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Crystal Eyes

reloaded
von

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This land is mine

Adam stöhnte, zog die Decke noch fester um sich und öffnete halb ein Auge. Vorsichtig drehte er seinen Kopf und betrachtete das Zimmer. Natürlich, Leons Zimmer. Langsam, um jegliche zu schnelle Bewegung zu vermeiden, die seinem noch schwachen Körper zu viel werden könnte, stützte er sich auf seine Ellbogen. Vor die Festerfront waren bordeauxfarbene, leicht durchsichtige Vorhänge gezogen, die das Zimmer in ein Dämmerlicht tauchten, das nicht zu dunkel war, seine momentan empfindlichen Augen jedoch vor der Tagessonne schützte. Kleine Staubpartikel tanzten in einem Lichtstrahl, der durch einen Spalt zwischen den Vorhängen hindurchschien und ein helles Muster auf den Teppich zauberte.
 

Mehrere Sekunden starrte er auf die Staubpartikel, fast schon fasziniert von ihrem Tanz, als plötzlich leise Töne in sein Bewusstsein vordrangen. Er drehte den Kopf etwas weiter und merkte, dass die Tür einen Spalt offen stand. Anscheinend befand sich Leon irgendwo im Haus, denn die Töne stammten von einem Lied, das in irgendeinem Raum gespielt wurde. Adam verstand kein Wort von dem Text, doch wirkte die Melodie sehr ruhig und heimelig. Er ließ sich wieder in die Kissen sinken und ließ seinen Blick weiterwandern. Auf einem Stuhl, der nicht weit von seinem Bett stand, lag seine Kleidung sorgfältig zusammengefaltet, daneben stand seine Schultasche. Über die Lehne hingen ein Bademantel und zwei Handtücher. Ihn durchfuhr kurz der Gedanke, ob wohl Leon die Kleidung zusammen gelegt hatte. Eine Haushälterin schien er nicht zu haben, doch traute er dem doch sehr feinen und gutgekleideten Künstler nicht wirklich hausmännische Fähigkeiten zu. Wobei ihm direkt wieder das gestrige Bild von der Hausfrau in Schürze in den Kopf schoss. Mit einem leichten Lächeln lehnte er sich noch etwas gemütlicher in die Kissen. Er spürte, dass es ihm besser ging, aber so wirklich stark fühlte er sich noch nicht. Nur, schlafen konnte er auch nicht. Mit einem Seufzen richtete er sich wieder auf und ließ die Decke von sich runter gleiten. Vorsichtig setzte er die Füße auf den Boden und stand wackelig auf. Es ging. Er spürte zwar ein leichtes Zittern in den Beinen, aber er würde wohl nicht direkt wieder einknicken. Langsam tapste er zum Bademantel und zog ihn sich über, betrachtete dann die zwei Handtücher und entschied, dass eine Dusche eine durchaus verführerische Idee war. Leon hatte anscheinend an alles gedacht. Nun, es war gewiss nicht das erste Mal, dass er Gäste in seinem Haus hatte. Vermutlich auch nicht das letzte Mal.
 

Adam strich sich kurz durch die Haare und nahm dann die Tücher an sich. Immer noch zittrig auf den Beinen verließ er das Zimmer. Etwas verwirrt starrte er den Flur entlang, schritt ihn dann langsam entlang und öffnete die nächstbeste Tür. Er seufzte. Irgendwie war ihm klar gewesen, dass sich direkt neben dem Schlafzimmer ein Bad befinden würde. Es war ein anderes als das, in dem er das erste Mal gewesen war, etwas kleiner und schlichter, nicht ganz so auf feuchtfröhliche Party ausgelegt, jedoch nicht minder elegant. Adam schluckte, schloss kurz die Augen und zog dann den Bademantel aus. Leicht überwältigt von dem Luxus, den ihn hier hinter jeder Tür aufs Neue erwartete, stellte er sich unter den Duschkopf und drehte das Wasser auf. Mit einem leisen Seufzer genoss er den warmen Strahl, der den Schweiß der letzten Stunden von ihm runterwusch. Die Augen leicht geschlossen betrachtete er die Wassertropfen, die an seinem Körper entlang nach unten liefen, den Dreck und, wie es ihm schien, die Müdigkeit mit sich nehmend. Für einige Minuten überließ er sich einfach dem Wasserstrahl und trat dann erfrischt und sauber nach draußen.
 

Der Dampf des heißen Wassers lag in der Luft, tauchte alles in nebeliges Licht. Er trat an den beschlagenen Spiegel, wischte einige Stellen frei und betrachtete sich. Langsam hob er die Hände und strich sich die Haare nach hinten. Mit den Augen folgte er den Wassertropfen, die von seinen Haaren seinen Hals entlang ronnen, über die Brust, hinab zu seinen Lenden. Mit bedächtigen Bewegungen folgte er mit den Fingerspitzen einer dieser Spuren. Irgendwie... tatsächlich, er sah gut aus. Nahezu makellos. Perfekt.
 

Einige Augenblicke verharrte er in seiner Bewegung, riss sich dann aber mit einem Ruck von seinem eigenen Anblick los und streifte sich den Bademantel über. Verwirrt schüttelte er den Kopf. Er würde jetzt wohl kaum zu einem kleinen Narzissten mutieren, der in sich und sein eigenes Aussehen verliebt war. Na, wäre ja noch schöner.
 

Adam trocknete sich kurz die Haare ab, huschte dann zurück in Leons Zimmer und zog sich seine Klamotten an. Dann packte er seine Tasche und verließ Leons Zimmer. Für einen Moment blieb er an der Tür stehen und betrachtete es noch einmal. Er hatte sich nicht die Zeit genommen, das Bett in Ordnung zu bringen, so dass es ziemlich unordentlich und benutzt aussah. Trotzdem, im dämmrigen Licht, mit dem einzelnen Sonnenstrahl, mit den tanzenden Staubpartikeln und dem Lichtmuster auf dem Teppich, wirkte das gesamte Zimmer irgendwie friedlich, heimelig. Voller Ruhe und Entspannung.
 

Mit einem selbstironischen Lächeln drehte sich Adam weg und tapste den Flur entlang. Er brauchte nur der Musik zu folgen, um Leon zu finden. Anscheinend kam sie aus der Küche. Nun ja, den Weg dahin kannte er ja bereits. Die Tür stand komplett offen. Adam blieb kurz stehen und beobachtete Leon, wie er gerade heißes Wasser in eine Tasse goss, leise vor sich hin sang und sich sanft zur Musik bewegte. Er sah ihn zwar nur von hinten, aber er konnte sich den leicht verträumten Gesichtsausdruck bildlich vorstellen. Seine Haare, die er locker zusammen gebunden hatte, fielen wie feine, goldene Spinnweben über seinen Rücken. Sie bildeten einen faszinierenden Kontrast zu dem dunkelroten Hemd. Überrascht stellte Adam fest, dass er mal wieder darin versunken war, Leon einfach nur zu mustern. Wie aus einem kurzen Zauber herausgerissen, schüttelte er den Kopf. Sein Fieber. Das lag alles nur an seinem dämlichen Fieber, mehr nicht.
 

„Du hörst Dido?“
 

Leon zuckte zusammen und verschütte fast den Inhalt seiner Tasse. Überrascht drehte er sich zu Adam um.
 

„Ich hab dich gar nicht kommen hören.“
 

„Wundert mich auch nicht.“ Adam stellte seine Tasche neben den Türrahmen und setzte sich an den Tisch, sein Kinn auf eine Hand abgestützt. „Du warst ja auch mit Singen beschäftigt.“
 

„Mhm.“ Leon trat zu seinem kleinen Schützling und legte ihm eine Hand auf die Stirn. „Wie geht es dir? Dein Fieber scheint gesunken zu sein.“
 

„Mir geht’s auch besser.“ Er drehte seinen Kopf weg und strich sich die Haare zurück. „Ich dachte, du wolltest meine Eltern anrufen? Wieso bin ich dann immer noch hier?“
 

Leon lächelte leicht, trat an einen Schrank und holte eine weitere Tasse heraus. „Ich habe sie auch angerufen. Deine Mutter und ich waren uns aber einig, dass es besser wäre, wenn du bei mir übernachtest und sie dich dann heute abholt.“ Er machte einen anderen Schrank auf und begutachtete den Inhalt. „Willst du einen Tee? Oder was zu Essen? Du musst hungrig sein.“
 

Adam winkte ab. „Ein Tee reicht aus. Kamille, wenn du hast. Mit drei Löffeln Zucker.“
 

„Du magst es süß, kann es sein?“

Leon schüttete heißes Wasser in die Tasse, nachdem er den Teebeutel und den Zucker eingefüllt hatte, und stellte sie vor Adam. Sein eigenes Getränk in den Händen, setzte er sich ebenfalls.
 

„Sie ist sehr nett.“
 

„Wer?“
 

„Deine Mutter. Ich war etwas überrascht, dass sie es so fraglos hingenommen hat, dass du bei einem fremdem Mann bist und fiebrig im Bett liegst. Sie hatte anscheinend keine Hemmungen, dich über Nacht hier bei mir zu lassen.“
 

Adam zuckte mit den Schultern.
 

„Sie vertraut mir. Sie weiß schon, dass ich keinen Scheiß bauen werde.“
 

Leon lachte leise auf.
 

„Vertraut sie aber auch den Männern, mit denen du zu tun hast?“
 

Ein leicht verärgerter Ausdruck trat in Adams Augen.
 

„Ja. Weil ich selber auswähle, mit wem ich zu tun hab. Und weil sie dieser Auswahl vertraut.“
 

Mit einem süffisanten Lächeln hob Leon erstaunt beide Augenbrauen und schürzte die Lippen.
 

„Ein Segen, so eine Mutter zu haben. Beneidenswert.“
 

Adam sah ihn etwas erstaunt an, verbarg diesen Ausdruck aber sehr schnell. Dieser Satz hatte ihn jedoch neugierig gemacht. Es klang, als ob Leon keine so sonderlich tollen Eltern hatte. Gut, Adam hatte mit seiner Familie schon verfluchtes Glück, aber irgendwie... Es stand ihm nicht zu, danach zu fragen, selbst wenn Leon dann tatsächlich geantwortet hätte. Er senkte den Kopf und starrte in seine Teetasse, die Hände um sie geklammert. Einige Augenblicke herrschte Schweigen, fast schon ein bisschen unangenehm. Gerade, als Adam etwas sagen wollte, beugte Leon sich vor und berührte sein Handgelenk mit den Fingerspitzen.
 

„Würdest du wieder kommen?“
 

Der Junge sah auf, einen fragenden, misstrauischen Ausdruck in den Augen.
 

„Ich will dich malen.“ Leon lehnte sich zurück und sah ihn an, mit einem neutralen Gesichtsausdruck. Ohne diesen verschmitzen, verspielten Glanz in den Augen, den er normalerweise hatte. Eher wie ein Kunde, der die Ware musterte. „Ich habe es dir ja schon ein Mal gesagt, du siehst sehr gut aus. Und ich bin nun mal Künstler. Ich hätte dich gern als Modell.“
 

Adam machte eine wegwerfende Handbewegung. „Pff, ich dachte, ich bin unerotisch? Und jetzt willst du mich plötzlich malen?“
 

„Ja, du bist unerotisch. Für mich als Mann. Für mich als Künstler jedoch nicht. Für mich als Künstler bist du ein faszinierendes... Objekt.“
 

Adam schluckte, ignorierte den kurzen Stich, den er in seiner Brust gespürt hatte, und schaute Leon direkt in die Augen, mit dem selben neutralen Blick, den auch dieser ihm schenkte.
 

„Wie eine Ware? Nur ein Objekt?“
 

„Ja.“
 

Er senkte seinen Blick wieder und starrte seinen Tee nachdenklich an. Beim besten Willen, er konnte nicht sagen, ob ihn das Angebot schmeichelte oder abschreckte. Irgendwie hatte er Angst, von diesen Augen, die mal so kühl, so neutral, und dann wieder so verspielt, so überheblich blicken konnten, gemustert zu werden. Er würde viel Zeit mit diesem Mann verbringen. Sehr viel Zeit. Die Frage war nur, wollte er das?
 

„Hier.“ Leon schob ihm ein kleines Kärtchen hin. „Das ist eine Ausstellung von meinen Werken hier in der Stadt. Geh dahin, dann kannst du dir ein Bild davon machen, wie ich arbeite. Du musst dich nicht jetzt sofort entscheiden. Es ist immer etwas sehr intimes, über längere Zeit Modell für jemanden zu stehen, ich kann’s verstehen, wenn du zögerst. Ruf mich einfach an, wenn du dich entschieden hast. Lass dir Zeit.“
 

Adam starrte einige Momente auf die Karte, nickte dann und steckte sie sich in seine Hosentasche. „Ich ruf meine Mom an. Besser, sie holt mich ab.“
 

Das Telefonat dauerte nicht lang. Er gab ihr nur eine kurze Wegbeschreibung, mehr nicht. Seine Mutter würde bald da sein. Danach setzte er sich wieder an den Tisch und trank seinen Tee. Er und Leon sprachen nicht viel.
 

> This land is mine but I’ll let you rule <
 

Nur die Musik füllte die Stille zwischen ihnen. Es war nicht unagenehm, eher friedlich.
 

> I let you navigate and demand

Just as long as you know this land is mine <
 

Leon sang leise mit. Er hatte seinen Kopf zurück gelehnt und die Augen halb geschlossen.
 

> So find your home and settle in <
 

Adam stützte sein Kinn auf seine geschlosse Hand, die Finger der anderen Hand locker um die Teetasse gelegt. Einige Haare fielen ihm in die Augen. Sein Blick ruhte ruhig auf Leon.
 

> Oh, I’m ready to let you in <
 

Ein seltsames Gefühl machte sich in ihm breit. Es war irgendwas am Beginnen. Er hatte Angst davor und gleichzeitig erwartete er es mit großer Spannung. Es wirkte... wie ein fremder Wind.
 

> Just as long as we know this land is mine <
 

Ein eiskalter, fremder Wind.
 

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Lyrics: Dido - This land is mine



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