Zum Inhalt der Seite

Crystal Eyes

reloaded
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Trigger: SVV

Falls jemand meint, es braucht noch zusätzliche Triggerwarnungen, bitte Bescheid sagen, dann füge ich sie hinzu. Komplett anzeigen

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Adam gähnte müde. Die Morgensonne hatte ihn geweckt, mit ihrem grellen, weißen Winterlicht. Er vergrub kurz sein Gesicht im Kissen, nahm noch ein bisschen Schlaf mit. Nahm Leons Geruch auf. Unwillkürlich musste er grinsen, räkelte sich genüsslich und blieb dann doch noch einen Moment liegen. Sah sich im Zimmer um, eingekuschelt in die warme Decke. In Leons Zimmer, das ihm inzwischen schon so vertraut war.

 

Seit der Weihnachtsparty waren drei Wochen vergangen. Sie hatten sich nicht oft gesehen in der Zeit. Über Silvester musste Leon wieder seine Familie in New York beehren – diesmal mit einem talentierteren Pflanzensitter als Adam –, und dann hatte Adams Schule angefangen. Seine Eltern hatten die strikte Regel aufgestellt, dass er zwar während der Schulzeit die Wochenenden bei Leon verbringen durfte, unter der Woche sich aber auf's Lernen konzentrieren sollte. Zapfenstreich war um sechs Uhr, und wehe, er kam nur eine Sekunde zu spät. Dabei mussten sie sich eigentlich keine Sorgen machen. Auch wenn Adam rund um die Uhr mit seinem Künstler verbringen könnte, dieser hatte da andere Ansichten. Mal davon abgesehen, dass er auch ab und zu arbeiten wollte, ohne dass sein Anhängsel dabei war, war ihm Freiraum überaus wichtig.

 

Sein Blick glitt verträumt zum Fenster hinaus, betrachtete den glitzernden Schnee. Die wenigen Male, die sie sich gesehen hatten... Adam strich sich die verstrubbelten Haare zurück, überlegte. Er konnte es nicht fest machen, aber etwas hatte sich verändert. Zwischen ihnen, bei Leon. Wie er ihn ansah. Wie er ihn berührte. Bedächtiger. Nachdenklicher. Anders.

 

Irgendwas war bei Leon in Bewegung geraten. Er war immer noch arrogant und bestimmend, er hielt ihn immer noch auf Abstand, nahm sich, was er wollte, und gab ihm selten etwas im Gegenzug, aber er hatte das Gefühl, dass hinter seinen Aktionen ein Fragezeichen stand. Leon lächelte seltener, aber wenn, dann war es sanft. Zärtlich. Wehmütig.

 

Adam hätte gerne nachgefragt, doch irgendetwas sagte ihm, dass er jetzt abwarten musste. Es hatte sich nicht viel zwischen ihnen verändert, und doch wirkte es komplett anders. Wenn sie diskutierten – man konnte es nicht mal mehr Streit nennen –, dann über Kleinigkeiten. Mit einem Lachen in der Stimme. Ohne jegliche Überheblichkeit. Wenn sie miteinander schliefen, erkundete Leon seinen Körper immer wieder aufs Neue. Kuschelte sich danach an ihn, nahm seinen Duft, seine Wärme in ihm auf. Es wirkte, als ob Leon ihn als Partner ernst nehmen würde.

 

Oder, dass er ihn einfach nur wahr nahm.

 

Leon nahm ihn tatsächlich endlich wahr.

 

Ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen, während er aus dem Bett glitt, sich anzog und das Zimmer verließ. Er folgte dem Duft nach Bacon und gebratenem Ei in die Küche. Leon stand am Herd, die Haare locker zusammen gebunden, das Hemd noch halb offen, und kümmerte sich um ihr Frühstück. Leise trat er hinter ihn, schmiegte seine Wange an Leons Rücken und verschränkte seine Hände an seinem Bauch.

 

„Guten Morgen...“

 

Leon streichelte sanft mit der freien Hand Adams verschränkte Finger, während er den Bacon in der Pfanne wendete.

 

Noch so eine Veränderung. Er berührte ihn anders. Abwesender. Selbstverständlicher.

 

„Guten Morgen, Langschläfer.“ Er drehte sich nicht zu ihm um, doch er hörte das zärtliche Lächeln in seiner Stimme. „Frühstück ist gleich fertig. Deckst du den Tisch?“

 

Adam drückte ihm einen Kuss zwischen die Schulterblätter, bevor er sich von ihm löste und aus dem Küchenschrank Teller und Besteck holte.
 

„Von wegen Langschläfer. Es ist erst kurz nach Neun! Das ist noch fast mitten in der Nacht...“

 

„Natürlich.“ Leon brachte die Pfanne an den Tisch, während Adam fertig deckte. „Wie sieht dein Tagesplan aus? Du musst heute arbeiten?“

 

„Ja.“ Adam überlegte. „Ich muss um 18 Uhr anfangen. Hm... ich will aber noch Zeit haben, um mit Muse zu reden.“ Er grinste fröhlich. „Er trifft sich heute seit über einem Monat endlich wieder mit seinem Freund. So süß.... er war die ganze Woche total aufgedreht... zumindest das, was bei Muse als aufgedreht gilt. Naja... fährst du mich? Dann würde ich mich vorher nochmal für zwei, drei Stunden hinlegen.“

 

Leon nickte nur und nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Auch wenn er ein absoluter Frühaufsteher war, war er es offensichtlich nicht gewohnt, um diese Uhrzeit schon so einen Redefluss auf sich einprasseln zu lassen. Adam musste ein belustigtes Lächeln unterdrücken, während er sich sein Brötchen bestrich. Er fragte sich, wie er die gemeinsame Zeit in den USA mit Sachiko ausgehalten hatte.

 

„Können wir heute eine Modellsitzung einlegen?“, unterbrach Leon seine Gedanken.

 

Adam stutzte kurz, nickte aber.

 

„Klar. Die Ausstellung fängt im Februar an, oder?“

 

„Ja.“ Der Künstler runzelte leicht die Stirn, während er über seinem Rührei brütete. „Heute wäre dann auch die letzte Sitzung. Ich muss noch ein paar Skizzen sammeln, danach mach ich mich an die Arbeit für das fertige Bild.“

 

„Dafür... brauchst du mich nicht?“ Er war überrascht. Eigentlich hatte er erwartet, dass das Modell bis zum Schluss als Vorlage dienen würde.

 

„Nein.“ Leon musterte Adam für einen Moment, spöttisch eine Augenbraue gehoben. „Von dir kriege ich eh nur Skizzen hin, du bist viel zu unruhig. Außerdem entstehen viele meiner Bilder nur aus dem Gedächtnis. Sie sind dann...“ Er hielt kurz inne. „Authentischer, könnte man sagen.“

 

Adam streckte sich, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und sah ihn unter halb gesenkten Augenlidern an, mit einem verschmitzten Grinsen auf den Lippen.

 

„Ich bin gespannt, welches authentische Bild du von mir malen wirst.“

 

Leon erwiderte seinen Blick, jedoch ohne zu lächeln. Die Miene eines Künstlers, der sein Motiv betrachtete. Die Augen des Liebhabers, irritiert wegen seiner neuen Rolle. In der Stimme ein undefinierbarer, rauer Ton.

 

„Ich auch. Glaub mir, ich auch.“

 

---

Adam warf einen Blick auf die Uhr, rührte nochmal in seiner heißen Schokolade, und sah wieder auf die Uhr. Es war halb sechs. Das Date war wohl besser als gedacht. Unter normalen Umständen wäre Muse längst hier, sein Arbeiterethos sagte ihm, dass er überaus superpünktlich zur Arbeit erscheinen musste. Adam rutsche unruhig auf dem Stuhl hin und her. Natürlich wollte er vermutlich bis zur letzten Sekunde die Zeit mit Phillip auskosten, aber... er war doch soooo neugierig! Er wollte wissen, wie es gewesen war, ob sie eine schöne Zeit gehabt hatten, ob sich vielleicht etwas Neues bezüglich dieser beschissenen Situation mit der Ehefrau ergeben hatte.

 

Und einfach mit Muse quatschen und hoffentlich endlich, endlich wieder das fröhliche Leuchten in seinen Augen sehen. Das Leuchten, das er schon seit Wochen vermisste.

 

*

Das Café war voll, doch er sah ihn sofort, als er zur Tür eintrat. Ein ungewöhnlicher Ort für ihr Treffen, und eine ungewöhnliche Zeit. Normalerweise sahen sie sich zu Uhrzeiten, bei denen nicht die Gefahr bestand, zufällig einem bekannten Gesicht über den Weg zu laufen, an Orten, die abgeschieden waren. Er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte, zumal ihnen die Öffentlichkeit auch die Möglichkeit nahm, sich zu berühren und intimer zu werden, doch er wollte es nicht hinterfragen. Sie hatten sich seit über einem Monat nicht gesehen, also wollte er diesen Nachmittag genießen.

 

Er winkte, um ihm anzuzeigen, wo er saß. Viel zu aufgeregt, um die Schatten um seine Augen zu bemerken, die bedrückte Miene, das ernste Gesicht. Kein Lächeln, das ihn begrüßte.

 

Hi! Ich hab schon was bestellt... was willst du trinken?“

 

Sein Gegenüber nickte. „Ich bin etwas spät.“ Er sah sich um, etwas gehetzt. Wie immer. Könnte ja doch jemand hier sein, der ihn kannte. „Ich will nichts, danke.“

*

 

Er wurde unruhig. Es war kurz vor Arbeitsbeginn, und Muse war immer noch nicht aufgetaucht. Das passte nicht zu ihm. Bestimmt hatte er sich so sehr mit Philip verquatscht – oder war in eine andere Beschäftigung vertieft –, dass er die Zeit vergessen hatte. Ungewöhnlich für ihn, normalerweise war er verlässlich. Sehr verlässlich. Normalerweise hätte er ihm zumindest eine Nachricht geschickt. Adam starrte auf sein Handy, schrieb nur ein kurzes „Wo bist du???“ und steckte es dann in seine Gesäßtasche. Für gewöhnlich blieb sein Handy in seiner Jackentasche oder im Spind, vorne an der Theke hatte es nichts verloren. Gerade war die Situation aber alles andere als gewöhnlich.

 

*

Er stutzte. „Nichts?“

 

Nein.“ Ein tiefes Durchatmen. „Das soll kein Date werden.“

 

Kein Date. Fast automatisch umklammerte er seine Kaffeetasse. Versuchte, sich daran festzuhalten. Musterte ihn jetzt genauer. Die Schatten, die Ernsthaftigkeit. Das Fehlen eines Lächelns.

 

Was dann?“ Seine Stimme war nur ein Flüstern, ging fast unter im Hintergrundrauschen des Cafés. Kein Zittern, immerhin.

*

 

André kam mit einem fröhlichen Grinsen an die Theke. Die Woche war ganz gut vergangen, er hatte sich mit Cyril irgendwie arrangiert, so dass sie sich nicht allzu sehr auf die Nerven gingen. Auch wenn sein neuer Mitbewohner die Tanzstunden gerne zur Provokation nutzte, es hielt sich im Rahmen. Sie hatten genug Abstand, umkreisten sich zwar, als ob sie sich auf einem Minenfeld bewegen würden, aber Cyril hatte seine Finger bei sich behalten und war auch sonst recht handzahm gewesen. Heute Abend würde er die Bude hier einheizen und morgen einen schönen, gemütlichen Sonntag vor dem Fernseher verbringen. Vielleicht gab es ja sogar irgendwas, was er sich mit Cyril zusammen angucken konnte.

 

Er wollte sich noch etwas zu trinken holen, solange der Tanzbereich relativ leer war. Es war zwar kurz vor acht Uhr und damit kurz vor Schichtbeginn, aber auf die Bühne musste er erst in einer Stunde. Vorher hieß es, aufwärmen, mit den Anderen den Abend absprechen, Instruktionen bei Thomas abholen. Aber einen kleinen Drink konnte er sich noch gönnen.

 

Seine ausgelassene Stimmung bekam jedoch einen Puffer, als er Adams Gesichtsausdruck sah. Von dem gut gelaunten Barkeeper, der da eigentlich stehen sollte, war absolut nichts zu sehen. Im Gegenteil, der Schönling, der sonst der reinste Kundenmagnet war, schien heute sein Bestes zu geben, damit ihm die Leute fernblieben. Es roch nach Ärger. Und mit wem konnte Adam schon Ärger haben außer mit Leon?

 

„Hey, du vergraulst uns die Kunden, Adam!“ André rutsche auf einen der Barstühle vor Adam und tippte ihm leicht an die Stirn. „Lächeln. Schon mal was davon gehört?“

 

Adam sah ihn an, mit Augen, deren Ausdruck schwer zu deuten waren. Als ob er gleich losheulen wollte. Oder irgendwo rein boxen. Oder einfach nur weglaufen. Vorsichtig stellte er das Glas, das er gerade mit einem Tuch poliert hatte, zur Seite.

 

„Muse ist noch nicht da.“

 

„Muse?“

 

„Ja. Er hätte vor zwei Stunden mit mir anfangen sollen. Er ist noch nicht da. Und geht nicht ans Handy.“

 

„Er hatte heute ein Date mit Philip, oder?“ André bemühte sich um ein Lächeln. Es wäre albern, sich Sorgen zu machen. „Er hat es bestimmt verpeilt.“

 

„Muse? Etwas verpeilen? Ohne sich zu melden?“

 

Er strubbelte Adam beruhigend durch die Haare. Seine Mundwinkel, die sich immer noch bemühten zu lächeln, taten ein wenig weh. „Natürlich. Auch ihm passiert das mal.“

 

*

Sein Gegenüber legte das Handy auf den Tisch. Ein billiges Prepaid-Handy, wie aus einem schlechten Film. Damit seine Frau nicht zufällig irgendwelche SMS las. Damit ihre Beziehung, damit das, was sie waren – das, was er war – geheim bleiben konnte.

 

Es tut mir leid, aber es geht nicht mehr.“ Er holte Luft. „Das alles... es geht nicht mehr. Es ist zu gefährlich. Und mit dem Baby hätte ich eh keine Zeit mehr für dich. So ist es besser.“

 

Aber...“

 

Besser? Für wen?

 

Ich wollte es dir persönlich sagen. Wenigstens das hast du verdient, nicht wahr?“

 

Wenigstens das hatte er verdient? Nur das?

 

Für einen Moment schwieg er. Sammelte sich. Deswegen das Café, die Uhrzeit. Vor so viel Publikum würde er keine Szene machen. Als ob er jemals eine Szene gemacht hätte. Als ob er jemals eine machen würde.

 

Ist das alles?“

 

Was soll mehr sein?“

 

Er suchte seinen Blick. Suchte in seinen Augen etwas. Etwas, das ihm sagte, dass die letzten zwei Jahre es wert gewesen waren.

 

So einfach? Weil du keine Zeit mehr hast, willst du das alles aufgeben? Bin ich dir... so unwichtig?“

 

Unangenehm berührt wich er seinem suchenden Blick aus.

 

Es tut mir leid. Es war eine nette Zeit. Aber...“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, ich habe mich in etwas verrannt. Ich liebe meine Frau. Das mit dir... war ein Fehler. Eine vorgezogene Midlife-Crisis oder sowas.“ Seine Stimme wurde leiser. „Ich bin nicht schwul. Ich war es nie. Du bist ein netter Junge, aber... das war es. Die letzten zwei Jahre waren ein Fehler. Ich hätte es früher beenden sollen.“

 

Feigling.

 

Am liebsten hätte er es geschrien. Sah diesen Mann nur stumm an, der zwei Jahre lang sein Leben bestimmt hatte. Seine Gedanken, seine Gefühle. Alles, einfach alles.

 

Das war es. Ich wünsche dir alles Gute.“

 

Kurz und schmerzlos.

*

 

„Hast du was gehört?“

 

Adam schüttelte auf Thomas' Frage hin den Kopf. Die Frage, die sein Chef fast im Zehn-Minuten-Takt wiederholte. Wie alle anderen Mitarbeiter auch. Keiner sagte mehr, dass er sich keine Sorgen machen sollte. Keiner meinte, dass könnte auch Muse mal passieren. Seit vier Stunden nicht bei der Arbeit erschienen und keine Nachricht von ihm – nein, das war nicht Muse. Jeder andere, aber nicht Muse.

 

Sie machten ihre Arbeit. Sie lächelten, sie bedienten die Gäste, sie heizten die Menge an, sie sorgten für gute Laune. The show must go on. Und trotzdem, der Schatten, der über allem lag, war da. Kaum zu sehen, aber er war da.

 

Muse war nicht nur ein Mitarbeiter. Muse war die gute Seele, das Herz, der, der immer lächelte, immer zuhörte, immer aufmunterte. Er schäkerte mit den Türstehern, er fragte die Reinigungsdamen in der Früh, ob sie einen Kaffee wollten, er massierte den Tänzern kurz den Nacken oder sprang für die Barkeeper ein, die einen schlechten Tag hatten. Jeder kannte ihn. Jeder liebte ihn.

 

Und jeder fragte sich, wo er war.

 

*

Ohne ihn anzusehen, stand er auf. Den Kopf gesenkt, zu feige, um seinen Augen zu begegnen. Den warmen, braunen Augen. Zu feige, um das ertragen zu können, was er darin lesen würde.

 

Zwei Jahre.

 

Er sah ihm nach. Sah den Rücken, den er so oft berührte, die Haare, die immer ungekämmt wirkten, den Nacken, den er tausend Mal geküsst hatte.

 

Zwei Jahre. Zerstört mit einigen wenigen Worten.

 

Ich wünsche dir alles Gute.

 

Wie lachhaft.

 

Fast automatisch, ohne nachzudenken, bezahlte er und verließ das Café. Spürte den kalten Wind auf den Wangen nicht, nicht den Schnee, nicht die zögerlichen Sonnenstrahlen.

 

Er musste sich zusammenreißen. Sich hinlegen, noch ein, zwei Stunden schlafen, bevor er zur Arbeit musste. Die Gedanken vertreiben.

*

 

Adam hatte sich in den Aufenthaltsraum verzogen. Vorne war er nicht mehr zu gebrauchen. Und alle wussten, wenn Muse sich bei jemandem melden würde, dann bei ihm. Seinem neuen, besten Freund. Er sollte nicht durch einen Kunden abgelenkt sein, falls sein Handy klingelte.

 

*

Zwei Jahre, die er immer gewartet hatte. Auf einen Anruf. Auf eine Nachricht. Auf das nächste Treffen.

 

Bevor er es bemerkte, stand er vor seiner Haustür. Öffnete sie. Begrüßte die Stille, die ihm so vertraut war. Seine Eltern, seine Brüder. Nicht da, wie immer. Und wenn sie da gewesen wären... dann würde er auch die Stille begrüßen, nur wäre sie anders. Kälter. Stechender.

 

Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, betrat er sein Zimmer. Der einzige Raum, der ihn willkommen hieß. Er schloß die Tür hinter sich, lehnte sich dagegen. Rutschte an ihr herunter. Vergrub seinen Kopf in seinen Händen.

*

 

Er starrte sein Handy an. Flehte es an. Klingel. Klingel doch endlich!

 

*

Zwei Jahre für Nichts.

 

Streichelte seine Unterarme. Spürte den Stoff seines Pullovers. Spürte die Narben, die sich darunter befanden. Die Wunden. Heute würde es Neue geben.

*

 

Es klingelte. Erschrocken zuckte er zusammen. Muse! Fahrig, eilig, seine eigenen Bewegungen kaum koordinierend, ging er ran. Drückte auf den grünen Hörer.

 

„Muse! Was ist los? Wo bist du?“

 

Stille.

 

„Muse?“

 

*

Zwei Jahre. Kälte. Stille.

 

Warten.

 

Er krempelte seinen Ärmel hoch. Betrachtete seine Haut. Betrachtete die hellen Striemen. Das Rot, das sich dazwischen mischte.

 

Worauf sollte er noch warten?

*

 

Ein Schluchzen. Ein Wispern. Voller Tränen.
 

„Adam?“

 

Eine Frauenstimme. Er kannte sie nicht. Er musste sie nicht kennen.

 

„Du bist Adam, oder?“ Ihre Stimme brach. „Muse... er... er hat...“

 

Er würde sie noch früh genug kennen lernen.

 

„Muse...“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Laila82
2018-01-30T22:10:59+00:00 30.01.2018 23:10
... hat versucht sich umzubringen?
Hoffentlich ist es gründlich schief gegangen und Muse "nur" im KH oder so...


Zurück