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Stolen Dreams Ⅻ

von

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2. Kapitel

Valentin krallte wütend seine Fingernägel in das Lenkrad. Er konnte nicht fassen, dass er das wirklich zugelassen hatte. Er hatte ausdrücklich gesagt, dass er Yuri nicht mitnehmen würde, und jetzt saß dieser Junge auf der Rückbank und schaute verträumt aus dem Fenster.

„Dafür, dass du angeblich die Treppe hinunter gestoßen wurdest, scheint es dir aber ziemlich gut zu gehen“, knurrte der Ältere und ignorierte den wütenden Blick, den er dafür von Anastasia erhielt.

Yuri wandte sich vom Fenster ab und sah in den Rückspiegel. Seine blauen Augen hatten etwas, das Valentin nicht benennen konnte.

„Ich mag es nicht, fremden Menschen zu zeigen, dass ich Schmerzen habe. Aber wenn Sie möchten, kann ich gerne anfangen, wie am Spieß zu schreien. Wäre Ihnen das lieber?“

Seine Stimme klang nicht provozierend, sondern neutral, aber Valentin fühlte sich trotzdem angegriffen. Er hatte bereits eine bissige Antwort parat, doch Annas warnender Blick brachte ihn zum Schweigen. Fürs Erste würde er den netten Vater spielen, und dann, sobald Anna außer Hörweite war, würde er Yuri am Kragen packen und ihm die Meinung sagen. Dieser Junge könnte ruhig mal ein bisschen Dankbarkeit zeigen.
 

„Tut mir leid. Ich... das klang unhöflich“, murmelte Yuri schüchtern. Er wandte den Blick ab, ehe er wieder in den Rückspiegel sah. „Danke dass Sie mir geholfen haben.“

Valentin erwiderte nichts, sondern rang sich ein Lächeln ab. Er hätte Konsequenz zeigen und den Jungen sich selbst überlassen sollen.

Yuri griff in seine Tasche, holte ein Notizbuch hervor und kritzelte etwas. Was auch immer er da schrieb, es schien eine Menge zu sein, denn als Valentin wenige Minuten später eine rote Ampel erreichte, war der Stift noch nicht zur Ruhe gekommen.

Valentin nutzte die Zeit, um den Jungen ein bisschen genauer unter die Lupe zu nehmen. Davon abgesehen, dass er nicht besonders groß war – sogar Anna überragte ihn – und ein paar Kilo abnehmen könnte, wirkte sein Körper recht normal. Bei seinem Kopf war es jedoch anders; das zierliche Gesicht und das schwarze, fluffig aussehende Haar ließen darauf schließen, dass er asiatische Wurzeln besaß. Das Einzige, das an dieser Annahme kratzte, waren seine großen, strahlend blauen Augen. Eigentlich sah er gar nicht mal so schlecht aus, aber Valentin besaß trotzdem kein Interesse an ihm. Das Übergewicht störte ihn, auch wenn es nicht sonderlich stark war.
 

„Warum hast du plötzlich nicht mehr auf meine Nachrichten geantwortet?“, beendete Anastasia die Stille, während die Ampel auf grün umschaltete. „Ich habe mir Sorgen gemacht.“

„Ich habe mich mit Dad gestritten und... er hat mich geschlagen und die Treppe runtergeschubst. V-vermutlich habe ich dann das Bewusstsein verloren und bin danach eingeschlafen... ich weiß es ehrlich gesagt nicht.“ Yuri kratzte sich unruhig am Kinn und verstaute das Notizbuch in seiner Tasche, ehe er sich an Valentin richtete. „Wie war nochmal Ihr Name?“

Angesprochener seufzte. „Valentin.“

„Darf ich fragen, in welcher Beziehung Sie zu Anna stehen?“

Er geht mir jetzt schon auf die Nerven.

„Ich bin ihr biologischer Vater. Sie wohnt seit einiger Zeit bei mir.“

Yuri nickte nachdenklich, ehe er sich mit Anna zu unterhalten begann. Während die beiden über Themen sprachen, die ziemlich irrelevant waren, konzentrierte sich Valentin auf den Verkehr und verspürte den penetranten Wunsch, Yuri aus dem Wagen zu stoßen.
 

„Ähm... ich glaube, du hättest hier links abbiegen müssen“, sagte Anna, als das Auto nur noch wenige Straßen von Valentins Haus entfernt war.

„Wir fahren zuerst zu Ellen; sie ist Ärztin und sollte mal einen Blick auf Yuri werfen.“

Anna biss sich auf die Unterlippe. Sie wollte ihrem Vater dafür danken, dass er Yuris Aufnahme zugelassen hatte und ihn nun sogar zu einer Ärztin brachte, aber sie wusste nicht, wie sie das tun könnte, weshalb sie schwieg.

Valentin parkte vor Ellens Villa, ignorierte Annas Äußerung, dass dieses Gebäude nicht wie eine Klinik aussah, und ging zur Tür, an der er klingelte. Ein paar Augenblicke später erschien Ellen; sie wirkte gestresst und erschöpft.

„Oh, hallo“, begrüßte sie Valentin und rieb sich müde über das Gesicht. „Was ist passiert? Etwas Ernstes?“

Valentin antwortete nicht, sondern deutete über seine Schulter, wo sich die beiden Jugendlichen befanden. Yuri war so geschwächt, dass Anna einen Arm um seinen Rumpf legen und ihn zur Tür führen musste.
 

„Es ist nicht das, was du denkst“, kommentierte Valentin den irritierten Blick von Ellen. „Ich weiß nicht, was mit dem Jungen passiert ist, aber er scheint verletzt zu sein. Kannst du dich um ihn kümmern?“

Ellen erweckte den Eindruck, eine Menge Fragen zu haben, doch sie stellte keine von ihnen und verschwand mit Yuri und Anna, deren Anwesenheit sich der Junge wünschte, in einem ihrer Behandlungszimmer. Valentin ließ sich gelangweilt auf einem Sofa in der Eingangshalle nieder und holte sein Handy hervor, mit dem er ein bisschen im Internet surfte, um sich die Zeit zu vertreiben.

Es verging mehr als eine ganze Stunde, bis Ellen endlich wiederkam. Während sie ratlos die Stirn runzelte und Anna so bleich war, als hätte sie ein Gespenst gesehen, schien Yuri bester Laune zu sein. Er starrte aufgeregt auf seinen Verband am linken Handgelenk und wischte sich die Salzrückstände kürzlich vergossener Tränen aus dem Gesicht.

„Und? Was hat er?“, fragte Valentin, als die drei Personen die Couch erreichten, auf der er es sich bequem gemacht hatte.
 

Als Antwort hielt Ellen ihm ein Taschentuch entgegen, auf dem etwa ein Dutzend kleiner Glasscherben lagen, die mit Blut überzogen waren.

„Die hier habe ich aus seinem Rücken geholt. Um auf deine Frage zurückzukommen – frag lieber, was er nicht hat.“ Sie legte das Taschentuch auf dem kleinen Tisch vor dem Sofa ab und sah besorgt zu Yuri, der Anna gerade fragte, wie sie die blaue Farbe seines Verbandes fand. „Stark geprelltes Knie, noch stärker geprellter Fußknöchel, eine Platzwunde an der Schläfe, Gehirnerschütterung, eine distale Radiusfraktur und eine Unmenge von Hämatomen. Was in Gottes Namen hast du mit ihm angestellt?“

„Ich hätte orange schöner gefunden“, sagte Yuri, der entweder nicht mitbekam, dass es hier um ihn ging, oder sich einfach nicht dafür interessierte.

„Gar nichts habe ich mit ihm gemacht“, antwortete Valentin mit einem besorgten Seitenblick zum Jungen. „Das war schon so.“

Ellen hob zweifelnd die linke Augenbraue. „Gut, wenn du das sagst... Ich habe ihm ein paar Schmerzmittel mitgegeben. In etwa einem Monat sollte es ihm besser gehen. Wenn sein Zustand sich verschlechtert oder etwas passiert, bring ihn zu mir.“
 

„Okay, mach ich“, erwiderte Valentin desinteressiert, ehe er sich von dem Sofa erhob und die beiden Jugendlichen zurück ins Auto scheuchte, mit dem er schließlich nach Hause fuhr. Dort angekommen wollte er seine Ruhe haben und den vier Stunden nachtrauern, die er mit dem Abholen von Annas Stiefbruder verschwendet hatte – aber das war natürlich zu viel verlangt.

„Du kannst das Zimmer hier haben“, sagte er, nachdem er Yuri in eines der zwei Gästezimmer geführt hatte. Das andere wurde momentan von Anna in Anspruch genommen.

„Danke“, murmelte Yuri, der sich dafür, dass er angeblich so sehr litt, ziemlich ruhig verhielt. „Du hast ein echt schönes Haus.“

Valentin wandte das Gesicht ab und rümpfte missbilligend die Nase. Er hatte kein Problem damit, von der halben Portion geduzt zu werden, aber der Junge hätte ruhig vorher um Erlaubnis fragen können.

„Ich lass dich dann mal in Ruhe auspacken“, sagte er, ehe er das Zimmer verließ, im Vorbeigehen Anna am Arm packte und sie nach draußen in den Flur zerrte.
 

„Wenn du weißt, was gut für dich und deinen Kumpel ist, wirst du ihm von dem, was in den letzten Wochen passiert ist, nichts erzählen, verstanden?“

„Ja.“

„Das war keine Frage, sondern ein Befehl. Kein Wort zu meiner Familie, kein Wort zu meiner Arbeit und erst recht kein Wort zu allem, das verdächtig klingen könnte. Wir sind eine normale 08/15-Familie, ich bin ein selbstständiger Architekt und du gehst nicht mehr zur Schule, weil... keine Ahnung; denk dir was aus.“

„Okay, okay, komm wieder runter“, erwiderte Anna mit einer beschwichtigenden Geste, während im Hintergrund zu hören war, wie Yuri die Schubladen eines Schrankes öffnete. „Aber was machen wir wegen Oleg? Er wird die Polizei rufen.“

„Und dann? Er weiß weder, wer ich bin noch wo ich wohne. Und selbst wenn – sich die Polizei vom Leib zu halten, ist nicht allzu schwierig. Wir werden eh bald umziehen.“ Mit diesen Worten wollte Valentin sich zum Gehen abwenden, aber dann fiel ihm noch etwas ein. „Übrigens, Anna, dieser Junge befindet sich jetzt in deiner Verantwortung. Ein einziger Fehltritt – und ich werfe ihn raus.“
 

Den Rest des Tages verbrachte Valentin mit sinnvolleren Sachen. Er saß in seinem Büro, führte Telefonate, schrieb Emails und manchmal, wenn es ansonsten ganz still war, hörte er, wie Anna und Yuri sich miteinander unterhielten.

Warum habe ich mich bloß darauf eingelassen? Schon seit Stunden denke ich darüber nach, wie ich das dumme Kind loswerden könnte, aber mir ist noch nichts eingefallen. Verdammt... warum hätte er nicht einfach sterben können?

Valentin raufte sich das dunkelbraune Haar und klappte seinen Laptop zu. Er ging in die Küche, wo er Yuri traf und holte eine Tasse aus dem Schrank, um sich einen Kaffee zu machen.

„Anna ist schon ins Bett gegangen, falls Sie das wissen wollen“, sagte Yuri, der am Tisch saß und an ein paar Keksen knabberte.

Erst ''du'' und jetzt ''Sie''? Kann er sich nicht entscheiden?

„Wie alt bist du eigentlich?“

„Bin neulich 16 geworden.“
 

So jung und schon so fett? Mein Gott.

„Was deinen Vater angeht – ist der immer so... impulsiv drauf?“

„Er ist ein aggressives Arschloch, ja.“

„Und was ist mit deiner Mutter?“

„Keine Ahnung. Sie war eines Tages weg. Wahrscheinlich ist sie zu ihrer Familie in Japan zurückgekehrt.“

Valentin drehte sich zu dem Jungen um und vernahm hinter sich das Brodeln der Kaffeemaschine. Er wusste nicht, was genau es war, aber irgendetwas an Yuri wirkte... anders. Anstatt dem sorglosen Lächeln von vorhin hing nun eine betrübte Miene auf seinem Gesicht und man konnte ihm ansehen, dass er Schmerzen hatte, was vorher ebenfalls nicht der Fall gewesen war.

„Noch mal danke, dass Sie mich aufgenommen haben. Mein Erzeuger hätte mich dort verrecken lassen.“
 

„Kein Ding. Verhalt dich möglichst unauffällig und geh mir nicht auf die Nerven – dann müssten wir bestens miteinander klarkommen.“

Valentin griff nach seiner Kaffeetasse und verschwand mit ihr im Büro. Er wollte heute noch etwas schaffen, aber seine Müdigkeit, die sich auch von dem stärksten Kaffee nicht verscheuchen lassen wollte, zwang ihn dazu, ins Bett zu gehen. Also ließ er sich nach einer zügigen Routine im Badezimmer auf die Matratze fallen und wünschte sich, dass er beim Aufwachen feststellen konnte, dass Yuri sich in Luft aufgelöst oder auf die Socken gemacht hatte. Eigentlich war es egal – Hauptsache, der Junge kam weg. Valentin konnte ihn nicht ausstehen.

Wenn er wenigstens attraktiv wäre... aber nein, natürlich ist er ein kleines-- was heißt hier ''klein''? Er ist ein großer Haufen Wackelpudding, den man in eine menschliche Form gepresst hat.
 

Valentin seufzte. Seitdem Anna bei ihm wohnte, hatte er darauf verzichten müssen, junge Männer vom Schwarzmarkt zu ergattern und sie hier als seine Sklaven zu halten. Anna sollte davon nichts mitbekommen. Wahrscheinlich hatte dieser verdammte Sascha ihr schon einiges erzählt, aber Valentin wollte es nicht noch schlimmer machen, indem er jene abscheuliche Taten quasi direkt vor ihrer Nase ausführte.

Er wusste, dass es falsch war, einer Person ihre Freiheit zu nehmen und gegen ihren Willen mit ihr Sex zu haben, aber das störte ihn nicht. Er kannte es nicht anders. Geschlechtsverkehr bedeutete für ihn, dass eine Person Spaß hatte, während die andere litt. So war er aufgewachsen, was Anna aber nicht sehen sollte. Außerdem hätte sie die Tatsache, dass die Sklaven ihres Vaters meistens in ihrem Alter waren, verstörend gefunden, womit Valentin ihr recht geben musste. Es war falsch. Es war mehr als nur falsch. Es war so falsch, dass man es nicht in Worte fassen konnte.
 

Valentin wälzte sich auf die andere Seite. Er befand sich schon im Halbschlaf, als plötzlich sein Handy klingelte.

„Du hast besser einen guten Grund, um diese Uhrzeit anzurufen.“

„Es ist wegen dem Mann, Oleg, den wir im Auge behalten sollten“, antwortete einer von Valentins Männern. „Er hat die Polizei gerufen.“

„Scheiße.“

„Aber das nicht alles. Die Beamten halten die Aussage, dass zwei gewisse Personen bei ihm eingebrochen sind und seinen Sohn entführt haben, für eine ausgedachte Geschichte.“

„Das heißt, es gibt nichts, um das wir uns kümmern müssen?“

„Das schon, aber... da ist etwas, dass du wissen solltest, Boss.“

„Und das wäre?“

„Die Polizisten haben ihn festgenommen... weil sie eine Leiche in seinem Haus gefunden haben.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Arya-Gendry
2018-05-16T17:35:54+00:00 16.05.2018 19:35
Ob es echt die Mutter ist? Wenn dann dürften von ihr ja nur noch Kochen übrig sein, solang wie sie schon weg sein muss. Nun der Alte von Yuri ist somit aus denn weg. Mal sehen ob Valentin denn kleinen in Ruhe lässt wenn er ihn so fett findet. Ich glaube es ja nicht.
LG.
Von:  Sumino
2018-05-16T16:10:16+00:00 16.05.2018 18:10
ist die verweste Leiche der Mutter auf jeden
Von:  Mamesa
2018-05-16T15:44:29+00:00 16.05.2018 17:44
Die mutter🙈


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