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Adventskranz

2017
von

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Oh Tannenbaum

Mallory war eigentlich immer bei Joseph. Im Arbeitszimmer, in der Küche, der Bibliothek und auch im Schlafzimmer und Bad.

Mallory war immer da und Joseph hatte sich beinahe schon daran gewöhnt. Zumindest an den Anblick den Anderen im Sessel hockend und aus dem Fenster starrend, oder wenn sie etwas aßen und der Andere ihm gegenüber saß. Lediglich das Mallory auch mit ins Bad kam, verursachte ihm noch immer ein enormes Unbehagen.

Entsprechend erleichtert war er, als er es schaffte die Tür hinter sich zu schließen, um einmal ganz alleine duschen zu gehen. Es tat so gut, das er einfach mal länger unter dem heißen Wasserstrahl stehen blieb und seine Zeit alleine genoss. Seit Mallory da war, hatte er das Gefühl von einem Hund gestalkt zu werden. Oder zumindest fühlte sich sich so an, als habe er ein Haustier, das nicht alleine bleiben wollte. Das kam vielleicht eher hin.

Zuerst hatte er noch geglaubt sein Leben würde sich ändern, wenn dieser Mann nun bei allem dabei war, um ihn zu überwachen. Er würde bei allem eine Rechenschaft abgeben müssen, mit Mallory diskutieren oder dergleichen, doch alles was Gibsons Schoßhund tat, war schweigend irgendwo herum sitzen. Wie viel er also wirklich mitbekam, war schwer zu sagen und machte die Situation nicht wirklich besser. Auch weil er nicht sagen konnte, was alles davon direkt zu Gibson ging.

Wie stark war wohl die Verbindung zwischen den beiden?

Wichtig war es, zu wissen, das je länger Mallory hier war, umso mehr wirkte die reale Welt wieder auf ihn. Am schwersten traf das wohl Mallory selbst, der noch immer nicht wirklich damit zurecht kam, etwas essen zu müssen.

Joseph ertappte sich dabei, wie er sich wunderte, wie es wohl in Gibsons Reich war. Bislang hatte er nichts gutes darüber gehört, aber Mallory hielt sich zumeist geschlossen dazu. Nur seine Augen sprachen Bände und die waren es auch, die es Joseph schwer machten den Mann zu hassen, der ihm da vor die Nase gesetzt wurde. Er hatte es versucht. Aber Beleidigungen hatten die gleiche Wirkung wie Ignorieren – Keine. Am Ende hatte er sich also vorgenommen seinen Plan einfach durchzuziehen. Soweit er konnte, hielt er vor Mallory geheim was passieren würde und das dieser nicht lesen konnte, erleichterte sein Vorhaben ungemein. Dieses kleine Geheimnis hatte er ihm entlocken können, als sie sich tatsächlich mal unterhalten hatten. Natürlich könnte es eine Lüge sein, doch bislang gab es keinen Hinweis darauf, das Mallory gelogen hatte.

Joseph schüttelte den Kopf, als ihm bewusst wurde, das er schon wieder viel zu sehr über den anderen Nachdachte. Es gab Momente, in denen glaubte er Gibson hatte ihm ausgerechnet diesen jungen Mann geschickt, weil er ihn einfach nur von seinen Vorhaben und Plänen abbringen wollte.

Das würde wenigstens ein bisschen was, dessen Verhalten erklären.
 

Nachdem Joseph fertig geduscht war und sich angezogen hatte, öffnete er die Tür zum Flur. Eigentlich erwartete er bereits Mallory dort sitzend vorzufinden, doch der Gang war ungewöhnlich leer. Joseph wusste, das er diesen Umstand auch weiter genießen sollte, doch etwas in ihm ließ ihn nicht. Wo steckte Mallory? War etwas passiert oder las er gerade heimlich alle seine Notizen, um sie dann brühwarm Gibson weiter zu leiten?

Ein wenig zu hastig ging er den Gang entlang, über den er zur Treppe kam, um in seinem Arbeitszimmer nach dem rechten zu sehen. Doch so weit musste er gar nicht gehen.

Im Augenwinkel erkannte er den anderen im Wohnzimmer, wo am Morgen einige seiner Mitarbeiter einen Weihnachtsbaum aufgestellt hatten. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie den nicht. Für ihn war das eine vollkommen unnötige Anschaffung, aber sie hatten darauf bestanden und von ihnen stammte auch die Dekoration, die – zum Glück nur dieses Zimmer – schmückte.
 

Mallory saß auf dem Teppich vor der großen Tanne und starrte, mit weit aufgerissenen Augen, auf die glänzenden, roten Kugeln, die Holzfiguren, Strohsterne und vielen kleinen Lichter, die der Baum zu bieten hatte. Joseph musste zugeben, das der Baum nicht schlecht aussah, von einem ästhetischen Standpunkt aus betrachtet, aber warum Mallory so reagierte war ihm ein Rätsel.

Zumindest solange, bis Joseph in den Sinn kam, das der Andere vielleicht noch nie in seinem Leben einen Tannenbaum gesehen hatte. Gibson hatte ihm erzählt, das die Zeit bei ihm anders lief. Mallory konnte nicht lesen, machte um das meiste an moderner Technik einen großen Bogen und nutzte, wenn er mal sprach, manchmal Worte die andere wohl bereits als ausgestorben ansahen.

„Kennst du Weihnachten?“, fragte Joseph darum einfach drauf los und sorgte damit sogar für ein kurzes Zusammenzucken auf Seiten des ungebetenen Gastes. Dieser drehte den Kopf zu ihm und wirkte nicht gerade erfreut über die Störung, sagte dazu jedoch kein Wort. Er beantwortete lediglich Josephs Frage. „Natürlich kenne ich Weihnachten. Ich habe auch schon einmal von diesen Bäumen hier gehört, aber es gab bei uns nie einen.“ Das erklärte natürlich seine Reaktion ein wenig, aber vor allem feuerte es Josephs Neugierde an.

„Wann bist du geboren worden, Mallory?“ Möglichst gelassen schlenderte er durch den Raum, zu einem Hocker, der ihm einen guten Blick auf den Befragten gestattete, während der seine Aufmerksamkeit erst einmal wieder auf den Baum richtete. Die Frage jedoch schien ihn stark nachdenken lassen zu müssen und am Ende kam nur ein Schulterzucken. „Bin mir nicht mehr sicher“, gestand er im nächsten Moment. „Das ist bei vielen Dingen so. Sie verschwimmen irgendwann und ...“ Wieder zuckte er mit den Schultern. „Aber ich weiß noch, das ich ein Bild von Königin Viktoria und ihrer Familie gesehen habe, mit ihrem Baum im Palast.“

Jetzt war es an Joseph große Augen zu bekommen. Auch wenn er bereits auf den Gedanken gekommen war, das durch Gibsons Welt Mallory und wer auch immer sonst noch dort war, in der Zeit quasi eingefroren war, so war es ein kleiner Schock zu erfahren, das es tatsächlich so zu sein schien. „Willst du mir sagen, das du etwa 200 Jahre alt bist?“

„Was? Nein! Ich bin 26…“



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