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Shards of Red

Endeavor x Hawks
von

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Fuchsia

Enji versteht es nicht. So oft er auch über die vergangenen Wochen nachdenkt und die Geschehnisse Revue passieren lässt – es ergibt keinen Sinn. Er hat nichts falsch gemacht…oder doch? Er weiß, dass er gut darin ist, Dinge zu zerstören – vor allem Beziehungen, aber diesmal…?

Nein. Es muss einen triftigen Grund geben, wegen dem sich Hawks nicht mehr meldet. Unschlüssig sieht er sein Handy an, doch der Winged Hero geht weder ran, noch kommen seine Nachrichten bei diesem an. Keine Flammen-Emojis oder gar irgendwelche verruchten Fotos mehr. Sonst ist darauf immer Verlass gewesen, wenn sie schon keine Zeit füreinander hatten. Doch jetzt herrscht regelrechte Funkstille, so als sei Hawks vom Erdboden verschluckt worden. Na ja, nicht ganz, denn er ist noch aktiv, was Enji weiß, weil die Medien regelmäßig über ihn berichten. Es geht ihm gut. Kein Fall wie der von Best Jeanist. Warum also haben sie plötzlich keinen Kontakt mehr?
 

Als sie sich das erste Mal seit Langem wiedersehen, benimmt sich Hawks anders. Ja, er scherzt und plappert mit den drei Jungs, die er aufgrund des Praktikums unter seine Fittiche genommen hat…aber spätestens, als er ihm mit ernster Miene dieses ominöse Buch überreicht, wird Enji klar, dass da etwas nicht stimmt. Hawks‘ Worte sind nicht so locker wie sonst, wenn sie miteinander sprechen – es ist, als würde er das genaue Gegenteil seiner sonstigen Ansichten wiedergeben. Als hätte sich der Winged Hero auf einmal um 180 Grad gedreht – und das passt nicht zusammen.

Es gibt keinen plausiblen Grund dafür, dass dieser plötzlich solch eine Veränderung durchlebt. Oder ihn meidet. Ihn mit diesem Gesichtsausdruck ansieht, der einfach nicht Hawks‘ Wesen entspricht. Sie beide sind ein Team, vertrauen einander…nicht wahr? Auch wenn Hawks manchmal undurchsichtige Antworten gibt…dessen Verhalten ergibt keinen Sinn. Es sei denn…er will ihm etwas mitteilen, das er nicht offen aussprechen kann. Die Stellen, die er markiert hat…eine geheime Nachricht?
 

Als er eine Weile später die Zeit hat, dem nachzugehen, wird ihm klar, was Hawks ihm zu sagen versucht hat. Es ist schlimmer als alles, was er hätte vermuten können, doch er ergreift direkt Maßnahmen. Schließt sich mit der Kommission zusammen, informiert diese…und tut, was Hawks ihm indirekt aufgetragen hat. Zwar hat er dem Praktikum anfangs lediglich wegen seines Sohnes zugestimmt, doch dieser hat schon Recht; er muss sich professionell benehmen und sich allen dreien annehmen. Schließlich hat er sich dazu bereit erklärt. Hawks‘ Warnung macht ihm nur noch deutlicher, wie wichtig dies tatsächlich ist.

Der Hitzköpfige mit den schlechten Manieren, Bakugou, ist ebenso schwierig wie ehrgeizig…und Enji mag den Gedanken nicht, dass sie sich ähnlich sein könnten. Dann ist da noch Midoriya, All Mights Liebling, der jedoch das genaue Gegenteil von diesem ist. Ein Streber, der oftmals zu kompliziert und vor allem zu viel denkt, vermutlich deswegen Probleme mit der Umsetzung hat. Davon abgesehen, dass er seine Kraft nicht wirklich kontrollieren kann – und auch darin sieht er eine gewisse Parallele zu sich. Sie beide sind keine Naturtalente, sondern müssen hart dafür arbeiten, Kontrolle zu erlangen.

Und dann ist da noch Shouto, der plötzlich den Willen zeigt, von ihm zu lernen, nachdem er ihn die ganze Zeit so vehement abgelehnt hat. Es ist ein Schlag in die Magengrube, als er versteht, dass es auch wirklich nur darum geht. Er benutzt ihn, so wie er es sich einst erhofft hat…das Ironische ist, dass sich Enji nicht mehr dies allein wünscht. Es geht nicht mehr bloß darum, ihn zu einem besseren Nachfolger auszubilden…er will eine Beziehung zu seinem Sohn aufbauen.

Dass dies nicht so einfach ist, wie er vielleicht insgeheim gehofft hat, wird ihm nach Shoutos Ansage dann auch klar. Es ist, wie es ist, und das muss er akzeptieren.
 

Als er abends allein in seinem Büro sitzt, hat er Zeit, noch einmal alles zu durchdenken. Seine Finger fahren über den Einband des Buchs, während sich Hawks‘ Ausdruck in seinem Gedächtnis eingebrannt hat. Ernst…und mit einer Härte, die einfach nur falsch wirkt. Die Kommission hat ihm nur bestätigt, was er sich bereits gedacht hat; Hawks ist ein Spion, der sich bei den Schurken eingeschlichen hat. Kein Wunder, dass er ihn ignoriert, vielleicht sogar gesperrt oder sein Handy weggeworfen hat. Niemand soll von ihrer Beziehung erfahren…auch wenn es ein herber Schlag ist. Nicht nur, weil sie sich erstmal nicht mehr sehen können…es macht ihm bewusst, dass Hawks in Gefahr ist. Ja, der Jüngere kann auf sich aufpassen, dennoch ist es kein gutes Gefühl, ihn bei Schurken wie Shigaraki zu wissen. Wenn etwas schief geht und er auffliegt…

Enji schüttelt über sich selbst den Kopf, denn ihm wird wieder bewusst, wie wichtig ihm der Vogel geworden ist. Der Gedanke, dass ihm etwas zustoßen könnte…nein, daran will er gar nicht denken. Er seufzt innerlich, blättert durch das Buch auf seinem Tisch – ehe er innehält. Anscheinend hat er etwas übersehen. Die letzten Seiten, dort ist etwas markiert…wenn er es zusammenfügt…nein, das ist nicht mal ein richtiges Wort. Wenn man es allerdings umdreht…ergibt es eine Uhrzeit und einen Ort. Er stockt merklich und springt dann auf. Auch wenn er sich jetzt sofort auf den Weg macht, ist er viel zu spät dran. Er zieht sich die Jacke über, hat sich bereits vorher seine Alltagskleidung übergeworfen, und eilt zu seinem Wagen. Es ist nicht besonders weit, zumal er nicht alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen muss, indem er dort wie ein loderndes Inferno auftaucht.
 

Als er schließlich einen Parkplatz gefunden hat, hat es begonnen zu regnen. Dicke Tropfen laufen an den Scheiben seines Autos hinab und er beeilt sich, ins Trockene zu kommen, kaum dass er ausgestiegen ist. Den kleinen, abgeschiedenen Imbiss hat er zwischendurch schon mal für Hawks aufgesucht, der davon überzeugt ist, dass es dort die besten Hähnchengerichte gibt. Sozusagen ein Geheimtipp, obwohl es von außen nicht sehr einladend aussieht. Nun, gerade erfüllt es seinen Zweck…und als er Hawks‘ rote Flügel in der hintersten Ecke des Raumes entdeckt, atmet er innerlich auf. Also ist er doch noch rechtzeitig hergekommen – oder aber Hawks hat wirklich eine Stunde auf ihn gewartet.

Er fährt sich durch das nasse, rote Haar und tut so, als würde er etwas bestellen wollen, ehe er den Winged Hero scheinbar durch Zufall erkennt und es sich anders überlegt. Wenn Hawks derart kryptische Hinweise hinterlässt, ihn durch seine Mimik auf die richtige Fährte lockt, wird er mit Sicherheit beobachtet. Schon dass sie sich hier treffen, birgt gewisse Risiken. Andererseits…können sie so auch den Schein wahren, damit niemand Verdacht schöpft.

Er geht auf Hawks zu, der gedankenverloren an einem Chicken Wing knabbert – warum zur Hölle isst jemand, der selbst aussieht wie ein Hähnchen, so gern Geflügel? Hat was Groteskes an sich, wenn er so darüber nachdenkt. Jedenfalls hat Hawks ihn bestimmt längst bemerkt – seine Federn sind so sensibel, dass ihm nichts entgeht. Das hat er schon einige Male bewiesen, oft, wenn sie intim gewesen sind. Doch gerade geht das nicht. Nicht mal intime Worte sind erlaubt.

„Oi“, brummt er also stattdessen.

Der Blonde sieht auf, den halb abgenagten Knochen noch in der Hand, und leckt sich die Lippen. Auf dem Tisch liegt wieder dieses seltsame Buch, in welchem er zu lesen scheint.

„Oh? Du hier, Endeavor-san? Setz dich, setz dich...nur keine falsche Scheu, haha!“

Er wirkt viel zu entspannt für jemanden, der geheime Hinweise hin und herschiebt und dabei sein Leben aufs Spiel setzt. Unweigerlich fragt er sich, ob es das ist, was die ganze Zeit irgendwie zwischen ihnen gestanden hat. Hawks‘ widersprüchliches Verhalten in Situationen, die er nicht nachvollziehen konnte. Das Gefühl, dass ihm etwas auf der Seele liegt, das er ihm nicht erzählen kann. Weil das seine Mission in Gefahr gebracht hätte. Es ergibt Sinn, wenn er genauer darüber nachdenkt…und es beruhigt ihn trotz allem etwas, denn es gibt schlimmere Geheimnisse.

„Ich kann dir die Chicken Wings echt nur empfehlen!“, plappert Hawks los, kaum dass er sich ihm gegenüber auf die kleine rote Lederbank gesetzt hat. „Nimm am besten die Hot Wings…die nehme ich auch immer!“

Und dabei zwinkert er ihm kurz zu, was Enji stocken lässt. Soll das jetzt eine versteckte Anspielung sein? Er verdrängt den Gedanken lieber, bevor er noch den Fokus verliert.

Der Imbiss ist mehr im amerikanischen Stil gehalten, nichts, das Enji unbedingt aufsuchen würde, wenn er die Wahl hätte.

„Drüben auf Kyuushu schmecken die nicht so gut. Ich meine, es gibt da auch solche Läden, aber die können dem hier nicht das Wasser reichen. Sie sind genau richtig gewürzt und haben diese besondere Note…heh, die fehlen mir da drüben richtig. Würde gern öfter hier sitzen, aber die Pflicht und so…du verstehst? Nimm dir ruhig einen!“

Und dabei lächelt er ihn auf eine Weise an, die Enji vermuten lässt, dass es nicht länger um Hähnchen geht. Dass ihm Hawks soeben durch die Blume…oder eher die Wings sagt, dass er ihn vermisst. Dass er nicht mit ihm in Kontakt stehen kann, weil ihn seine Arbeit – als Spion – daran hindert.

„…ich bleibe bei Kaffee, aber danke“, brummt er und bestellt einen bei der Kellnerin, die ein kurzes Kostüm in Gelb-Fuchsia trägt.

„Ich nehme auch noch einen Cappuccino, Fräulein! Danke~!“, quatscht Hawks diese an.

Die Kellnerin lächelt ihn freundlich an und notiert sich ihre Bestellung, ehe sie mit wehendem braunen Pferdeschwanz Richtung Tresen verschwindet. Enji sieht ihr nur kurz nach, wendet sich wieder seinem Gegenüber zu, der die letzten Chicken Wings in Rekordzeit verdrückt. Dann nimmt er eins der Feuchttücher, reinigt seine fettigen Finger, um ein Lesezeichen zwischen den Seiten seines Buches zu platzieren und es zuzuschlagen. Enji fällt vorher noch auf, dass er auch hier Stellen farblich markiert hat, vermutlich, damit sie glauben, dass er dieses Thema sehr ernst nimmt. An den Unsinn, der in diesem Buch steht, glaubt und ihn verbreitet. Dass er vollen Einsatz zeigt…

Wie lange Hawks das wohl schon tut? Enji stellt es sich hart vor…und er will dessen Arbeit nicht sabotieren, indem er sich verplappert oder verdächtig benimmt.
 

„Hn. Warum bist du überhaupt noch hier?“, ranzt er ihn daher an. „Doch nicht bloß wegen der Chicken Wings? Oder um fragwürdige Bücher an Nachwuchshelden zu verteilen…“

Hawks schmunzelt, wobei seine bernsteinfarbenen Augen leuchten. Vermutlich ist seine Reaktion daran schuld, denn natürlich kommt er nicht auf die markierten Passagen zu sprechen. Er stellt sie nicht offen infrage und das sollte reichen, um Hawks zu verdeutlichen, dass er sie verstanden hat. Ob er wohl daran gezweifelt hat? Eher nicht, oder? Sonst wäre er das Risiko doch nicht eingegangen…

„Also für mich sind Chicken Wings schon ein guter Grund, um noch eine Weile hier rumzuhängen, haha“, scherzt Hawks und nimmt die Serviette, um seinen vom Essen geschwollenen Mund abzuwischen. „Mh…und was das andere angeht…da steh ich eben voll hinter. Wenn du es gelesen hättest, wüsstest du, was ich meine.“

Er zwinkert ihm zu und Enjis Miene verfinstert sich augenblicklich.

„Ich habe es gelesen…jedenfalls die ersten paar Seiten und es ist Schwachsinn. Weiß nicht, was dich daran so begeistert…“

Hawks schnalzt mit der Zunge, sieht ihn tadelnd an.

„Ich hab geahnt, dass du es nicht verstehen würdest…wenn du willst, erkläre ich es dir, hm? Ich gebe zu, für Einsteiger ist es erstmal kompliziert…man muss ein bisschen umdenken, aber im Grunde ist es ganz simpel. Ich weiß, was du jetzt denkst…aber man muss der Sache eine Chance geben, um das große Ganze zu erkennen, weiß du? Opfer sind manchmal unvermeidlich, wenn man zu höheren Sphären aufsteigen und die Welt verändern will.“

Enji zieht die Brauen zusammen, weil er versucht, den Sinn hinter den Worten zu verstehen. Er preist doch nicht nur dieses Buch an, von dem er ja selbst nicht viel hält. Er muss das sagen, damit er glaubwürdig rüberkommt, aber…steckt noch mehr dahinter?

Opfer. Welche Opfer hat Hawks wohl schon für diese Mission gebracht? Plötzlich muss er an den verschwundenen Best Jeanist denken und ihm wird heiß und kalt. Er hat Hawks um Hilfe gebeten, doch trotzdem der Jüngere die Fähigkeiten hat, diesen aufzuspüren, hat er nie auch nur irgendeine Spur gehabt. Ist das Teil des Plans? Und falls ja…wie weit ist er gegangen? Was hat sich hinter seinem Rücken abgespielt, während sie sich getroffen haben?
 

„Nein. Danke“, weist er ihn ab und wirft einen Blick zur Kellnerin, die ihnen soeben ihre Getränke bringt.

Erst als sie gegangen ist, nimmt er einen Schluck von seinem schwarzen Kaffee und spricht dann weiter.

„Ich habe keine Zeit für sowas“, fährt er fort. „Und ich weiß wirklich nicht, was mit dir nicht stimmt, dass du dir diesen Schund antust. Helden sollten nicht so denken, wie es in dem Buch anscheinend verlangt wird.“

Hawks‘ Lächeln wird eine Spur breiter, während er ihn anfunkelt. Seine Mimik passt schon wieder nicht zu seinen Worten, aber das ist die Bestätigung, dass sie unter Beobachtung stehen…und dass es wohl gut läuft.

„Ich werde mich nicht für meine Ansichten entschuldigen, Endeavor-san…aber ich kann sie dir, wie gesagt, gern näher bringen. Wenn du so beschäftigt bist, muss das nicht unbedingt jetzt sein…aber meine Tür steht dir natürlich immer offen!“

Ist das ein Versprechen, dass sie reden werden, sobald das alles vorbei ist? Oder will er damit sagen, dass er nichts bereut? Vielleicht sind Enjis Sorgen unberechtigt und es wird sich alles auflösen. Hawks ist auf seiner Seite. Auf der Seite der Helden. Es gibt keinen Grund, an ihm zu zweifeln.

Seine Tür steht ihm immer offen, huh? Es ist schwierig, keinen Klartext reden zu können, denn das tun sie beide mittlerweile. Hawks noch etwas mehr als er selbst. Enji ist ehrlich zu ihm, das kann er sehr wohl behaupten…aber da es Dinge gibt, die Hawks vor ihm verheimlicht hat…

„Genug davon!“, knurrt er ungehalten, wie man es von ihm erwarten würde. „Ich bin nicht für deine Propaganda hier…und ich rate dir, diesen Schwachsinn nicht weiter zu verbreiten, Hawks.“

„Nenn es meinetwegen, wie du willst, Endeavor-san…aber gut, lassen wir das erstmal. Du bist wohl noch nicht soweit. Schon okay, auch wenn es schade ist. Die aktuelle Nummer 1 hat bestimmt deutlich mehr Reichweite als die Nummer 2 – auch wenn du kein All Might bist.“

Er seufzt leise, beinahe wehmütig und es ist ein weiteres Zeichen dafür, dass Hawks hier eine falsche Sicht widerspiegelt. Für das unsichtbare Publikum im Hintergrund, das kaum etwas von ihm weiß. Jedenfalls nicht genug, um die Farce hier zu erkennen. Enji weiß, dass Hawks kein All Might Fan ist…dass er sein Fan ist und das schon seit Jahren. Dass er hinter ihm steht und ihm helfen will, der Welt zu zeigen, dass auf ihn Verlass ist. Das sind keine leeren Worte gewesen, dessen ist er sich sicher.
 

„Ich will auch kein All Might sein!“, knurrt er zurück, funkelt ihn erzürnt an, wobei sein Bart leicht zündelt.

Hawks nimmt einen Schluck von seinem Cappuccino, während er eine Braue hebt. Er setzt die Tasse ab und legt den Kopf schief, so wie er es oft tut, wenn er etwas infrage stellt. Wie ein Vogel. Dann hebt er beide Hände, als würde er ihn beschwichtigen wollen.

„Sorry, sorry…ich wollte den Finger nicht in die Wunde drücken, Number One“, sagt er schnell und grinst dabei. „Du machst deinen Job schon richtig, alles gut, kein Grund, den Laden in Brand zu setzen, haha…du hast aber auch ein Temperament…“

Enji schnaubt bloß, doch die Flammen verlöschen gleichzeitig. Hawks weiß sehr gut über sein Temperament Bescheid, aber er hat ihn bislang nie verletzt. Jedenfalls nicht ernsthaft. Die blauen Flecken, die im Eifer des…Gefechts entstehen, machen dem Jüngeren angeblich nichts aus…zeigen seine Leidenschaft, wie er es nennt. Außerdem kommt Enji auch nicht immer ohne Markierungen weg; Liebesmale an den unmöglichsten Stellen und Kratzspuren auf seinem Rücken zum Beispiel. Während er so daran denkt, wird ihm wieder klar, wie sehr er ihm fehlt, obwohl es erst einige Wochen sind. Er hat sich so sehr an Hawks‘ Präsenz gewöhnt (und sei es zwischenzeitlich nur über Whatsapp), dass er sich kaum vorstellen kann, dass es von jetzt so distanziert zwischen ihnen laufen muss. Wenn sie sich überhaupt noch mal sehen können, bevor sie einen Krieg abwenden müssen. Vermutlich ist das hier vorerst das letzte Mal, dass sie sich treffen können. Miteinander sprechen können…und Enji würde ihm gern so viel sagen, doch andererseits wäre ein Abschied ein schlechtes Omen, nicht wahr? Zumal sie keinen Verdacht erregen dürfen.

Das hier ist ein zufälliges Treffen unter Kollegen, bei dem Hawks herauszufinden versucht, wie empfänglich Enji für seine neue Passion ist. Nichts weiter…
 

„Nun denn…es hat aufgehört zu regnen“, bricht Hawks das kurze Schweigen zwischen ihnen.

Enji folgt seinem Blick, stellt fest, dass er Recht hat. Anscheinend hat sich das Unwetter wieder verzogen, auch wenn die Regentropfen weiterhin an der Scheibe hinabrinnen…es wird langsam dunkel. Das graue Wetter passt zu seiner Stimmung und auch Hawks‘ Blick wirkt plötzlich ein wenig melancholisch – etwas, das er nur selten zulässt. Meistens überspielt er solche Gefühle oder weicht ihm bei der Nachfrage aus…nun, jetzt weiß Enji vielleicht den Grund dafür.

Er muss unweigerlich daran denken, dass Hawks ihn mittlerweile mit seinem richtigen Namen anspricht. Seltsam, wie schnell solche Kleinigkeiten normal werden…und wie sehr sie einem fehlen können.

„Ich muss langsam los, Endeavor-san. Du weißt ja, die Pflicht und so…danke noch mal für die Einladung~!“

„…huh?“

Enji blinzelt diesen perplex an, ehe er schnaubt.

„Ich hab dich nicht einge-“

„Das ist echt megaaa zuvorkommend von dir! Wäre natürlich nicht nötig gewesen, aber wenn du dich schon so anbietest, haha, da will ich mal nicht widersprechen!“

Er grinst ihn breit an und Enji weiß nicht, ob ihn dieses Verhalten, das schon eher dem Hawks, den er kennt, entspricht, begrüßen oder verfluchen soll. Dieser dreiste, kleine…

„Ich revanchiere mich dann das nächste Mal, versprochen!“, zwitschert Hawks ihn scheinbar heiter an und seine Flügel bauschen sich etwas mehr auf. „Vielleicht arbeiten wir dann mal wieder zusammen…dann stärke ich dir den Rücken, wie damals…bei dem Nomu.“

Enji fehlen die Worte, weniger aufgrund dieser Frechheit, sondern weil man in die letzten Worte mehr reininterpretieren kann. Beim nächsten Mal, versprochen, huh? Es bedeutet, dass sie sich wiedersehen werden. Dass sie zusammenhalten werden. In Hawks‘ bernsteinfarbene Raubvogelaugen liegt nun felsenfeste Überzeugung. Er wird tun, was er tun muss…und er verlässt sich darauf, dass auch Enji dies tut.

Er hat sein Vertrauen in ihn gesetzt, weil er an ihn glaubt. Damals wie heute. An seinen Rücken, der ihm Sicherheit gibt.

Enji wird ihn nicht enttäuschen.

„Tse…wenn du allein nicht klar kommst, bleibt mir ja wohl keine andere Wahl, als dir ständig unter die Arme zu greifen. Mach bis dahin keine Dummheiten, Grünschnabel.“

Ob Hawks wohl versteht, dass sein finsteres Grollen und die harschen Worte eigentlich bedeuten, dass er auf sich aufpassen soll? Dass er sich um ihn sorgt? Und dass er ihm fehlt? Dass ihr Vertrauen auf Gegenseitigkeit beruht?

Anhand des sanften Lächelns auf Hawks‘ Gesicht scheint er sehr wohl zu verstehen, was er ihm mitteilen will. Es beruhigt Enji etwas, auch wenn er diesen Abschied nicht will. Doch sie haben keine Wahl.

„Überschätz dich nicht, alter Mann“, meint Hawks grinsend und erhebt sich dann, steckt das Buch weg. „Ich gebe dir denselben Rat…vielleicht können wir beim nächsten Treffen noch mal ausführlicher über den Inhalt meiner neuen Lektüre reden. Lies bis dahin weiter - dann bist du vielleicht etwas empfänglicher als heute.“

Wie er ihn dabei ansieht, ihm zuzwinkert…macht Enji deutlich, dass er bei ihrem Wiedersehen nicht nur reden will. Dass es hierbei noch um etwas anderes geht, was nur sie beide verstehen. Er prägt sich seinen Anblick ein, während er seinen Blick erwidert. Sein jugendliches Gesicht, das freche Grinsen und die bernsteinfarbenen Raubvogelaugen mit den auffälligen Markierungen. Es wird eine Zeit geben, in der sie sich wieder nahe sein können. Eine Zeit, in der Hawks ihm vielleicht endlich reinen Wein einschenkt. Vielleicht gibt es da Dinge, die ihm nicht gefallen werden…doch Hawks akzeptiert auch Enjis Schattenseiten. Selbst wenn er nicht die ganze Geschichte kennt, nur Bruchstücke…aber er steht an seiner Seite. Vielleicht wird es keine Geheimnisse mehr zwischen ihnen geben, wenn das alles überstanden ist. Sie werden es überstehen. Sie beide. Er will daran glauben, auch wenn die Sorge um den Vogel nicht einfach so verschwindet.

Enji lächelt nicht, denn die Situation gibt ihm keinen Anlass dazu.

„Vielleicht…wenn du mich dann überzeugen kannst“, meint er bloß und Hawks wendet sich mit einem kleinen Schmunzeln ab.

„Darauf freue ich mich schon.“

Enji erwidert nichts darauf, sondern sieht ihm nach, während er sitzen bleibt. Sieht zu, wie Hawks den Imbiss durch die Glastür verlässt. Wie sich seine beeindruckenden, scharlachroten Schwingen entfalten und er sich in die Lüfte erhebt, um aus seinem Blickfeld zu verschwinden. Es haftet ein bitterer Beigeschmack daran, dass er ihn einfach so gehen lassen muss. Dass sie getrennt agieren müssen, damit die Welt nicht ins Chaos gestürzt wird.

Doch sie müssen einander vertrauen und beide ihr Bestes tun.

Enji leert seinen Kaffee, legt das Geld - auch für die Wings - auf den Tisch und wendet sich dann ebenfalls zum Gehen um. Es gibt viel zu tun.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Huhu! :D
Dieses Kapitel war gar nicht so leicht für mich...und hat irgendwie auch deutlich weniger Spaß gemacht.
Es musste natürlich so sein, schließlich können die beiden nicht offen reden.
Von daher war es schon recht schwierig, dem Ganzen gerecht zu werden und die Dynamik aufrechtzuerhalten...nur eben durch die "Wings". Lol.
Gebetat und inspiriert wie so oft durch Lichtregen - ich danke dir! <3

LG Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Lichtregen
2021-02-07T12:19:46+00:00 07.02.2021 13:19
Oh Mann, der arme Enji, bekommt direkt Zweifel und denkt, er habe was falsch gemacht. Seine Schuldgefühle in Bezug auf seine Familie sitzen echt tief... Wie wir ja auch durch das neue Kapitel 300 gesehen haben. T__T
Ich finde es gut, wie du die tatsächlichen Ereignisse des Mangas mit deiner FF verknüpft hast, ohne das Bekannte nochmal komplett nachzuerzählen. Du hast die wichtigsten Punkte herausgepickt (das Praktikum, Hawks‘ anderes Verhalten, die geheime Nachricht) und das erzählt, was zwischendurch auch im Canon durchaus passiert sein könnte, ohne dass es uns gezeigt wurde.
Sehr reflektiert fand ich auch, wie Enji sich mit seinen drei Schützlingen verglichen und Parallelen gezogen hat. Jaah, ein gewisser Hang zur Explosivität lässt sich sowohl bei Bakugou als auch bei Enji nicht von der Hand weisen.
Die Sache mit der privaten geheimen Nachricht hast du auch gut gelöst, ohne genau erklären zu müssen, was auch schwierig wäre, welche Passagen da genau markiert waren und welche Lösung sie ergeben. Das war sehr elegant gelöst. :)
Enji verhält sich – dafür, dass Hawks ja zunächst daran gezweifelt hat, dass Enji das Rätsel löst – auch sehr umsichtig und klug. Generell haben die beiden das Beste aus der Situation herausgeholt, was möglich war. Der kleine Denkanstoß, dass Hawks komischerweise gerne Geflügel isst, brachte mich zum Schmunzeln.
Und endlich fügen sich auch für Enji alle Puzzleteile zusammen, was Hawks‘ seltsames Verhalten, schon im ersten Kapitel, angeht. :)
Der Satz „es gibt schlimmere Geheimnisse“ hat mir – neben der versteckten Liebeserklärung durch die Hot Wings – am besten gefallen. Er zeugt von so viel Vertrauen zwischen den beiden und auch davon, dass Enji selbst kein unbeschriebenes Blatt ist und Hawks so etwas deshalb verzeihen kann.
Von den Stellen, an denen die beiden versteckt kommunizieren, hat mir am besten die mit der All Might Referenz gefallen. Da merkt man gut, dass die beiden sich schon so gut kennen, dass es quasi einen Geheimcode darstellt, den andere nicht verstehen.
Obwohl... meine Lieblingsstelle ist echt diejenige, bei der Hawks sich dreist selbst einlädt. Das ist so typisch unverschämt von ihm. XD
Und das gegenseitige Versprechen, sich wiederzusehen und einander zu unterstützen. *__* Das entschädigt für die in diesem Kapitel natürlich notwendigerweise fehlende sonstige Dynamik zwischen den beiden.
Insgesamt hast du das Ganze gut umgesetzt und alles rausgeholt, was rauszuholen war. Ich kann dein Gefühl auch gut verstehen, dass dir das Kapitel weniger Freude bereitet hat als die anderen. Es war ja auch ganz anders von der Dynamik her, aber für die Story auch wichtig. Freu mich auf das nächste!


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