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Taichi war auf dem Weg nach Hause. Er hoffte sehr, dass der Heiratsantrag seines besten Freundes funktionieren würde. Aber er war eigentlich überzeugt davon. Sora und Yamato liebten sich. Sie waren bei manchen Dingen sehr unterschiedlich, aber er hatte selten ein Paar gesehen, das so perfekt miteinander harmonierte. Okay, ignorierte man seine Schwester und Yamatos Bruder. Die beiden waren schon eher unheimlich, was das Thema anging. Auf jeden Fall war ihm klar, dass Sora ja sagen würde. Warum auch nicht? Die beiden waren so lange ein Paar. Wenn sie nicht ihr Leben mit ihm verbringen wollte, dann wäre sie schon längst weg.
Taichi selbst hatte heute länger arbeiten müssen, daher hatte er Yamato nicht bei der Vorbereitung helfen können. Wobei dieser vielleicht auch ganz dankbar dafür war, zumindest hatte er so etwas geäußert. Zusammen mit “du würdest nur alles wegessen und dann die Kerzen umwerfen und unsere Wohnung mitsamt dem Wohnhaus abfackeln!”. Taichi hatte nur geschnaubt. Warum hatten eigentlich immer alle ihm gegenüber solche Vorurteile und trauten ihm nichts zu? Oder warum trauten sie ihm alles zu? Alles, was schiefgehen konnte? So verpeilt war er nun auch wieder nicht!
Seufzend schüttelte er seinen Kopf während er seine Wohnungstüre öffnete. Er blinzelte wie erstarrt. War er wirklich richtig? War das hier sein Zuhause? War er richtig? Er trat einen Schritt zurück um auf das Klingelschild zu schauen. Tachikawa/Yagami. Doch, er schien hier richtig zu sein. Aber … Er sah nochmal auf die ganzen Kerzen und roten Rosen sowie Rosenblätter, die im Hausflur verteilt waren. Das war doch … Oh nein. Yamato würde doch nicht … er würde ja wohl nicht … Er hatte sicher selbst eine Kerze umgeworfen! Und seine Wohnung fast abgebrannt, weshalb sie nun hier sein mussten. Oder hatte der Blumenladen die Rosen aus Versehen an seine Adresse geliefert? Hatte er fälschlicherweise Lieferung anstatt Abholung angegeben? Und da er nicht da war? Hatte Mimi dann die Rosen verteilt? Hatte sie mit Yamato gesprochen? Wusste dieser Bescheid, dass die Blumen falsch geliefert worden waren?
“Tai?”, erklang Mimis Stimme in diesem Moment.
“Einen Moment bitte!”, antwortete der und griff nach seinem Handy. Er suchte nach Yamatos Nummer und rief diese an.
“Hallo, Yamato Ishida hier.”
“Matt, ich bin es. Ich habe hier …”
“Ich bin zur Zeit nicht erreichbar. Sprich einfach drauf, ich melde mich, wenn ich kann.”
Taichi ließ sein Handy sinken. Verdammt!
“Ist Matt hier?”, rief in Richtung des Wohnzimmers.
“Matt? Warum sollte Matt hier sein?”, erklang Mimis Stimme.
“Na wegen den ganzen Blumen und Kerzen!”, antwortete Taichi gestresst.
“Was hat Matt damit zu tun?” Mimi trat um die Ecke und sah zu ihrem Freund.
Der ignorierte sie jedoch total. “Verdammt, verdammt, verdammt!”, fluchte dieser. “Ich muss nochmal los”, richtete er dann an Mimi.
“Los? Wohin? Und warum?” Die Stimme der jungen Frau klang unsicher, was der Ältere jedoch gar nicht wahrnahm.
“Yamato und Sora müssen sofort hierher kommen! Sonst geht alles schief! Der ganze Plan.”
Mimi war wie erstarrt. Wusste Taichi etwa, was sie vorhatte? Das durfte er aber nicht! Hatte Sora es Yamato gesagt? Und der es dann Taichi? Wollte er ihren Antrag etwa ablehnen? Warum sonst sollten ihre Freunde sonst herkommen? Sora sollte ihr sicher Beistand leisten. Und Yamato Taichi. Aber warum braucht er seinen besten Freund? Wenn er nein sagte, dann brauchte er keinen Beistand. Außer Taichi ging davon aus, dass sie sogar ihn brauchte … dass beide ihretwegen kommen sollten.
“Aber … aber …”, brachte sie nur fassungslos hervor. “Wie kommst du jetzt darauf?” Er sollte es ihr lieber gleich sagen, dass er sie nicht heiraten wollte, dann könnte sie besser damit leben, als noch auf die Abfuhr warten zu müssen.
Taichi sah sie mit gerunzelter Stirn an. “Warum? Du weißt es doch! All die roten Rosen!” Er zeigte über die Blumen, ehe er die Türe aufzog. “Ich muss sofort zu Matt!” Und schon war er weg.
Mimi blickte ihrem Freund fassungslos hinterher. Er … er rannte einfach davon. Nein, nicht mit ihr! Er würde ihr antworten, es ihr wenigstens ins Gesicht sagen, dass er sie nicht mehr liebte! Sie griff nach ihrer Jacke und schlüpfte in ihre Schuhe, ehe sie kurzerhand Taichi folgte.
Auf der Straße konnte sie ihn schon nicht mehr entdecken. Was hatte er gesagt? Dass er Yamato und Sora holen wollte. Also mussten er in die Richtung, in der die beiden wohnten. Und das wusste sie zum Glück, immerhin handelte es sich um ihre beste Freundin. Sofort rannte sie los. Ihr Herz schlug aufgeregt in ihrer Brust, die sich wie eingeschnürt anfühlte. Zudem spürte sie die Tränen, die immer noch in ihren Augen brannten. Ihr ganzer Plan. Alles schief gegangen. Und Taichi? Er konnte ihr nicht einmal in die Augen schauen, wenn er ihr einen Korb gab. Nein, er wollte es ihren besten Freunden überlassen! So ein Feigling!
Mimi rannte und rannte. Ihre Lungen brannten allmählich und sie war sich sicher, dass sie sich in ihrem Leben noch nie so sportlich betätigt hatte, wie in diesen Minuten. Sie war sich unsicher, ob sie Taichi überhaupt einholen konnte. Immerhin war dieser um einiges sportlicher als sie. Doch dann sah sie eine Person, die auf dem Boden kniete. Die Frisur war eindeutig zu erkennen. Zudem die Statur ihres Freundes. Oder schon Ex-Freundes? Er kniete auf dem Boden und schien seinen Schuh zu binden. Gerade stand er auf und wollte weiter. Doch soweit würde sie es nicht kommen lassen.
“Taichi Yagami! Bleib sofort stehen!”, schrie sie mit schriller Stimme.
Wie angewurzelt blieb er stehen und sah in ihre Richtung. Er schien einen Moment zu zögern, dann lief er auf sie zu. “Mimi?”
Die junge Frau lief auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. Sie stützte ihre Hände auf ihren Knien ab und versuchte Luft in ihre brennenden Lungen zu ziehen.
“Mimi, ich habe keine Zeit, ich muss dringend zu Matt und Sora. Ansonsten geht alles …”
“Du gehst nirgendwo hin!”, brüllte die junge Frau los und sah zu ihm auf.
Taichi blinzelte verwirrt. Was war das denn jetzt?
“Du … du bist so ein Feigling! Nicht einmal nein sagen kannst du ohne Hilfe?”
“Nein sagen?” Taichi war wie vor den Kopf geschlagen. Was war mit seiner Freundin los? Und warum, alles in ihm zog sich zusammen, warum weinte sie jetzt? “Mimi, was ist los?” Er trat einen weiteren Schritt auf sie zu, so dass sie direkt vor ihm stand. Vergessen waren Yamato und Sora. Jetzt ging es um sie.
“Ich … ich habe mir so viel Mühe gegeben!”, schluchzte Mimi vor ihm. “Ich habe alles geplant, ganz genau. Und dann … dann ist alles schief gelaufen! Es war doch klar!” Schluchzend wischte sie die Tränen ab, die über ihre Wangen liefen, jedoch ohne viel Erfolg. “Die Rosen hatten die falsche Farbe und sind rot anstatt rosa. Der Kuchen ist jetzt sicher verbrannt, weil er immer noch im Ofen ist … und das schlimmste! Du liebst mich nicht mehr. Was soll das jetzt alles noch für einen Sinn haben?” Wieder schluchzte sie auf und schlug beide Hände vor ihr Gesicht..
Taichi starrte sie mit aufgerissenen Augen an. “Warum soll ich dich nicht mehr lieben?” Wie kam sie denn auf solchen Doofsinn?
Mit tränenüberströmten Gesicht sah sie ihn an. “Das ist doch klar!”
“Mir nicht.” Der Ältere schüttelte seinen Kopf.
Mimi deutete fahrig in die Richtung, in der ihre besten Freunde wohnten. “Warum solltest du sonst zu Sora und Matt, wenn du die beiden nicht dazu brauchst, mir schonend beizubringen, dass du mich nicht heiraten willst?”
Wieder erstarrte der Ältere. Ungläubig blinzelte er. “Was?”
Seine Freundin sah zur Seite. “Du solltest es mir wenigstens selbst sagen und es nicht anderen überlassen!”
Taichis Kopf ratterte wie verrückt. Mimi? Heiraten? Er griff nach ihren Schultern, woraufhin sie zu ihm aufsah. In seinem Herzen stach es, als er ihre tränenvollen Augen sah. “Prinzessin”, gab er von sich und sah sie ernst an. “Was meinst du damit?”
Sie schluchzte erneut auf. “Ich wollte dir heute doch einen Antrag machen! Ich wollte fragen, ob du mich heiraten willst! Und dazu habe ich gekocht, Kuchen gebacken und die Wohnung mit Rosen und Kerzen dekoriert. Und du … du willst mich nicht heiraten, sonst wärst du ja nicht zu Sora und Matt gerannt. Und nicht heiraten willst du mich, weil du mich nicht mehr liebst. Sei wenigstens ehrlich zu mir.”
Taichis und Mimis Handys piepsten gleichzeitig. Sie wechselten einen Blick, ehe Mimi ihn von sich schob und nach ihrem Handy griff. Sie starrte auf den Bildschirm, während Taichi es in dem Moment total egal war, was da gekommen war.
Mimi erstarrte. “Das … das darf doch nicht deren ernst sein!”, erklang ihre Stimme entsetzt.
Taichi blickte über ihre Schulter und auf das Bild, das auf dem Bildschirm zu sehen war. Soras und Yamatos Hände, an Soras Finger der Verlobungsring … und darunter auf dem Tisch rosa Rosenblätter. Ihm dämmerte langsam, was passiert sein könnte.
“Prinzessin, hast du rosa Rosen bestellt?” Sie hatte doch vorher etwas von der falschen Farbe gemurmelt, oder?
Mimi sah ihn fragend an und nickte. “Ja.”
Taichi schmunzelte. “Naja”, er deutete auf das Handy, “Matt hat rote Rosen bestellt. Warum also haben sie rosa Rosen und du rote?”
Auch in Mimis Kopf machte es Klick und sie sah wieder auf das Foto ihrer Freunde. “Du … du meinst, dass die Blumen … dass sie vertauscht worden sind? Und dass Matt … dass Matt auch einen Antrag für Sora geplant hat? Heute?”
Sofort nickte Taichi. “Ja. Und ich habe ihm geholfen.”
Mimi sah zu ihm auf. “Und als du die Rosen bei uns gesehen hast, da hast du gedacht, dass … “
“Dass der Antrag bei uns erfolgen soll. Also wollte ich die beiden holen, dass Matts Plan nicht schief geht. Und stattdessen …”
“Stattdessen ist mein Plan schief gegangen …”, murmelte Mimi fassungslos.
Taichi nickte, dann griff er nach ihrem Kinn und drückte es nach oben, während er schmunzeln musste. “Prinzessin, meinst du nicht, dass es meine Aufgabe ist, dich zu fragen, ob du mich heiraten willst?”
Ihre Wangen wurden rot. “Da hätte ich vermutlich noch eine ganze Weile warten müssen.”
Taichis Augenbrauen hoben sich und Mimis Wangen wurden noch dunkler. “Und hattest du dir auch einen Ring gekauft?”
Nun senkte sie verlegen ihren Blick. “Ich wollte … Aber Sora und Kari meinten, dass ich das dann lieber mit dir zusammen machen soll.”
“Aha.” Taichi nickte verstehend, ehe er lächelte. “Meine Prinzessin”, begann er, woraufhin Mimi ihn wieder ansah. “Ich liebe dich”, sprach er weiter. “Ich liebe dich so sehr. Und ich will mein Leben mit dir verbringen. Wenn du mich gefragt hättest, ob ich dich heirate …” Mimi versteifte sich. “Dann hätte ich ja gesagt. Aber …” Nun sah sie ihn fragend an. “... du hast mich nicht gefragt!” Mimi wollte den Mund öffnen und etwas sagen. Doch noch bevor sie soweit kam, legte er seine Finger auf ihre Lippen, um sie davon abzuhalten. “Und da du mich nicht gefragt hast …” Mit großen Augen verfolgte Mimi, wie er sich plötzlich vor ihr auf ein Bein niederließ. Er schob seine Hand in seine Jackentasche und hob ihr gleich darauf eine kleine Schatulle entgegen. Als er diese öffnete, schimmerte ihr der schönste Ring entgegen, den sie je gesehen hatte. “Da du nicht gefragt hast, kann ich dich fragen. Also Mimi Tachikawa, erweist du mir die Ehre und wirst meine Frau?”