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Christmas Angel

Eine Weihnachtsgeschichte
von

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Mistelzweige und Stinkesocken

Aufgeregt wirbelte ich in der Küche herum.

„Ich drehe noch durch! Verdammte Scheiße!“, fluchte ich laut, als ich den Ofen öffnete und dicke Rauchwolken an die Decke stiegen. Eilig holte ich den Kuchen raus und warf ihn förmlich auf die Arbeitsplatte, ehe ich die Ofentür wieder zuknallte. Ich hustete und wedelte gleichzeitig den Rauch weg, als ich den Kuchen genauer betrachtete. Er war verbrannt.

„Na, klasse.“

Es war einfach hoffnungslos. Eigentlich war ich gar nicht so schlecht in der Küche, aber heute wollte es einfach nicht klappen. Vielleicht lag es daran, dass ich nicht mit Liebe dabei war. Im Gegenteil. Ich war schwer genervt von dieser Situation. Dass bald Tai UND meine Eltern vor der Tür stehen würden und wir ihnen noch mal das liebende Pärchen vorspielen mussten, stresste mich. Und nun war der Kuchen auch noch ruiniert. Wo war Sora, wenn man sie mal brauchte? Ach ja. Sie hatte sich extra aus dem Staub gemacht, um meinem neuen Freund und mir ein wenig „Zweisamkeit“ zu gönnen, damit wir uns besser kennenlernen konnten.

Alles ein großer Quatsch!

Sora war jedoch immer noch der Meinung, dass Tai ein „absoluter Traumtyp“ und „ein guter Fang“ wäre. Wenn die wüsste, dass ich wegen ihm doch überhaupt erst in diesem Schlammassel steckte. Aber meinen Erzählungen zufolge war sie fest davon überzeugt, dass Tai mich mochte. Warum auch immer sie das dachte. Und wenn man vom Teufel sprach, klingelte es just in diesem Moment an der Tür.

Genervt schlurfte ich in den Flur und öffnete.

„Hallo, mein Zuckerstück“, grinste er mich frech an und lehnte gewohnt lässig in der Tür.

Ich quittierte diesen Kommentar mit einem lauten Schnaufen und trat zur Seite, damit er eintreten konnte.

„Wieso steht am Klingelschild Takenouchi? Ich dachte, du heißt Tachikawa?“, fragte Tai. Ich verdrehte leicht die Augen.

„Hast du vergessen, dass ich gerade bei meiner Freundin wohne? Ich bin doch aus meiner Wohnung geflogen. Außerdem kennst du sie sogar.“

Jetzt fiel auch bei Tai der Groschen. „Ach, du meinst Sora Takenouchi? Stimmt. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Das erklärt auch, warum du so viel über mich wusstest.“

„Du bist ja ein richtiger Detektiv“, sagte ich und musste fast ein wenig schmunzeln.

„Eines meiner großen Talente. Wie siehst du eigentlich aus? Und warum stinkt es hier so?“, fragte er und rümpfte die Nase, nachdem er mich von oben bis unten gemustert hatte. Wahrscheinlich wegen des ganzen Mehls und Schokoteigs, der an meiner Schürze klebte. Und vermutlich auch in meinem Gesicht und Haar.

„Du verstehst es Komplimente zu machen.“ Ich war gerade wirklich nicht zu Scherzen aufgelegt. Meine Eltern würden in weniger als einer Stunde da sein und ich wollte diesen Nachmittag so schnell wie möglich hinter mich bringen. Sobald ich einen neuen Job und wieder eine eigene Wohnung hatte, würde ich ihnen einfach sagen, dass Tai nicht der Richtige für mich wäre und dass ich Schluss gemacht hätte. Und bis dahin war er in seinem Amt als High School Lehrer einfach zu beschäftigt, um noch mal an einem Familientreffen teilzunehmen. Zu schade aber auch. Nicht.

„Hilf mir lieber. Du hast mir die Suppe schließlich eingebrockt“, meckerte ich und ging in die Küche zurück, während er mir folgte.

„Nein, Schätzchen. Die Suppe hast du dir selbst eingebrockt.“

Ich verengte meine Augen zu Schlitzen und sah ihn giftig an. Er grinste. Dann krempelte er seine Ärmel hoch.

„Okay, dann fangen wir mal an.“

„Super. Endlich zeigst du mal ein wenig Einsatz“, sagte ich erleichtert und schob ihm ein Schneidbrett rüber. „Die Orangen müssen noch ausgepresst werden und die Zwiebeln müssen geschnitten werden. Ich werde solange… was machst du da?“

Fragend sah er zu mir auf. Er hatte sich den Rucksack gegriffen, den er mithatte und dem ich bisher keine weitere Beachtung geschenkt hatte, wühlte darin rum und zog eine Unterhose heraus.

„Nach was sieht’s denn aus?“

„Äh, keine Ahnung?“, entgegnete ich genervt und stemmte eine Hand an die Hüfte. „Was soll das mit der Unterhose? Hast du da etwa noch mehr drin?“ Ich versuchte einen Blick in den Rucksack zu erhaschen, der offenbar voll mit allem möglichen Kram war. „Was ist denn das alles?“

„Dreckwäsche?“

„Wozu?“

„Damit es echt wirkt.“

Ehe ich mich versah, zerrte Tai ein schwarzes Shirt aus seinem Rucksack und schmiss es aufs Sofa. Dann zog er weiter.

„Ist hier dein Schlafzimmer?“ Ohne eine Antwort abzuwarten öffnete er die Tür und schmiss seine Unterhose aufs Bett. Wütend folgte ich ihm und zog eilig die Tür wieder zu.

„Hey, was soll das denn werden, wenn’s fertig ist? Und das war das Zimmer meiner Freundin, du Armleuchter.“

Ich wurde richtig sauer, während er immer weiter seine Klamotten in der ganzen Wohnung verteilte und lediglich mit den Schultern zuckte. „Ach, ist egal. Dann hat Sora eben auch noch was davon. Außerdem hast du deinen Eltern erzählt, dass wir bereits seit wie lang…? Fünf Monaten zusammen sind? Meinst du, du hast nach fünf Monaten nicht eine Sache von mir bei dir zu Hause? Und dass, obwohl ich regelmäßig hier übernachte? Wenn du willst, dass sie dir diese „erfundene Freund Geschichte“ abkaufen, dann muss es auch glaubhaft wirken.“

Ich ging ihm hinterher, während das nächste Kleidungsstück seinen Weg auf einen Flurbügel fand.

„Muss das sein?“

„Ich mache nie halbe Sachen.“

Ich verdrehte die Augen. „Du musst dich da nicht so reinsteigern, Tai. Dieses eine Treffen noch, dann wars das. Glaub mir, das wird… Moment. Eine Zahnbürste? Oh nein, das lässt du schön bleiben!“

„Was?“ Fast schon empört sah er mich an. „Ich habe nicht mal eine Zahnbürste bei dir?“

Mit einem gekonnten Griff nahm ich sie ihm ab. „Es achtet sowieso niemand darauf, ob du eine hier hast.“

„Ok, dann aber die hier.“ Erneut kramte er in seinem Rucksack und zog etwas heraus, nur um es mir unter die Nase zu halten.

„Was ist das?“

„Stinkesocken.“ Er grinste amüsiert.

„Igitt, ich kotze gleich“, sagte ich und tat so, als müsste ich würgen, ehe ich zurück in die Küche ging. Ich hatte wirklich keine Zeit für solche Kindereien.

„Na, hör mal. Wenn ich schon deinen Lover spielen soll, darfst du dich aber auch nicht so anstellen, Schätzchen.“

Angesäuert fing ich an die Zwiebeln zu schneiden.

„Du sollst nicht meinen Lover spielen, sondern meinen Freund. Das ist ein Unterschied.“

„Das ist ein Unterschied? Bitte. Klär mich auf.“ Er lehnte sich gegen die Küchenzeile und sah mich herausfordernd an. Ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. Warum passierte das immer, wenn er in meiner Nähe war?

„Nun ja, wir… Wir werden… Wir werden nicht miteinander ins Bett gehen, falls du das denkst.“

„Hmm, schade“, meinte er schief grinsend und sofort ging der Vorhang zu meinem Kopfkino auf.

„Außerdem wusste ich gar nicht, dass man mit seinem Freund nicht ins Bett geht. Aber bei dir ist das wahrscheinlich alles anders. Du bist ja eh so eine Kratzbürste.“

Ich biss mir auf die Lippe.

„Und du bist ein Macho-Idiot. Kannst du mir jetzt endlich zur Hand gehen?“, fragte ich und hielt ihm ein Messer hin. Und das ganz ohne zu zittern.

„Aber gerne gehe ich dir zur Hand. Nur, wenn du nicht mit deinem Freund ins Bett gehen möchtest, solltest du solche Bemerkungen vielleicht lieber lassen. Das könnte man falsch verstehen.“

Bitte, was? Flirtete er gerade mit mir?

Er grinste keck, krempelte sich die Ärmel hoch und griff nach dem Messer. Dabei berührten sich für den Bruchteil einer Sekunde unsere Finger und das allein reichte schon aus, um mir einen kleinen, angenehmen Schauer über den Rücken zu jagen.

„Lass diese Spielchen“, sagte ich streng.

„Du hast dir das Spiel ausgedacht. Ich spiele nur mit.“

Wir schwiegen eine Weile, während er einige Orangen aufschnitt und sie dann auspresste und ich krampfhaft versuchte, mich auf das Essen auf dem Herd zu konzentrieren. Schließlich fasste ich mir ein Herz und räusperte mich.

„Warum machst du das eigentlich?“

„Hm?“ Er war ganz auf die Orangen konzentriert, doch ich musste es einfach wissen. Diese Frage ließ mich irgendwie nicht los.

„Warum machst du das? Warum spielst du gegen deinen Willen meinen Freund?“

Er legte das Messer zur Seite und sah mich fragend an. Ich traute mich nicht, ihm in die Augen zu sehen. Verlegen strich ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.

„Mir tut das sehr leid“, sagte ich schließlich. „Das ganze Chaos, meine ich. Ich bringe dein Leben wahrscheinlich völlig durcheinander und das nur, weil ich so feige war und nicht dazu stehen wollte, dass ich auf ganzer Linie versagt habe.“

Ich wagte einen Blick in seine Richtung. Kurz war seine Miene unergründlich, doch dann spiegelte sich auf seinem Gesicht ein sanftes Lächeln wieder.

„Du hast recht. Du bringst mein Leben völlig durcheinander. Aber glaube mir…“ Er kam einen Schritt auf mich zu. „Würde ich nicht hier sein wollen, wäre ich es auch nicht. Doch in einer Sache muss ich dir widersprechen. Du bist nicht feige. Ich sehe jeden Tag in der Schule junge Menschen, die sich nichts zutrauen, die von Selbstzweifel zerfressen sind und es vielleicht nie schaffen werden, über sich hinauszuwachsen. Weil sie sich selbst im Weg stehen. Du gehörst nicht zu diesen Menschen. Das spüre ich.“

Seine Worte kamen so sanft über seine Lippen, dass sie direkt durch meine Brust in mein Herz eindrangen. Sie legten sich wie eine Decke darüber und erwärmten es.

„Danke, Tai“, lächelte ich. „Es tut gut, das mal zu hören.“

Er erwiderte mein Lächeln und wollte mit seiner Arbeit weitermachen, doch ich legte eine Hand auf seine. „Den Rest schaffe ich alleine. Wenn du möchtest, kannst du dich ein wenig auf dem Sofa ausruhen“, schlug ich freundlich vor und er nickte. Kurz begegneten sich noch unsere Blicke, doch dann wandte er sich ab und ging ins Wohnzimmer. Zum Glück hatte Sora eine offene Küche, sodass ich ihn von dort aus weiterhin beobachten konnte. Anstatt sich hinzulegen ging er im Wohnbereich umher und sah sich etwas genauer um, doch ich hatte nichts dagegen. Die meisten der Sachen gehörten mir ja eh nicht.

„Es ist wirklich sehr weihnachtlich hier“, stellte er amüsiert fest, als er den bunt geschmückten Weihnachtsbaum betrachtete und die viele Weihnachtsdeko, die überall herumstand. „Fast schon ein bisschen zu viel, oder? Hat Sora etwa einen Weihnachtsmann-Fetisch?“, fragte er und griff nach einer der vielen Weihnachtsmannfiguren auf der Kommode.

Ich lachte auf. „Manchmal hat sie einen Drang zu Übertreibungen, aber wenn ich mir ihren Freund angucke, würde ich nicht sagen, dass sie auf alte, dicke, stark behaarte Männer steht.“

Tai lachte und stellte die Figur zurück. „Was macht sie? Sie scheint ziemlich viel Geld zu verdienen. Das ist ein schönes Haus.“

„Das stimmt. Sie arbeitet als Junganwältin in der Kanzlei meines Vaters und ist ziemlich erfolgreich. Manchmal macht mich das ein wenig neidisch. Perfekter Job. Perfektes Haus. Perfekter Freund. Perfektes Leben.“

Tai warf mir einen kurzen Blick zu und ich konnte sehen, wie er leicht grinste.

„Perfekt ist langweilig. Ich mag es, wenn eine Person Ecken und Kanten hat und manchmal mag ich es auch, wenn nicht alles so läuft, wie man es geplant hat. Wie soll man sonst vom Leben überrascht werden, wenn immer alles perfekt läuft?“

Meine Mundwinkel wanderten nach oben, da ich genau wusste, worauf er anspielte. Plötzlich blieb er vor einem Gemälde stehen. Beim Betrachten legte er den Kopf schief.

„Von wem ist das?“

Ich räusperte mich kurz verlegen und rührte weiter meine Suppe um. „Das ist von mir.“

Tai stutzte. „Du meinst, du hast es deiner Freundin geschenkt?“

„Nein. Ich meine, es ist von mir. Das Bild habe ich gemalt.“

Tai sah mich irritiert an. Dann betrachtete er noch mal eingehend das Gemälde an der Wand.

Es zeigte drei Hände. Eine Hand gehörte eindeutig einem Mann. Er streckte sie aus, nach den beiden anderen Händen, die seine suchte. Sie waren weiblich, filigraner, zarter. Zerbrechlicher. Sie hielten ihn nicht fest. Sie umschlossen ihn auch nicht. Sie berührten ihn nur leicht, fast schon flehend, nicht zu gehen. Sie waren nicht fordernd, nur bittend. Es war ein äußerst intimes Bild. Es war keine nackte Haut zu sehen und doch spiegelte es die Nacktheit der Gefühle wieder.

„Es ist wunderschön“, sagte Tai plötzlich. „Es ist wie das Bild zweier Liebenden, die zwar irgendwie zusammen und doch getrennt sind. Es drückt eine innere Zerrissenheit aus.“

„Zwischen gehen und bleiben. Zwischen nehmen und geben. Ich weiß“, beendete ich seinen Satz. Irgendwie schmeichelte es mir, dass er mein Bild genau richtig interpretierte. Er wandte sich mir wieder zu und lächelte.

„Machst du das öfter?“

„Was genau meinst du?“

„Na, malen. Ich finde, du bist ziemlich talentiert.“

Ich zuckte leicht mit den Schultern. „Es ist nur ein Hobby. Auch, wenn ich es schon seit meiner Kindheit mache. Aber ich habe nie daran gedacht, meine Bilder zu verkaufen.“

„Das solltest du aber.“

Ich schüttelte den Kopf und lächelte kaum merklich. „Die Bilder eines Künstlers spiegeln immer einen Teil seiner Seele wieder. Es ist nicht leicht, sich vor der ganzen Welt auszuziehen.“

Tai schenkte mir einen vielsagenden Blick und ich wusste, dass er es verstand. Dann ging er doch zum Sofa und schmiss sich darauf, als wäre er tatsächlich zu Hause.

„Wenn du möchtest, kannst du mich malen.“

Ich lachte, als ich das Geschirr aus dem Schrank holte, um es auf den Tisch zu stellen. „Was? Ein Portrait? Von dir?“

„Ich dachte eher an ein Aktbild.“ Er schmiegte seinen Körper geschmeidig an das Sofa, legte grazil einen Arm über den Kopf und warf mir einen himmlischen Augenaufschlag zu.

„Male mich, Jack.“

Ich prustete los, da er offensichtlich versuchte, die berühmte Szene aus Titanic zu imitieren.

„Gut, dass du Lehrer und nicht Schauspieler geworden bist.“

Ich warf einen Blick auf die Uhr.

„Oh, verdammt. Schon so spät?“ Schnell band ich mir die Schürze ab und schmiss sie Tai auf die Brust. „Hier, bedeck deinen Busen, Rose, bis ich wieder da bin. Ich ziehe mich schnell um.“

„Ai, ai, mein Käpt’n“, lachte er, als ich ins Schlafzimmer verschwand. Ich schälte mich aus meinem mit Mehl bestäubten Shirt und schmiss meine Jeans auf den Boden. Das Kleid hatte ich schon bereitgelegt. Und tatsächlich sah es recht weihnachtlich aus. Aber auch nur, weil ich es mir von Sora geliehen hatte. Es war rot und glitzerte leicht. Ich musste zugeben, dass es traumhaft an mir aussah. Zu doof, dass ich Weihnachten nicht mochte. Aber was tut man nicht alles für die Familie?

Ich drehte mir mit dem Lockenstab noch ein paar Locken ins Haar, sodass es mir leicht über die Schulter fiel. Noch ein Blick auf die Uhr. Fünf Minuten zu früh und ich war tatsächlich mit allem rechtzeitig fertig geworden. Als ich zur Tür ging, fiel mir die Socke wieder ins Auge, die Tai vorhin in mein Schlafzimmer geschmissen hatte. Angewidert hob ich sie hoch und rümpfte die Nase. Er hatte sie tatsächlich nicht gewaschen. „Wie ekelhaft“, sagte ich und schmiss sie zur Seite. Doch vor meinen Füßen lag auch noch ein T-Shirt von ihm, welches ich vorher nicht bemerkt hatte. Ich versuchte den Drang zu unterdrücken, es aufzuheben und daran zu riechen, doch es half nichts. Wie er wohl roch? Hoffentlich besser als die Stinkesocke. Ich hob es vorsichtig vor mein Gesicht und ein leichtes Kribbeln breitete sich in mir aus, als mir ein äußerst angenehmer Duft in die Nase stieg. Gott, er roch so gut wie er aussah. Ich lächelte, da es mich doch selbst etwas überraschte, wie gut mir sein Duft gefiel. Schnell ging ich zu meinem Bett und stopfte es unter mein Kissen. Er hatte so viele Klamotten in der Wohnung verstreut, es würde gar nicht auffallen, wenn ein Shirt fehlte. Ich strich mir noch einmal mein Kleid glatt und ging zurück ins Wohnzimmer.

Tai hatte den Tisch fertig gedeckt und zündete gerade Kerzen an. Ich wurde leicht rot um die Nase. Wenn er wüsste, was ich gerade getan hatte… wie peinlich wäre das denn?

Dann richtete er sich auf und musterte mich. Er fixierte mich mit seinem Blick, ehe ein Grinsen über seine Lippen huschte.

„Du siehst gut aus.“

Oh man, wurde ich gerade etwa noch roter im Gesicht?

Ich räusperte mich, ging zum Tisch und versuchte irgendwie cool zu wirken, obwohl es in mir ganz anders aussah. „Hör auf zu schleimen. Aber danke.“

Er lachte kurz und kratzte sich dann am Hinterkopf.

„Deine Eltern haben angerufen. Ich war so frei und bin rangegangen. Dein Vater hat sich den Magen verdorben und sie können nicht kommen.“

Geschockt sah ich ihn an.

„Was? Oh, nein. Geht es ihm gut?“

„Einigermaßen. Deine Mutter meinte, morgen ist er sicher wieder fit. Aber er möchte sich heute ausruhen.“

„Hm, wie schade“, entgegnete ich aufrichtig, da ich nun überraschenderweise doch ein wenig enttäuscht war. Ich warf einen Blick auf den gedeckten Tisch, der wunderschön aussah und stutzte.

„Aber warum hast du dann trotzdem den Tisch gedeckt? Du hättest gehen können, das weißt du doch.“ Betreten sah ich zu Boden. Der Abend war also doch schneller vorbei als ich gedacht hatte. Wahrscheinlich war er froh, endlich von mir weg zu kommen und keinen weiteren Abend damit zu verbringen meinen Freund spielen zu müssen.

„Ich weiß, das hätte ich tun können“, sagte Tai.

„Nun, unser Deal ist damit also offiziell beendet. Danke, Tai. Es fällt mir schwer, das zuzugeben, aber… du warst ein toller Freund“, lächelte ich verlegen. Seine Mundwinkel zuckten und er sah mich eindringlich an.

„Die Ehre ist ganz meinerseits. Aber was hältst du davon, wenn ich noch ein bisschen bleibe?“

Überrascht hob ich den Kopf. Wie, er wollte bleiben?

„Natürlich nur, weil du sonst völlig umsonst den ganzen Nachmittag in der Küche gestanden hättest. Wäre doch schade, um das gute Essen“, ergänzte er noch.

„Du möchtest mit mir essen? Ernsthaft?“

Wahrscheinlich würde er gleich lachen, einen blöden Witz machen und dann doch gehen. Aber das geschah nicht.

„Ja, ich würde gerne mit dir essen.“

Ich konnte mir ein erfreutes Grinsen nicht verkneifen. „Bist du sicher? Vielleicht hab ich es ja vergiftet.“

„Das Risiko geh ich ein.“

Tai kam um den Tisch herum und zog mir den Stuhl zurück, damit ich mich hinsetzen konnte. Danach setzte er sich und griff nach der Weinflasche, die auf dem Tisch stand, um uns beiden einzuschenken.

Plötzlich wurde ich nervös.

Was bezweckte er damit?

„Du, sag mal…“, meinte ich schüchtern.

Tai sah mich an. „Mal.“

„Das ist jetzt aber kein Date oder so, ja?“

„Wieso? Hättest du das gern?“, lachte er.

Ich schüttelte energisch den Kopf und er lachte erneut auf. Zum Glück ging er für den Moment nicht weiter darauf ein, sondern tat uns beiden von dem Essen auf. Unerwarteterweise unterhielten wir uns während des ganzen Essens angeregt und ich musste zugeben, dass Tai ein äußerst angenehmer Gesprächspartner war. Er erzählte mir von seinem Beruf als Lehrer und dass er sich das Motorrad erst vor ein paar Wochen gekauft hatte, quasi als Weihnachtsgeschenk an sich selbst und als Belohnung, für das harte Studium.

„Oh man, jetzt habe ich ein noch schlechteres Gewissen, dass ich es geschrottet habe“, sagte ich reumütig und legte das Besteck zur Seite, als ich aufgegessen hatte.

„Hast du nicht“, antwortete Tai und nahm noch einen Schluck von dem Wein. „Im Grunde hattest du recht und ich hätte besser aufpassen sollen.“

Ich grinste triumphierend und beugte mich leicht nach vorn. „Heißt das etwa, du erlässt mir meine Schulden?“

„Träum weiter.“

Geschlagen ließ ich mich zurück in meinen Stuhl fallen. „Wäre ja auch zu schön gewesen.“

Tai lachte und sah mich dann vielsagend an. „Aber vielleicht mache ich einen Deal mit dir.“

„Noch einen Deal?“, fragte ich überrascht. „Soll ich mit zu deiner Familie nach Hause kommen und deine Ehefrau spielen? Das kannst du vergessen! Wem würde denn so was Bescheuertes schon einfallen?“

Seine Mundwinkel wanderten nach oben und er fixierte mich mit seinen braunen Augen.

„Nein, daran hatte ich nicht gedacht. Aber wie wäre es mit einem richtigen Date?“

Ich zuckte leicht zusammen, während mein Herz einen winzigen Sprung machte.

„Ein Date? Du… und ich?“, hakte ich unsicher nach.

„Jap, du und ich und ein richtiges Date. Vielleicht erlasse ich dir dann die Schulden. Deal?“

Er hatte mich ja schon die ganze Zeit mit seiner Anwesenheit und seinen Blicken nervös gemacht, aber DAS toppte es tatsächlich noch und alles in mir sträubte sich, ihm eine Antwort zu geben. Und trotzdem platzte es aus mir heraus.

„Oh… Nein. Nein, nein, nein, nein, nein, nein. Nein, auf keinen Fall. Nein. Nein, das geht nicht. Nein… nein, wirklich nicht. Nein.“

„Wow. Das waren 13 Neins in einem Atemzug. So eine Abfuhr hab ich noch nie kassiert.“

Tai wirkte leicht niedergeschlagen und auch ein bisschen überrascht von meiner Antwort.

„Entschuldige, so war das nicht gemeint“, ruderte ich deshalb sofort zurück. „Es ist nur so… nach dem ersten Date flüchten die meisten Männer. Ich sehe nur noch ihre wehenden Fahnen in der Ferne. Dir würde es genauso gehen.“ Und das war nicht mal geflunkert.

„Ach, erzähl keinen Quatsch“, entgegnete er amüsiert.

„Doch, wenn ich es dir sage. Wir schaffen es meistens nicht mal bis zum ersten Kuss. Irgendwie schlage ich alle Männer in die Flucht. Warum auch immer… Vielleicht bin ich verflucht oder so.“ Ich leerte mein Glas in einem Zug. Wie gerne wäre ich mit Tai auf ein richtiges Date gegangen. Doch wahrscheinlich würde das eher alles kaputt machen und deshalb war es wohl besser, lieber das zu schätzen, was wir jetzt hatten – was auch immer das war.

„Ich bin aber nicht alle Männer“, sagte Tai siegessicher und grinste wieder dieses unwiderstehliche Grinsen. Ich seufzte. „Glaub mir, es ist besser so.“ Ich stand auf und begann unsere Teller abzuräumen.

War ich denn eigentlich komplett bescheuert?

Da saß ein umwerfender, gutaussehender Typ vor mir und bat mich um ein Date und ich sagte „Nein“? 13 Mal „Nein“? Wäre Sora jetzt hier, würde sie mich dafür ohrfeigen.

Als ich zurück kam, stand Tai wieder vor meinem Gemälde und betrachtete es. Ich stellte mich neben ihn und hatte keine Ahnung, was ich sagen oder tun sollte.

„Wenn du schon nicht auf ein Date mit mir willst, schenkst du mir dann wenigstens einen Kuss?“

Entsetzt und überrascht zugleich sah ich ihn an.

„Das hast du jetzt nicht wirklich gesagt.“ Wie unverfroren von ihm, einfach so einen Kuss zu fordern.

„Warum nicht? Macht man das nicht so, wenn man zusammen unter einem Mistelzweig steht?“

Ich warf einen Blick nach oben.

Oh, verdammt. Sora! Überall in der Wohnung hatte sie diese Dinger verteilt und ich glaubte fast, es waren noch ein paar hinzugekommen, nachdem ich ihr erzählt hatte, dass Tai zum Essen kommen würde.

Tai grinste triumphierend, doch ich verschränkte nur die Arme vor der Brust. „So leicht mache ich es dir nicht, Yagami.“

Ich wandte mich um und hörte, wie er schwer seufzte.

„Na gut, das dachte ich mir fast. Aber ein Versuch war es wert. Dann werde ich jetzt mal gehen.“

Ich nickte widerstrebend und begleitete ihn zur Tür. Der Abend war doch schneller vorbeigegangen als ich gedacht hatte. Inzwischen war es dunkel und kalt geworden und als ich die Tür öffnete, sah ich, dass es wieder schneite.

„Also, Mimi Tachikawa, es war wirklich schön dein Freund sein zu dürfen. Schade, dass du jetzt mit mir Schluss machst.“

Er zog gespielt traurig die Mundwinkel nach unten und ich musste lachen.

„Tja, mein Herz gehört eben der Kunst. Schade, dass es mit uns nicht geklappt hat, Taichi“, witzelte ich und klopfte ihm leicht gegen den Arm, als er plötzlich nach meinem Handgelenk griff und mich zu sich zog. Mein Herz schlug unerwartet höher, während er sich langsam zu mir runter beugte und mich küsste. Kurz erstarrte ich wie zu Stein, doch dann verlor ich mich in diesen Kuss und genoss das Gefühl seiner weichen Lippen auf meinen.

Als er sich von mir löste und mir noch einmal tief in die Augen sah, grinste er und deutete nach oben.

„Mistelzweig.“

Ich verzog das Gesicht. Na warte, Sora.

„Du brauchst jetzt gar nicht so zu gucken. Ich sehe genau, dass es dir gefallen hat“, spaßte er und zwinkerte mir noch zu, während er schon dabei war zu gehen. Fassungslos sah ich ihm nach. Und in diesem Moment setzte irgendetwas bei mir aus.

„Hey, warte mal.“

Er drehte sich noch mal um und sah mich fragend an.

„Ich sage ja.“

Doch er wusste überhaupt nicht wovon ich sprach, sondern sah mich nur stutzend an.

Ich lachte und verdrehte die Augen. „Wegen des Dates. Ich sage ja.“

Tai lächelte zufrieden und schenkte mir einen letzten Blick, ehe er ging.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hi ihr Lieben :) Ich hoffe, ihr hattet gestern einen schönen Abend und euch hat dieses kleine Kapitel hier gefallen :) Das nächste wird dann auch das Letzte sein und ich weiß noch nicht... aber vielleicht werd ich es an Silvester hochladen :P Mal sehen. Bis dahin habt noch ein paar schöne Tage <3
P.S.: Ich hätte euch das Bild wirklich gern gezeigt, welches ich in der Geschichte beschrieben habe... Ich hatte es auf Instagram gefunden und fand es so schön, dass ich es einfach mit einbauen musste. Aber leider wurde es gelöscht :( Zu schade! Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Linchen-86
2017-12-28T21:42:33+00:00 28.12.2017 22:42
Hallo Liebes :)

Ach das war ja mal ein süßes Kapitel :) und ich mag die Wendung in der Geschichte. Ich hätte gar nicht mehr damit gerechnet, dass Taichi Mimi überhaupt irgendwie mag, aber offensichtlich scheint sie ja sein Interesse geweckt zu haben :)

Bei Mimi will ja momentan echt nichts gelingen. Selbst das kochen will nicht so klappen... oh weia... Und dann taucht Tai auf. Ich dachte wirklich, er lässt ein paar Sprüche fallen, aber offenbar nicht ;) stattdessen hat der echt seine Sporttasche mit und breitet seine Schmutzwäsche aus :D Unglaublich :)
Aber wo er recht hat...
Übrigens hat er sie am ende gar nicht mehr mitgenommen :D
Da hätte Mimi das T-shirt gar nicht verstecken müssen. Auch wenn ich das echt.süß fand.

Tja und schließlich ist der Vater krank, aber so haben sie plötzlich ein Date und Tai geht ja ganz schön in die Offensive. Es tat mir richtig leid für ihn, als sie ihn Abblitzen lies, aber dann der Kuss *-* und Mimi willigt doch noch ein :) Das ist schön.

Freue mich dann aufs nächste und letzte Kapitel.
Ich wünsche dir einen guten Rutsch und hoffe du hattest auch schöne und entspannte Weihnachtstage :)
Liebe Grüße :):*
Antwort von:  Khaleesi26
26.01.2018 14:24
Hey Liebes :)

Hihi, danke :D Man hätte echt meinen können, Mimi hat es total verkackt bei ihm. Aber irgendwie scheint er ja doch etwas an ihr zu finden ;)

Haha :D Tai ist manchmal eben unberechenbar und treibt Mimi damit auch ein bisschen in den Wahnsinn :D Aber sie hat ja dann sein Shirt geklaut, dass sollte Ausgleich genug sein :D
Tai hatte sicher nicht damit gerechnet, dass er so einen Korb von Mimi kassiert. Aber letztendlich erlag auch sie seinem Charme :D

Eigentlich hatte ich für diese Geschichte nur noch ein Kapitel geplant, aber dann ist mir doch noch was schönes eingefallen und es sind zwei geworden :) Zja, auch, wenn Weihnachten schon vorbei ist... werd die beiden trotzdem noch hochladen und die Story somit zum Abschluss bringen :)

Ganz liebe Grüße <3
Von:  Hallostern2014
2017-12-27T07:11:29+00:00 27.12.2017 08:11
Huhu😘😍

Aiii was für schönes Kap.

Also Mimi, da war jemand wohl sehr aufgeregt. Hihi. Und nun weiß Tai wer ihre beste Freundin ist.

Als er seine Sachen in der Wohnung verteilt hat musste ich mir es so Bildlich vorstellen. Die Stinkesocken hätte er aber behalten können.

Und als Mimi sich umzog hatte sie einfach sein Shirt geklaut 😂. Bin gepannt ob er es wirklich nicht merkt.

Ohje der arme Papa. Hoffentlich gehts in aber bald besser. Aber nett von Tai, dass er geblieben ist und es nicht nur wegen dem essen. Weil er halt wollte.

Mimi malt also gerne vielleicht sollte sie es sich doch mal überlegen es Beruflich zu machen. Schade, dass du es nicht mehr Gefunden hast bzw es gelöscht wurde dennoch war es super beschrieben.

Tai fragt also offiziell nach einem Date..das heißt ja schon alles. Ohman Mimi 13 mal nein sagen 😂 aua. Und auch noch einen Kuss abschlagen armer Tai dachte ich da.

Aber auf Sora war verlass. Und Tai wäre nicht Tai wenn er es nicht ausnutzen würde. So küsst er sie einfach den den Mistelzweig. Und nach dem Kuss sagt sie Ja zum Date.

Bin gespannt wie es aussehen wird.

Sooo, dass warst erstmal. Ich hoffe du hattest ein schönes Weihnachtsfest. Meiner war Chaotisch 🙈 und sehr anstrengend. Bin gepannt wann du es hoch lädst. Hihi.

Ganz liebe grüße 😘❤🌷😍
Antwort von:  Khaleesi26
26.01.2018 14:18
Hallo :)

danke dir *_*
Haha, das stimmt... was soll Mimi mit seinen alten Stinkesocken xD
Hmm, das mit dem Shirt wird er schon noch merken, denke ich ;P
Aber danach war es wirklich ein feiner Zug von ihm, dass er noch geblieben ist <3

Ja, wirklich schade, ich hätte euch das Bild unglaublich gern gezeigt. Ich fand es richtig schön und musste es einfach mit einbauen. Vielleicht wäre es für Mimi ja wirklich eine option so etwas beruflich zu machen... aber noch traut sie sich ja nicht wirklich.

Tai hat es wirklich nicht leicht mit ihr :D Aber so schnell lässt sie sich eben nicht rum kriegen :P Aber 13 Mal nein ist schon echt frech xD

Tai hat sich jedenfalls was richtig tolles für Mimi einfallen lassen :) Denke, Mimi wird auch überrascht sein ;)

Weihnachten ist ja jetzt schon eine Weile her, aber wollte die Story trotzdem gerne noch beenden, deswegen kommen jetzt bald noch zwei weitere Kapitel und dann ist sie auch schon wieder vorbei...

Ganz liebe Grüße :-*


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