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Lasst die Toten ruhn

Der 31. Fall Lord Sesshoumarus
von

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Der Bericht des Bruders


 

L

eutnant Sato brachte auf seinem Rückweg gleich den Bruder des Ermordeten mit, schließlich hatte Seine dämonische Lordschaft geäußert den sehen zu wollen. Aus doch gewisser tagelanger Kenntnis des schwierigen, wenngleich genialen, Teenagers, ließ er Takeru Watabe allerdings mehr oder weniger bei den Wachen vor dem kaiserlichen Trakt stehen und schritt selbst allein weiter.

Sakkura öffnete ihm prompt, was nur als einzigen Schluss zuließ, dass der Hundeprinz ihn kommen gehört hatte und diese Anweisung gegeben hatte.

Er verneigte sich tief, blieb jedoch stehen.

Sesshoumaru hob kurz die Brauen, ehe er verstand. „Der Bruder.“

„Ja. Takeru Watabe. Euer Lordschaft wünschte ihn zu sprechen.“

Für einen Menschenmann war der Kerl wirklich brauchbar. „Hole ihn herein.“

 

Nur drei Minuten später knieten beiden Menschenmänner vor Seiner Lordschaft, der den Bruder seines Mordopfers mit einem Ausdruck beäugte, der Sakura um ein Haar zum Lachen gebracht hätte. Nur langjährige Übung und das Wissen mit dem eigenen Leben nicht nur zu spielen, ließ sie mühsam um die Fassung kämpfend zu Boden starren. Für den Bruder eines Mannes, der als grausamer Kämpfer galt, ja Massaker veranstaltet hatte, war Takeru eindeutig zu sehr geschminkt, zu sehr parfümiert, selbst für die Tatsache, dass es hier am Hofe sicherlich zivilisierter zuging. Vermutlich erinnerte er Sesshoumaru ein wenig bis zu sehr an diesen Fuchsprinzen, der ihn damals im Norden angemacht hatte. Natürlich hatte sich der Dämonenprinz rasch unter Kontrolle, aber das letzte Mal, als sie jemand so gucken sah, war das ein zahmes Kaninchen einer Hofdame vor einer schimmeligen Mohrrübe.

 

„Takeru Watabe, Lord Sesshoumaru,“ meldete der Leutnant formell.

Sachlich bleiben, ruhig, ermahnte sich Seine momentan wenige Eisigkeit. Er wollte hier weg und je verrückter diese Menschen auftraten umso lieber. Also schön. „Dein ermordeter Bruder und du wart in Audienz beim Kaiser. Wie lief das ab?“

„Das habe ich dem Leutnant ... äh, ja, Lord Sesshoumaru.“ Takeru Watabe hatte gerade noch realisiert, dass der unbekannte und geheimnisvolle Gast des Kaisers ein Dämon war, niemand, mit dem man sich anlegen sollte. Schon zwei Mal nicht, wenn man sowieso bei dem göttlichen Kaiser nicht in sonderlich gutem Bild stand. „Wir waren mit unserem Daimyo, Herrn Kumamoto, nach Heinan gekommen, obwohl mir, und ich denke doch auch Isamu, klar war, dass das riskant werden konnte. Eure Lordschaft wird es nicht wissen, ich meine, natürlich wisst Ihr es, dass der junge Kaiser eine Mutter aus dem Hause Fusudo hat. Unsere Familie, namentlich Isamu als unser Herr, lag mit einem Seitenzweig dieser Familie in Fehde und bekämpfte sie. Voriges Jahr gelang es uns deren Burg zu erobern. Dabei stürzte Isamu sehr unglücklich vom Pferd und verletzte sich so schwer, dass man im ersten Moment man denken musste, er würde sterben. Darum befahl er, als Strafe, den gesamten Clan der Fusudos dort umzubringen. Einzig Kaori Fusudo, die älteste Tochter, blieb verschont. Sie heiratete dann, als es Isamu besser ging, meinen ältesten Sohn Takeo.“

„Natürlich wusste zu diesem Zeitpunkt niemand, wer der neue Kaiser werden würde,“ schloss Sesshoumaru.

Der Junge dachte mit. Nicht nur mächtig sondern auch denkend. Eigentlich fast angenehm, wenn man über gewisse Umstände hinwegsah. „Nein. Und ich gebe zu, dass ich fast etwas erschrocken war, als die Nachrichten aus Heinan kamen, aber Isamu war sicher, dass solche kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Kleinfürsten toleriert würden. Umso entsetzter war ich, als wir pflichtgemäß mit unserem Daimyo hier eintrafen, dass wir sofort den Befehl zur Audienz erhielten. Es konnte da rasch um unsere Köpfe gehen. Isamu war wie immer sehr zuversichtlich. Er … er war ein Krieger durch und durch. Schon immer gewesen, ja, auch durchaus hart. An dem Morgen der Audienz half uns unser Diener, Seiichi, der ist aus unserem Clan, in diese aufwendigen Hofkleider zu gelangen. Dann gingen wir zu der Wartehalle, zogen, wie es sich gehört, die Schuhe aus und nahmen Platz.“

„In welchem Teilbereich?“

„Der Raum der Kraniche.“

„Weiter. Ihr musstet warten. Fiel das deinem Bruder schwer?“

Ein Dämon verstand? Darüber erstaunt erwiderte der Gefragte: „Ja, Lord Sesshoumaru. Er leidet, litt, ja immer noch Schmerzen von diesem Sturz. Seine Rüstung hat ihm da sicher einige Rippen gebrochen und noch etwas anderes, das unser Heiler nicht finden konnte. So hatte er gewöhnlich eine feste Bandage um den Oberkörper und die Hüfte, so dass er steif sitzen kann und seines Amtes walten. Das war natürlich am Kaiserhof nicht möglich.“

„Warum?“

Takeru Watabe blickte unwillkürlich zu dem Leutnant neben sich, ehe er antwortete: „Nun, man liegt auf dem Bauch vor dem göttlichen Kaiser. Mit solch einer festen Bandage wäre das unmöglich.“

„Ihr wurdet aufgerufen.“

„Ja, nach langer Zeit und in die Halle gebracht. Der göttliche Kaiser saß, wie es üblich ist, hinter einem Sitzschirm, aber ich erkannte einen Fusudo unter den Beratern, den Bruder der Kaisermutter – und den Bruder der Fusudofrau, die ...“

„Die ihr umgebracht habt.“

„Ja. Aber es war Krieg.“ Selbst Takeru hörte, dass das nach reiner Verteidigung klang.

„Sah der Kaiser das ebenso?“

„Isamu erläuterte ihm, wie wir es zuvor auch besprochen hatten, dass die Fusudos immer wieder kleine Stiche geführt hatten, die irgendwann auf unserer Seite einen großen Zorn hervorgerufen hatten – zu groß möglicherweise. Ich hatte Isamu zuvor den Rat gegeben, das als Irrtum hinzustellen. Er hätte es besser gefunden auf Tapferkeit zu plädieren, aber es wohl eingesehen. Zudem konnte ich dem Kaiser beteuern, dass Kaori Fusudo von meiner Frau und meinem Sohn gut behandelt wird, wenngleich sie noch kein Kind bekommen hat. Der Kaiser wünscht, dass nächstes Jahr Takeo und Kaori mit hier nach Heinan kommen, damit sie ihre Tante besuchen kann.“ Was natürlich auch bedeutete, dass die Tante ihrem Sohn genau erzählen würde, wie es Kaori ging. Takeo war sicher höflich zu seiner Ehefrau, aber wie die das sah … und sie hatte jetzt einen Cousin in der Position nicht nur eine Scheidung zu bestimmen, sondern gleich die gesamte Watabe-Familie hinrichten zu lassen. „Danach sagte uns ein Beamter, dass wir ihm folgen sollten, da wir entlassen worden waren. Wir erhoben uns, natürlich mit einer weiteren Verneigung, und folgten dem Beamten seitlich durch einen schmalen Korridor in einen der überdachten Gänge, die hier ja alle Gebäude des Inneren Palastes verbinden.“

Ein schmaler Korridor. Sesshoumaru dachte unwillkürlich an den Mord an einer Hofdame seiner Mutter. „Wie schmal ist dieser Korridor?“

„Man muss hintereinander gehen, Euer Lordschaft.“ Takeru klang erstaunt, zügelte sich jedoch rasch. „Zuerst ging der Hofbeamte, der uns ja den Weg zeigen sollte, dann ich, dann Isamu. Ja, das ist nicht die ganz korrekte Reihenfolge, aber Isamu benötigte aufgrund seiner Schmerzen und Verletzung etwas länger, um aufzustehen. Damit das nicht auffiel, schloss ich mich direkt dem Beamten an.“

Was natürlich bedeutete, dass das spätere Mordopfer der Letzte in dieser Gänsemarschprozession gewesen war. „Gibt es in dem Korridor Türen?“ Da der Bruder offenkundig überfragt war, ergänzte Sesshoumaru nur: „Sato?“

Der Leutnant brauchte nicht nachzudenken. „Ja, Lord Sesshoumaru, gegen Ende des Korridors auf beiden Seiten. Platz für Sekretäre und andere Beamte.“

Aha. „Weiter.“

Takeru Watabe bezog das zurecht auf sich. „Äh, ja, draußen, also, in dem überdachten Gang, verließ uns der Beamte bei den dortigen Wachen und kehrte durch den Korridor zurück. Wir dagegen liefen weiter, zu den Wartehallen, um unsere Schuhe wieder aufzunehmen.“

„Wart ihr allein?“

„Oh, nein, Lord Sesshoumaru. Andere Männer, Höflinge, kamen uns entgegen, auch Wachen und Diener. Deswegen mussten wir auch da weiter hintereinander gehen.“

„Dein Bruder hinter dir. Ihr habt dann eure Schuhe angezogen. Weiter.“

„Äh, dann gingen wir über den Hof, durch das rechter Hand liegende große Tor, durch das man als Höfling eben geht, und kehrten in den Palast unseres Daimyo zurück.“

„Wenn ich einwerfen darf, Lord Sesshoumaru,“ ergänzte Isamu Sato: „Beide Brüder wurden an den Toren sowohl des Palastes als auch des Schlosses des Daimyo von den Wachen gesehen. Auch im Hof des Daimyo.“

Das wurde ja immer besser, dachte der Ermittler missgestimmt. „Gab es im Hof des Daimyo noch andere Personen?“

„Ja.“ Takeru hätte um ein Haar die Schultern gezuckt. „Natürlich liefen Dienstboten und andere Männer herum. Man achtet jedoch nicht so darauf.“

„Dein Bruder war bei dir.“

„Ja, seitdem wir die Schuhe angezogen hatten, liefen wir nebeneinander. Ich ….“ Takeru sah zu dem Leutnant, aber der wusste das ja schon. „Ich war die gesamte Zeit angespannt gewesen, ob wir nicht doch noch verhaftet werden würden. Als wir den Hof des Daimyo erreichten und nichts passiert war, war ich so glücklich, dass ich laut auflachte und meinen Bruder die Hand auf die Schulter schlug. Der hätte allerdings fast vor Schmerz aufgeschrien und gab mir allerlei Namen. Nun ja. Ich war einfach zu erleichtert gewesen. Ich entschuldigte mich vielfach bei ihm, aber er war nur noch mehr missgestimmt. Nun ja, er war immer missgestimmt, wenn er solche Schmerzen hatte. Um ihm zu zeigen, dass ich doch höflich war, schob ich vor ihm die Tür zu seinem Zimmer beiseite. Jeder von uns besitzt, besaß, einen Raum, dessen Tür direkt zum Hof geht, mit eigenem Badezimmer. Isamu ging an mir vorbei. … Ich sagte noch, dass sicher Seiichi kommen würde, um ihm zu helfen, aber er knurrte nur etwas und schob sehr nachdrücklich die Tür vor meiner Nase zu. Nun ja. So ging ich in meinen Raum. Nach einigen Minuten, ich weiß nicht, wie viele, ich war doch noch etwas aufgeregt, kam dann Seiichi. Natürlich hatte er zuerst Isamu helfen wollen, aber der hatte zu ihm nur gesagt, dass er allein zurecht kommen würde und baden wolle.“

„Der Diener sah also seinen Fürsten?“

„Äh, nein, Lord Sesshoumaru. Die Tür war verriegelt, aber natürlich erkannte er Isamus Stimme. Der war eindeutig wütend und schickte ihn weg. Wie gesagt, immer bei Schmerzen.“

„Geschah das öfter, dass er sich allein umkleiden wollte?“

„Durchaus. Auch in unserem heimatlichen Schloss schloss er sich dann ein. Er war ein Krieger und wollte nicht, dass ihn jemand so sieht.“

„Darum hast du dir auch nichts gedacht, als er nicht zum Abendessen erschien und ihn nur krank gemeldet.“ Der Dämonenprinz hätte fast zu tief Luft geholt. „Und wie wurde der Tote gefunden?“

 
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Kerstin-san
2020-05-17T14:53:56+00:00 17.05.2020 16:53
Hallo,
 
über ein Motiv hab ich bisher noch gar nicht nachgedacht, aber im Zweifel: Macht. Wenn der ältere Bruder tot ist, geht alles auf Takeru über und da sein Sohn nun mit einer Frau verheiratet ist, die mit dem Kaiser verwandt ist, kann das ja auch nur nützlich für ihn sein.
 
Der einzig andere Täter, der für mich in Frage käme, ware dann nur noch Seiichi. Der hätte theoretisch irgendwas spitzes im Kimono verstecken können, als er die Brüder morgens ankleidete, aber a) hätte das höchstens ein kleiner Dorn sein können, der ja nie bis zum Herz gekommen wäre, selbst wenn Takeru den durch den Schlag durch die Hautgetrieben hätte und b) hätte man den ja dann trotzdem finden müssen.
 
Liebe Grüße
Kerstin
Von:  Teilchenzoo
2019-01-06T14:47:21+00:00 06.01.2019 15:47
Hm, also wenn jemand so dicht heran gekommen wäre, da ein Messer in den Rücken des Opfers zu stecken (seitlich okay, aber Rücken?), dann wäre das doch sicher aufgefallen. Beim Gänsemarsch hatte niemand Isamu im Blick, aber trotzdem ... kommt mir komisch vor.
Von:  Lizard
2018-11-29T16:00:14+00:00 29.11.2018 17:00
Okay... wenn man sich den Bericht des Bruders so durchliest, kann man zu dem Schluss kommen, dass es da mehrere Personen gegeben haben könnte, die irgendwie in die Falten der schweren Hofkleidung des Mordopfers ein Messer hätten stecken können. Und der brüderliche Klaps auf den Rücken könnte besagtes Messer vielleicht zufälligerweise noch tiefer in dessen Rücken getrieben haben. Vielleicht hat Isamu Watabe später in seinem Zimmer das Messer auch entdeckt, wollte das entfernen, hat sich dann aber irgendwie so dämlich in den Klamotten verheddert, das er das Ding dadurch erst selbst in sein Herz getrieben hat. Falls das so gewesen sein sollte, klärt das aber immer noch nicht die Frage, wohin dann das Messer verschwunden ist. Also, ich bin jedenfalls noch keinen Deut klüger, was die Lösung des Falls angeht.
Aber die lustige Anmerkung der Schmincksitte und die weiteren Kaiserpalast-Beschreibungen hier gefielen mir gut. Den Raum der Kraniche würde ich sehr gerne sehen... der hat seinen Namen doch wohl von Kranich-Malereien an der Wand, oder?
Antwort von:  Hotepneith
29.11.2018 17:25
Zu Letzterem: Ja. Es gibt auch einen Raum der Tiger und noch einen, dessen Name mir leider entfallen ist. Die Bodenbeläge sind auch jeweils anders - immer alles schön nach Rang. (Oder Meinung des Kaisers)

hotep
Von:  Sanguisdeci
2018-11-21T08:09:08+00:00 21.11.2018 09:09
Ein interessanter Bericht. Da kamen aber gut Verdächtige und Möglichkeiten hinzu! Das gibt Stofff zum Grübeln :D


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