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Paralysis

von

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Wieder einmal war die Zeit gekommen, die Momente, an denen das Grauen wartete. 

Er saß da, auf seinem Bett und schaute leer an die dunkle Raumdecke. Die finstere, farblose Decke, eines Raumes welches aus einem hölzernen Bett, einem Tisch sowie einem Stuhl bestand. Kein Fenster, nur abgeranztes Licht leuchtete von der Decke. Ein Raum im Keller.
 

Es war mitten in der Nacht, und wie nahezu jede Nacht konnte er nicht einschlafen. Die Angst vor dem bevorstehenden Traum war zu groß.
 

Zitternd richtete sich der junge Mann auf und schlich im wankenden Gang in den Nachbarraum. Hier war noch jemand, gefesselt im Rollstuhl. Keinerlei Reaktion auf den Besuch. Der Körper dieses Mannes war so leblos wie eine Puppe.
 

Der Name Ash Lynx war hier in New York eine Legende, man kannte ihn hier als unheimlich begabten Gangleader, als gefährlichen Kriminellen, der permanent auf der Flucht vor dem Gesetz und der Korruption war. Er war skrupellos, ein Massenmörder, der keine Sekunde zögerte, wenn es darum ging, seine Feinde zu erschießen. Hinzu kamen ein unglaublicher Intellekt und ein strategisches Genie. Seine Pläne waren für die meisten kaum zu erfassen und er galt seinen Widersachern immer einen Schritt voraus.
 

Er war es. Dieser junge Mann, der hier unten in dem kleinen Unterschlupf sich aktuell versteckte, war besagter Ash Lynx. Ein ordinäres Leben – für ihn kaum vorstellbar.
 

Nun saß er dort. So wie man ihn außerhalb seiner geringen Komfortzone namens Keller niemals sah. Eingekauert. Müde. Traurig. Den Tränen nahe.
 

„Bemerkst du.. mich, Griff?“ flüsterte Ash hoffnungslos. Keine Antwort. „Ich weiß, dass du mich bemerkst. Ich spüre das… du bist der einzige, der mich weinen sieht. Der meine schwache Seite kennt…“
 

Er war berüchtigt. Immerhin war es schon eine große Sache, Gangleader zu sein und jede Nationalität, Rasse, Hautfarbe unter seinen Untergebenen zu vereinen. Sie respektierten ihn. Zum Großteil aus Angst, denn Ash war, wie erwähnt alles andere als zimperlich. Sobald seine Gangmitglieder sich in seiner Nähe aufhalten, änderte sich sein Verhalten schlagartig. Die Maske wurde aufgesetzt, die Gefühle kühl gestellt – zu sehen war nur noch der kühle, wilde Luchs der von der Mafia als Killer ausgebildet wurde. Seine wahren Emotionen verbarg er vor ihnen komplett, denn er konnte sich in seiner Position keine Schwäche leisten.
 

Der Mann neben Ash war sein älterer Bruder Griffin. Seit einem tragischen, grausamen Vorfall bei seinem Kriegseinsatz in Vietnam befand er sich in diesem komatösen Zustand. Das einzige, was er ab und an von sich gab, waren die Worte ‚Banana Fish‘.
 

Banana Fish.
 

Was auch immer diese Worte bedeuten mögen, Ash musste es herausfinden. Was war der wahre Grund, der seinen Bruder so dermaßen geistig neben die Spur brachte und ihn zu einem Pflegefall machte? 

Es ist eines der wenigen Fragen, die Ash wirklich bewegen, die ihn antrieben, all diese gefährlichen, grausamen Dinge zu tun. Einer der wenigen Menschen, die ihm wirklich nahe lagen, da er sich als einziger ein bisschen um Ash gekümmert hatte, als dieser noch klein war. Der blonde Gangleader war ihm nicht mal böse dafür, dass Griffin ihn für die Armee damals verlassen hatte. 

Da gab es in seinem Leben Vorfälle ganz anderer Kaliber, welche ihn letzten Endes auf die schiefe Bahn brachten. Das Geld, welches er für die finsteren ‚Aufträge‘ verdiente, verwendete er hauptsächlich für eine mögliche Heilung oder Besserung des Lebens seines Bruders. 
 

Bisher hatte sich nichts getan. Der Schlüssel zu allem musste einfach dieses Banana Fish sein. Solange er nicht herausfand, was es damit auf sich hatte, wirkte alles so hoffnungslos.
 

Hoffnungslos. Jeder Tag. Jede Nacht. Seit Jahren schon. Ash Lynx, der seit jeher so oft jegliche Gefühle versteckte, fühlte sich innerlich nicht selten wie ein Vogel im Käfig. Im Käfig seiner eigenen Gefühle.
 

Sein Körper bewegte sich wie von selbst, er funktionierte, wie es eben ein Auftragskiller sollte. Sein Körper machte einfach, er kämpfte, aber wofür? Ash wünschte sich Freiheit, die er nie bekommen hatte. 
 

‚Ich...ich bin so allein...‘
 

Letztendlich gab er doch gänzlich nach, und seinem inneren, seelischen Schmerz hin. Wieder einmal.
 

So verlässlich seine Gangmitglieder ihn auch bewachten, vor seiner zerstörten Seele konnten sie ihn niemals schützen. Ash‘s Herz schmerzte und erste Tränen kullerten sein hübsches Gesicht entlang.
 

‚Griffin… bitte wach auf...‘
 

Es war 4 Uhr morgens, als Ash endlich einschlief, an dem Rollstuhl gelehnt.
 

KRACH. BUMM.
 

Wie viele Minuten vergangen sind, war nicht abzuschätzen, doch diese Geräusche ließen Ash aufschrecken. Er öffnete die Augen, aber konnte nicht viel erkennen. Ein Gefühl von Unbehagen ergriff seine Brust. Irgendwas hier in dem Raum stimmte nicht.
 

Etwas hier stimmte ganz und gar nicht.
 

Der blonde Junge konnte sich nicht rühren, nicht mal einen Millimeter. Er war wie festgefroren, aber kalt war ihm nicht. Auch sein Mund wollte sich nicht öffnen, obwohl ihm innerlich mehrere Schreie entwichen. Auch zur Seite schauen konnte er nicht! Was war nur los?
 

Ash saß da und war der Situation ausgeliefert. Es war völlig unmöglich, zu reagieren, obwohl er eine Gefahr verspüren konnte. Schrecklich! Und sofort schossen ihm grausame Kindheitserinnerungen in den Kopf. Szenen, in denen er ebenso machtlos war. Szenen, die ihn bis aufs Tiefste verletzt und geprägt hatten…
 

Als er ein Kind war… gefesselt und geknebelt an Betten, nackt und nicht imstande zu fliehen, denn seine Peiniger waren zu stark. Gestandene, reiche, machtvolle Männer, die in dem Jungen nicht mehr als das Objekt der Begierde sahen. Wie eine seelenlose Puppe behandelten sie ihn. Sie folterten ihn zum Gehorsam, beschmutzten seinen Körper, fügten ihm Wunden zu und letztendlich verkaufte er im wahrsten Sinne des Wortes seinen Körper und seine Seele an eben diese Männer.

Ash konnte nichts tun. Weder schreien, noch lösen oder sich sonst zur Wehr setzen. Er war derart gedemütigt und verängstigt, dass sein Körper nicht im Stande war, einen Schrei zuzulassen! 

All dies kam erneut hoch und es quälte ihn. Es quälte ihn so sehr, dass es wieder wehtat und eine innerer Panikattacke der Verdammnis auslöste! 
 

Es war kaum noch verwunderlich, dass ihn ein solches Trauma wieder einholte. Grade jetzt! Er konnte nicht anders als sich dem Pein wieder hinzugeben. 
 

War das also wieder einer seiner Albträume, wie so oft? 
 

Es war dunkel. Innerlich schrie er. Warf sich und seinen Körper umher. Zitterte. Weinte. Fühlte Schmerz vergangener Tage. Doch nichts davon war von außen sichtbar! 
 

‚Hilfe! Irgendwer… Griffin… Mutter… Hilfe!!‘
 

Seine Gedanken schrien erneut. Aber niemand hörte etwas.

Die Angst stieg ihm in den Kopf, ließen eiskalte Schauer herablaufen. 
 

In diesem Moment flackerte es im Hintergrund, als würde der Schatten lebendige Formen annehmen! Was… was um alles in der Welt passierte hier?! Ash konnte eine dunkle Gestalt wahrnehmen, sein innerer Gefahreninstinkt war bereits auf Höchststufe, aber nach wie vor war sein Körper wie erstarrt. Diese dunkle Gestalt hatte mit Sicherheit nichts Gutes im Sinne. Und wehren war nicht möglich..
 

‚Was… was bist du? Wer bist du?! Bist du einer dieser dreckigen alten Perversen?! Wie kamst du hier rein?

Verdammt! Ich kann mich nicht bewegen!! Ich bin machtlos…!' 
 

Ash‘s Angstgefühle und innere aufsteigende Wut auf seine Peiniger ließen ihn innerlich explodieren. Wird er sterben?!
 

Der Schatten näherte sich. Nicht mal klar, ob es ein Mensch oder ein Monster war. Mehr als eine monströse Silhouette konnte er nicht erkennen. Sein Herzschlag machte einen erneuten Hüpfer und sprang ihm fast aus der Brust. Das war Todesangst..! Und für einen Albtraum fühlte es sich verdammt real an!
 

"AAAAAH“
 

Ein Schrei, aus dem Nichts, klang so nah und doch so fern für Ash. Wer hatte geschrien?!
 

'Irgendwer! Was zum F*** passiert hier überhaupt?! Ich kann doch jetzt nicht sterben!!!'
 

Im Augenwinkel des Jugendlichen machte sich eine weitee, schemenhafte Gestalt breit. Als ob es nicht noch beklemmender, bedrohlicher werden sollte. Nein, das nun machte Ash völlig verrückt innerlich.

Es war… Griffin, der sich rührte, oder vielmehr dessen Seele, die den gelähmten Körper verließ…!
 

'Dreh ich nu völlig am Rad? Was, bitte, WAS?!'
 

Griffins Geistergestalt verkrümmte sich, noch ein Schrei, eindeutig aus dessen Mund, als würde er endlose Qualen erleiden. Ist es das, was Ash spürte? War er etwa in dem ewigen Albtraum seines Bruders gefangen?!

Die Angst kannte keine Grenzen mehr…
 

Ein Licht flackerte, ließ das Herz des blonden aussetzen und zucken. Ein absolut kühles Gefühl lag auf seinen Schultern und plötzlich entwich seinem eigenen Mund ein kurzes Krächzen, gefolgt von einem heftigen Ausatmen.

Endlich konnte Ash sich bewegen und ebenso hatten sich die Lichtverhältnisse geändert. Alles wirkte natürlicher, der Schatten verschwand und Griffin neben ihm saß wieder wie versteinert im Rollstuhl, als hätte er nichts mitbekommen.
 

Ash zitterte wie Espenlaub, und brauchte einige Momente um die Situation zu erfassen. Er hatte noch immer fuchtbare Angst wie selten, und das obwohl bedrohliche Situationen zu seinem Alltag gehörten. Aber so etwas gespenstisches wie das eben hat auch er in  seinen Albträumen noch nicht erlebt. 
 

"Banana … Fish…"
 

Der blonde Gangleader zuckte, sah auf und ungläubig zu seinem Bruder. Er war sich sicher, er hatte wieder diese seltsamen Worte genannt. Was zur Hölle bedeuten sie? Wer oder was ist dieser Banana Fish? Der blonde  zwinkerte, versuchte sich irgendwie aufzurichten, doch sein Körper war noch immer gefühlt weich wie Gummi, so unsicher und ängstlich war Ash. Und dann erkannte er, wie eine Träne aus Griffins Auge tropfte.

Ein Lebenszeichen…!
 

'Ist… ist es das, was du siehst? Den ganzen Tag? Ist… das dein ewiger Albtraum? Ist dieser Schatten… Banana Fish?'
 

Ash murmelte schwach, er hatte seine Stimme noch nicht wieder. Er war völlig fertig, wusste nicht wie ihm noch immer geschah. Er hatte viele furchtbare Träume, aber dieser war der grausamste von allen bisher. Er konnte sich kaum beruhigen. Sein Herz tat weh, signalisierte Unbehagen, wollte nur noch flüchten. Momente wie diese waren die, in denen Ash sich wünschte, kein Herz zu besitzen. Wirklich nur diese seelenlose Sexpuppe zu sein. Das würde doch vieles erleichtern…!
 

Aber der Gangleader konnte nicht aufhören, an seinen Bruder zu denken und daran, dass dieser möglicherweise permanent in diesem schrecklichen Traum steckte. Es verletzte ihn, und was würde er geben, den ihm aktuell wichtigsten Menschen, aus dieser Hölle zu befreien?

Unweigerlich musste er an diese Kurzgeschichte von J.D. Salinger denken.
 

Wenn du dem Banana Fish begegnest, wünscht du dir nichts sehnlicher als den Tod.
 

Die Nacht endete. Der Morgen begann. Und Ash realisierte.
 

Er realisierte die komplette Farce, die sich sein Leben nannte. Der Fisch des Todes. Als würde er ihn symbolisieren.

'Ich spüre, dass ich  ihn nun getroffen habe. Den Banana Fish.

Ich wünschte, ich könnte einfach sterben.

Hier, und jetzt.

Dann wäre ich … endlich frei...'



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yuugii
2019-09-12T09:49:49+00:00 12.09.2019 11:49
Sehr schön und spannend geschrieben! <3

Hat mir inhaltlich sehr gefallen, vor allem weil du eine Seite von Ash zeigst, die man eher selten mitbekommt. Gerade diese zerbrechliche und ängstliche Seite von ihm finde ich in Fanfiktions interessant zu lesen und das hier war mal etwas anderes. Ash, der sich an seinen Bruder klammert und auf gespenstige Art und Weise Kontakt zu ihm aufnimmt, gequält von seiner Vergangenheit und den Ängsten vor der Zukunft – sehr kraftvoll.


Mir gefällt vor allem, dass du dich um Abwechslung bemüht hast und die Narrative zwischendurch mit inneren Monologen oder auch Soundeffekten (Krach! Bumm!) unterbrochen hast, damit man als Leser nicht zu sehr routiniert runter liest, sondern kleine Zwangspausen einlegt. Sehr gut durchdacht. Mir hat das sehr gefallen. ♥


Das einzige, was ich ankreiden würde (sorry :<) wäre die wechselnde Grammatik. Bleib bei einer Form. Wenn du in Vergangenheit schreibst, solltest du bei dieser Form bleiben. Hin und wieder bist du in das Präsens gerutscht, was mich kurz aus dem Lesefluss geworfen hat. Zudem merkt man sehr, dass du relativ stark von englischen Geschichten beeinflusst wurdest, denn im Deutschen existiert das englische Apostroph nicht. Es heißt dann „Ashs und nicht „Ash's“, das kleine Apostroph ist sehr starke Umgangssprache und existiert in dieser Form in unserer Sprache nicht. Zudem ist mir aufgefallen, dass du Gänsefüßchen stets oben setzt, was ebenfalls im Deutschen so nicht existiert. Wir setzen zu Beginn unten und am Ende oben: „[...]“.


Inhaltlich fand ich die Geschichte toll! Hat mich gefreut etwas über diesen Anime zu lesen, gerade weil das deutsche Fandom so unglaublich ausgestorben zu sein scheint. Ash ist so ein gut geschriebener Charakter, der direkt fasziniert und diese Faszination hast du sehr schön umgesetzt.
Antwort von:  Wei_Ying
13.09.2019 13:07
Vielen Dank für deinen Kommentar ♥

Ich habe mich hier bemüht, den psychischen Druck, mit dem Ash so oft zu kämpfen hat, verständlich rüber zu bringen. Es war auch nicht grade leicht, ihn und seine Gedankenwelt treffend zu beschrieben, umso mehr freut es mich, wenn es geklappt hat ;; ♥

Ich hatte vor, die Geschichte noch einmal zu korrigieren, da mir im Nachhinein dieses 'Zeitgespringe' auch aufgefallen ist. Das mit dem Apostroph und den Gänsefüßchen kommt wahrscheinlich dadurch, weil ich die Fanfiction original auf englisch geschrieben hatte und später übersetzt hatte. Ich werde da in Zukunft noch etwas mehr drauf achten :D

Auf jeden Fall danke für den Kommi. Das Banana Fish Fandom war leider schon immer recht klein hier und durch den Anime ist es ein bisschen bekannter geworden (auch weil ich selbst ja erst durch den Anime auf BF kam - und ich bin dankbar dafür ♥).
Ash ist einer der faszinierenden Charaktere, einer der authentischsten, die mir bisher begegnet sind. Ich habe noch ein paar andere Fanfictions über BF und ihn hier rumliegen....die werde ich demnächst mal hochladen ~


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