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The good part

EraserMight
von

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Date

Es waren zwei Wochen vergangen, seit sie an der Tagung teilgenommen hatten, und der Alltag wieder eingekehrt war. Recht schnell, denn Yagi konnte an einer Hand abzählen, wie oft sie sich in dieser Zeit privat gesehen hatten. Dies beschränkte sich darauf, dass Aizawa nach seinen Patrouillen zu ihm ins Bett kam, um die letzten drei oder vier Stunden an ihn geschmiegt zu schlafen; sein Fenster stand dem anderen jederzeit offen. In seltenen Fällen schafften sie es, in der Mittagspause zusammen einen Kaffee zu trinken – oder in Yagis Fall ein Glas Wasser. Das war in Ordnung, schließlich hatten sie darüber gesprochen und auch er selbst war tagsüber im Unterricht sowie Midoriyas Ausbildung eingespannt. Zumal er sich aufgrund der jüngsten Ereignisse öfter mit Tsukauchi traf oder mit Gran Torino telefonierte. Nein, sie hatten beide ihre Pflichten zu erfüllen.

Trotzdem fühlte er sich auf eine ganz neue Art lebendig…und wenn Aizawa nachts unter seine Bettdecke schlüpfte, um das Gesicht an seinem Hals zu vergraben, kam er sich wie der glücklichste Mensch auf Erden vor. Er hatte vollkommen vergessen, wie es war, verliebt zu sein…und es war eine neue Erfahrung, dass diese starken Empfindungen erwidert wurden…dass Yagi sie ohne ein schlechtes Gewissen zulassen konnte.

Aizawa mochte kein Mann großer Worte sein, aber nicht jeder trug sein Herz auf der Zunge, manche setzten eher auf Taten. Wenn Yagi an ihren Zwei-Tages-Trip dachte, wurde ihm immer noch ganz warm. Es war das erste Mal, dass er solch eine intime Nähe mit seinem in Mitleidenschaft gezogenen Körper zugelassen hatte…und er bereute es nicht. Es war schön gewesen…und er wollte mehr, auch wenn die Komplexe nach wie vor seine stillen Begleiter waren.
 

Leise seufzte er, während er im Lehrerzimmer vor seinem Monitor saß und gedankenverloren auf den Stundenplan blickte. Nun, der Unterricht war für heute vorbei und er hoffte, dass Aizawa an diesem Freitagnachmittag etwas Zeit erübrigen konnte. Soweit er sich hatte erkundigen können, hatte er nach der Schule keine Termine. Seine Finger wanderten kurz zu seiner Hosentasche, um zum fünften Mal zu prüfen, ob er sie auch wirklich eingesteckt hatte. So weit, so gut…nur nicht nervös werden, schließlich waren sie ein Paar…da waren solche Dinge normal. Sollte Aizawa aus irgendeinem Grund ablehnen, würde er halt irgendwann einen anderen Versuch starten. Er hatte sich nicht gerade in Unkosten gestürzt, würde es verschmerzen können. Es war okay.

„Yo buddy! What’s going on tonight?!“

Dennoch zuckte er so heftig zusammen, dass er beinahe von seinem Stuhl fiel, als eine Hand mit Schwung auf seine Schulter niedersauste. Er japste auf, schmeckte Blut in seinem Mund und sah im nächsten Moment in Present Mics breit grinsendes Gesicht vor sich.

„Uuuups! Sorry, ich wollte dich wirklich nicht erschrecken!“

Yagi räusperte sich, versuchte, sich zu fassen, ehe er schief lächelte.

„Schon gut…es…ich war bloß in Gedanken…uhm…“

„Soso, in Gedanken, huh? Tell me more? Mh~?“

Die wackelnden Brauen und das wissende Grinsen im Gesicht des Englischlehrers ließen ihn hart schlucken. Aizawa hatte nicht viel über die Umstände erzählt, bloß, dass seine beiden Freunde durch einen dummen Zufall von ihnen wussten, sich aber nicht einmischen würden. Tatsächlich hatte ihn keiner der beiden direkt auf ihre Beziehung angesprochen, was Yagi auch lieber war.

„Meine Güte, Mic, lass ihn in Ruhe, klar?“

„Au!! Lass…Midnight!!“

Midnight hatte ihren Freund am Ohr gepackt und zog diesen von ihm weg, warf ihm dabei einen verschlagenen Blick zu.

„All Might hat sicher seine eigenen Pläne~“, säuselte sie amüsiert und zwinkerte ihm zu.

Wenigstens waren gerade nur die beiden anwesend, denn es wäre Yagi noch unangenehmer gewesen, hätten noch mehr Leute gesehen, wie sein Kopf tomatenrot leuchtete.

„Glaub aber nicht, dass wir euch dauerhaft vom Haken lassen!“, stellte sie nachdrücklich klar und ließ den jammernden Mic los. „Das ist bloß die Schonfrist~“

„Uhm…“

„Komm schon, Mic! Heute Abend will ich feiern gehen! Lass uns die anderen abfangen, vielleicht haben die ja Zeit für uns?“

Yagi hörte, wie sie mit ihrer Peitsche knallte, bevor sie sich ihre Tasche schnappte und das Lehrerzimmer verließ. Ihr Freund folgte ihr, wobei er herumkrakeelte, dass sie auf ihn warten sollte. Noch während sich Yagi fragte, durch welche Umstände die beiden und Aizawa wohl Freunde geworden waren, betrat eben dieser mit genervtem Blick den Raum.
 

„Was ist mit denen wieder los?“, brummte er, hängte dabei den gelben Schlafsack über seinen Stuhl.

Yagi glaubte nicht, dass er wirklich eine Antwort erwartete und blieb daher still. Seine große Hand glitt wieder zur Hosentasche und erneut überkam ihn die Nervosität. Durch das lange Schweigen anscheinend stutzig geworden, linste Aizawa über seinen Monitor zu ihm herüber, zog die Stirn in Falten.

„…haben sie was Komisches gesagt? Also…komischer als sonst…?“, wollte er wissen, woraufhin Yagi hastig den Kopf schüttelte.

„Oh…nein. Nein, das nicht…“, gab er rasch zurück und hob abwehrend die Hände.

Aizawas Blick wurde eine Spur skeptischer, ehe er schnaubte.

„…ich werde sie verprügeln.“

„Das…musst du nicht, Aizawa-kun. Es geht nicht darum, es…ich…Moment!“

Er erhob sich rasch und ging um den Tisch herum, bis er vor dem Underground-Hero stand, welcher fragend zu ihm aufblickte. Eine Hand hatte er in seiner Hosentasche vergraben, die Finger um die beiden Karten gekrampft.

„Ich…also, wie hatten wenig Zeit füreinander, seit der Tagung – und das ist auch vollkommen in Ordnung! Das soll kein Vorwurf sein…eh…nur, also, ich habe mir Gedanken gemacht und…vielleicht, wenn du noch nichts vorhast, dann…könnten wir vielleicht heute…ausgehen?“

Er zog die Karten aus der Tasche und hielt sie dem perplex dreinschauenden Mann direkt vor die Nase. Abermals Stille, die dunklen Augen fixierten die Kinokarten, auf die das Programm gedruckt worden war.

„Es…ist ein Actionfilm. Ich dachte, dass du so etwas vielleicht mögen könntest. Und…ich habe extra eine frühere Vorstellung ausgesucht, weil…wir danach noch essen gehen könnten, dachte ich, und…du könntest in der Nacht trotzdem deinem Job nachgehen.“

Aizawa sagte immer noch nichts, sondern blinzelte erst die Karten an und dann ihn. Überrascht hatte er ihn jedenfalls, wenn er den Ausdruck richtig deutete, nur war er unsicher, ob positiv oder negativ.

„Wir…müssen nicht hingehen“, wandte er vorsichtig ein. „Es war bloß eine Idee…und falls uns jemand…na ja, sieht…auch gute Freunde können ins Kino gehen oder…etwas essen gehen…“

Aizawa neigte leicht den Kopf, den Blick weiterhin in seinen bohrend.

„Fragst du mich nach einem Date?“

Yagi schluckte hörbar, spürte seine Wangen glühen.

„Ich…schätze schon…“

Der Jüngere nickte langsam, seine Mundwinkel zuckten leicht, was ein gutes Zeichen war…oder?

„Kino und essen gehen ist gut…allerdings wirst du mich so mitnehmen müssen. Ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen, bevor wir los können…das wird knapp.“

Yagi versuchte, nicht allzu sehr wie ein Honigkuchenpferd zu grinsen, aber die Antwort ließ alle Sorgen von ihm abfallen. Sie hatten tatsächlich ein Date…und ihm war vollkommen egal, was Aizawa trug, solange er nur den restlichen Tag mit ihm verbringen konnte.

„Sei dir gewiss, ich habe nichts an dir auszusetzen! Lass es mich nur wissen, falls ich helfen kann!“, erwiderte er euphorisch und reckte die Faust.

Aizawa seufzte langgezogen, ehe er sich den Nacken rieb.

„Nein. Schon gut“, lehnte er ab. „Gib mir einfach die Karte, ich komme später direkt dorthin.“

Das versetzte seiner Hochstimmung zwar einen kleinen Dämpfer, doch er ließ sich nichts anmerken, reichte dem anderen die Kinokarte. Natürlich verstand er Aizawa, schließlich gab es auch in seinem Leben Angelegenheiten, aus denen er ihn raushalten musste. One for All war bloß eine von vielen…wobei er schon einige Male daran gedacht hatte, Aizawa davon zu erzählen. Dass er diesem vertrauen konnte, daran zweifelte er nicht…dennoch war es nicht gut, wenn zu viele Leute davon wussten. Midoriya, den es betraf, war eine Sache, Gran Torino und Tsukauchi waren seine engsten Vertrauten, ebenso wie Recovery Girl und Nezu aus diversen Gründen darüber Bescheid wussten. Oh und Bakugou…

„In Ordnung“, meinte er daher und lächelte wieder. „Dann sehen wir uns später.“

Aizawa nickte, nahm seine Karte entgegen, wobei sich ihre Hände einen Moment länger als nötig berührten. Allerdings wollte Yagi ihn nicht weiter abhalten, weswegen er sich daran machte, seine Sachen zu packen und den PC herunterzufahren. Sie hatten nachher sicher genügend Zeit füreinander und er selbst hatte auch noch ein, zwei Dinge zu erledigen.
 

Zwei Stunden später stand Yagi etwas abseits am Kino Musutafus, warf immer wieder einen Blick auf sein Handy. Aizawa verspätete sich, hatte ihm aber bislang keine Nachricht zukommen lassen, dass etwas dazwischen gekommen war. Ob er ihm schreiben sollte? Oder lieber anrufen? Wahrscheinlich würde er jede Minute da sein, er musste einfach noch etwas Geduld haben…die Werbung im Kino war ja immer recht lang. Es machte nichts, wenn sie diese verpassten.

Yagi atmete durch, ließ den Blick zu den Leuten schweifen, die das Kino betraten. Da er die Vorstellung um 17 Uhr ausgewählt hatte, war es noch nicht allzu voll, was vermutlich auch Aizawa ganz lieb war. Dieser mochte schließlich keine Menschenmassen und schon gar nicht den Hype um Yagi alias All Might. Um dem ein wenig zu entgehen, hatte er seine förmliche Kleidung gegen legerere getauscht. Wie lange er schon kein einfaches Shirt mehr getragen hatte…geschweige denn ausgeblichene Jeans. Damals in Amerika hatte er in seiner Freizeit kaum etwas anderes getragen, aber da war er auch deutlich jünger gewesen. Nun, sein dunkelblaues Shirt mit rotem Print passte jedenfalls zum Baseball-Käppi, das er trug, um nicht direkt durch seine blonde Mähne aufzufallen. Er stutzte plötzlich, warf einen hektischen Blick von rechts nach links; hatte Aizawa ihn möglicherweise übersehen und war schon hineingegangen? Hoffentlich nicht...aber wenn doch…er sollte ihm vielleicht wirklich schreiben, griff daher nach seinem Handy.

„…was soll der Aufzug?“

Vor Schreck fiel ihm beinahe das Handy aus der Hand, doch er fing es noch rechtzeitig auf, atmete hörbar aus. Dann wandte er sich dem Underground-Hero zu, der direkt hinter ihm stand und ihn mit gerunzelter Stirn musterte. Wie bereits angekündigt, trug Aizawa immer noch seinen schwarzen Jumpsuit inklusive Capture Weapon…und er wirkte erschöpfter als vorher.

„Uhm…ich dachte, ich bin so etwas…unauffälliger…?“, bemerkte er schief grinsend und kratzte sich an der Wange.

„Deine Definition von Unauffälligkeit solltest du bei Gelegenheit überdenken“, erwiderte Aizawa und unterdrückte im nächsten Moment ein Gähnen. „Hn…ich weiß, ich bin spät dran. Es hat sich alles etwas…verzögert. Sorry.“

Yagi war sich gerade nicht mehr sicher, ob Kino noch eine gute Idee war, wenn der Jüngere bereits jetzt so müde wirkte. Er schüttelte den Kopf, winkte ab.

„Mach dir deswegen keine Sorgen. Falls du deine Meinung geändert hast…wir können es auch verschieben?“, bot er ihm an.

Es war nicht so, dass er es verschieben wollte, schließlich hatte er sich sehr darauf gefreut. Allerdings konnte er es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, Aizawa darauf festzunageln, wenn dieser offensichtlich erschöpft war.

„Unsinn“, brummte dieser schroff. „Du hast die Karten schon bezahlt und ich habe zugesagt. Wir verschieben nichts.“

Ein warmes Lächeln legte sich bei diesen Worten auf Yagis Lippen, woraufhin auch Aizawas Ausdruck milder wurde. Am liebsten hätte er ihn geküsst, doch sie standen mitten in der Öffentlichkeit, sodass er davon absah. Er musste die Aufmerksamkeit der Leute ja nicht provozieren und sicher war dies auch in Aizawas Sinn.
 

„Du musst nicht immer bezahlen.“

Yagi warf dem Jüngeren einen verwirrten Blick zu, während er sich neben diesen sinken ließ und sein Wasser in die dafür vorgesehene Halterung stellte. Wie erwartet, lief immer noch die Werbung, trotzdem sie relativ spät dran waren. Ihre Plätze lagen ganz rechts, in der mittleren Reihe, sodass sie zwar nicht die beste Sicht hatten, aber definitiv mehr Ruhe. Tatsächlich waren die Sitze neben ihnen nicht belegt und auch direkt hinter ihnen saß noch niemand.

„Nun, ich habe dich schließlich eingeladen“, bemerkte er langsam.

Er hätte noch hinzufügen können, dass es ihm nicht an Geld mangelte, trotzdem das meiste davon in seine Stiftungen und Projekte floss. Allerdings kannte er Aizawas Einstellung gut genug, sodass er lieber nicht riskierte, vor diesem ungewollt zu protzen und ihn damit zu verärgern. Stattdessen beobachtete er ihn lächelnd, wie er ein paar salzige Lakritze aus der Tüte fischte und sich diese in den Mund schob.

„Das nächste Mal zahle ich“, hörte er ihn brummen.

„Es gibt also schon ein nächstes Mal?“, fragte er amüsiert, woraufhin Aizawa eine Braue hob.

„Hattest du Zweifel daran?“

„Uns betreffend? Wenige…“, antwortete Yagi zögerlich, ließ den Blick zur Leinwand schweifen.

Es wurde die Vorschau eines neuen Thrillers gezeigt, wobei die Lautsprecher ihre gedämpften Stimmen übertönten, was auch ganz gut so war.

„Wenige, huh?“, wiederholte Aizawa leise.

Der Blonde nickte langsam, wünschte sich gleichzeitig, er hätte nichts gesagt. Andererseits kannte Aizawa seine Bedenken ebenso, wie er die seinen kannte, und nicht alle verschwanden über Nacht. So glücklich er sich fühlte, es gab immer noch Hindernisse, die sie jetzt noch ausblenden konnten…irgendwann vielleicht nicht mehr. So wie die Tatsache, dass er gut 20 Jahre älter war…doch er wollte gerade weder daran denken, noch es ausdiskutieren.

„Es ist nur…du hattest Recht“, murmelte er und spürte Aizawas dunkle Augen auf sich ruhen. „Es ist schwierig, Zeit für…uns zu finden. Das ist schade, aber es lässt sich nicht ändern.“

Er hoffte, dass ihn der Underground-Hero nicht falsch verstand, aber wie er diesen kannte, würde er keine Missverständnisse zulassen. Aizawa war kein Mensch, der solche Angelegenheiten totschwieg. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie der andere die Tüte beiseitelegte, ihn dabei weiterhin fixierend.

„Nun…“, hörte er ihn gedehnt sagen und stutzte, als sich eine Hand in seinen Nacken legte. „Ein weiterer Grund, jede Minute dieser kurzen Zeit zu nutzen, nicht wahr?“

Gleich darauf spürte er Aizawas Lippen auf seinen, vernahm den salzigen Lakritz-Geschmack, der noch daran haftete. Im selben Moment ging das Licht aus, kündigte den Beginn des Filmes an, doch keiner von ihnen beiden beachtete dies noch. Yagi lehnte sich Aizawa entgegen, genoss den innigen Kuss, wobei er eine Hand an die kratzige Wange legte, mit dem Daumen darüber strich. Da war es wieder, dieses Gefühl, das ihm jegliche Bedenken nahm und wie pures Glück durch seine Adern strömte. Jede Minute nutzen…seinetwegen auch gern jede Sekunde, denn sie beide lebten ein gefährliches Leben. Er überließ dem anderen die Führung, erwiderte die Berührungen…bis sie sich schließlich doch voneinander lösten. Erst jetzt fiel Yagi auf, dass er sein Käppi während ihres leidenschaftlichen Kusses verloren hatte; vermutlich lag es irgendwo auf dem Boden.

Er hörte Aizawa zufrieden brummen, ehe sich dieser sofort wieder an ihn lehnte, den Kopf an seiner Schulter ruhen ließ. Um ihm etwas mehr Komfort zu biete, legte Yagi den Arm um ihn, versuchte dann, sich auf die Leinwand zu fokussieren. Sein Herz klopfte so schnell, dass es ihm nicht leicht fiel, doch er nahm sich zusammen. Vielleicht hatten sie später Zeit für weitere Zärtlichkeiten…hoffentlich, denn er verzehrte sich danach. Nach Aizawa…und diesem Gefühl.
 

Ihm entging nicht, dass Aizawa während des Films das ein oder andere Mal döste, doch weder nahm er dies persönlich, noch versuchte er, ihn zu wecken. Wenn er ehrlich war, hatte er das Kino wegen der ruhigen Atmosphäre ausgewählt. Sicher, es war ein Actionfilm und zumindest Yagi fand ihn spannend, jedoch hätte er nicht mehr Spaß gehabt, wäre Aizawa die ganze Zeit wach gewesen. Wenn der Underground-Hero den Schlaf brauchte, war Yagi froh, ihn ihm ermöglichen zu können. Im Restaurant war er dadurch vielleicht wacher und dort konnten sie sich auch vernünftig unterhalten, wofür das Kino ein schlechter Ort war. Nein, er hatte die Reihenfolge bewusst so gewählt.

Er streichelte dem Jüngeren durch die zerzausten Haare, durchkämmte die Strähnen mit den Fingern, während seine blauen Augen auf die Leinwand gerichtet waren. Trotzdem ihm der Film gefiel, konnte er die Bitterkeit, die in ihm aufstieg, nicht unterdrücken. Seine Zeit als Held war abgelaufen…zumindest was den aktiven Dienst betraf. Vermutlich würde er ein Kostüm nur noch dann anziehen, wenn man ihn als alten Veteranen zu irgendwelchen Events einlud...falls er seine Muskelform überhaupt jemals wieder länger aufrechterhalten konnte. Er glaubte nicht daran. Aber gut, es war nicht zu ändern…immerhin konnte er wenigstens der neuen Generation zur Seite stehen. Er würde alles in seiner Macht stehende tun, um Midoriya und die anderen Schüler ihren Zielen näher zu bringen. Nach vorn schauen, positiv denken…es gab genügend Menschen, die ihn brauchten. Auf eine andere Art und Weise als bisher, aber dadurch war er nicht nutzlos.

Er hielt inne, als sich Aizawa an seiner Schulter regte und leise gähnte, allerdings keine Anstalten machte, sich von ihm zu lösen. Mit einem sanften Lächeln strich er ihm die Haare aus der Stirn, bemerkte, dass der andere unter halb gesenkten Lidern zur Leinwand sah. Der Film neigte sich dem Ende, was Aizawa wohl gerade bemerkte, denn er legte den Kopf in den Nacken, schaute zu ihm hoch.

„…du hättest mich wecken können“, murmelte er, woraufhin Yagi die Schultern zuckte.

„Du hast den Schlaf gebraucht.“

„Trotzdem…“

War das der Anflug eines schlechten Gewissens? Falls ja, war dies zwar unnötig, aber dass Aizawa überhaupt eines hatte, sagte für ihn genug aus. Es freute ihn, dass sich der andere Gedanken um ihn machte.

„Es ist wirklich in Ordnung, mach dir keine Sorgen“, gab er leise zurück.

Der Underground-Hero blickte ihn noch einen Moment lang prüfend an, als würde er sichergehen wollen, dass er die Wahrheit sagte, ehe er nickte.

„Na gut“, meinte er und löste sich dann von ihm, um sich kurz zu strecken. „…du hast was von essen gehen gesagt.“
 

Da Aizawa nichts dagegen hatte, den nicht allzu weiten Weg zu Fuß zurückzulegen, gingen sie direkt los, anstatt ein Taxi zu rufen. Yagi musterte den Jüngeren von der Seite her nachdenklich, woraufhin dieser seinen Blick erwiderte.

„Was ist?“

„Oh…also, ich dachte gerade…ich hab mich gefragt, warum du nie einen Führerschein gemacht hast.“

Aizawa wirkte über die Frage zwar nicht verärgert, antwortete aber nicht sofort. Es kamen ihnen einige Menschen entgegen, viele verschiedene Menschen, doch niemand blieb seinetwegen stehen. Vielleicht war das Käppi ja doch nützlicher, als er angenommen hatte – oder das Interesse an All Might schwächte langsam ab. Irgendwann würde dies anfangen…das wusste er.

„…ich lebe minimalistisch“, hörte er ihn schließlich sagen. „Wozu einen Führerschein machen, wenn ich ihn nie genutzt hätte? Das ergibt keinen Sinn.“

Dem musste Yagi innerlich zustimmen, auch wenn er es nicht ganz nachvollziehen konnte. Minimalistisch leben…heute lebte er selbst zwar viel bewusster, als in seinen jungen Jahren, doch Aizawas Einstellung war schon sehr speziell. Die meiste Zeit über ernährte er sich von diesen flüssigen Gel-Packs, schlief bei jeder Gelegenheit und an jedem Ort in seinem Schlafsack…und er besaß abgesehen von ein, zwei Hemden anscheinend nur seinen Jumpsuit. Oder mehrere davon. Das war jenseits von Bescheidenheit und er fragte sich, was Aizawa dazu gebracht hatte, sich für so ein Leben zu entscheiden.

„Nicht mal, als du jünger warst?“, hakte er nach.

Aizawa schnaubte leise.

„Ich war als Teenager nicht viel anders als jetzt…frag Mic. Er hat damals meinen Heldennamen ausgesucht. Mir waren solche Dinge immer recht egal.“

Yagi konnte nicht anders, als sich einen jungen, missmutig dreinblickenden Aizawa vorzustellen und daneben den jungen Present Mic, der ihm euphorisch ins Ohr brüllte. Er musste bei dem Gedanken schmunzeln, schüttelte dann den Kopf.

„Ich war da wohl etwas anders.“

„Das überrascht mich nicht“, hörte er Aizawa brummen.

„Sag das nicht so…nach Senseis Tod war mein Leben nicht gerade leicht“, erwiderte er, dachte daran zurück. „Die Zeit in Amerika hat mir gut getan…und ja, ich habe den Ruhm und das Geld genutzt, das stimmt. Es war…befreiend für mich. Der ganze Druck, der auf mir gelastet hat…und den ich mir selbst gemacht habe…es war für mich ein Ausgleich.“

Seine blauen Augen erfassten Aizawa und er erwartete regelrecht, dass dieser einen abfälligen Kommentar dafür übrig hatte. Es war kein Geheimnis, dass der Jüngere eine Abneigung gegen solch ein Verhalten hegte. Zu seiner Verwunderung zuckte dieser bloß mit den Schultern, während sie um die Ecke bogen.

„Du hattest deine Gründe und ich meine. Daran ist nichts falsch“, murmelte er bloß und Yagi war froh, dass er dies sagte.

Es nahm ihm die Anspannung, wenn auch nicht ganz, denn etwas beschäftigte ihn schon seit einigen Minuten. Erst hatte er gedacht, er wäre paranoid, aber mittlerweile...auf seine Sinne war nach wie vor Verlass, Ruhestand oder nicht.
 

„Aizawa-kun...“

Anscheinend reichte die Tonlage, in der er seinen Namen sagte, aus, um dem anderen zu signalisieren, dass ihr Gespräch vorerst beendet war. Der Underground-Hero gab einen zustimmenden Laut von sich, hatte es also ebenfalls bemerkt.

„Ich weiß.“

Sie tauschten einen raschen Blick miteinander, ehe Yagi nickte…mit ihm zusammen in eine Seitengasse bog. Eine Sackgasse, was ihnen beiden sehr gelegen kam…und sie fuhren gleichzeitig herum, kaum dass ihre Verfolger zu ihnen aufzuschließen versuchten. Er sah Aizawas Capture Weapon aus den Augenwinkeln an ihm vorbeischnellen, während er selbst einen von ihnen grob am Arm packte, um ihn sich mit so viel Kraft, wie er aufbringen konnte, über die Schulter zu werfen. Er mochte keine 250 Kilogramm mehr auf die Waage bringen, doch seine Techniken hatte er nicht verlernt. Ein schmerzerfülltes Keuchen drang an seine Ohren, als er seinen kleineren Gegner zu Boden rang und ihn mit seinem eigenen Gewicht dort hielt, die große Hand um dessen Kehle geschlossen. Gleich darauf stutzte er, blickte geradeswegs in zwei riesige, grüne Augen, die ihm aus einem sommersprossigen Gesicht entgegen blickten. Oh nein…er spürte, wie ihm heiß und kalt wurde. Bitte nicht…

„All Might!!“

„Aizawa-sensei!!“

Weitere Schritte ertönten hinter ihnen, ebenso wie viel zu vertraute Stimmen. Er schmeckte Blut in seinem Mund, konnte sich gerade noch so davon abhalten, dieses direkt in das rot angelaufene Gesicht seines Nachfolgers zu spucken. Dieser bekam immer noch keinen Ton raus – was vielleicht auch daran lag, dass er dem Jungen die Luft abdrückte. Rasch ließ er ihn los und stieg von ihm herunter, woraufhin dieser sich hustend aufsetzte und sich den wunden Hals rieb.

„Oh Gott…Midoriya-shonen, es…das tut mir leid!!“, entfuhr es ihm hastig und er hob abwehrend die Hände. „Es…aber wirklich, man schleicht doch niemandem nach! Das…gehört sich nicht…“

Yagi warf einen nervösen Blick hinter sich, wo Uraraka, Iida und Asui standen, denen das Unwohlsein ins Gesicht geschrieben stand. Ihm wurde übel, wenn er daran dachte, wie lange die vier…nein, fünf…ihnen schon folgten und was sie gesehen hatten. Er schaute zu Aizawa, dessen Augen rot leuchteten, während er Todoroki mit seiner Capture Weapon gefangen hielt; der arme Junge konnte vermutlich keinen Muskel rühren, zumal sein Quirk nicht funktionieren dürfte.

„Verzeihung, All Might! Aizawa-sensei!“, kam es wie aus der Pistole geschossen von Iida und er verneigte sich so tief, dass ihm die Brille beinahe von der Nase rutschte. „Wir…uns ist bewusst, dass sich so etwas nicht gehört und wir werden jede Strafe dafür akzeptieren! Es lag nicht in unserer Absicht, etwas Unrechtes zu tun!“

„Es stimmt, was Iida-kun sagt!!“, pflichtete Uraraka ihm bei. „Wir…waren bloß…uhm…na ja…“

„Neugierig“, führte Asui ihren Satz ruhig weiter. „Als wir Sie im Kino gesehen haben, wurde uns klar, dass die Gerüchte stimmen, kero.“

Yagi starrte sie an, drückte sich hastig die Handfläche auf den Mund, um das Blut abzufangen. Im Kino gesehen?! Gerüchte?! Ein tiefes Seufzen ertönte von Aizawa, dessen Haar gerade herabfiel, gleichzeitig nahmen seine Augen wieder die gewohnt dunkle Farbe an. Die Bandagen zogen sich zurück, ließen Todoroki frei, welcher weder etwas sagte, noch sonderlich geschockt wirkte. Er blickte Aizawa lediglich mit gerunzelter Stirn an, die Miene unleserlich…während Midoriya, der sich mittlerweile aufgerappelt hatte, keinen von ihnen ansehen konnte.

„Ihr sprecht von dem Foto aus dem Freizeitpark“, stellte Aizawa monoton fest und verschränkte die Arme.

„Welches Foto?“, entwich es Yagi verdutzt.

„Uhm…das, wo Sie beide aneinander gekuschelt im Bus schlafen“, klärte Uraraka ihn auf und ihre Wangen röteten sich.

Yagi blickte sie ungläubig an, merkte, wie ihm ebenfalls das Blut in die Wangen schoss; warum hatte Aizawa ihm nichts davon erzählt? Andererseits…was hätte es geändert? Welche Auswirkungen würde es jetzt haben? Er fühlte sich so überrumpelt, dass er gar nicht zu reagieren wusste, einen Blick mit Aizawa tauschte, der recht finster drein schaute.

„Es…stimmt also?“, kam es zögerlich von Uraraka. „Sie sind ein Paar? Immerhin haben Sie sich gekü-“

„Uraraka-kun! Die privaten Angelegenheiten unserer Lehrkräfte gehen uns nichts an!“, grätschte Iida hinein und richtete seine Brille. „Wir hätten Ihnen nach dem Kino nicht folgen dürfen! Das war falsch! Allerdings muss ich Ihnen sagen, dass wir zufällig dort waren und Ihr schamloses Verhalten in der Öffentlichkeit erst dazu geführt hat, dass wir Ihnen nachgestellt haben. Bitte verstehen Sie dies nicht falsch, aber…Sie sollten auch an Ihren Ruf und das Bild, das Sie vermitteln, denken!“

„Aber Iida-kun, wenn die zwei doch verliebt sind? Warum sollen sie es denn nicht zeigen?“, empörte sich Uraraka und stemmte die Hände in die Hüften. „Wenn die Leute etwas dagegen haben, ist das ja wohl ihr Problem!“

„Darum…darum geht es doch gar nicht!“, verteidigte sich Iida sofort. „Also…nicht nur…wenn die Medien davon Wind bekommen…“

„Iida-chan hat gar nicht so Unrecht“, überlegte Tsuyu, neigte den Kopf zur Seite. „Die Medien würden sich sicher darum reißen, es veröffentlichen zu dürfen…aber Ochako-chan hat auch Recht. Wenn jemand etwas dagegen hat, sollte dies weder Aizawa-sensei noch All Might kümmern, kero.“

Yagi blickte irritiert von einem zum anderen, nicht wissend, ob und was er dazu sagen sollte; es war ja irgendwie nett, dass die drei sich solche Gedanken um sie machten, aber…auch sehr unangenehm. Er bemerkte, wie Aizawas Braue gefährlich zuckte, während er mit angesäuerter Miene dem Gespräch zuhörte. Die beiden Jungs beließen es beim Schweigen, was Yagi gerade bei Midoriya bedenklich fand; schockte es ihn so sehr, dass Aizawa und er…?
 

„Hn…Iida hat mit einem Recht. Es geht euch tatsächlich nichts an!“, fiel ihnen Aizawa schroff ins Wort. „All Might und ich sind alt genug, um selbst entscheiden zu können, was wir tun und welches Risiko wir dabei eingehen. Unsere Beziehung hat keinen Einfluss auf den Unterricht oder eure Entwicklung, sondern betrifft unsere Freizeit – die euch nicht zu interessieren hat, wie ich bereits sagte.“

Auf die deutliche Aussage hin wurde es abermals sehr ruhig und Yagi spürte, wie sein Herz in seiner Brust hämmerte. Dass Aizawa es so deutlich sagte, hatte er nicht erwartet. Andererseits…hatten sie nicht bereits festgelegt, dass sie kein Geheimnis daraus machen würden? Er hatte ja Recht, sie waren keine Teenager mehr, die sich verstecken mussten, weil sie die Reaktionen fürchteten. Dennoch machte ihm Midoriyas Schweigen Sorgen und er warf dem Jungen einen längeren Seitenblick zu.

„Ich wusste es!“, rief Uraraka aus und klatschte in die Hände.

Asui neigte den Kopf von rechts nach links, sah von ihm zu Aizawa.

„Ich hätte nicht gedacht, dass Sie beide homosexuell sind, kero“, sprach sie offen aus, was sie dachte. „Aber irgendwie…ist es doch…niedlich.“

„Ich finde es auch total süß!“

Sollte er sich nun glücklich schätzen, dass die beiden Mädchen so gut damit zurechtkamen? Die Hitze, die ihm gerade erneut ins Gesicht stieg, ließ jedoch wenig Erleichterung zu, sodass er nur seine Hände knetete, den Blick auf diese senkte.

„…ist es nicht“, brummte Aizawa verärgert. „Und damit ihr mich richtig versteht…ihr werdet das für euch behalten. Weder All Might noch ich haben Lust, weiterhin Mittelpunkt von irgendwelchem Tratsch zu sein. Verstanden?!“

„Aber natürlich! Sie können sich auf uns verlassen!“

„In Ordnung, kero.“

„Oh…wir dürfen nicht darüber – eh…vergessen Sie’s, ehehe…unsere Lippen sind versiegelt!“

Uraraka grinste schief und rieb sich bei dem scharfen Blick ihres Hauslehrers den Nacken, wissend, dass sie dessen Zorn nicht heraufbeschwören sollte. Dieser schnaubte, wandte sich dann zu Todoroki um, welcher ihn nach wie vor skeptisch anblickte.

„Midoriya, Todoroki…ihr seid damit genauso gemeint.“

„Uhm…ja…natürlich, Aizawa-sensei…uhm…“, stammelte Midoriya mit hochroten Wangen und sah nun zum ersten Mal wieder zu ihnen auf.

Todoroki dagegen zuckte recht teilnahmslos mit den Schultern.

„Ehrlich gesagt, verstehe ich den Aufruhr sowieso nicht“, erwiderte dieser ruhig. „Ich kann es zwar nicht nachvollziehen, aber na ja…es betrifft nur Sie beide, nicht wahr?“

Yagi lächelte schief bei den Worten, denn sie zeigten mal wieder, wie wenig Todoroki Shoto nach seinem Vater schlug; dieser hätte sicher nicht so erwachsen darauf reagiert. Trotzdem machte ihm Midoriya immer noch Sorgen, wobei das vielleicht daran lag, dass er eine…positivere Reaktion erwartet hatte. War der Junge enttäuscht von ihm? Schließlich war er dessen Idol…und so etwas konnte hohe Erwartungen hervorrufen. War das nicht einer der Gründe, wegen dem er diese Neigung stets unterdrückt hatte? Der perfekte All Might, das Symbol des Friedens…aber das war er nun nicht länger und das wusste Midoriya von allen am besten.
 

„Gut. Dann rate ich euch, unsere Verabredung nicht weiter zu stören“, riss ihn Aizawas harsche Stimme aus den Gedanken.

Uraraka stieß ein hohes Quietschen aus, während sie sich die Wangen hielt, jedoch verstummte sie rasch, als sie das rote Blitzen in Aizawas Augen sah. Iida dagegen straffte die Schultern und verbeugte sich abermals sehr tief.

„Wir werden Sie nicht weiter belästigen!“, versprach er. „Verzeihen Sie unser impertinentes Verhalten und meine harten Worte darüber, wie Sie mit Ihrer Beziehung in der Öffentlichkeit umgehen sollten! Das war anmaßend, das sehe ich nun ein, und es wird nicht wieder vorkommen!“

Aizawa knirschte mit den Zähnen und man sah ihm an, wie genervt er von der überschwänglichen Entschuldigung war.

„Schon gut…verschwindet einfach“, brummte er und winkte ab.

Todoroki warf ihnen beiden einen weiteren skeptischen Blick zu, ehe er abermals die Schultern zuckte und sich abwandte. Bevor sie sich jedoch alle zum Gehen wenden konnten, räusperte sich Yagi, fixierte erst Midoriya und dann Aizawa.

„Uhm…einen Moment noch, Aizawa-kun. Ich möchte kurz mit Midoriya-shonen unter vier Augen sprechen. Es dauert nicht lange…Shojo, Shonen.“

Zuerst wirkten sie alle, Midoriya eingeschlossen, irritiert, doch schließlich seufzte Aizawa und scheuchte ihre Schüler aus der Gasse. Ein bisschen tat er ihm leid, denn sicher würden sie die Zeit nutzen, um ihn mit Fragen zu bombardieren, wobei Yagi ihnen ihre Neugierde nicht übelnahm; sie waren eben jung und wenn er bedachte, wie Midnight und Present Mic reagiert hatten…

Der blonde Hüne hielt inne, bevor er abschweifen konnte, und drehte sich seinem Nachfolger zu, der nervös zur Seite sah. Sonst wich er seinem Blick nicht ständig aus…beunruhigend.

„Möchtest du mir nicht sagen, was dir auf der Seele brennt?“, fragte er gerade heraus und wappnete sich mental. „Ich kann verstehen, dass das…vielleicht verstörend auf dich wirkt, doch ich versichere dir, dass sich nichts geändert hat. Ich…habe bloß nach langer Zeit jemanden an meiner Seite, für den ich sehr viel empfinde.“

Midoriya öffnete den Mund, schloss ihn dann wieder, während vom Boden zu ihm hoch flackerte…zurück und…nach dem dritten Ansatz sagte er endlich etwas.

„Das…uhm…ist es ja gar nicht. Ich meine, es ist schon…ich dachte nicht, dass du…also, dass du Männer magst. Nicht auf diese Weise…das stand nie in irgendeinem Interview, aber wenn man darüber nachdenkt, ist es logisch, dass du es für dich behalten hast. Ich meine, ich kann verstehen, dass du das nicht öffentlich machen wolltest, es macht ja sicherlich einiges komplizierter und es geht auch niemanden etwas an, da hat Aizawa-sensei schon Recht. Er kann die Medien ja überhaupt nicht ausstehen, also ist es kein Wunder, dass-“

„Oi, shonen!“, unterbrach Yagi ihn und gestikulierte mit den Händen, um den Redeschwall zu stoppen. „Da kommt man ja gar nicht mehr mit…uhm…zusammengefasst hast du also kein Problem damit?“

Midoriya blinzelte ihn für ein paar Sekunden verwirrt an, doch dann schien er zu begreifen.

„Problem? Oh! Nein! Nein, natürlich nicht! Es kommt nur so überraschend und ich frage mich, wie du und Aizawa-sensei…ich dachte immer, er könnte dich nicht leiden. Genau genommen hat er das auch oft gesagt und deswegen…ihr…das hat, glaube ich, keiner erwartet. Ihr seid so unterschiedlich, aber vielleicht ist ja gerade das der Grund, warum es funktioniert.“
 

Was dies betraf, hatte sich Yagi anfangs dasselbe gefragt, aber irgendwie hatten sie dann doch zueinander gefunden. Mit Kätzchen-Schokolade und Aizawas direkter Art, ohne die es sicherlich länger gedauert hätte. Zumal der Jüngere keine solche Abneigung mehr gegen ihn hegte, wie es anfangs der Fall gewesen war. Sie hatten einander kennengelernt. Richtig kennengelernt.

„Es hat sich viel zwischen uns verändert“, erwiderte Yagi nachdenklich.

Er wollte dem Jungen nichts im Detail erzählen, ihm bloß mitteilen, dass er sich keine Sorgen machen musste. Dass…er jemanden gefunden hatte, mit dem er sein Leben auf diese Weise teilen konnte.

„Wir sind zwar unterschiedlich, aber wir respektieren und vertrauen einander…und ich denke, dass das eine gute Basis ist.“

Das war generell oft ein Problem gewesen, als er noch das Symbol des Friedens gewesen war. Vertrauen…doch selbst, wenn er nicht im Ruhestand gewesen wäre, so konnte er bei Aizawa sicher sein, dass ihre Beziehung auf ehrlichem Interesse beruhte. Er kratzte sich an der Wange, wusste nicht, wie er es ausdrücken sollte.

„…diese Beziehung tut mir gut“, fügte er schließlich an.

Midoriya schwieg ein paar Sekunden, blickte ihn verwundert an, ehe er bedächtig nickte.

„Verstehe…ich denke, es ist gut, jemanden an seiner Seite zu haben, dem man vertrauen kann. Egal, ob es sich dabei um eine Frau oder einen Mann handelt, solange man glücklich mit dieser Person ist…und ich freue mich für dich. Das tue ich wirklich!“

Die Worte rührten etwas in ihm und Midoriyas ehrliches Lächeln verstärkte diese Empfindung noch, nahm ihm alle Anspannung. Yagi glaubte ihm und es erleichterte ihn; anscheinend hatte er die Situation falsch gedeutet. Im Nachhinein kam es ihm dumm vor, an Midoriyas Toleranz gezweifelt zu haben, aber so warmherzig dieser auch war, er war immer noch ein Teenager. Yagi hatte die Vierzig längst überschritten und sich Jahrzehnte mit seiner Sexualität schwergetan, tat es auch jetzt noch teilweise.

Trotzdem sie es lieber hatten geheim halten wollen, fühlte es sich gut an, dass zumindest ein paar Leute davon wussten. Midoriya stand ihm nahe, ebenso wie auch Midnight und Present Mic wichtige Personen für Aizawa waren. Ein Lächeln legte sich auf seine ausgezehrten Züge, als er die Schulter des Jungen drückte.

„Danke, Shonen…das bedeutet mir viel.“

Midoriya wirkte verlegen, rieb sich den Nacken.

„Ach was…“

„Und nun geh besser schnell zu deinen Freunden – bevor Aizawa-kun doch noch die Geduld verliert.“

Um dieser Warnung die Schärfe zu nehmen, zwinkerte er einmal, auch wenn Midoriyas Miene trotzdem gequält aussah. Möglicherweise weil da ein Funken Wahrheit drin steckte; seine Zuneigung für den Underground-Hero hin oder her, dieser konnte furchteinflößend sein.

„Da hast du Recht…ich beeile mich lieber!“, meinte Midoriya und lief los, hielt jedoch noch einmal inne. „Oh und viel Spaß noch bei eurem Date!“

Yagi errötete abermals, ehe er sich ein schiefes Grinsen abmühte und ihm den erhobenen Daumen entgegenstreckte. Er musste sich wirklich daran gewöhnen, so offen damit umzugehen. Vielleicht sogar noch mehr als ihre Schüler.
 

„Das war anstrengend.“

Yagi warf dem Jüngeren einen Seitenblick zu, während ihre Schüler langsam aus ihrem Sichtfeld verschwanden. Aizawa hielt die Arme verschränkt, schaute recht missgelaunt drein.

„Ehrlich gesagt finde ich, dass es sehr gut gelaufen ist“, bemerkte er mit einem milden Lächeln, woraufhin der andere schnaubte.

„Ich sagte dir schon, dass du zu viel auf ihre Reaktionen gibst…“

Auf die Aussage hin musste Yagi schmunzeln, woraufhin Aizawa die Brauen zusammenzog, wohl nicht verstand, was daran so lustig war.

„Manchmal wird mir klar, wie alt ich geworden bin“, erwiderte er auf die unausgesprochene Frage. „Die Menschen sind toleranter geworden…gerade die junge Generation. Daran muss ich mich noch gewöhnen.“

„Hn. Du machst da eine zu große Sache draus. Selbst wenn es anders wäre – es spielt keine Rolle. Du kannst niemanden dazu zwingen, dich so zu akzeptieren, wie du bist.“

Yagis Lächeln wurde bei den harsch ausgesprochenen Worten eine Spur wärmer. Möglicherweise sprach der andere aus Erfahrung…immerhin war dieser jünger als er und hatte seine Neigung scheinbar früh ausgelebt. Wobei Aizawa in der Regel recht wenig von seinem sowieso schon geringen Privatleben preisgab…nun, er wollte nicht nachbohren, lenkte daher ein.

„Das stimmt…aber es ist ein gutes Gefühl, wenn es die Menschen, die einem nahe stehen, tun. Nicht wahr?“

Die Antwort folgte nicht sofort und bei Aizawas sturem Blick musste er ein Glucksen unterdrücken; vielleicht war es gar nicht schlecht, dass die fünf sie zusammen erwischt hatten. Es fühlte sich an, als sei ihm ein Stein vom Herzen gefallen…und auch, wenn Aizawa so tat, als wäre es ihm egal, fühlte dieser sicher genauso.

„Ist es“, gab dieser schließlich genervt zu, fuhr sich durch die zausen Haare. „Und jetzt lass uns essen gehen…ich habe Hunger. Du kannst mir unterwegs erzählen, wie der Film war…“

Yagi neigte belustigt den Kopf, nickte dann aber; ihr Date war ja schließlich noch nicht vorbei.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Next... :)
Ich hab mich übrigens sehr über das Feedback gefreut.
Hatte schon befürchtet, es gäbe keine EraserMight-Fans im deutschen Fandom, haha...Weltuntergang. :D
Das hier wollte ich schon immer mal schreiben...aber ein bisschen gedulden musste ich mich leider.
Am meisten Spaß gemacht hat mir ja Iida...awww, er ist so ein übermotivierter, kleiner Spinner...der sich manchmal durch seine Wortwahl ins Aus schießt, bis man merkt, dass er das Herz doch am rechten Fleck hat. :3
Hoffe, ihr hattet Freude dran!

LG Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Salada
2020-01-17T18:58:29+00:00 17.01.2020 19:58
Hey mal ein anderes pairing... finde ich aber ganz interessant ! Auch so wie du es geschrieben hast weil es bei dir sehr natürlich rüberkommt und du es wirklich Schritt für Schritt angehen lässt🙂 würde mich freuen noch mehr lesen zu dürfen
LG salada
Von:  Sains
2019-06-26T05:19:54+00:00 26.06.2019 07:19
Hi,
ich weiss nicht wo ich anfangen soll XD
Ich finde es ist gut geschrieben. Ok, ein zwei mal musste ich zweimal lesen, um zu verstehen, wer was sagt. Aber das ist bei Unterhaltungen mit mehreren eben so. Andernfalls wäre das ja zu langweilig zu lesen, wenn man immer schreibt: der sagt das der sagt das... also kein Problem....

Das ist sooooo süß, dass das Fenster für Aizawa offen gelassen wird - so süüüüüüß


Witzig finde ich u.a. Mic und Midnight - die wirken bei dir so, als ob sie ein Chaospärchen wären (finde ich supi!) Wobei ich das mit der Schonfrist witzig finde :) Was passiert, wenn die Schonfrist vorbei ist????

Was wohl Midoriya denkt...als ich das las, dachte ich nur: Da muss noch was kommen!

Und deshalb freue ich mich umso mehr aufs nächste Kapitel XD
Weiter so *ansporn*


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