt und es fiel einem schwer, die Worte zu verstehen, die durch den rauschenden Lautsprecher dröhnten.

Kid sah das Ding vorwurfsvoll an. Wenn es ihnen jetzt Hoffnung auf eine tatsächliche Rettung machte, die dann doch nicht eintreffen würde, würde er es in seine Einzelteile zerlegen.

Killer beeilte sich, zu dem Ding hinzukommen und schraubte an ein paar Schrauben herum. Nur Momente später wurde das Rauschen leiser und die dröhnenden Worte deutlicher.

Kids Herz sackte ihm in die Hose, als er die Worte hörte. Es war fast, wie das unwirkliche Wunder, das sich ihnen eröffnet hatte - unerwartet, aber schöner als alles, was sie je erlebt hatten.
 

»Hier spricht die P.T.01, Erkennungszeichen DFDS0610, Captain Trafalgar Law. Wir haben Ihr Schiff gescannt und Zeichen von Restwärme wahrgenommen. Falls Sie mich hören können, antworten Sie.«
 

Zusätzlich zu der grenzenlosen Hoffnung, die ihn erfüllte, mischte sich absoluter, bodenloser Hass hinzu. Kid runzelte die Stirn, starrte das Ding missmutig an.

Über seinen Schatten zu springen und sich und die Crew zu retten sprach gegen seinen Stolz, es aber nicht zu tun gegen seinen Überlebensinstinkt.

Die Nachricht, die das fremde Schiff ihnen sandte, wiederholte sich. Vermutlich würde sie es nur für eine begrenzte Zeit tun, bis der Captain der P.T.01 den Befehl zur Zerstörung des verwahrlosten Schiffes geben würde.

Kid überlegte nur kurz.

»Können wir ihnen antworten?«, fragte er Killer, der von dem Ding zu ihm hinsah und dann mit den Schultern zuckte. »Wenn wir die richtige Frequenz erwischen, bestimmt... aber hältst du das für eine gute Idee?«

Kid schnalzte mit der Zunge.

»Scheiß auf gute Idee, es ist 'ne Chance zu überleben! Versuch Frequenz 1001«, wies er seinen besten Freund an und trat zu ihm herüber.

Es dauerte nur einen kurzen Moment, bis Killer die richtige Frequenz gefunden hatte und ihm dann den Hörer reichte.
 

»P.T.01, hier spricht das Schiff von Eustass Kid, wir hören Sie. Wir haben keinen Treibstoff mehr und Wärme, Sauerstoff und Nahrung gehen langsam zur Neige.«

Es dauerte einen langen Augenblick, bis sich die P.T.01 wieder meldete. Kid glaubte, dieser Augenblick wäre der längste seines Lebens, bis er erleichtert ausatmete, als er das dumpfe Rauschen wieder hörte.

Law klang noch immer wie früher, wenn auch müder. Man hatte ihm schon immer die Müdigkeit angehört, auch wenn man es für seinen normalen Tonfall halten könnte. Wenn man ihn aber ausgeschlafen kannte, so wie Kid, fiel es einem mit erschreckender Deutlichkeit auf.
 

»Captain Eustass Kid, aus wie vielen Männern besteht Ihre Mannschaft? Gibt es Verletzte auf ihrem Schiff?«
 

Ah, ganz wie früher. Kid schnaubte unzufrieden. Law ließ es sich nicht anmerken, dass es ein schrecklicher Zufall war, dass ausgerechnet er Kid aufgabeln würde.

Grundsätzlich ließ er sich gar nichts anmerken.

»Wir sind nur noch zu sechst, aber Verletzte gibt es keine. Zumindest keine Verletzungen, die jemanden einschränken würden oder die nicht von alleine verheilen würden.«
 

Wieder dauerte es einen unsagbar langen Moment, bis Law antwortete. Gespannt saß Kid vor dem Ding und starrte es in Grund und Boden, bis es wieder das Rauschen von sich gab - das schönste Geräusch seit Langem.
 

»In Ordnung. Machen Sie Ihr Schiff bereit zum Andocken. Wir sind in etwa zehn Minuten da. Packen Sie das Wichtigste zusammen und bereiten Sie sich auf eine Durchsuchung vor, wenn Sie unser Schiff betreten wollen. P.T.01, Trafalgar Law, Ende.«
 

Kid tauschte erst einen Blick mit Killer, dann mit dem Rest seiner Mannschaft, bevor er breit zu Grinsen begann. Das Feuer in seinen Augen loderte wieder; sein Abenteuergeist, der unerschütterliche Wille zu Leben war wieder erwacht.

Schnell scheuchte er seine vier Crewmitglieder auf, um ihre Sachen zu packen. Killer und er warteten im Gemeinschaftsraum - sie hatten nichts, das sie behalten wollten, das sie mitnehmen wollten.

Sie waren noch nie Männer gewesen, die an Andenken festhielten; sie waren frei, waren immer darauf gefasst gewesen, ihre Heimat zurücklassen zu müssen.

»Was ist das eigentlich für ein Ding?«, fragte Kid, als er zum ausgeschalteten Kühlschrank lief und sich eine Dose Bier herausholte. Er setzte sich an den Tisch, legte die Füße auf die metallene Platte und öffnete die Dose mit einem lauten Zischen.

Aufgeregte Geräusche drangen von den Wohnräumen zu ihnen herüber, während Killer fast schon stolz auf das Ding, ihren Lebensretter klopfte.

»Ein altes Funkgerät«, zuckte er mit den Schultern, »hab ich auf irgendeinem Planeten mal gekauft und wieder zum Laufen gebracht.«

»Es braucht keinen Strom?«

»Batterien«, antwortete Killer grinsend und deutete auf eine kleine Klappe an der Rückseite. »Ist zwar scheiße teuer heutzutage, aber hätten wir das Ding nicht, hätten wir keinen Kontakt zu ihnen aufnehmen können.«
 

Kid neigte den Kopf, sah das Funkgerät einen Moment nachdenklich an.

»Überraschend, dass die neuen Geräte die gleichen Frequenzen nutzen«, meinte er dann und sah zu Killer, der mit den Schultern zuckte.

»Glücklicher Zufall? Keine Ahnung, hat aber doch funktioniert. Woher wusstest du eigentlich, welche Frequenz sie nutzen?«

Nun grinste Kid, winkte ab.

»War nur so eine Vermutung«, antwortete er, sah dann durch eines der wenigen Fenster nach draußen.

Dort lag noch immer die unendliche Weite vor ihm, allerdings war ein kleiner, glühender Punkt vor ihnen aufgetaucht - die P.T.01.

Ein vergleichsweise großes Schiff, mit schrecklich penetranter gelber Lackierung. Man würde dieses Schiff überall im Universum erkennen, es konnte nur zu Trafalgar Law gehören.
 

Noch flog das Schiff in atemberaubender Geschwindigkeit auf sie zu, wurde aber merklich langsamer, als sie nur noch wenige Augenblicke von ihnen entfernt waren.

Kid leerte das Bier in seiner Hand, stand dann auf und trommelte seine Crew mit ein paar Rufen in der Ladebucht zusammen, bevor er sich vor ein Pult stellte.

Normalerweile würden die Knöpfe nun leuchten und die Türen automatisch öffnen und schließen, nun aber würde er den Mechanismus manuell entriegeln müssen. Ein großer Schalter an der rechten Seite des Pultes machte ihm das möglich.

Er legte ihn um und die Hydraulik innerhalb der Maschinerie machte ein unschönes Geräusch, öffnete aber mit letzter Kraft die Andockluken für die P.T.01.
 

Einen Moment später sahen sie, wie das gelbe Schiff neben ihnen zum Stehen kam und die Greifarme ausfuhr, die sie mit ihrem Schiff verbinden würde. Die P.T.01 dockte an, was einen ordentlichen Ruck durch das Schiff von Kid jagte, aber ihnen dann die Möglichkeit gab, durch einen ausgefahrenen, kleinen Tunnel in die P.T.01 zu steigen.

Kid gab Killer mit einem Nicken ein Zeichen, der dann mit bestialischer Kraft das Tor öffnete und ihnen den Weg ebnete. Sie stiegen durch den Tunnel, wurden dann in einem hellen Raum empfangen, in dem mehrere Männer in knatschgelben Anzügen auf sie warteten.

»Willkommen«, begrüßte sie ein großgewachsener Mann, dessen Gesicht man nur schwerlich erkennen konnte, »auf der P.T.01. Wir werden Sie einem kleinen Überprüfungsprogramm unterziehen, was eine körperliche und seelische Überprüfung Ihrer Gesundheit beinhaltet und Ihnen dann Nahrung, Wohnräume und sanitäre Anlagen zur Verfügung stellen. Danach wird unser Captain mit Ihnen reden wollen, Captain Eustass Kid.«
 

Kid musterte den Mann einen Augenblick. Viel mehr als wage Gesichtsformen konnte er nicht erkennen, aber die Stimme kam ihm bekannt vor. Dennoch konnte er sie auch nach mehrminütigem Nachdenken nicht zuordnen, also ließ er es einfach bleiben.

»Einverstanden«, antwortete er dem Mann und sah dabei zu, wie sie alle in verschiedene Räume geführt wurden, die durch den gleichen Gang miteinander verbunden waren.

Kid wurde in den ersten Raum links hineingeführt, während Killer den Raum ihm gegenüber betreten musste.

Ihm folgte der gleiche Mann, der sie auch begrüßt hatte.

»Captain Eustass Kid«, sprach er, bot ihm dann den einzigen Stuhl in dem äußerst sterilen Raum an, auf den sich Kid setzte. »Wie erwähnt steht Ihnen eine Untersuchung bevor, was bedeutet, dass ich Sie berühren und auf Waffen und Verletzungen prüfen muss. Das kann unangenehm werden. Sind Sie mit der Prozedur einverstanden?«, fragte der Kerl in dem gelben Anzug und sah ihn erwartungsvoll an.

Kid neigte den Kopf.

»Was passiert, wenn ich ablehne?«

»Dann werden Sie in eine Sicherheitszelle verfrachtet und fristen dort Ihr Dasein, bis wir auf dem Gefängnisplaneten Punk Hazard ankommen und Sie den dortigen Behörden aushändigen«, antwortete der Mann und zuckte mit den Schultern.
 

Kid schüttelte sich leicht.

Punk Hazard war der letzte Planet, auf dem er landen wollte. Unschöne Lebensbedingungen erwarteten einen dort; manche behaupteten auch, dass unmenschliche Experimente an einem durchgeführt werden würden, aber so wirklich konnte man das nicht nachvollziehen, da niemand lebend diesen Planeten verlassen hatte.

Dann schnaubte er resigniert und nickte schließlich dem gelben Mann vor ihm zu.

»Na, meinetwegen. Aber wehe, du gehst mir an die Eier, ich schwöre-«

»Das ist leider notwendig, Captain«, unterbrach der Kerl ihn dreist und neigte den Kopf. Durch den durchsichtigen Schutz seines Gesichtes konnte Kid dennoch das schadenfrohe Grinsen erkennen.

Drecksack.

»Mach, was du willst«, gab Kid dann schließlich auf, »aber beeil dich.«

»Selbstverständlich, Captain.«
 

Und dann begann die wohl unangenehmste Untersuchung, die Kid in seinem Leben je gehabt hatte - begleitet von den schlimmsten Beschimpfungen und Flüchen, die ihm auf die Schnelle einfielen.

Ich schwöre, wenn Law das nur gemacht hat, um mir eins auszuwischen, werd ich ihn umbringen.
 

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»Wir sind fertig«, sprach der Mann im gelben Anzug und zog sich die weißen Latexhandschuhen von den Fingern. Mit einem zufriedenen Grinsen schälte er sich aus dem Anzug, legte ihn fein säuberlich zusammen und bettete ihn auf die niedrige Kommode, die den Raum schmückte.

Kid währenddessen zog sich seine Kleidung wieder an. In seinem Leben hatte es nur wenige Augenblicke gegeben, die ihm so dermaßen unangenehm gewesen waren, wie diese gottverdammte Untersuchung von dem gelben Männchen.

Er war wirklich gründlich gewesen auf seiner Suche nach Waffen oder Verletzungen, die sich entzünden und somit eine Gefahr für die gesamte Besatzung der P.T.01 darstellen könnten. Gefunden hatte er zwar nichts, aber er hatte ihm im gleichen Atemzug noch eine genauere Untersuchung versprochen, die etwaige Infektionen ausschließen sollte.

Die war zwar grundsätzlich nur halb so schlimm, aber Kid hasste Nadeln. Und noch mehr hasste er dieses schwarze Damoklesschwert über seinem Kopf, das sich Blut abnehmen nannte.
 

Nachdem Kid seine Kleidung wieder angezogen hatte, verließ er den Untersuchungsraum. Seine Mannschaft war mit den Untersuchungen noch nicht fertig, wie man ihm im Flur auf seine Nachfrage hin mitteilte und so zeigte man ihm treudoof den Weg zum Aufenthaltsort des Captains des Schiffes.

Auf dem Weg dorthin wurde Kid immer unruhiger. Es war eine verdammt lange Zeit her, als er Law das letzte Mal gesehen hatte und sie waren alles, aber nicht gut auseinander gegangen.

Ob Law sich das anmerken lassen würde? Eine gewisse Wut staute sich in Kids Magen, drohte sich auszubreiten und seinen Verstand zu vergiften. Würde Law auch nur die kleinste Regung zeigen, würde Kid sich wie ein gefährliches Raubtier darauf stürzen und ihn in Stücke reißen.

Würde er sich allerdings nichts anmerken lassen, würde Kid ihn dennoch zur Rechenschaft ziehen.
 

Die P.T.01 war ein hochmodernes Schiff. Überall an den Decken hingen grelle, kaltes Licht ausstrahlende Röhren, hin und wieder konnte Kid eckige Maschinen in den Wänden ausmachen, die auf Befehl hin unterschiedliche Dinge zum Vorschein brachten und außerdem sah er durch die Fenster in einigen Räumen hochmoderne Technologie.

Law war seinem Steckenpferd also treu geblieben.

Kid schnaubte leise, während er dem Mann folgte, der ihn durch das Raumschiff führte. Er trug eine schwarze Mütze, tief ins Gesicht gezogen, sodass man von seinem Profil lediglich Nase und Mundpartie erkennen konnte.

Die paar Fragen, die Kid ihm stellte, wurden einsilbig beantwortet und so hatte er es schnell aufgegeben, sich mit ihm unterhalten zu wollen.

Überrascht blieb Kid stehen, als sein Lotse plötzlich stehenblieb und auf einen Raum deutete. Durch das kleine Fenster in der Tür konnte er nur wage etwas wie einen Operationssaal erkennen; grüne Tücher verhüllten das, was da auf dem Tisch lag und um ihn herum standen mehrere Männer in den gleichen gelben Schutzanzügen wie der Typ, der Kid eben noch untersucht hatte.

Ihm blieben nur wenige Augenblicke, das Spektakel durch die kleine Fensteröffnung zu beobachten, bis er sah, dass sich einer der Männer die Handschuhe auszog und auf die Tür zukam.
 

Kid erkannte ihn sofort.

Zwar wurde die Hälfte seines Gesichtes von einem grünen Mundschutz verdeckt, aber diese grauen Augen würde Kid überall wiedererkennen. Er hatte sich in aller Seelenruhe aus dem Schutzanzug geschält und war dann vor die Tür getreten, die er langsam hinter sich schloss.

Der Kerl neben Kid deutete eine Verneigung an, bevor er sich mit einem leisen »Captain« von ihnen verabschiedete.

Für einen langen Augenblick sahen sich Kid und Law an, bevor letzterer den ersten Schritt wagte.

»Lange nicht gesehen, Kid-ya«, sagte er und grinste ihn an, nachdem er den Mundschutz von seinem Gesicht gelöst hatte.

Kid musterte ihn kurz. Viel verändert hatte sich Law in all den Jahren nicht; er war immer noch genauso schlank wie früher, hatte aber sichtlich an Muskeln zugelegt. Die Haare lagen ihm immer noch matt auf dem Schädel, aber die Augen hatten ihren Glanz nicht verloren.

Stoisch, fast provokant sah er Kid an und neigte den Kopf.

»Willkommen auf meinem Schiff«, fügte er dann hinzu, was Kid zum Schnauben verleitete.

»Sonderlich willkommen fühle ich mich hier nicht«, meinte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Der Größenunterschied zwischen ihnen fiel hier unter der niedrigen Decke besonders auf. »Dein Kollege hat mich eben besonders gründlich auf Waffen und Verletzungen geprüft. Keine sonderlich angenehme Angelegenheit.«
 

Law grinste ihn verschmitzt an, zuckte dann gelassen mit den Schultern.

»Standardprozedur. Da müssen alle Gäste durch«, antwortete er dann und ging einige Schritte, bevor er Kid auffordernd über die Schulter ansah, bis der ihm folgte.

Sie gingen einige Meter schweigend, dann wurde es Kid zu viel. Law schien sich nicht in der Position zu fühlen, das anzusprechen, was vor einigen Jahren zwischen ihnen vorgefallen war.

Mit einem wütenden Schnauben griff er nach Laws Oberarm, brachte ihn so zum Stehen und drehte ihn mit einem groben Handgriff zu sich um. Aufgebracht sah er ihn an, quetschte den Oberarm in seiner Hand in ungehaltener Wut.

Eine Wut, die viele Jahre schwelen konnte, bis sie nun endlich zur Flamme geworden war und einen immensen Brand in Kid auslösen konnte.

»Was fällt dir eigentlich ein?!«

Kid sprach, trotz seiner unbeherrschten Wut, leise - unnötige Aufmerksamkeit wollte er nicht auf sich lenken. Zwar konnte er sich vorstellen, dass Law einigen seiner Crewmitglieder erzählt haben musste, was geschehen war, aber an die große Glocke hängen wollte er es dennoch nicht.

»Was genau meinst du?«, erwiderte Law und sah ihn gelassen an, als würde es ihm absolut nichts ausmachen, dass sein rechter Oberarm gerade malträtiert wurde und als würde er nicht genau wissen, was Kid ansprechen wollte.
 

Es fuchste Kid; es machte ihn regelrecht rasend, dass Law dieses Thema mit seiner gottverdammten Gelassenheit und Emotionslosigkeit überspielen wollte, obwohl ihm bewusst war, dass Law nicht halb so eisig war, wie er gerne vorgab zu sein.

Diese Anteilnahmslosigkeit war etwas, das Kid einen Stich versetzte, seine Wut aber nicht milderte.

»Du weißt ganz genau, was ich meine«, sagte er und biss sich auf die Zunge. Jetzt laut zu werden und die Kontrolle über sein Temperament zu verlieren, wäre ein fataler Fehler.

Immerhin stand es Law frei, sie allesamt auf Punk Hazard abzusetzen und dort verrotten zu lassen.

»Warum? Warum hast du dich damals hierfür entschieden?«
 

Law sah ihn lange an, bevor er ihm eine Antwort gab. Zwar bestand sie nur aus einem betretenen Schweigen und einem Blick, der sich für seine Tat wohl entschuldigen wollte, aber schlussendlich war es keine zufriedenstellende Antwort.

»Lass uns später darüber reden«, wich Law dann dem Thema zwischen ihnen aus, löste seinen Arm aus Kids Griff und ging weiter. »Immerhin haben wir auch noch andere Dinge zu besprechen. Warum ihr bei den Grenzmonden unterwegs wart, warum ihr keinen Treibstoff mehr hattet, wo euer Ziel ist und was ihr gedenkt, dort zu tun.«
 

Kid schnaubte, gab sich vorerst aber damit zufrieden.

Immerhin war es ein Fortschritt. Als er Law die gleiche Frage gestellt hatte, war er ihm nur ausgewichen und hatte keine Spur der Reue gezeigt - nicht auch nur einen kleinen Funken.

Dieser Blick aber, mit dem Law ihn vorhin bedacht hatte, war Reue genug. Kid hatte ihn in all der Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, nur selten so gesehen - dass er aber nochmal in diesen Genuss kommen würde, hätte er nicht gedacht.

Eigentlich hatte er sich während der Untersuchung nur Gedanken darum gemacht, wie dieses Gespräch verlaufen würde. Kid hatte mit Zeter und Mordio gerechnet; dass Law ihn ohne Umschweife nach Punk Hazard schicken würde oder dass er ihn ohne Antwort stehen lassen würde.

Oder, und das war eine der wahrscheinlichsten Möglichkeiten gewesen: er hätte Kid umgebracht, ohne groß zu zögern.
 

»Wir hatten eine Lieferung von den Inneren Planeten«, erzählte Kid nach einem Moment, in dem er sich gefangen und beruhigt hatte, bevor er Law folgte. »Waffen, falls du es genau wissen willst. Der Bürgermeister von Rainbase hat veranlasst, dass man auf seinem Schandfleck von sandigem Mond ein paar Waffen deponiert, falls ein Bürgerkrieg ausbrechen sollte. Damit er sich verteidigen kann.«

Kid zuckte mit den Schultern, auch wenn Law es nicht sehen konnte.

»Dementsprechend ist unser Ziel Alabasta und was wir dort zu tun hatten, kannst du dir bereits denken. Warum wir keinen Treibstoff mehr hatten ist auch leicht erklärt: unser Mechaniker, der dafür zuständig war, hatte sich wohl sein Hirn weggesoffen und den Treibstoff vergessen zu tanken, als wir unseren letzten Stop auf einem der Planeten hatten.«
 

Law drehte den Kopf ein wenig, sah Kid für einen Moment an, bevor er die vor sich liegende Tür öffnete und hineinging.

Kid folgte ihm in den großzügigen Raum, der hell erleuchtet vor ihm lag: stattlich eingerichtet, mit einem richtigen Bett samt Holzrahmen. Neben dem Bett standen zwei Nachtschränke, während die rechte Seite des Zimmers von einem Wandschrank in dunklem Holz ausgekleidet wurde.

Die linke Seite allerdings war nicht von Möbeln versperrt, sondern bot freie Sicht auf einige Bilderrahmen, in denen Zeitungsartikelausschnitte und ein paar verblichene Bilder ausgestellt wurden.

Für einen kurzen Augenblick glaubte Kid, auch ein Bild von ihnen beiden zu sehen, verwarf den Gedanken aber gleich wieder.

Es war unwahrscheinlich, dass Law Bilder von ihnen aufgehoben hatte.
 

»Du bringst mich in dein Schlafzimmer?«, stellte er dann die empörte und zeitgleich überraschte Frage, verschränkte wieder die Arme vor der Brust und schnaubte unzufrieden.

Er konnte nicht fassen, dass Law sich wirklich wagen würde, ihn in sein Schlafzimmer zu bringen.

Law hingegen schüttelte den Kopf.

»Es wurde ausgeschrieben als das Schlafzimmer des Captains, ja. Allerdings habe ich hier bestimmt so viel Zeit verbracht wie du mit ehrlicher Arbeit. Also... gen null.«

»Und was soll ich hier?«

Law zuckte mit den Schultern, sah Kid provokant an. Irgendetwas lag in seinem Blick, das Kid nicht wirklich zu deuten wusste, etwas, das versteckt werden wollte - Wehmut vielleicht?

»Von mir aus kannst du hier tun und lassen was du willst, es ist mir egal. Da ich es nicht als mein Schlafzimmer sehe, dachte ich, ich könnte es auch dir überlassen, für die Zeit, in der du Gast auf meinem Schiff bist.«

»Nein, wie großzügig von dir, Captain Trafalgar Law«, verdreht Kid die Augen, geht dann aber ein paar Schritte in das Zimmer hinein.

»Sind das etwa die Vorzüge, die man genießen darf, wenn man seine Freunde und Partner verrät und in den Dienst eines größenwahnsinnigen Irren eintritt?«
 

Law ließ sich Zeit mit einer Antwort, ging währenddessen aber in Richtung der Tür, die auf den Flur hinausführte.

»Ja«, antwortete er dann schlicht, »genau das sind die Vorzüge. Dass ich allerdings andere Pläne hatte, hat dich nie interessiert. Du warst nur ein kleines, bockiges Kind, das nicht verstehen wollte, warum ich euch zurückließ.«

»Ich verstehe es auch heute noch nicht.«

Ein Grinsen bildete sich auf Laws Lippen.

»Dann bist du immer noch ein bockiges Kind.«
 

Damit verließ er das neue Gemach von Kid, zog die Tür hinter sich zu und ließ ihn alleine.
 

Kid starrte die Tür wütend an, bevor er sich auf das Bett setzte. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er das letzte Mal so bequem liegen konnte - vermutlich hatte er es auch noch nie getan.

Seit Jahren - nein, eigentlich seit er denken konnte - hatte er immer nur auf provisorischen Betten oder Hängematten geschlafen, aber niemals in einem so massiven Bett.

Und... wenn er ehrlich zu sich selbst war, konnte er sich daran durchaus gewöhnen.
 

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Irgendwann war Kid eingeschlafen. Als er wieder aufwachte, hatte er sein Gesicht in dem überaus weichen Kissen vergraben, das noch dazu nach Law roch.

Wenn auch schwach, aber auch diesen Geruch würde er niemals vergessen. Der kühle Geruch nach sterilem Desinfektionsmittel und dem gegensätzlichen, warmen Duft nach Kaffee war unvergleichlich und nur bei Law vorzufinden.

Einen kurzen Moment gönnte er sich dieses Gefühl, das ihn übermannte und an bessere, andere Zeiten erinnerte, bevor er sich aus dem Kissen schälte und aufstand.
 

Er wusste nicht, dass sich frischer Sauerstoff aus den Filteranlagen eines hochmodernen Schiffes so unbeschreiblich gut in den Lungen anfühlen würde, aber nach den Tagen in stickigem, engem Raum mit verschiedenen, unangenehmen Gerüchen, war es paradiesisch.

Kid stand auf. Eine Dusche hatte er dringend nötig, genauso wie ein weiteres Gespräch mit Law. Immerhin wusste er nicht, ob Law ihn und seine Crew auf Alabasta absetzen würde oder nicht.

Draußen auf dem Flur fragte er willkürlich den ersten Kerl, den er zu fassen bekam, nach den Duschen. Frische Kleidung hatte er zwar nicht, aber trotzdem würde eine heiße Dusche Wunder bewirken können.

Man zeigte ihm die sanitären Anlagen - und soweit er das beurteilen konnte, waren auch diese hier für den Captain vorgesehen.

Ob Law seinen Leuten den Befehl gegeben hatte, Kid so dermaßen zu bevorzugen? Schließlich hätte er auch nichts dagegen einzuwenden gehabt, hätte er in einer Gemeinschaftsdusche duschen müssen.
 

Schlussendlich war es ihm aber auch egal, weshalb er sich auszog und in die geräumige Dusche stellte. Aus der Decke, in der kleine Düsen angebracht waren, strömte warmes Wasser, sobald er unter ihnen stand. Genießerisch schloss Kid die Augen, legte den Kopf in den Nacken und stand für einen Augenblick einfach nur da, genoss das Gefühl auf der Haut.

Nach diesem Moment suchte er nach der Seife, fand hingegen aber das Duschgel - und freute sich innerlich. Duschgel war heute nur noch auf den Inneren Planeten zu finden und scheiße, es war verdammt teuer.

Niemand, der von kleinen Aufträgen lebte, würde sich sowas kaufen.

Da es ihm hier aber so großzügig zur Verfügung gestellt wurde...
 

Kid mochte den Geruch von dem Duschgel nicht, genoss aber das samtige Gefühl, das es auf seiner Haut hinterließ, selbst, als er sich abgetrocknet hatte.

Über weißen Rohren, die neben der weiträumigen Dusche angebracht waren, hing ein Handtuch, das er sich um die Hüfte gebunden hatte.

Während er geduscht hatte, hatte man ihm wohl neue Kleidung gebracht, denn seine eigene lag nicht mehr dort, wo er sie abgelegt hatte.

Über dem Waschbecken hing nun seine neue Kleidung, die er erst argwöhnisch betrachtete, dann aber anzog.

Kid merkte schnell, dass es dennoch alte Kleidung war. Seine eigene, alte Kleidung. An das bordeauxrote Shirt und die schwarze Hose erinnerte er sich nur zu gut - es war seine Lieblingskleidung gewesen, als er noch mit Law zusammengelebt hatte.

Ein schmales Grinsen stahl sich auf Kids Lippen, bevor er aus dem Bad trat und den gleichen Kerl, den er hiernach gefragt hatte, darum bat, ihn zu Law zu bringen.
 

Wieder führte man ihn gefühlt durch das gesamte Schiff und langsam verlor er die Orientierung. Wenn er später nochmal das Schlafzimmer fand, wäre er sicherlich genauso glücklich darüber wie über die heiße Dusche.

Kid fand Law schließlich in einem nüchtern eingerichteten Raum, in dem einige Monitoren standen. Law saß mit gerunzelter Stirn davor und tippte energisch auf ihnen herum, aber sie schienen nicht zu reagieren.

Als er Kid bemerkte, widmete er sich lieber ihm statt der störrischen Technik.

»Gut siehst du aus«, sagte er zur Begrüßung, während Kid abwinkte.

»Spar dir das.«

»Meinetwegen«, zuckte Law mit den Schultern und durchquerte den Raum, um zu einer dieser in die Wand eingelassenen viereckigen Maschinen zu gelangen. »Kaffee?«

»Echter Kaffee oder nur diese billige Imitation?«

»Echter Kaffee«, lächelte Law.

»Dann ja.«
 

Neugierig beobachtete Kid ihn, wie er ein, zwei Knöpfe auf der glatten Oberfläche betätigte und dann stumm davorstand. Die Maschine röchelte einmal, dann gab sie ein leises Piepsen von sich und begann damit, die Bohnen zu rösten und zu zermahlen.

Kid liebte den Geruch von frischem Kaffee fast mehr als er Laws Geruch geliebt hatte. Es war immer ein Highlight für sie gewesen, wenn sie ihr hart erspartes Geld in eine Lieferung Bohnen investiert hatten und der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee ihr spärliches Heim durchzogen hatte.

Einen Moment später reichte Law ihm einen metallenen Becher. Kid prüfte die Konsistenz kurz, gab sich dann aber lächelnd damit zufrieden.

Law schmunzelte.

»Ich hoffe, du trinkst ihn noch wie früher.«

»Natürlich. Solche Gewohnheiten ändert man nicht - auch wenn man jahrelang keinen Kaffee mehr getrunken hat.«
 

Zufrieden nahm Kid einen Schluck - und war der festen Überzeugung, dass das hier der beste war, den er jemals getrunken hatte.

»Mh, warum ich eigentlich hier bin...«

»Du fragst dich, wo ich dich und deine Crew hinbringe, richtig?«

Kid nickte.

»Nach Alabasta«, stellte Law ruhig fest und ließ sich wieder auf seinem Stuhl nieder, während Kid es vorzug, sich gegen die Wand zu lehnen und zu stehen.

»Dort könnt ihr euer Schiff auftanken, euren Auftrag erfüllen und dann kreuzen sich unsere Wege nie wieder.«
 

Vielleicht ein wenig wehmütig hob Kid seinen Blick wieder.

»Warum?«

Es war keine Gegenfrage auf die vorangegangene Antwort - es war die gleiche Frage, die Kid schon seit Jahren quälte.

Law seufzte leise.

»Ich wollte Doflamingo zerstören«, sagte er leise, sah Kid nicht mehr an, sondern schien ein Loch in den metallenen Boden stieren zu wollen. »Für das, was er mir - uns - angetan hatte. Und das ging am Besten von Innen heraus.«
 

»Und deshalb bist du sein Handlanger geworden? Einer von ihnen - und hast mich verlassen?«

»Ja«, nickte Law. »Mittlerweile bin ich auch kein Handlanger mehr - sondern einer seiner Offiziere. Nicht mehr lange und...«

»Scheiße«, keuchte Kid, »du bist doch echt nicht mehr ganz dicht im Hirn.«
 

Irritiert sah Law auf, hob eine Augenbraue zum Haaransatz und verschränkte dann die Arme vor der Brust.

»Wie bitte?«

»Du hast mich verstanden«, widersprach Kid, »du bist nicht mehr ganz dicht. Für so eine Scheiße lässt du mich alleine, ohne Grund und ohne Erklärung? Verpisst hast du dich. Einfach so, von heute auf Morgen. Als wäre dir alles scheißegal gewesen, unsere verfickte Beziehung.«

Kid erstaunte sich selbst - er blieb ruhig, ließ seine Wut nicht nach außen dringen. Er stellte einfach nur fest, machte Law keinen Vorwurf.

»Es war mir nicht-«

»Doch, es war dir egal.«
 

Kid stieß sich von der Wand ab, stellte den Kaffeebecher auf den Tisch neben Laws Monitore.

»Es war dir sowas von scheißegal, sonst hättest du das alles nicht für so 'nen Schwachsinn hingeworfen. Hat's dir was gebracht, Doflamingo infiltrieren zu wollen? Macht und Reichtum, dein eigenes Schiff - was für ein gottverdammter Scheißdreck.«

Er schnaubte.

»Aber Genugtuung? Hast du die bekommen? Weil Doflamingo unseren Planeten zerstört und die Leute dort ausgenommen, versklavt und verkauft hat? Hast du irgendwas daran ändern können; hast du ihn stürzen können?«

Langsam schüttelte Law den Kopf und Kid konnte sehen, wie etwas in ihm zerbrach. Eine gut behütete Illusion; dass das, was er tat, richtig war und zu etwas führen würde - dass Opfer gebracht werden mussten.

»Da hast du's. Es war alles umsonst. Du hast dich einem Kampf gegen Windmühlen verschrieben, den du einfach nicht gewinnen kannst. Und was hast du dafür aufgegeben? Jemand, der dich liebte; jemand, der dir den Arsch gerettet hätte. Herzlichen Glückwunsch - du bist ein hirnverbrannter Idiot.«
 

»Eigentlich hatte ich immer gedacht, du wärst der Idiot von uns beiden«, murmelte Law leise und fuhr sich über das Gesicht, bevor er aufstand.

Ehe Kid allerdings antworten konnte, öffnete sich die Tür und der Kerl, der sich als sein Lotse entpuppte, sah seinen Captain mit aufgeregtem, unsicherem Blick an.

»Euh... Captain, wir haben ein Problem.«

»Was für ein Problem?«

»Das Schiff lässt sich nicht mehr lenken.«  

Kid und Law tauschten einen schnellen Blick, dann wandte sich Law den leuchtenden Monitoren vor sich zu, gab ein paar Befehle ein und ließ sich dann den allgemeinen Zustand des Schiffes samt Diagnosen anzeigen.

Stirnrunzelnd studierte er die Informationen für einen kurzen Augenblick, dann sah er zu dem selbsternannten Lotsen.

»Ich kann keinen Fehler in der Steuerungsmechanik entdecken.«

»Das ist es ja«, druckste der Kerl herum und trat von einem Fuß auf den anderen. Die Hände hatte er hinter dem Rücken verschränkt und er sah ganz aus, wie der brave, gehorsame Soldat, der eine schlechte Nachricht überbringen musste. »Es liegt kein Fehler vor. Wir haben die gesamte Technik drei Mal überprüft und auch die Technikabteilung an Bord konnte keine Ursache dafür finden. Wir sind zwar immer noch auf Kurs, aber sollte uns ein Meteoritengürtel dazwischenkommen, können wir nicht ausweichen.«
 

Law schnalzte missbilligend der Zunge, stieß sich vom Schreibtisch ab und rollte samt seinem Stuhl zu der in die Wand eingelassene Kaffeemaschine, deren Knöpfe er energisch drückte.

Vielleicht ein wenig zu unzufrieden und wütend, denn er drückte gleich mehrere Male auf den Kaffeeknopf und verneinte dann genervt die maschinell ausgesprochene Frage, ob er wirklich sechs Kaffee gebrüht haben wollte.

Kid beobachtete ihn amüsiert, schüttelte dann leicht den Kopf, als sich Law wieder dem Lotsen zuwandte.

»Stell eine Verbindung zum Hauptquartier her. Ich muss mit Vergo... oder Doflamingo reden. Von mir aus auch mit irgendwem sonst, der das Kommando über die Technik auf den Schiffen hat.«

Der Kerl nickte schnell, deutete dann eine Verbeugung an und verzog sich aus dem kleinen Raum.

»Ja, Captain.«
 

Kid sah Law fragend an.

»Was hat das zu bedeuten?«

»Nun«, antwortete er, fischte den Metallbecher aus der Halterung der Kaffeemaschine und stellte ihn auf den Schreibtisch, »es gibt nur ein paar Möglichkeiten: ein Fehler in der Programmierung, diese Vollidioten können den Autopiloten nicht abschalten oder jemand von außerhalb kontrolliert das Schiff.«

Kid schnaubte.

»Für mich klingt die letzte Möglichkeit ziemlich plausibel.«

»Für mich auch.«

Law fuhr sich müde über das Gesicht und ging dann dazu über, sich die Kopfhaut nahe den Schläfen zu massieren.

»Vermutlich planen sie das schon eine ganze Weile. Als ich das letzte Mal auf den Inneren Planeten zugange war, haben sie sich alle merkwürdig verhalten - sind mir aus dem Weg gegangen. Doflamingo will mich wohl loswerden.«

Auf dem Monitor blinkte ein rotes Fenster auf, auf das Law nach einem Moment der Überlegung klickte. Es dauerte kurz, dann manifestierte sich Doflamingos Gesicht auf dem breiten Monitor.
 

Wut kroch in Kid herauf, als er sein Gesicht erkannte, aber er hielt die Klappe. Laws angespannte Haltung und offensichtliche Mühe, seine Gefühle unter Kontrolle halten zu können, hielten ihn davon ab, Doflamingo die Meinung zu geigen.

»Law«, dröhnte die tiefe Stimme durch die seitlich angebrachten Lautsprecher und sorgten für eine kalte Gänsehaut, die Kid über den Rücken kroch und ihn schaudern ließ.

So gerne er sich mit dem Kerl anlegen würde, der für Tod und Sklaverei auf vielen Planeten verantwortlich war, der seine Beziehung zu Law zerstört hat... schaurige Angst, geradezu Furcht löste Doflamingo dennoch aus.

Wer wusste schon so genau, in welchen Geschäften er noch verstrickt war? Es hieß, dass er mit seinem aus Menschenhandel entstandenen Reichtum Experimente förderte, die unter unmenschlichen Bedingungen abgehalten würden.

Bei genauerem Nachdenken kam Kid die Überlegung, ob Punk Hazard nicht der perfekte Planet für solche Experimente wäre - unter dem Deckmantel der Regierung.

»Du wolltest mit mir sprechen?«

Kid sah, wie Law schwer schluckte und dann schließlich nickte, als würde er sich selbst nur genug Mut zusprechen wollen, bevor er den Rücken straffte.

»Ja. Unser Schiff lässt sich nicht mehr steuern und wir können keinen Fehler entdecken.«

»Und weshalb rufst du mich an?«
 

Die Ader an Doflamingos Hals begann bedrohlich zu pulsieren, während sich seine Stirn in Falten legte. Zwar konnte man seine Emotionen nicht anhand der Augen erkennen, die stets von einer Sonnenbrille verdeckt wurden, aber dafür war sein Gesicht mehr als aussagekräftig.

»Du kannst doch sicher einen Techniker drübersehen lassen, ob er den Fehler findet«, antwortete Law in ruhigem Tonfall, als würde es ihm nichts ausmachen.

Vermutlich hatte er auch nicht direkt Angst vor Doflamingo, eher genügend Respekt, es sich nicht mit ihm verscherzen zu wollen, bis er einen Weg gefunden hatte, dieses Monster zu stürzen.

Irgendwie bewunderte Kid ihn dafür.

»Es liegt kein Fehler vor«, sprach Doflamingos Abbild und Kid sah, wie er sich in seinem Stuhl zurücklehnte. Ein breites, Unheil versprechendes Grinsen hatte sich auf seinem Lippen gebildet und er wirkte fast amüsiert, auch wenn die Pulsader noch immer heftig unter der Haut pochte.

»Du sollst das Schiff nicht mehr steuern können.«

»Willst du mir das vielleicht erklären?«, fragte Law und sah den Bildschirm missmutig an.
 

Doflamingo lachte. Ein dunkles, raues Lachen, das die gleiche Wirkung erzielte wie seine Stimme: man fühlte sich wehrlos, unwohl in seiner Haut. Der Fluchtreflex war geradezu übermenschlich.

»Es ist ganz einfach, Law«, meinte Doflamingo und neigte den Kopf. »Ich mag es nicht besonders, wenn man mich infiltrieren und von Innen heraus die Struktur zerstören will.«

Er lachte wieder.

»Glaubst du, es wäre mir nicht aufgefallen? Deine Versuche allerdings... es war viel zu spannend, dir zuzusehen, wie du hoffnungslos weiter in dein Verderben rennst. Sag, bist du alleine?«

Law versteifte sich einen Moment, nickte dann.

»Ja.«

»Gut.« Doflamingo schien jeden Buchstaben in die Länge zu ziehen, sich das Wort auf der Zunge zergehen zu lassen. Er sah durchaus zufrieden und befriedigt aus - er hatte seine Maus in die Falle tappen lassen und wartete nur noch darauf, bis sie sich das Genick brach.

»Du wirst die nächsten zwei Tage noch so tun, als wäre nichts außergewöhnliches passiert. Niemandem wirst du hiervon erzählen. Und dann erzählst du deiner Crew, dass du einen Auftrag hast und die kleine Kapsel, die rechte, nehmen, um zu fliegen.«

Doflamingo pausierte kurz, fuhr dann fort, während sich seine Stimmefarbe in absolutem Genuss veränderte.

»Sie ist die einzige, die sich steuern lässt. Punk Hazard ist dein Ziel. Tust du brav, was ich dir sage, lassen wir deine Crew in Frieden und niemand wird verletzt. Alternativ könntest du selbst dir auch den Gnadenschuss geben, denn... was dich auf Punk Hazard erwartet, ist mit Sicherheit ungenehmer.«
 

Doflamingo wollte es sich nicht nehmen lassen, noch einmal zu lachen und dann zufrieden in seine Kamera zu grinsen.

»Aber solltest du dich selbst töten, bekommen deine Passagiere ein gänzlich neues Ziel und du wirst deine Zeit mit ihnen auch weiterhin genießen können. Versuchst du, mich erneut zu hintergehen, kappen wir die Sauerstoffzufuhr deiner Kapsel.«

Kid hielt die Luft an. Angestrengt versuchte er, keinen Laut von sich zu geben und still dazustehen, während Law seufzte, sich wieder über das Gesicht fuhr und schließlich nickte.

»Okay.«

»Sehr gut! Das wollte ich hören. Also dann, Law«, Doflamingo neigte den Kopf, »es war eine erfrischende Zeit mit dir. Gehab dich wohl... oder sowas in der Art.«
 

Danach verschwand Doflamingos Gesicht von dem Monitor und sowohl Kids, als auch Laws Anspannung verschwand auf einen Schlag. Law sackte in seinem Stuhl zusammen, während Kid sich schnaubend gegen die Wand lehnte.

»Das willst du doch nicht wirklich machen?«

»Etwas anderes bleibt mir nicht übrig. Entweder alleine nach Punk Hazard... oder mit euch zusammen.«

Kid schüttelte den Kopf. Er konnte Laws Entscheidung durchaus nachvollziehen: er selbst würde auch sein eigenes Leben opfern, wenn er das von anderen retten konnte.

Nun... sofern sie zu seiner Crew gehörten oder ihm anderweitig mehr als der Dreck unter seinen Springerstiefeln bedeuteten.

»Dann musst du wohl alleine gehen«, sagte er abschließend, begann aber zu grinsen. »Vielleicht nicht ganz so alleine, wie du befürchtest, aber zumindest ohne deine Crew.«

»Wie meinst du das?«

Law sah ihn an, als hätte er nicht mehr alle Schrauben fest sitzen, was ihn fast zum Lachen gebracht hätte, wenn die Situation nicht so ernst wäre. Manchmal war er schwer von Begriff.

»Ich komme mit.«
 

.

.

.
 

»Das wirst du nicht!«

Schon seit einigen Minuten zeterte Law lautstark, während er durch die Gänge seines Schiffes in Richtung seines Schlafzimmers lief. Kid hatte beim Herausgehen den kleinen Vorrat an vorzüglichem Whiskey gesehen - und er würde darauf wetten, dass Law den jetzt anbrechen wollte.

»Und wie ich das werde«, antwortete Kid gelassen und folgte ihm. Es hatte für ihn festgestanden, dass er Law begleiten würde, als Doflamingo das Gespräch beendet hatte - nach Punk Hazard würde er zwar nicht gehen, Law begleiten aber auf jeden Fall.

»Davon abhalten kannst du mich zumindest nicht.«

Amüsiert beobachtete er, wie Law ihm einen finsteren Blick über die Schultern zuwarf, bevor er die Tür zu seinem Schlafzimmer aufriss, Kid hineinließ und sie dann schmetternd wieder zuwarf.

»Lebensmüde bist du!«, warf er ihm vor, ging zu der Kommode und öffnete mit quietschendem Geräusch die gläserne Flasche. Sofort zog der strenge Geruch Kid in die Nase und ließ ihn die Augenbrauen zusammenziehen.

»Wie kannst du überhaupt nur daran denken, mich zu begleiten? Doflamingo wird es herausfinden und dann sterben wir beide, weil der ohnehin wenige Sauerstoff in der Kapsel nicht für uns beide reichen würde.«

Kid zuckte mit den Schultern.
 

»Er wird nur eines herausfinden: dass du nicht Kurs auf Punk Hazard nimmst. Das heißt, dass deine Crew ihre Leben in Frieden weiterleben können und wir beide verpissen uns. Dann atmen wir halt ein bisschen weniger. Ihr habt hier doch sicher irgendwelche Kapseln oder sowas, mit denen man Sauerstoff transportieren kann?«

Law schüttelte den Kopf. Dass er das alles für eine gottlose, idiotische Idee hielt, war ihm deutlich anzusehen.

»Nein. Die wurden vor ein paar Jahren vom Markt genommen, weil sie eine stetige Gefahr darstellten - wegen der Explosionsgefahr. Sauerstoff wird heute nur noch gefiltert... und wenn er die Filter ausstellt, atmen wir den Sauerstoff immer und immer wieder, bis er nur noch aus Kohlendioxid besteht.«

»Und dann ersticken wir«, schlussfolgerte Kid erschlagen und seufzte leise. Mit wenigen Schritten war er bei dem Bett und legte sich hinein.
 

Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und starrte die Decke an. Aus den Augenwinkeln sah er Law, wie er die Whiskeyflasche wieder verschloss und hinstellte, ehe er kurz mit sich zu ringen schien und sich dann zu Kid auf das Bett gesellte.

Mit genügend Abstand legte er sich neben ihn und seufzte leise.

»Das ist ein pures Selbstmordkommando. Egal, was wir tun... das können wir nicht überleben.«

Kid lachte humorlos.

»Aber ist es nicht besser, wir sterben zusammen?«

»Etwa, wie wir es uns früher immer ausgemalt hatten?«

Vorsichtig zog Kid seine Arme unter seinem Kopf hervor und legte sie um Law. Erst jetzt dämmerte ihm, wie sehr er diese Zweisamkeit mit ihm vermisst hatte. So viele Jahre hatte er ohne leben müssen, aber nur selten war ihm ein Gedanke gekommen, in dem Law keine Rolle gespielt hatte.

»Ich bin ein sentimentaler Idiot«, stellte Kid dann fest und zog Law näher an sich.

Dass er es zuließ, interpretierte er einfach als gutes Zeichen.

»Warum?«

»Weil kein Tag verging, an dem ich nicht gehofft hatte, dich wiederzusehen. Und kaum war es soweit, wollte ich dich nur noch umbringen. Und jetzt... will ich mit dir zusammen sterben.«

»Das sieht dir gar nicht ähnlich«, murmelte Law und rückte ein Stück näher. »Ich hatte eigentlich fest damit gerechnet, dass du mir eine Kugel zwischen die Augen jagst, sobald du mich siehst.«
 

Kid lachte. Ein herrlich befreites Lachen - denn was hatte er noch zu verlieren?

»Das Vorhaben hatte ich, aber nicht den Willen. Ich hätte es einfach nicht über's Herz gebracht.«

Law setzte sich auf, musterte ihn für einen Augenblick. Das Grau seiner Augen war intensiver geworden in den letzten Stunden; schien endlich wieder Hoffnung gefasst zu haben.

»Vielleicht schaffen wir es ja doch, zu überleben - und beginnen auf irgendeinem schäbigen Grenzmond ein neues Leben.«

»Du willst ein Leben auf Punk Hazard gegen ein armes, schäbiges auf einem Grenzmond mit mir zusammen eintauschen?«, fragte Kid grinsend und beugte sich ein wenig vor, zog Law mitsich.

»Mhmh, das klingt doch wunderbar.«
 

Kid sah ihn an, seufzte dann und küsste ihn. Er legte eine Hand in Laws Nacken, zog ihn näher zu sich. Die weichen Lippen pressten sich gegen seine - und scheiße, er genoss es.

Law schien dem aber auch nicht abgeneigt zu sein.

Als sie sich voneinander lösten, grinste Kid.

»Dann versuchen wir es.«
 

.

.

.
 

»Captain?«

Killer hatte sich wohl bereits Freunde auf der neuen Heimat auf Zeit gemacht - er saß in einem der beiden Gemeinschaftsräume an einem runden Tisch und schien einem unscheinbaren Kerl mit schwarzer Mütze auf dem Kopf schöne Augen machen zu wollen.

Als er aber Kid entdeckt hatte, hatte er sofort zu ihm gesehen und ihn fragend angeschaut.

Es wunderte Kid nicht - schließlich hatte er nicht mehr mit Killer geredet, seit sie das fremde Schiff betreten und die Untersuchungen über sich ergehen lassen mussten.

»Kann ich kurz mit dir reden?«

Killer schien die Ernsthaftigkeit in Kids Stimme sofort zu erkennen und wandte sich dann dem Kerl vor ihm zu.

»Wir sehen uns später - und flirte nicht zu viel mit den anderen, klar?«, sagte er grinsend zu ihm und stand dann auf, bevor er zu seinem Captain trat.
 

Kid und Killer entfernten sich ein wenig von den gefüllten Tischpaaren bis zum anderen Ende des Raumes, wo sich Kid gegen die Wand lehnte und sein bester Freund vor ihm stehen blieb.

»Was gibts?«

»Law wird Morgen auf eine Selbstmordmission geschickt. Und ich begleite ihn.«

Killer sah ihn überrascht an.

»Was für eine Mission - und von wem wird er geschickt?«

»Doflamingo.«

Beinahe sofort verfinsterte sich Killers Gesichtsausdruck. Er hatte die ganze Scheiße mit Doflamingo und der Trennung von Law hautnah miterlebt - und hatte Kids Hass irgendwie übernommen.

Zu verübeln war es ihm schließlich nicht: Doflamingo hatte auch ihm die Familie genommen.

Dementsprechend nachvollziehen konnte er, wenn Kid Law begleiten wollte.

»Und was für eine Mission ist das jetzt?«

Kid seufzte leise.

»Er soll in eine Kapsel steigen und nach Punk Hazard fliegen. Ich begleite ihn - und wir werden uns einen anderen Zielort suchen. Vielleicht ersticken wir auch einfach, weil Doflamingo die Sauerstofffilter abschaltet, aber das ist alles besser als Punk Hazard.«
 

Killer nickte langsam, fuhr sich dann durch die langen, blonden Haare. Er fragte nicht nach Einzelheiten - wenn Kid ihm mehr erzählen wollen würde, hätte er es getan.

Trotzdem war es schwer für ihn, zu hören, dass sich sein Captain absetzen wollte.

»Okay«, sagte Killer dann und nickte bestätigend. »Okay. Du wirst also versuchen, den Scheiß zu überleben und vor Doflamingo zu fliehen, richtig?«

»Ja.«

»Okay... dann mach das. Ich halt hier die Stellung. Und wehe, du kratzt mir ab. Ich schwöre dir, ich mach dich fertig, wenn wir uns im Limbo sehen.«

Überrascht von Killers gelassener Reaktion grinste Kid.

»Darauf wette ich«, antwortete er.

Irgendwie hatte er mit einer solchen Antwort gerechnet. Killer war kein Mensch der großen Worte, der viel hinterfragte sondern Tatsachen einfach so nahm, wie sie kamen und dann handelte.

Und wenn sich sein Captain verpissen wollte, dann würde er das akzeptieren.

»Yo, Killer?«, meinte Kid noch und schlug seinem besten Freund auf die Schulter. »War 'ne geile Zeit mit dir.«

»Aye, Captain.«
 

.

.

.
 

Vor ihnen lag die schwarze Weite des Alls. In nicht allzu weiter Ferne konnten sie den mittelgroßen Planeten erkennen, der ihr Ziel war.

Doflamingo hatte recht schnell verstanden, dass Law nicht gewillt war, Punk Hazard anzusteuern und hatte nur kurz darauf die Filter deaktiviert.

Bis diese allerdings ihren Dienst gänzlich aufgegeben hatten, hatten sie noch ein paar Stunden lang den Sauerstoff gefiltert.

Law und Kid waren in dieser viel zu kleinen Kapsel eingepfercht, saßen in ihren gepolsterten Sitzen und atmeten flach und langsam; gerade so, dass es ausreichte, um nicht zu ersticken.

Und doch... merkte Kid recht schnell, dass sich ihre Atmung und ihr Puls beschleunigte, als der Sauerstoff weniger wurde. Schwindel setzte bei Law ein, der Schwierigkeiten damit hatte, das Schiff zu lenken.

Kid hingegen zitterte nach einer Weile nur, hatte sonst aber kaum Symptome vom Sauerstoffmangel aufzuweisen - ab und an glaubte er, dass es unerträglich heiß in der Kapsel wurde, was sich dann aber schnell in eisige Kälte umwandelte.
 

Law nahm das Ganze mit Humor.

Seine medizinische Ausbildung hatte ihm klargemacht, was bei Sauerstoffmangel auf längere Zeit gesehen mit dem Körper geschah, aber es war unausweichlich.

Doflamingo hatte ihm die Wahl gelassen - und er Vollidiot hatte sich für einen schmerzhaften, langsamen Tod entschieden.

Und Kid gleich mit sich in den Abgrund geritten.
 

Vermutlich wusste Doflamingo, welchen Planeten sie ansteuerten, hielt es aber für unwahrscheinlich, dass sie es lebend dorthin schafften - ein anderer Grund fiel Law nicht ein, als Kid ihn fragte, weshalb Doflamingo die Kapsel nicht per Autopilot auf Punk Hazard zusteuerte.
 

Irgendwann wurden Laws Reaktionen träger. Er beugte sich einmal zu Kid vor, um ihn langsam zu küssen, bevor er sich wieder auf den Planeten vor ihnen konzentrierte.

Für Kid war es ein Abschiedskuss gewesen, aber einer, den er dringend nötig gehabt hatte.

Law hatte ihm erzählt, dass sich die Kapsel öffnen würde, wenn sie auf einem Planeten landen würden - also selbst, wenn sie das Bewusstsein verlieren würden, hätten sie eine Chance darauf, den rettenden Sauerstoff atmen zu können, der auf dem Planeten - hoffentlich - vorherrschen würde.
 

Der Planet kam rasch schneller, aber Law verlor das Bewusstsein noch bevor sie in die Atmosphäre eingetreten waren. Kid hingegen blieb noch einen Moment länger wach; der Eintritt in die Atmosphäre rüttelte ihn auf seinem Sitz ordentlich durch.

Er stieß sich den Kopf am niedrigen Schaltpult und stöhnte leise. Trotzdem hielt er Laws Hand weiterhin eisern fest - und würde sie auch nicht loslassen.

Die Hoffnung keimte wieder in ihm auf.

Sie hatten es so weit geschafft, waren fast an ihrem Ziel. Kurz vor dem Aufprall auf den Boden wurde auch ihm schwarz vor Augen - und mit dem Gedanken an eine bessere Zukunft sackte er in die Bewusstlosigkeit hinab.
 

.

.

.
 

»Hier spricht die P.T.01. Captain, können Sie mich hören?«

Lautes Rauschen drang durch die eingebauten Lautsprecher der Kapsel.

Niemand antwortete dem Funkspruch, obwohl der Funker seit Tagen nicht aufgeben wollte. Immer wieder hatte er die Kapsel angefunkt, in der Hoffnung, ein Lebenszeichen von den beiden Captains zu hören.
 

Ob sie es lebendig aus der Kapsel geschafft hatten, wusste niemand.
 

Lediglich ein Mann: Donquixote Doflamingo, der den automatischen Auslösemechanismus für den Fallschirm der Kapsel deaktiviert und dafür gesorgt hatte, dass niemand den Aufprall überleben würde - selbst, wenn sie bis dahin noch nicht erstickt waren.

Er wollte schließlich nichts dem Zufall überlassen.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Uuund hier sehen wir uns wieder. :D
Ich hoffe, es hat euch gefallen - und würde mich wahnsinnig über Lob, Kritik oder Rückmeldung jeglicher Art freuen. ♥ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Lexischlumpf183
2019-08-22T11:38:07+00:00 22.08.2019 13:38
Ups was für ein Ende 😱 also eine schöne Story, bis auf das Ende, dieses ist (für mich) viel zu wenig happy End, mit viel Phantasie kann man auf das Überleben hoffen aber so ist ja eigentlich alles offen ( ich weiß noch nicht wie ich das finde😄). Auf jeden Fall gefällt mir die Idee, die Umsetzung und deine Schreibweise, gerne mehr 😁 (mit viel happy End😉) 🥛🍪😁😁
Antwort von:  xMyrror
23.08.2019 21:31
Moin!
Vielen Dank für deinen Kommentar! c;

Ich weiß, hier auf Animexx kennt man mich noch nicht, deshalb kannst du das nicht wissen, aber... ich bin absolut kein Freund von Happy Ends - ich kann sowas einfach nicht. XD
Ich schreibe meist Dramen und Tragödien, die meist damit enden, dass jemand stirbt. /D

Aber ich kann dich beruhigen: DEATH hat ein mehr oder minder Happy End, da es eine Fortsetzung geben wird. Sobald ich die fertig habe, lade ich die hier und auf ff.de hoch. :-)

Vielen lieben Dank für das Lob! ♥
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende! :-)


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