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Erinnerungen

von

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Sie strich sich eine Strähne ihrer rotbraunen, lockigen Haare aus dem Gesicht und lachte anschließend über etwas, das eine ihrer Freundinnen neben ihr auf der Picknickdecke gesagt haben musste. Er konnte von hier aus weder die gesprochenen Worte, noch ihr Lachen hören. Aber er erinnerte sich an ihr Lachen. Er erinnerte sich an jede ihrer Gesten, und es überraschte ihn, weil ihm nie bewusst gewesen war, dass er sie damals so genau beobachtet hatte.

Damals.

In einer Zeit, die jetzt gar nicht stattgefunden hatte. Und an die er Erinnerungen hatte, die er gar nicht haben sollte

 Sie öffnete die Bentōbox, die sie mitgebracht hatte, und lachte erneut, als sie den gierigen Blick des Jungen mit der unvorteilhaften Brille bemerkte, der neben ihr saß. Mit einem Lächeln schob sie die Box zu ihm hinüber, bevor sie abermals mit ihren Locken kämpfte, als eine kurze Frühlingsbrise durch den Park huschte.

„Warum sprichst du nicht mit ihr?“

Er hatte sie kommen hören und war darum nicht überrascht, hatte seinen Blick aber nicht abgewandt und tat es auch jetzt nicht, als sie neben ihm stand. Nur das bittere Lächeln auf seinen Lippen verriet, dass er sie gehört hatte.

„Um ihr was zu sagen? 'In einer Parallelwelt in der Vergangenheit, die jetzt aber gar nicht passiert ist, warst du mal unglaublich verliebt in mich. Oh, aber ich war ein ziemlich übler Kerl und hab dich bis zuletzt nur für meine eigenen Zwecke ausgenutzt.' So etwa?“

Er sah jetzt doch zur Seite, wo Jupiter – nein, Makoto – nun ihrerseits die friedliche Szene beobachtete.

Sie zuckte mit den Schultern.

„Du hast ihr das Leben gerettet.“

„Hat sich anscheinend rumgesprochen … Aber das ändert nichts am Rest. Außerdem … erinnert sie sich nicht. Nicht wie wir.“

Obwohl sie das nicht tun sollten. Die Sailor-Kriegerinnen hatten sich schließlich auch nicht an ihre vergangenen Leben erinnert, bis neue Bedrohungen auf die Erde gekommen waren und es nötig gemacht hatten, dass sie ein weiteres Mal erweckt wurden.

Aber er hatte sich erinnern können. Genau wie die anderen drei. Nicht sofort, nicht von Anfang an. Aber die Erinnerungen waren Schritt für Schritt, jeden Tag ihres irdischen Lebens ein wenig zurückgekommen, und es war einerseits seltsam zu wissen, dass man in einem früheren Leben nicht menschlich gewesen war, aber anderseits erfüllte es ihn auch mit Dankbarkeit, weil er nur so zu schätzen wissen konnte, dass auch ihnen eine menschliche Wiedergeburt vergönnt gewesen war, eben weil er sich an all diese Dinge, auch die schlechten, erinnern konnte.

Und an sie.

Makoto zuckte noch einmal mit den Schultern, bevor sie ihn ansah.

„Erzähl mir nicht, du könntest nicht dafür sorgen, dass sie sich erinnert.“

Er versuchte, sich mit keiner Regung anmerken zu lassen, dass er darüber natürlich schon nachgedacht hatte. Oft.

„Es ist besser so. Es wären keine schönen Erinnerungen.“

„Ich fänd' es furchtbar, wenn wir auf ewig alles vergessen hätten. Also, natürlich würde ich es dann gar nicht wissen und könnte es nicht furchtbar finden … Aber ich bin froh, dass ich mich an all das Vergangene erinnern kann, an die Kämpfe und auch an die Ausgänge. Ich meine, das ist es doch, was einen Menschen ausmacht? Diese Erinnerungen gehören zu uns. Egal, ob sie gut oder schlecht waren.“

„Es sind Erinnerungen aus einem anderen Leben.“

„Ich würde mich gerne besser an das Leben im Mondkönigreich erinnern können.“ Sie machte eine kurze Pause. „Und an dich.“

Er sah sie überrascht an und sie lachte.

„Keine Sorge. Ich weiß, dass das in einem anderen Leben war, und ich halte nichts davon, dass wir wieder zueinanderfinden müssen, nur weil das in einem vergangenen Leben so war. Das funktioniert nicht für alle von uns. Ich würde mich einfach nur gerne erinnern können.“

„Ich kann bei Gelegenheit versuchen, dir zu erzählen, was ich weiß.“

Sie lächelte.

„Das wäre schön. Aber erstmal“, sie deutete mit einem Kopfnicken zu dem Mädchen, das er beobachtet hatte, „solltest du das hier klären.“

Sein Blick ging zurück zu der friedlichen Szenerie, wo das Mädchen dem Jungen gerade lachend ein paar Kirschblüten aus dem Haar sammelte, die vom Baum heruntergerieselt waren.

„Sie sind nicht mehr zusammen.“

„Ich weiß.“

Makoto lachte.

„Oh, Neflite. Wie lange beobachtest du sie schon, ohne irgendetwas zu sagen?“

„Masato.“ Sie stutzte kurz, nickte dann aber.

Ob es ein Zufall war, dass er sich in seinem letzten Leben genau den Namen für sein menschliches Auftreten gegeben hatte, den er in diesem nun wirklich trug? Vielleicht war auch das auf irgendeine Weise verknüpft, die sie nie verstehen würden.

„Das ändert aber nichts an meiner Frage.“

„Lange genug.“

„Ah, ja.“ Sie schwiegen für einen Moment. „Meinst du nicht, sie würde sich freuen, sich wieder an dich zu erinnern? Und zu wissen, dass du an sie denkst? Ich meine, du lebst. Und sie bedeutet dir etwas. Nach dem, was ich so gehört hab, ist das alles, was sie sich von dir gewünscht hätte.“

Und einen gemeinsamen Schokoladeneisbecher. Aber die Erinnerung an dieses Versprechen, das er nicht hatte halten können, würde er für sich behalten.

„Es ist besser so. Es wäre einfach nicht fair.“ Makoto seufzte, sagte aber nichts mehr.

Und sein Blick ging zurück zu dem Mädchen, das gerade dabei war, ihre Haarschleife neu zu binden. Genau in dem Augenblick, als ein heftiger Windstoß aufkam und ihr das Stück Stoff aus den Händen riss, es ein Stückchen mit sich zerrte und dann wieder zu Boden fallen ließ. Nur ein paar Meter vor seine Füße. Sie war sofort aufgesprungen, und bevor er wusste, was er tat, hatte er sich ebenfalls in Bewegung gesetzt. Er hatte das Schleifenband gerade aufgehoben, als sie vor ihm zum Stehen kam.

Er reichte es ihr.

„Hier, bitte.“

Und es kostete ihn alles an Überwindung, nicht nach ihrer Hand zu greifen, als sie nach dem Band griff.

„Oh, vielen Dank!“ Sie lächelte ihn an und verbeugte sich. Dann wandte sie sich ab und wollte gerade zurücklaufen, als –

„Naru?“

Sie drehte sich um und sah ihn überrascht an.

„Kennen wir uns?“

Er zwang sich zu einem Lächeln.

„Nein, ich … entschuldige. Ich hab deinen Namen nur zufällig aufgeschnappt.“ Er deutete zu ihren Freunden. „Es ist nichts weiter.“

„Ach so.“ Sie sah ihn für einen Augenblick zögernd an, so als suche sie nach einer Erinnerung, von der sie wusste, dass es sie gab, die ihr aber dennoch verborgen blieb. „Na schön, dann …“ Und ihre Worte klangen so, als suchte sie nach einem Grund, weiterzureden. Aber sie fand keinen. „Dann vielen Dank noch mal.“

Und dann lief sie davon.

Er sah ihr nach, bis er die Hand an seiner Schulter spürte und Makoto daraufhin ein schwaches Lächeln schenkte.

„Sie würde sich erinnern. Und ich glaube, sie wäre glücklich darüber.“

Er ließ seinen Blick zurück zu der kleinen Gruppe schweifen.

„Du solltest es ihr sagen.“

Das Mädchen war zu ihren Freunden zurückkehrt, und als sie sich nun wieder hinsetzte, trafen sich ihre Blicke für einen winzigen Augenblick, und Masato hätte nicht sagen können, ob es Zufall war, oder nicht, und was ihm lieber gewesen wäre.

Aber er konnte nicht verhindern, dass sich erneut ein Lächeln auf seine Lippen legte.

„Ja. Ja, vielleicht.“

Aber nicht heute.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Yoobi
2018-08-11T22:22:00+00:00 12.08.2018 00:22
Hey Miuu,

OMG! Die melancholische Atmosphäre, die Tatsache, dass Jupiter Neflites Vertaute, aber nicht mehr Partnerin ist, generell der Ansatz mit der Wiedergeburt der Generäle, DER SCHOKOEISBECHER - ich feier die Geschichte so sehr!
Außerdem find ich gut, dass Umino und Naru auch nicht mehr zusammen sind - das Pairing ging ja mal gar nicht! ^^

Die Geschichte liest sich so eins zwei flott weg und wahrt die ganze Zeit die o.g. Atmosphäre. Voll schön. Ich musste ja schon n paar Tränchen wegdrücken, weil mir Neffi so Leid tut.

Ich hab nur eine Frage: warum kann sich Naru an die Zeit mit Neffi nicht erinnern?
Künstlerische Freiheit oder ist ihr Gedächtnis tatsächlich irgendwann in der Serie "gelöscht" worden? Ich dachte, sie hätte einfach nur weitergemacht, also ihre Trauer überwunden?

Jedenfalls: Neffi, go for it! Lad sie endlich auf den fucking Schokoeisbecher ein!
(Mit anderen Worten: Dazu würde ich gern eine Fortsetzung von dir lesen!)
Von:  Marron
2018-07-30T12:57:56+00:00 30.07.2018 14:57
Hallo du!
Joah, ich hab deine Geschichte in der Liste entdeckt, in der ich selbst auch stehe; Also sprich: Die Empfehlung von Schreifalter. :)

Da dachte ich mr so: Lies doch mal, Sailor Moon, Schockoladeneisbecher (den ich übrigens kürzlich selbst genossen habe!) und Neflite/Naru. Das passt super.

Ich muss zugeben, bei der Szene mit den zweien damals war ich nahe dran zu heulen. Gut, ich war sehr viel jünger, aber auch heute noch krieg ich bei der Erinnerung Gänsehaut. Da knüpfst du meiner Meinung nach schön an. Überhaupt, die Idee, dass die vier auch wieder ein neues Leben bekommen, finde ich gut. Im Manga sind sie ja nur auf diese vier Steinchen reduziert, die Mamoru manchmal hervorholt. Im Anime nicht mehr existent.
Ich wollte die schon immer gerne wieder dabei haben! ^^

Nächster Punkt: Makoto. Japp, stimmt, in ihrem früheren Leben waren die zwei ja mal zusammen. Also, soweit das da möglich war. Es ist richtig gut, dass du Makoto diese Sätze sagen lässt, die sie sagt. Es ist eben nicht so, dass man ganz automatisch den Menschen wieder liebt, dem man in einem vorherigen Leben mal begegnet war. Ist auch besser so, Stories, in denen das nur so gehändelt wird, finde ich langweilig. Nicht, dass ich gänzlich ablehne, wenn dieselben wieder zusammen kommen, es muss nur logisch sein. Nicht nach der Methode "Oh, sie waren mal zusammen, sie sehen auch jetzt nur den anderen und sonst nichts!" Das ist keine Begründung.

Auch die Sache mit den Erinnerungen - super Idee. Es ist alles, was uns ausmacht. Sie müssen nicht zwangsweise bestimmen, wer wir heute sind, aber sie machen uns gewissermaßen doch zu den Menschen, die wir sind. Sie beeinflussen, wie wir handeln. Und das macht die ganze Unterhaltung zwischen diesen beiden hier erst möglich, ohne Hass, ohne Vorwürfe. Und man merkt, wie sehr Naru den armen Kerl hier verändert hat. Er erinnert sich an den "Quatsch" mit dem Eisbecher. Wenn das nicht Liebe ist. *seufz*

Hmm, Naru war also mal mit Umino zusammen - ist es jetzt nicht mehr? Tja, dann sollte er sich ranhalten! *kicher* Ich kann verstehen, dass er zögert. Aber schön, dass sie unbewusst spürt, dass sie ihn kennt. Ich hätte gern mehr davon, dein Schreibstil ist so schön ruhig und gibt der Szene die Chance, sich zu entfalten, bis man sie bildlich vor Augen hat! Gefällt mir echt gut!
Von:  Yuugii
2018-07-16T13:08:46+00:00 16.07.2018 15:08
Mir wurde die FF vorgeschlagen bzw. von meiner Bekanntenliste empfohlen und ich dachte mir, ich gebe dem Ganzen mal eine Chance! (●⌒∇⌒●)

Ich mochte Neflite/Naru schon in der Serie und war enttäuscht, dass die vier Generäle nicht mehr vorkamen. Gerade Kunzite/Zosite und Neflite/Naru mochte ich so gern.... ♥Daher mag ich FFs, wo die Charaktere wieder vorkommen und ein glückliches Leben führen können. Bei Tigerauge, Fischauge und Falkenauge wurde es ja auch angedeutet; also dass sie wiedergeboren wurden und eine zweite Chance bekamen. Joa, solche FFs nehme ich immer gern. :D

Besonders gut finde ich, dass du auch nah am Original bleibst, denn so ist das Verhalten der Charaktere gut nachzuempfinden. Mir fehlt bei vielen Fanfiktions einfach die Nähe zum Quellenmaterial und der Bezug zu diesem. Das Konzept den Anime auf diese Weise weiterzuführen und weiter auszubauen, mag ich sehr. ✾(〜 ☌ω☌)〜✾

Warum ausgerechnet Makoto mit Neflite/Masato dort ist, erschließt sich mir leider nicht, da hätte ich es besser gefunden, du wärst komplett beim Anime Material geblieben. Das Vermischen von Quellen mag ich persönlich nicht so, liegt vielleicht auch daran, dass ich, was Sailor Moon angeht, mit der Anime Version der 90er aufgewachsen bin und mich mit dem Manga später überhaupt nicht anfreunden konnte. Ich persönlich hätte es toll gefunden, wenn du die anderen Generäle irgendwie eingebaut hättest, um so ein vollständiges Universum anzudeuten. Also einen kleinen Absatz, wie es mit den anderen weiterging, ob sie immer noch Kontakt zueinander haben. Ein kleiner Einblick in das Leben der Charaktere, vielleicht auch zu Neflite/Masato. Das wäre natürlich mit mehr Arbeit verbunden.

Für einen Oneshot finde ich es inhaltlich gut geschrieben. Abwechslungsreicher Schreibstil, Dialoge bringen dem Ganzen Frische und brechen die Narrative, wodurch sich die FF flüssig lesen lässt. Ein paar mehr Absätze, vielleicht nach dem Gesprochenen, wären zwar nett, aber nicht zwingend notwendig. Hab an sich nichts zu meckern, wurde ja auch gut unterhalten. ♥

Du hast Neflite/Masato meiner Meinung nach auch sehr charaktergetreu und nah am Original dargestellt. Seine Gefühle für Naru, seine Unsicherheit und auch die Reue, die er empfindet, weil er sie in etwas hineingezogen hat, was ihr das Leben hätte kosten können. Die Dynamik der beiden hast du schön dargestellt.

Schade, dass die beiden jetzt doch nicht zusammengefunden haben. Ich hätte echt gern ein Happy End gelesen – aber man kann ja leider nicht alles haben. Irgendwie hat das Ende trotzdem etwas Hoffnungsvolles an sich, also träume ich jetzt weiter und stelle mir vor, dass die beiden sich am nächsten Tag nochmal treffen und irgendwie ins Gespräch kommen.

Also, mir hat die FF gut gefallen. (°∀°)b

Solche Geschichten (mit Bezug zum Original) könnte es ruhig öfter geben! (๑✧◡✧๑)
Von:  Schnullerkai
2018-07-16T10:54:55+00:00 16.07.2018 12:54
Wunderschön. Ein sehr passender Stil und eine berührende, melancholische Stimmung. Interessanter Ansatz.
Ich kann mich nicht recht entscheiden, was ich davon halte, dass das hier definitiv nur ein One-Shot ist, aber er steht gut für sich allein und sagt eigentlich alles, was gesagt werden muss.
Gefällt mir sehr gut.

Grußviech,
Schnullerkai


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