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»Steig auf!«

[ Otayuri ]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Huhu ihr Lieben! ♥
Vielen Dank für eure Kommentare, ihr seid fantastisch! ♥
Es hat heut ein bisschen länger gedauert, aber hier ist es - Kapitel drei. Bis jetzt mein persönlicher Favorit.
Kleine Warnung: Manches musste (und werde) ich mir ein bisschen zurecht drehen (müssen), damit der Plot voranschreiten kann. Ich versuche es so optimal wie möglich zu lösen und ich hoffe ihr könnt darüber hinweg sehen. :O
Viel Spaß beim Lesen ♥
Anni Komplett anzeigen

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Teil drei: »Chance«

Wenn Yuri seine Lebenszeit nicht gerade dem Training oder unfreiwillig der Schule widmete, dann hing er am Smartphone. Fotos posten (am liebsten welche mit Potya) und seine Eislaufkonkurrenten stalken: Er liebte es. Auch wenn er nie irgendwelche Herzchen oder Likes hinterließ. Bei einem hätte er das bestimmt getan – aber Otabek hatte anscheinend keine Lust alles in der Öffentlichkeit breitzutreten. Er postete schlicht und ergreifend nichts. Nur ein Profilbild bei Instagram hatte er: Sein Motorrad. Jeden anderen hätte Yuri dafür ausgelacht. Ansonsten herrschte dort, den vielen Followern zum Trotz, gähnende Leere. Nicht einmal ein Selfie, obwohl Yuri sich nur schwer vorstellen konnte, wie das bei Otabek ausgesehen hätte. Wahrscheinlich mit seinem typischen strengen Blick. Dieser Gedanke brachte ihn manchmal dann doch zum Lachen.

Mittlerweile wusste jeder, dass seit ein paar Wochen das Smartphone mit seiner Hand regelrecht verwachsen war, sei es beim Essen, in den Trainingspausen oder – noch schlimmer – während des Unterrichts. Yuri gingen die regelmäßigen Zurechtweisungen seiner Trainer und Lehrer gehörig auf den Sack. Aber er konnte nichts dagegen unternehmen. Er fühlte sich beinahe ausgeliefert. Es machte süchtig. Die Chats mit Otabek machten süchtig. Kein Tag verging, an dem sie nichts voneinander hörten und wie erstaunt war er bei der Feststellung, dass Otabek Humor besaß. Einen ziemlich trockenen und subtilen zwar, aber immerhin. Es übertraf alle Erwartungen, die er an ihn hatte. Sie sprachen über alles Mögliche: Musik, Leute, die Yuri ankotzten, Eislaufen selbstverständlich, Potya und sogar über die Schule. Otabek fragte ihn regelmäßig nach seinen Noten. Einmal hatte er Yuri sogar via Skype bei einer Aufgabe in Physik geholfen. Selbst dieses trockene Thema hatte plötzlich Spaß gemacht – und das, obwohl er Videochats normalerweise hasste. Nicht bei ihm. Es war nie unangenehm oder gezwungen. Und auch wenn nichts Spannendes geschah, war dort immer dieser rote Faden, der ihre Gespräche aufrechterhielt. Es wäre gelogen, hätte er abgestritten in dieser Aufmerksamkeit geradezu zu baden.

 

»Yuri Plisetsky!« Die Stimme seiner Klassenlehrerin ließ ihn zusammenfahren.

»Äährg.« Nur mit Mühe konnte er den Blick von seinem Smartphone lösen, das gut versteckt zwischen Federtasche und Schreibblock lag. Trotzdem wusste jeder, was er gerade wieder trieb: Nicht dem Unterricht folgen.

»Was halten Sie denn von Kasachstan?«

»Hä?« Er rieb sich die brennenden Augen. Der einzige Nachteil war, dass diese aufgeblühte Freundschaft seinen Schlaf beeinflusste. Otabek wusste zwar, wann abends Schluss war, aber das bedeutete noch lange nicht, dass Yuri auch zur Ruhe kam. Manchmal wühlten ihn ihre Konversationen so sehr auf, dass er die halbe Nacht wach lag und den verpassten Schlaf in der Schule nachholte.

»Kasachstan, Herr Plisetsky.«

Sofort sah er ruhige, dunkle Augen vor sich. Schwarzes dichtes Haar, das rhythmisch im Wind wog. Wärme ballte sich in seinem Magen zusammen. Er kratzte sich am Kopf.

»Kasachstan ist… super.«

Eine tiefe Falte grub sich zwischen die Augen seiner Lehrerin. Doch die erwartete Rüge blieb aus. Stattdessen glättete sich ihr Blick und zeugte wieder von beruflicher Professionalität.

»Sehr schön. Somit gewinnt Kasachstan mit einer Stimme Vorsprung gegen Deutschland.«

Verwirrung machte sich in Yuri breit. Er hatte nicht den blassensten Schimmer, worum es hier gerade ging. Vielleicht sollte er in Zukunft wieder mehr auf den Unterricht achten. Sich innerlich sträubend stupste er etwas grob seinen Banknachbarn an. »Hey. Hey, worum gings gerade?«

Die verdrehten Augen überging er geflissentlich. Er konnte das eh viel besser, als die anderen.

»Um die Klassenfahrt, schon vergessen? Wir machen doch diese Bildungsreise.«

Der Feuerball in seinem Magen verwandelte sich in einen Eisklumpen. Kasachstan.

»Oh, fuck

Er ignorierte den fragenden Blick seines Schulkameraden und starrte auf einen blinden Punkt im Klassenraum. Sein Smartphone vibrierte und verschwand geistesabwesend in Yuris Jackentasche. Hitze kroch seinen Hals entlang und sammelte sich in seinen Ohrenspitzen. Hunger und Übelkeit kämpften um Vorrang. Aufregung spülte durch ihn hindurch.

Kasachstan.

 

»Yuriooo!«

Victors flötende Stimme jagte Ekel über seinen Körper. Die Hoffnung auf ungestörtes Training verpuffte mit seiner Erscheinung. Natürlich war neben Yakov und Lilia auch das Katsudon am Start. Damit versammelte sich das ganze Kasperletheater auf einem Haufen. Awesome.

Yuri pfefferte seine Sporttasche auf den Boden und wühlte nach den Schlittschuhen. Er hatte keine Lust zu reden – mit niemandem über irgendetwas. Dennoch war er sich bewusst, dass dieses Zusammenkommen irgendeine Bedeutung hatte. Er zwang sich zur Höflichkeit, soweit es eben ging.

»Was willst du, Opa?«

Victors besonnener Blick brachte ihn in Rage. Er machte sich scheinbar überhaupt nichts aus seiner schlechten Laune. Menschen waren eben Gewohnheitstiere. »Hast du‘s schon gehört?«

Sein Geduldsfaden spannte sich gefährlich.

»Was soll ich gehört haben, häh?«

»Das mit Kasachstan!«

Yuri fühlte sich, als hätte man ihn von einer Klippe gestoßen. Er schien zu fallen und vom Meer verschlungen zu werden. Kaltes Wasser löste seine Gedanken auf. Kasachstan. Litt er unter Verfolgungswahn? Fassungslosigkeit dämpfte die Wut in seiner Stimme.

»Was ist mit Kasachstan?«

Inzwischen waren auch die anderen Drei zu ihnen getreten. Yuuri nahm Victor die Antwort ab. »Die Vier-Kontinente-Meisterschaften nächsten Monat wurden von Taipeh nach Amalty verlegt!«

Yuris Augen weiteten sich. Die Schlittschuhe fielen vergessen zu Boden. Irgendwas in seinem Inneren erwachte und wand sich nach außen. Diese dumme Bildungsreise von seiner Schule fand nur knapp eineinhalb Wochen vor den Meisterschaften statt. Dazwischen lagen nur drei Tage. Drei Tage, wo …

»Yakov.«

Die Augenbrauen seines Trainers schnellten nach oben, offensichtlich verwundert über diesen Ton. »Was hast du, Junge? Bist blass um die Nase.«

Unwirsch schüttelte Yuri den Kopf. »Mir geht’s gut. Aber ich muss mit dir reden. Und auch mit dir.« Sein Blick huschte respektvoll in Lilias Richtung. Finger krallten sich in seine Kapuze. Jetzt nur keinen Fehler machen.

»Nur mit euch beiden!«

Victor und Yuuri schienen sofort zu verstehen und ließen sie allein. Ihre besorgten Blicke klebten ihm im Nacken. Sollten sie sich doch um ihren eigenen Kram kümmern.

»Also… « Verschüchtert trat er von einem Fuß auf den anderen. Ihre Blicke brannten ein Loch in seine Stirn. »Wir haben heut in der Schule über die geplante Klassenfahrt geredet. Es geht nach Kasachstan und … da die Weltmeisterschaften ja auch dort stattfinden, also … Man ey, betteln liegt mir nicht! Kann ich die drei Tage dazwischen einfach schon dortbleiben? Ich würde gern jemanden besuchen der dort wohnt und bevor ihr rumnölt: Da gibt’s auch Eishallen, in denen ich trainieren kann. Und ich werd’s auch nicht vernachlässigen, okay? Außerdem fliege ich dann nur einmal hin und zurück und ihr spart Geld. Also … Hmpf.« Bitte? Sagt einfach ja!

Er wusste gar nicht, dass er sprechen konnte, ohne Luft zu holen. Scheinbar eines seiner verborgenen Talente. Die Mienen seiner Trainer blieben blank. Die einzige Reaktion war ein kurzer Seitenblick, den sie sich zuwarfen.

»Zieh dich um und geh dich aufwärmen. Wir besprechen das nach deinem Training.«

Yuri stieß die angehaltene Luft aus und folgte außergewöhnlich handzahm Yakovs Anweisung. Das war zumindest schonmal kein Nein.

 

Erschöpft sank er ins Bett. Lange war es nicht mehr so anstrengend gewesen, wie heute – und das bewusst. Er brauchte einen kühlen Kopf, wenn sein Herz schon so heiß schlug. Potya schnurrte um seine Arme herum. Er schenkte ihm Streicheleinheiten, war aber mit seinen Sinnen irgendwo in den Wolken.

Die Klassenfahrt und die Vier-Kontinente-Meisterschaften boten nicht nur eine Chance auf Bildung und Triumph auf dem Eis, sondern auch etwas völlig anderes. Wie oft hatte er sich ausgemalt, Otabek außerhalb von Wettkämpfen sehen zu können? Noch immer staunte er über die Reaktion von Yakov und Lilia, über die Zustimmung in ihren Augen und das fast synchrone Nicken mit ihren Köpfen. Er „solle nur machen“, das sei „gut für ihn“, er „habe sich das durchaus verdient“ und „so lang er das Training nicht vernachlässige“ – sprich keine Scheiße baute – „stünde dem nichts im Weg“. Es hatte sie nicht einmal interessiert, wen er überhaupt besuchen wollte. Der Sieg beim Grand Prix beflügelte seine beiden Trainer wohl noch immer, eine andere Erklärung fand er dafür nicht. Nicht, dass er es nicht auszunutzen wusste.

Potyas Nähe konnte ihn heute leider nicht beruhigen. Die letzten Wochen hatten ihn gelehrt, dass er fünfzehn Jahre lang sehr einsam gewesen war und dass WhatsApp und Skype nicht ausreichten, um diese Lücke zu füllen. Motorrad fahren, Musik durch dasselbe Paar Kopfhörer genießen, zusammen zocken – er wollte es nicht nur planen, er wollte es erleben. Da war dieses Gefühl, das er nicht kannte. Nicht so stark. Er musste ihm nur nach einem Treffen fragen. Es war zum Greifen nah – und entfachte ein Feuer aus Furcht in seiner Brust. Was, wenn Otabek es anders sah?

Wie auf Kommando vibrierte es aus seinem Rucksack. Sein Smartphone schrie nach stundenlanger Abstinenz um Aufmerksamkeit. Es den ganzen Tag seit diesem Vorfall in der Schule nicht beachtet zu haben fühlte sich seltsam an. Er begriff schnell, dass er damit Gewohnheiten gebrochen hatte. Nicht nur seine eigenen. Reue gesellte sich zu der Furcht in seiner Brust. Er öffnete den Chat.

 

Yuri – 10.02 10:29

»Haben gleich Geschichte. Boah kotzt mich hier alles an! Ich will eislaufen«

 

Otabek Altin – 10.02 10:35

»Augen zu und durch. Wenn du nicht zuhörst, verpasst du vielleicht etwas Wichtiges.«

 

Yuris Augenbrauen zogen sich zusammen. »Und du kannst seit Neuestem in die Zukunft blicken, oder was? Häh?« Aber er lächelte, als er weiter nach unten scrollte und die ungelesenen Nachrichten aufholte.

 

Otabek Altin – 10.02 10:37

»Ich muss spontan arbeiten. Aber vielleicht schaff ichs davor noch zu Skype. Wann ist dein Training heut rum?«

 

Otabek Altin – 10.02 15:01

»Also, ich wäre dann da. Komm einfach on oder schreib mir hier.«

 

Otabek Altin – 10.02 17:09

»Ist bei dir alles in Ordnung?«

 

Otabek Altin – 10.02 20:55

»Ich muss jetzt los. Melde dich, wenn du das hier gelesen hast.«

 

Ein unangenehmer Sog erfasste seinen Magen. Er ließ das Smartphone sinken und starrte auf den Stuck an der Decke. Diese filigranen, geschwungenen Verzierungen hatten ihn immer beruhigt, doch jetzt schienen sie ihn anzuklagen. Otabek besorgt zur Abeit gehen zu lassen zählte nicht gerade zu seinen Bestleistungen des Tages. Mit eiskalten Fingern öffnete er den Chat erneut. Unentschlossen schwebte er über dem Anruf-Button, nur um den Arm abermals zu senken. Was hielt ihn auf? Otabek machte sich scheinbar Gedanken um ihn. Wenn er sich nicht bei ihm melden würde, was würde Yuri dann vermuten? Dass etwas passiert wäre. Genau. Doch seine Kehle fühlte sich so klebrig an und sein Pessimismus war größer, als der Drang dieses Missverständnis aus der Welt zu schaffen. Und ihm mit einem simplen mir geht’s gut abschmettern war ausgeschlossen. Wo er ihn doch sowieso etwas hatte fragen wollen.

»Du bist so verblödet. Liegst hier rum wie ein nasser Sack und kriegst deinen Hintern nicht hoch.« Wütend pustete er sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er musste sich selten selbst anfeuern und ausgerechnet heute gelang es ihm nicht. Als wüsste Potya was ihn ihm vorging, stupste er seinen kleinen Kopf gegen Yuris Hand. Dankbar kraulte er ihn, blicke dabei an die Decke und fuhr die Muster des Stucks nach. Seine Augen wurden schwer. In den Schlaf hatte er sich schon immer gut flüchten können. Ein Feigling in Höchstform.

 

»- jetzt auf.«

Yuris Lider flatterten im Licht des Displays. Er glaubte eine Stimme zu hören, verschwommen im Nebel des Erwachens. Potya war schon längst vor dem fremden Geräusch geflüchtet.

»Na dann. Bis bald.«

Er riss die Augen auf und fuhr hoch. Wie spät war es? Wahrscheinlich mitten in der Nacht. Irgendjemand musste das Licht im Zimmer gelöscht haben. Sein Blick huschte zu dem Smartphone, halb unter seiner Hand vergraben. OTABEK ALTIN leuchtete ihm auf dem grünen Anruffeld entgegen.

»Wa- Moment!« Fahrig grabschte er danach und ließ es ungewollt vom Bett rutschen. Das laute Scheppern erschreckte ihn wahrscheinlich mehr, als Otabek. Müde, aber willensstark hielt er sich den Hörer ans Ohr.

»Otabek…?«

»Ja.«

Perplex starrte er in die finstere Nacht, unfähig etwas zu erwidern. War er sauer? Seine Stimme verriet nicht den Deut einer Emotion. Alles war möglich, von Müdigkeit bis hin zur Enttäuschung.

»Wie – äh… hä?«

Schweigen am anderen Ende, nur ein tiefes Ein- und Ausatmen. Matt. Erschöpft.

Yuri schluckte schwer. Hitze kroch unter seine Haut.

»Ich habe mich schon gewundert, warum du mich um drei Uhr morgens anrufst. Muss ein Versehen gewesen sein.« Hörte er da Ungeduld?

»Ich – äh – sorry? Bin im Schlaf auf das scheiß Touchpad gekommen, oder so.« Sein Gesicht brannte wie Hölle.

»Offensichtlich.« Rascheln am anderen Ende. Wind. Es kam Yuri unwirklich vor. Das Schweigen begann Druck auszuüben, aber keiner von beiden legte auf. Schließlich nahm Otabek ihn an die Hand.

»Schlechten Tag gehabt?«

Seine Frage ließ Yuri zittrigen Atem ausstoßen. »Ich… ja. Irgendwie schon. Und du?«

»Hm. Schon. Soll vorkommen.«

Seit wann fielen ihm Gespräche mit Otabek wieder so schwer? Sie hatten doch mittlerweile schon recht oft telefoniert und sich ab und zu per Skype getroffen. Jetzt fühlte es sich so an, als wäre all das nie passiert. Er spürte förmlich die Anspannung zwischen ihnen. »Sorry, dass ich nicht geantwortet hab. Ich brauchte ein bisschen… Keine Ahnung. Weiß auch nicht.«

Noch ein Ausatmen. Verwirrung? »Willst du darüber reden?«

Er richtete sich auf und fuhr sich durchs Haar. »Ich muss. Geht auch um… naja, dich.«

Endlich regte sich etwas in Otabeks Stimme. »Okay. Sprich dich aus.« Er hörte Überraschung, Neugierde und auch… Angst?

»Ist nix Schlimmes. Ich finds sogar ziemlich cool. Also, äh – falls das klappt und… so.«

Schweigen. Warten. Es war eindeutig angespannt.

»Hast du schon gehört, dass die Vier-Kontinente-Meisterschaften jetzt spontan in Almaty stattfinden?«

»Ja, das hat mir mein Trainer heute erzählt.« Warten. Erwarten?

»Naja. Und. Also -« Er hörte seine Stimme kaum. Sein lautes Herz übertönte alles. Was, wenn Otabek es anders sah? Die Aufregung schwoll an zu einer Lawine aus Worten, die Yuris Mund verließ, bevor er selbst es realisierte. Es war wie vorhin bei Yakov und Lilia. »Meine blöde Klasse macht in zwei Wochen so ‘ne dumme Bildungsreise nach Kasachstan, wohin genau weiß ich noch nicht, aber das Zeitfenster, äh, also es ist so, dass danach nur noch drei Tage bis zur Meisterschaft sind und ich hab‘ gedacht, dass ich… Man! Dass ich vielleicht – also – fuck!«

Plötzlich vernahm er ein schnaufendes Geräusch und er brauchte einen Moment um zu begreifen, dass Otabek ihn auslachte.

»Hey! Das ist nicht witzig man!« Warf seine Haut schon Brandblasen?

»Tut mir leid.« Otabek unterdrückte nicht sehr erfolgreich ein weiteres Lachen. »Ist das alles?«

»Hä, wie, ist das alles? Reicht das nicht, oder was?« Übertrieb er wirklich so sehr?

»Doch. Du rettest mir gerade den Feierabend.«

Was sollte die Scheiße? Seit wann spielte er solche Spielchen mit ihm? »Mach dich nicht lustig, du – Arsch!« Zum ersten Mal fand dieses Wort für Otabek Gebrauch. Ausnahmsweise war es ihm egal. Diese Mischung aus Nervosität und Wut war toxisch und nur schwer zu ertragen.

»Tut mir leid.« Danach klang es wirklich. Seine Stimme veränderte sich. »Ich mach mich lustig über dich, obwohl du dich offensichtlich abrackerst mich zu fragen, ob ich in diesen drei Tagen Zeit für dich habe. Die Beleidigung hab‘ ich verdient.«

Yuris Körper wurde weich. Er sank mit geschlossenen Augen in die Kissen zurück. Diese Tonlage kannte er. Damit konnte er umgehen. Entgegen seiner Erwartungen schien Otabek seine Frage durchaus ernst zu nehmen. Leise atmete er auf.

»Also« Otabek sprach weiter, als keine Antwort kam. »ich kenne meine Arbeitszeiten für diese drei Tage noch nicht, aber falls ich arbeiten müsste, werde ich das ändern.«

Yuris Hände schwitzten so sehr, dass ihm das Smartphone fast entglitt. Erleichterung und Unglaube schoben die Müdigkeit in den Hintergrund. »Echt jetzt?« Er brüllte ihn durch den Hörer ins Ohr.

Wieder ein leises Lachen, eines von den selteneren. »Was denkst du denn? Dass ich mir diese Chance entgehen lasse?«

»Keine Ahnung, was weiß ich denn, ob du da Bock drauf hast?« Er fuchtelte wild und ungesehen mit den Armen in der Dunkelheit herum. »Ich kann nicht in deinen Schädel gucken, Alter! Klar, wir haben drüber geredet, wie das so wäre, wenn, aber woher soll ich wissen, dass …« Dass du mir nichts vormachst.

»Yuri.« Dieser ernste Ton jagte eine Gänsehaut bis in seine Haarwurzeln. »Ich sage nichts, was ich nicht auch so meine. Das solltest du inzwischen wissen.«

Es kostete ihn Überwindung, doch Yuri sprach seinen Gedanken aus. »Manchmal ist es wirklich schwer in deinen Kopf zu sehen. Was du denkst und… alles.«

Ein Seufzen. Plötzlich klang er müde. »Tut mir leid.« Er hörte einen Schlüssel klirren. »Wir sollten auflegen. Du musst bald aufstehen und ich brauche Schlaf. Wenn du dann hier bist, haben wir alle Zeit der Welt uns zu unterhalten.«

Yuris Herz machte einen Sprung und schlug an seinem Kehlkopf weiter. »Ich freu mich schon drauf!«

»Ich mich auch. Ansonsten das Übliche?«

Otabeks Gähnen sprang auf Yuri über. »Jap. So wie immer. Bis morgen dann. Ich lass dich sogar ausschlafen und geh dir erst mittags mit meinen Nachrichten auf den Sack.«

»Du würdest mich niemals nerven.«

Yuri stockte. Ein warmer Luftzug schien sein Ohr zu streifen. Diese Betonung war auf jeden Fall neu. »Ähm… okay?«

»Schlaf gut, Yuri.« Täuschte er sich, oder hatte Otabek es plötzlich eilig mit dem Auflegen? Etwas überrumpelt hörte er seine eigene Antwort wie aus weiter Ferne.

»Du auch. Bis morgen.«

»Ja.«

Einen Moment herrschte ratloses Schweigen, bevor Yuri die Verbindung trennte. Okay, wow. Wenn man mal davon absah, wie sehr er sich zum Deppen gemacht hatte – was genau hatte er gerade verpasst? Dieses Gespräch war eindeutig seltsam gewesen. So anders, als die Gespräche zuvor. Nur langsam verschwand die Hitze aus seinem Körper. Seine Haare klebten ihm an der Stirn. Er wischte sich fahrig übers Gesicht, entledigte sich seiner Klamotten und verkroch sich tief unter der Decke.

  In seinem Kopf schwirrten tausend Fragen. Wie ihr Wiedersehen wohl ablaufen würde? Würde er im Hotel schlafen? Was würden sie unternehmen, außer Motorrad fahren? Bei diesem Gedanken fuhr ein Kribbeln durch seinen Körper. Die wildesten Szenarien tanzten in seinem Kopf und raubten ihm den Schlaf. Er konnte an nichts anderes mehr denken, als an ihr nächstes Treffen. In Kasachstan.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Nächstes Kapitel am 08.05.2018 :) Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  m0nstellar
2018-06-05T12:08:34+00:00 05.06.2018 14:08
Cheerio! ~
weiter geht's! *Brille aufsetzt*

Mittlerweile wusste jeder, dass seit ein paar Wochen das Smartphone mit seiner Hand regelrecht verwachsen war, sei es beim Essen, in den Trainingspausen oder – noch schlimmer – während des Unterrichts.
Ich finde so ein Verhalten schrecklich. Am schlimmsten finde ich es, wenn man sich eigentlich gerade mit jemandem unterhält. Aber leider ist die heutige Zeit so. Und irgendwie kann ich Yuri auch verstehen, ich würd's vermutlich nicht anders machen ;D

und wie erstaunt war er bei der Feststellung, dass Otabek Humor besaß.
Wie das wohl abgelaufen sein musste?
Yuri: Sag mal hast du auch Humor oder so, HAH?! - Ota: Ja. - Yuri: :O
xD

Und auch wenn nichts Spannendes geschah, war dort immer dieser rote Faden, der ihre Gespräche aufrechterhielt. Es wäre gelogen, hätte er abgestritten in dieser Aufmerksamkeit geradezu zu baden.
Bei manchen Leuten geht es mir genauso! :D

»Hey. Hey, worum gings gerade?«
Die verdrehten Augen überging er geflissentlich. Er konnte das eh viel besser, als die anderen.
»Um die Klassenfahrt, schon vergessen? Wir machen doch diese Bildungsreise.«
Der Feuerball in seinem Magen verwandelte sich in einen Eisklumpen. Kasachstan.
»Oh, fuck.«

Ja, also ... Oh fuck trifft es glaube ich ganz deutlich :D

Victors flötende Stimme jagte Ekel über seinen Körper.
Ich hab ihn schon im Ohr: JÜÜÜRRRIOOOOOOO ~~~ <333 XD

Er zwang sich zur Höflichkeit, soweit es eben ging.
»Was willst du, Opa?«

Yo, ich würde mal sagen, das war höflich :D

Wie oft hatte er sich ausgemalt, Otabek außerhalb von Wettkämpfen sehen zu können?
Ich kenne das Gefühl. Mir geht es manchmal immer noch so. </3

Motorrad fahren, Musik durch dasselbe Paar Kopfhörer genießen, zusammen zocken – er wollte es nicht nur planen, er wollte es erleben.
Ich versteh dich so T~T

Es den ganzen Tag seit diesem Vorfall in der Schule nicht beachtet zu haben fühlte sich seltsam an. Er begriff schnell, dass er damit Gewohnheiten gebrochen hatte. Nicht nur seine eigenen.
Ich hoffe, er hat ein ganz ganz schlimmes schlechtes Gewissen! *den Zeigefinger hebt*

Otabek besorgt zur Abeit gehen zu lassen zählte nicht gerade zu seinen Bestleistungen des Tages.
Armer Otabek. Er hat bestimmt besorgt ausgesehen ... --> :|

Wütend pustete er sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Ich liebe diesen Satz :D Ob es wohl noch eine Steigerung gibt? Vielleicht Hustet er sie sich aggressiv in Rage aus dem Gesicht xD


»Schlechten Tag gehabt?«
Seine Frage ließ Yuri zittrigen Atem ausstoßen. »Ich… ja. Irgendwie schon. Und du?«
»Hm. Schon. Soll vorkommen.«

Ich liebe diesen Austausch. Ich kann dir nicht sagen, warum, aber ich liebe ihn. <3

Plötzlich vernahm er ein schnaufendes Geräusch und er brauchte einen Moment um zu begreifen, dass Otabek ihn auslachte.
Ich würde ihn so gern mal lachen hören ... <3 Oder Singen! -->"Come on Barbie, let's go party!" x'DDD

Also« Otabek sprach weiter, als keine Antwort kam. »ich kenne meine Arbeitszeiten für diese drei Tage noch nicht, aber falls ich arbeiten müsste, werde ich das ändern.«
Da ist er, der Ritter mit metallischem Gefährt! *3* *Pom Poms schwingt*

Du würdest mich niemals nerven.«

Yuri stockte. Ein warmer Luftzug schien sein Ohr zu streifen. Diese Betonung war auf jeden Fall neu. »Ähm… okay?«
»Schlaf gut, Yuri.« Täuschte er sich, oder hatte Otabek es plötzlich eilig mit dem Auflegen? Etwas überrumpelt hörte er seine eigene Antwort wie aus weiter Ferne.

Na, na, na! Da wird doch nicht was im Busch seiiiin? ;D *eigentlich ne ultra dumme Frage, aber trotzdem hinschreibt :P*

Die wildesten Szenarien tanzten in seinem Kopf und raubten ihm den Schlaf.
Yo, Digger! Frag mich mal! xD

Fazit:

Hach, war das wieder mal herrlich. Solche Chats kannst du ruhig öfter schreiben. Ich genieße die ja total. :D Aber das Telefonat mit Otabek ist wirklich ein Genuss beim Lesen. Jetzt mal ganz ehrlich. Kam mir echt so vor, als hätte ich neben Yuri gestanden und ihn beim Telefonieren angefeuert. :D Freue mich drauf, wie's weitergeht! <3

Assi-Vermerk:
SCHREIB SCHNELL WEITER!!!






Von:  Seredhiel
2018-05-01T19:44:14+00:00 01.05.2018 21:44
ui tolles Kapitel.

mir gefällt es echt gut wie Yurio und Ota miteinander umgehen.
Macht echt Spaß darüber zu lesen und ich freue mich schon sehr auf deren "freie" Tage :D
Was die beiden da wohl erwarten wird :D hoffentlich jedemenge Spaß *grins*

*Kekse und Eistee da lass*
Antwort von:  Gmork
02.05.2018 20:05
Sere ♥
Vielen Dank für dein Kommi <3
Freut mich, dass dir das Kapitel gefallen hat.
Haha, Spaß werden die beiden auf jeden Fall haben :D :D
Danke für die Versorgung! *mampf* *schlürf*
Bis hoffentlich bald!
Anni
Von: abgemeldet
2018-05-01T19:03:44+00:00 01.05.2018 21:03
Die Spannung steigt... Drei ganze Tage zusammen in Kasachstan, was man da alles unternehmen kann!
Es macht Hoffnung, dass Otabek ebenfalls Interesse an Yuri zu haben scheint. Ich bin jedenfalls sehr auf die Tage gespannt (:
Antwort von:  Gmork
02.05.2018 20:03
Hallo Claire ♥
Vielen Dank für dein Kommi.
Otabek hat auf jeden Fall Interesse. Aber ob das schon ausreicht... tja :(
Ich hoffe du bleibst dran. :)
Anni


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