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Playtime

~ oder wenn Reita den Mund mal wieder zu voll nimmt ~
von

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27. Mai 2017 - Reitas Geburtstag


 

*

Mein Leben lang habe ich nach Anerkennung gesucht.

Anerkennung von Familie und Freunden – später auch von unseren Fans.

Was ich jedoch nie gesucht habe, war Liebe.

Versteht mich nicht falsch, jeder Mensch strebt nach Liebe,

aber ich spreche von der romantischen, der unsterblichen und so häufig verkitschten Liebe.

Um meine körperlichen Gelüste auszuleben, hatte ich sie nie gebraucht

und für mein Seelenheil hatte mir die platonische Liebe meiner Freunde genügt.

Aber dann?

Ja, dann kamst du.

*

 

Einige Monate früher …

 

„Na, was schreibst du so Wichtiges in dein Büchlein, dass du gar nicht mitbekommst, wenn ich mit dir rede?“ Warme Lippen streiften seinen Nacken und er zuckte ein wenig zusammen, war er doch tatsächlich tief in Gedanken versunken gewesen. Doch nun umspielte ein feines Lächeln seine Lippen, während er den Stift senkte und das geöffnete Notizbuch auf seinen Schoß legte.

 

„Du kannst es lesen, wenn du willst.“ Er blickte zu Aoi auf, der sich leicht über die Lehne des bequemen Sessels gebeugt hatte, auf dem er es sich gemütlich gemacht hatte. Uruha hob die rechte Hand, um mit dem Zeigefinger bedächtig über den Hals des anderen zu streicheln und sich an der Gänsehaut zu erfreuen, die diese sachte Berührung mit sich brachte.

 

„Nein, nein, so neugierig bin ich nicht. Außerdem respektiere ich deine Privatsphäre.“

 

„Ach.“ Seine Brauen wanderten nach oben, während er mit den Augen der Gestalt seines Freundes folgte, der nun um den Sessel herumging und sich neben ihn auf die Armlehne hockte. „Und das hat nichts damit zu tun, dass du nur nicht lesen willst, welch Gemeinheiten ich über dich schreibe?“

 

„Hast du denn Grund dazu, etwas Gemeines über mich zu schreiben?“

 

„Nein, normalerweise nicht. Nur, wenn du mich mal wieder geärgert hast.“

 

„Und was schreibst du, wenn ich nett zu dir war?“ Aoi lächelte keck und Uruha näherte sich dem schönen Gesicht seines Partners, ließ seine Zunge hervorblitzen, um für einen Moment über die vollen Lippen zu lecken.

 

„Mmmh, dann lasse ich all die schönen Dinge noch einmal Revue passieren, die du mit mir angestellt hast.“ Ein schlanker Finger zeichnete den tiefen Ausschnitt des Shirts nach, welches einen überaus ansprechenden Teil von Aois Outfit für ihren bevorstehenden Auftritt darstellte. „Und schreibe über all das, was mich zum Schreien gebracht hat“, raunte er und schaute sein Gegenüber aus funkelnden Augen an, musste aber im nächsten Moment auflachen, als von hinter ihm die Reaktion kam, mit der er fest gerechnet hatte.

 

„Nehmt euch ein Zimmer, verdammte Scheiße!“ Ruki, ganz der Giftzwerg, rauschte an ihnen vorbei und von eben jenem war auch dieser überaus nette Ausruf gekommen. Auch Aoi grinste erst einmal breit wie ein Honigkuchenpferd, bevor er ihm einen Finger unters Kinn legte und seinen Kopf daran etwas nach oben drückte, um seine Lippen für einen viel zu flüchtigen Kuss in Beschlag zu nehmen.

 

„Das hast du doch mit Absicht gemacht.“

 

„Immer“, gab Uruha heiter grinsend zu und nickte. „Das bestätigt nur mal wieder meine Theorie, dass unser Sängerlein C.U.V. ist.“

 

„C.U.V.?“

 

„Chronisch untervögelt“, erklärte er im Oberlehrerton, der Aoi schallend auflachen ließ. Uruha schmunzelte. Wenn er sich nicht täuschte, war dieses seltsam unterdrückte Grunzen gerade von Kai gekommen, der nun auffallend geschäftig den Raum verließ, sich allerdings eine Hand vor den Mund halten musste. Nur die Wahrheit konnte so amüsant sein, stellte er zufrieden fest, lehnte sich im Sessel zurück und überschlug selbstgefällig seine langen Beine.

 

„Ich geh mir noch einen Kaffee ziehen, willst du auch was?“ Noch immer entkam Aoi gelegentliches Glucksen, und für einen langen Augenblick schaute er seinen Freund nur eindeutig verliebt an, bevor er langsam den Kopf schüttelte.

 

„Danke, ich bin munter genug.“

 

„Wahre Worte.“ Aoi grinste, küsste seine Stirn und verließ beschwingt den Raum.

 

Tja … und dann waren sie alleine – Reita und er. Die ganze Zeit über, in der er geschrieben oder sich mit Aoi unterhalten hatte, war er das Gefühl nicht losgeworden, von ihrem Bassisten gemustert worden zu sein. Ach, was hieß hier gemustert? Es fühlte sich beinahe an, als würden Reitas Blicke regelrechte Krater in seiner Haut hinterlassen, so bohrend waren sie.

So ging das nun schon seit einer geraumen Zeit und noch immer hatte er nicht herausbekommen können, was genau Reitas Problem war.

Aber als er seinen Freund nun musterte, der sich augenscheinlich lässig auf das Sofa gefläzt hatte und an den Saiten seines Basses zupfte, wirkte dieser vollkommen auf sein Tun fixiert. Nicht ein einziges Mal flackerte sein Blick nach oben, obwohl ihm doch auffallen musste, dass Uruhas Augen seit Minuten regungslos an ihm klebten. Einer Eingebung – oder besser seiner inneren Ungeduld – folgend rappelte sich Uruha auf, schloss das Buch und warf es auf die Sitzfläche des Sessels, bevor er mit wenigen großen Schritten den Raum durchmaß und vor seinem besten Kumpel auf der ganzen Welt, den er schon aus Grundschulzeiten kannte, zum Stehen kam.

 

„He. Ich hab gerade einen Witz auf Rukis Kosten gemacht. Du könntest ja wenigstens den Anstand besitzen und so tun, als wäre er lustig gewesen.“ Mürrisch stieß er mit dem Fuß gegen den Reitas und zog eine Schnute, als der andere ihn daraufhin nur gelangweilt musterte.

 

„Ich hab nicht aufgepasst.“

 

„Ach, nein?“ Uruhas Augenbraue wanderte so weit nach oben, dass sie vermutlich unter seinem Haaransatz erst zum Halten gekommen wäre, wäre das physikalisch möglich gewesen. „Seltsam. Und da dachte ich, du hättest die ganze Zeit über in Aois und meine Richtung geschaut.“

 

„Ich hab nachgedacht und vor mich hingestarrt.“ Der Bassist zuckte unberührt mit den Schultern. „Da werdet ihr beide wohl in meiner Blickrichtung gewesen sein.“ Reitas Haltung, sein Gesichtsausdruck und die Art und Weise, wie er mit ihm sprach, war so kalt wie ein Fisch, was für den temperamentvollen und oftmals hitzköpfigen Bassisten so ungewöhnlich war wie Schnee in der Wüste.

 

„Was … genau … ist dein Problem?“ Uruha hatte sich mit beiden Händen auf Reitas Oberschenkel abgestützt, beugte sich nun bedrohlich über ihn und funkelte ihn aus verengten Augen giftig an. „Du benimmst dich seit Wochen seltsam und wenn ich dich darauf anspreche, tust du im besten Fall so, als würde ich mir alles nur einbilden! Was ich aber gewiss nicht tue und …“ Seine Augen weiteten sich, als Reita plötzlich beide Hände an seine Wangen legte, mit Daumen und Zeigefinger hinein kniff und ihn breit angrinste.

 

„Du bist so niedlich, wenn du dich aufregst, Ducky“, gab der andere in perfekter Babysprache von sich und Uruha war für einen Moment von dem plötzlichen Stimmungsumschwung dermaßen überrumpelt, dass es ihm regelrecht die Sprache verschlug. Gefühlte Minuten konnte er Reita nur groß angucken, bevor er erst ziemlich verspätet und äußerst empört reagierte.

 

„Pfoten weg du, du …“ Er schlug besagte Pfoten beiseite, richtete sich in derselben Bewegung wieder auf und rieb sich über die Wangen. „Und hör auf, mich so zu nennen.“

 

„Wie denn? Ducky? Wäre dir Entchen lieber?“

 

„Arschkeks“, knurrte er und musste ein Grinsen unterdrücken. Die gesalzene Kopfnuss hingegen, die er Reita daraufhin verpasste und die seine dunklen Haare hübsch zerzaust nach oben stehen ließ, konnte er sich allerdings nicht verkneifen. Man konnte sagen, was man wollte, aber dieses zischende Einatmen gepaart mit Reitas verzogenem Gesicht hatte etwas überaus Genugtuendes an sich. „Eins sag ich dir, mein Freund, wenn du anfängst, irgendwelche Midlife-Crisis-Allüren zu bekommen, schaffe ich dich eigenhändig zum Notschlachten.“

 

„Ach komm, Ducky, du weißt so gut wie ich, dass du ohne mich nicht Leben kannst.“ Reita grinste ihn frech an und zupfte sich sein Nasenband zurecht. Lässig fuhr er sich durch die eigentlich schon gestylten Haare, die ihm nun noch wilder vom Kopf abstanden. Für einen Moment legte sich beinahe so etwas wie ein liebevolles Lächeln auf Uruhas Züge, wirkte sein bester Freund nun doch um so vieles jünger, als er tatsächlich war. Dessen Aussage jedoch quittierte er nur mit einem Kopfschütteln und dem Rollen seiner Augen, war innerlich aber froh darüber, dass er sich Reitas seltsames Verhalten vielleicht doch nur eingebildet haben könnte.

 

„Ich geh mal die anderen suchen, wir müssen bald auf die Bühne.“ Er lächelte den anderen noch einmal lieb an, bevor er aus der kleinen Garderobe verschwand, die ihnen in den letzten Stunden vor ihrem Konzert als Umkleide und Aufenthaltsraum gedient hatte. So sah er auch nicht, dass sich Reitas Blick veränderte, sobald er ihm den Rücken zugekehrt hatte. Ebenso wenig wie er das kaum hörbare Seufzen vernahm, mit dem sich der Bassist erneut durch die fast schwarzen Haare fuhr.

 
 

*

Es war nun nicht so, dass du wie ein Ritter in strahlender Rüstung

auf deinem weißen Schimmel plötzlich angeritten gekommen wärst,

um mich mit dir zu nehmen und mir deine unendliche Liebe zu gestehen.

Nein, gewiss nicht, eher das komplette Gegenteil war der Fall gewesen.

Wir waren Konkurrenten – du und ich.

In den ersten Jahren unserer Musikkarriere wetteiferten wir um alles.

Wer von uns mehr Fans hatte, wer besser mit der Gitarre umgehen konnte.

Und selbst in der wenigen freien Zeit, die wir hatten,

buhlten wir meist um die Gunst derselben Menschen.

Ich konnte dich damals nicht wirklich leiden und ich denke,

dass das durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte.

Bis sich alles änderte …

*

 

Uruha legte den Stift beiseite und verstaute sein Notizbuch in der Umhängetasche, die neben ihm auf der Bank lag. Ihr Konzert war ein voller Erfolg gewesen und er hätte auch jetzt noch ständig im Kreis grinsen können. Wieder zuckten seine Mundwinkel verräterisch, als er sich daran zurückerinnerte, dass sich Reita sogar ein kleines Tränchen hatte verdrücken müssen, nachdem kurz vor Ende des Gigs die Beleuchtung in der Halle ausgegangen war, um ein wahres Lichtermeer aus Leuchtstäben im Zuschauerraum zu offenbaren. Gepaart mit dem vielstimmigen Happy Birthday, welches die Fans angestimmt hatten, war das aber auch ein grandioser Augenblick gewesen. Das war die Heimlichtuerei der letzten Tage und den damit verbundenen zusätzlichen Stress für sie alle doch allemal wert gewesen.

Und nun saß er hier in einem kleinen, schnuckeligen Klub, den sie für Reitas Geburtstagsfeier angemietet hatten, und ließ sich die Cocktails schmecken. Er fühlte sich zwar wie von einem Sechzehn-Tonner überrollt und war unglaublich müde, aber es gehörte sich nun mal, am Ehrentag seines besten Freundes anwesend zu sein; und wenn er ehrlich war, tat es gut, Reita so fröhlich und ausgelassen zu sehen.

 

Mit einem leisen Ächzen erhob er sich und schlängelte sich durch die Vielzahl ihrer Bekannten und Freunde, des Staffs und der Techniker, bis er seinen Liebsten entdeckte. Aoi saß etwas abseits vom vorherrschenden Trubel auf einem unverschämt bequem aussehenden Klubsessel und wirkte wie eine Raubkatze, die alles und jeden um sich herum im Blick hatte.

 

„Wenn es jemand schafft, in einem Raum voller Menschen den gemütlichsten und ruhigsten Platz überhaupt ausfindig zu machen, dann bist wohl du das“, begrüßte er seinen Partner und setzte sich lächelnd auf die Lehne des Sessels, spiegelte so unbewusst die Pose, in der sie auch heute vorm Gig schon gesessen waren. Nur dass nun er es war, der seine langen Beine elegant über die Aois legte und seinem Schatz einen Kuss auf die Schläfe drückte.

 

„Mmmh.“ Aoi brummte und fuhr ihm durch das braune, frisch gewaschene Haar, das ohne die ganzen Frisierprodukte angenehm widerstandslos über seine Finger glitt. „Du weißt doch, dass ich gerne alles im Blick hab.“ Uruha grinste nur wissend und ließ seine Fingerkuppen wie so oft über Aois Hals streichen, bis er im Nacken angekommen damit begann, mit den feinen, schwarzen Härchen dort zu spielen. „Du hattest übrigens recht“, murmelte sein Freund, nachdem dieser sich etwas gestreckt hatte, um an sein Ohr herankommen zu können, und ließ es sich nun nicht nehmen, seine unverschämt weichen Lippen über die empfindliche Haut dort streichen zu lassen.

 

„Wie? Ich hatte recht?“ Uruha beachtete die kleine Liebkosung gar nicht, viel zu überrascht war er davon, dass ihm Aoi tatsächlich mal recht gab. Das kam schließlich nicht allzu oft vor. „Warte, das muss ich aufschreiben.“ Er machte Anstalten, aufzuspringen, ließ sich dann aber zurück auf die Armlehne sinken und schaute den anderen mit etwas verplanter Miene an. „Ehm, mit was genau hatte ich eigentlich recht?“ Er konnte förmlich mit ansehen, wie sich dieses ganz bestimmte Funkeln in Aois Augen schlich und sich auch seine Mundwinkel zu einem nur allzu vertrauten kleinen Schmunzeln hoben. Uruhas Mund machte sich selbstständig und verzog sich indes zu einer Schmollschnute, noch bevor Aoi den Gedanken aussprechen konnte, von dem er nur zu gut wusste, dass er sich gerade eben in dessen Köpfchen geformt hatte. „Sag's bloß nicht“, murrte er und verdrehte die Augen.

 

„Du kannst so verdammt niedlich sein.“

 

„Ich sagte, du sollst das nicht sagen.“ Uruha verschränkte die Arme vor der Brust und drehte den Kopf weg, als Aoi ihn küssen wollte. Dass dessen Lippen es dadurch jedoch nur viel leichter hatten, seinen Hals in Beschlag zu nehmen, hatte er allerdings nicht bedacht. „Aoi“, brummte er und hätte seinen Freund auf Abstand geschoben, hätte der ihm nicht im selben Moment ins Ohr geraunt, dass er doch mal unauffällig zu Reita hinüberschauen sollte. Ahnend, was nun so plötzlich Aois Aufmerksamkeit vereinnahmte, senkte er die Lider und drehte den Kopf ein Stück zur Seite. So unauffällig, wie es eben möglich war, wenn man in direkter Blickrichtung des zu Beobachtenden saß, schaute er zu Reita hinüber und erschauerte leicht.

 

„Hätte unser Bassist Superkräfte, wärest du vermutlich bereits nackt.“

 

„Hätte unser Bassist Superkräfte, würden wir es längst genau auf diesem Sessel mitten im Klub treiben“, verbesserte er den anderen, denn Reita machte wirklich den Eindruck, nicht nur ihn, sondern auch Aoi zu mustern, als wären sie etwas überaus Leckeres und er selbst am Verhungern. „Ich wusste doch, dass da was im Argen ist. So geht das nun schon seit Wochen, aber du wolltest mir ja nicht glauben.“

 

„Ist ja gut, jetzt glaube ich dir ja.“ Eine feine Gänsehaut breitete sich auf seinem Körper aus, als er Aois Zunge spürte, wie sie über seine Halsbeuge kitzelte. Für einen Moment schloss er die Augen, öffnete die Lippen einen kleinen Spalt breit und ließ das genießende Keuchen frei, welches sich in seiner Kehle gesammelt hatte.

 

„Und was machen wir nun mit dieser Erkenntnis?“, nuschelte er, über die anhaltende Musik kaum hörbar, und krallte seine Finger leicht in den weichen Pullover, den sein Schatz heute trug.

 

„Mh.“ Aois Lippen wanderten noch immer genüsslich über seinen Hals und hätte er es nicht besser gewusst, hätte er glauben können, sein Freund wollte ihrem Bassisten eine Show liefern. Er biss sich auf die Unterlippe, als sich Aoi an einer besonders delikaten Stelle festsaugte und ihm bestimmt ein gut sichtbares Mal verpasste. Aber das war nicht der einzige Grund für den prickelnden Schauer, der ihm plötzlich über den Rücken rann. Nein, die hungrigen Blicke seines besten Kumpels taten da ihr Übriges und verschafften ihm gleichermaßen ein schlechtes Gewissen. Sollten ihn Reitas Blicke denn nicht eher irritieren? Ihn höchstens unangenehm berühren und nicht so … scharfmachen?

 

„Aoi. Hör auf jetzt“, murrte er und schob dessen Gesicht von sich.

 

„Aber wieso denn?“

 

„So halt.“ Uruha erhob sich, den Kopf voller Fragen, auf die er gerade keine Antwort wusste. „Ich will eine rauchen, kommst du mit nach draußen?“ So sehr er dieses dämliche Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden normalerweise verabscheute, mittlerweile hatte er sich nicht nur daran gewöhnt, sondern gerade kam es ihm auch ganz recht. Er brauchte jetzt frische Luft und vor allem musste er weg von den Blicken des Bassisten, die ihn auf eine gänzlich falsche Art und Weise verwirrten.

 
 

*

An diesem Abend vor so vielen Jahren war ich aufgekratzt gewesen,

wie eigentlich immer nach einem Konzert.

Betrunken von der Euphorie der Fans und unglaublich erregt von ihren Blicken,

die mich nicht nur jedes Mal aufs Neue auszuziehen, sondern schier aufzufressen schienen.

Taumelnd und lachend wankte ich Backstage, das Gesicht in einem Handtuch vergraben.

„Sie lieben mich“, raunte ich dir entgegen, ein überhebliches Lächeln auf den Lippen.

Unsere Rivalität war noch immer ungebrochen, zumindest für mein Verständnis.

„Damit sind sie nicht allein“, hörte ich dich sagen und fühlte im nächsten Moment deine Hand,

die mich an der Schulter gegen die Wand drängte.

„Ich will dich küssen, Uruha.“

Dein Atem war heiß an meiner Wange,

ebenso wie dein Körper, der sich gegen den meinen presste.

Mein Blick hingegen kalt,

genau wie die Worte, die ich dir entgegen zischte, bevor ich dich fortstieß.

„Wenn du auch nur für eine Sekunde denkst, dass ich Interesse an dir habe,

bist du naiver, als ich dachte, Aoi.“

*

 

Er gähnte herzhaft und rührte in den Resten seines Cocktails, der mittlerweile mehr aus dem geschmolzenen Wasser der vormaligen Eiswürfel bestand als aus Alkohol und Saft. Für einen Moment debattierte er mit sich, ob er nun aufstehen und zur Bar gehen wollte oder lieber seinen Schatz neben ihm bitten sollte, ihm noch einen Drink zu holen. Aber Aoi unterhielt sich gerade so angeregt, dass er ihn nun nicht stören wollte. Außerdem würde ihn ein bisschen Bewegung wieder munterer machen – das hoffte er zumindest.

 

An der Bar angekommen gab er sogleich seine Bestellung auf, wobei ihm hinterher erst bewusst wurde, dass er sich lieber keinen Cocktail mehr hätte ordern sollen. Jetzt, im Stehen, war ihm doch ein wenig schwindlig, das Bild vor seinen Augen verschwamm an den Rändern und dass er nicht mehr ganz so sicher auf seinen Beinen war, hatte er auf dem Weg hierher deutlich gemerkt. Aber bestellt war bestellt und ein Gläschen mehr würde ihn schon nicht ausknocken. Immerhin war es nur ein Cocktail und nichts Härteres.

Ein ihm nur allzu bekanntes Lachen riss ihn aus seinen Überlegungen und er drehte den Kopf zur Seite, um das größere Grüppchen mustern zu können, das ein paar Meter von ihm entfernt ebenfalls Stellung an der Bar bezogen hatte. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass Reita nicht mehr an ihrem Tisch saß, obwohl er, seit er mit Aoi vom Rauchen zurückgekommen war, versucht hatte, die bohrenden Blicke des Bassisten zu ignorieren. Allem Anschein nach war ihm das besser gelungen als gedacht, stellte er nun leicht ironisch fest und nahm den Drink entgegen, den ihm die Barfrau gerade über den Tresen schob. Wieder kam ihm der Gedanke in den Sinn, dass er sich Reitas Verhalten vielleicht wirklich nur einbildete und nun auch Aoi mit seinen Vermutungen angesteckt hatte. Denn was sollte ihren Frauenhelden vom Dienst nun plötzlich dazu bewegen, eine erotische Fallstudie mit Aoi und ihm als Thema zu eröffnen?

 

Eindeutig anzügliche Worte drangen an sein Ohr, als er sich bemühte, der Unterhaltung von Reita und seinen Freunden zu lauschen. Zwar kannte er einen Großteil der Kerle nicht persönlich, die sich dort versammelt hatten, trotzdem hatten schlüpfrige Details aus dem Liebesleben anderer Leute schon immer eine gewisse Anziehungskraft auf ihn ausgeübt. Besonders, als Taka, einer der Kumpel, die auch er selbst besser kannte, von seinen letzten Erfahrungen mit einem seinen Erzählungen nach wohl sehr heißblütigen Zwillingspärchen berichtete. Uruha war schon kurz davor, sich der Gruppe zu nähern, so neugierig hatten ihn Takas Worte gemacht, aber mit dem, was als Nächstes folgen sollte, hatte er nicht gerechnet.

 

„Aber was erzähl ich da meine alten Kamellen.“ Taka lachte laut und eindeutig angetrunken auf und klapste Reita unkoordiniert auf den Rücken. „Unser Geburtstagskind hat sich sein Pärchen ja eindeutig schon rausgesucht.“

 

„Laber keine Scheiße“, raunzte Reita, selbst auch schon nicht mehr ganz nüchtern und versuchte, den Arm des anderen abzuschütteln.

 

„Was denn, was denn? Du kannst doch nicht leugnen, dass du Uruha und Aoi schon den ganzen Abend über musterst, als wären sie Frischfleisch?“

 

Uruha konnte an Reitas plötzlich angespannter Haltung ablesen, dass sein hitzköpfiger Freund kurz davor war, Taka eine reinzudrücken. Unter anderen Umständen wäre er bereits an Reitas Seite, um genau dieses zu verhindern, aber gerade war er viel zu perplex, um reagieren zu können. Im nächsten Moment hatte Reita es geschafft, Takas Arm von sich zu schieben, und baute sich nun vor ihm auf.

 

„Ich sag’s dir Taka. Noch so'n Spruch, Kieferbruch.“

 

„Hey, ganz ruhig, ich will dir ja nichts. Immerhin kann ich das ja verstehen. Selbst wenn man mit Kerlen nichts anfangen kann, kann man ja nicht leugnen, dass die beiden zusammen heiß aussehen.“ Abrupt wurde Reitas gesamte Haltung wieder lockerer und wenn Uruha das im schummrigen Licht des Klubs richtig erkennen konnte, hatte sich sogar ein vielsagendes Grinsen auf seine Lippen gelegt. Er fühlte sich immer mehr wie im falschen Film, was die weiteren Worte seines eigentlich besten Freundes nicht gerade zu verbessern wussten.

 

„Zur Hölle, ja, die beiden sind verdammt noch eins wie live Porn und sie merken es nicht einmal.“ Reita lachte schallend und beugte sich dann etwas vor, so als würde er den Versammelten nun das Versteck des Heiligen Grals preisgeben wollen. „Wenn ich sie so zusammen sehe, kann ich einfach nicht anders, als darüber nachzudenken, wie geil sich Uruhas Lippen um meinen Schwanz anfühlen würden.“ Wieder ging ein lautes Lachen durch die Gruppe und Taka klopfte Reita so heftig auf die Schulter, dass dieser sich mit einem gezielten Stoß seines Ellenbogens in dessen Magen dafür bedankte. Taka ging kurz in die Knie, hatte sich aber schnell wieder gefangen und lachte noch immer, auch wenn er sich nun über den Bauch rieb.

 

„Nur die Lippen?“, fragte nun ein anderer, den Uruha nicht kannte und wackelte, in eindeutiger Weise mit den Augenbrauen.

 

„Als könnte ich mich damit zufriedengeben. Hast du seinen Arsch schon mal gesehen?“ Wieder brach die Gruppe in betrunkenes Gelächter aus und Uruha beschloss, genug gehört zu haben. Reitas Worte hatten ihn überrumpelt, aber was noch schlimmer war, war das eindeutige Gefühl der Lust, das sich in seinem Körper breitmachen wollte. Plötzlich sah er Reita vor sich, nackt und erregt und hätte sich in dieser Sekunde nichts Besseres vorstellen können, als vor seinem Kumpel in die Knie zu gehen und ihm nur zu deutlich zu zeigen, was seine Lippen alles anstellen konnten. Oh fuck, das war so viele Schattierungen von falsch, falscher ging es schon gar nicht mehr.

 

Uruha ging ein paar unkoordinierte Schritte nach hinten, stürzte seinen Cocktail mit wenigen großen Schlucken hinunter und stellte das Glas auf dem Tresen ab. Nun noch stärker wankend als zuvor, allerdings nicht des Alkohols, sondern seiner wirbelnden Gedanken wegen, bahnte er sich einen Weg zurück an ihren Tisch und ließ sich neben Aoi auf die Bank sinken. Immer wieder gingen ihm Reitas Worte durch den Kopf und immer wieder versuchte er, sich einzureden, dass er das gerade eben nicht gehört hatte. Vor allem aber, dass sein Körper nicht auf eindeutige Weise auf das Gesagte reagiert hatte. Ohne sein bewusstes Zutun hatte sich seine Hand auf den Oberschenkel seines Liebsten verirrt, und keinen Augenblick später stieg ihm der unglaublich betörende Duft seines Aftershaves in die Nase, das er so liebte. Tief einatmend vergrub er das Gesicht an Aois Halsbeuge, küsste die warme, weiche Haut dort und konnte einen erregten Schauer kaum unterdrücken.

 

„Aoi, Liebling, lass uns nach Hause fahren, ja?“, raunte er in Aois Ohr, und nun jagte doch ein Zittern durch seinen Körper, als er aus dem Augenwinkel Reita auf ihren Tisch zukommen sah. Der stechende Blick des Bassisten hielt ihn für einen langen Moment gefangen und ein leises Wimmern, das nur Aoi hören konnte, entrang sich seiner Kehle. Seine andere Hand wanderte lasziv über den Oberkörper seines Schatzes und hätte sich unter den dünnen Stoff des Pullovers gestohlen, würden sie sich nicht gar so in der Öffentlichkeit befinden. „Ich brauch dich … jetzt.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  QueenLuna
2019-11-19T08:27:51+00:00 19.11.2019 09:27
Ich mag den Einstieg mit dem Tagebucheintrag sehr gerne, bin ja gespannt was noch für Einträge folgen *g* ich hab die FF zwar schon mal gelesen, aber mein Gedächtnis ist ein Sieb, deshalb kann ich mich immer wieder aufs Neue überraschen lassen, yeah! XD
Die Tagebucheinträge bringen halt noch mal eine andere Sichtweise rein und das macht noch interessanter. Ich liebe diesen Teil der Geschichte <3

Auch finde ich, dass du es immer wieder in wenigen Sätzen schaffst eine schön knisternde Stimmung zwischen Aoi und Uruha zu schaffen. Und es war auch sehr angenehm wie du Kai und Ruki mit einfließen lassen hast.
Generell mag ich die Dynamik zwischen den Charaktere. ^^ also gerade Uruha und Reita machen da echt was her und natürlich Aoi und Uruha. Ich mag ihre Charaktere hier echt super gern weil sie auch so schön unterschiedlich rüber kommen.

Bei dem Gespräch im Klub, das Uruha mit anhört, ist mir zwischendurch mal der Mund aufgeklappt... Also Reita.. Sowas sagt man doch nicht in aller Öffentlichkeit über seinen besten Kumpel... Denken ja, aber sagen... Tztz... Aber es passt halt super xD
Also es war ein Freude dem Kapitel zu folgen^^

LG
Luna <3



Von:  dreamer-girl
2018-04-13T13:26:58+00:00 13.04.2018 15:26
Hi Yamimaru
Ich finde deine Story klingt sehr vielversprechend. Der Anfang hat mich auf alle Fälle neugierig gemacht. Auch gefällt es mit gut mit den Tagebucheinträgen dazwischen. Ich bin ja schon sehr gespannt wie es weiter geht.
Antwort von:  yamimaru
14.04.2018 15:35
Hallo dreamer-girl,
vielen lieben Dank für deinen Review!
Es freut mich riesig, dass dir die Story bis jetzt gefällt und hoffe natürlich, dass das so bleiben wird. ^^
Und besonders froh bin ich darüber, dass dir die Tagebucheinträge zusagen.
Bei denen war ich mir nämlich tatsächlich nicht sicher, ob sie nicht von der eigentlichen Story ablenken.
Aber da ich sie selbst so gerne mochte, hab ich's einfach mal riskiert. XD Also danke auch hier für deinen Zuspruch.
Dann vielleicht bis zum nächsten Kapitel (das nächstes WE kommen wird), ich würde mich freuen. ^^
Viele liebe Grüße
yamimaru
Antwort von:  dreamer-girl
16.04.2018 08:13
Hi yamimaru
Ich bin auf jeden Fall froh, dass du die Tagebucheinträge dabei gelassen hast.
Bin schon sehr gespannt auf das nächste Kapitel. Hoffentlich kommt das Wochenende schnell.
Lg dreamer-girl


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