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Crystal Eyes

reloaded
von

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Ein genervtes Seufzen entfuhr Adam, als er sich langsam auf die Treppenstufen im Inneren seiner Schule sinken ließ und den Regenguss draußen betrachtete. Am Morgen hatte noch warm die Sonne geschienen, weswegen er hier jetzt im leichten Hemd saß. Und ohne Schirm, natürlich. Er könnte hier warten, bis der Regen nachließ, vielleicht war es ja tatsächlich nur ein Schauer. Er könnte natürlich auch so nach Hause gehen, bis auf die Haut durchnässt werden und sich eine Lungenentzündung holen. Ein Grinsen stahl sich auf seine Lippen. In Anbetracht dessen, dass er dann einige Zeit nicht zur Schule müsste, vielleicht nicht die schlechteste Alternative. Nach der Katastrophe von Kurzinterpretation, die er abgeliefert hatte – wirklich keine Meisterleistung, aber was wollte man auch erwarten, bei wenig Schlaf, nur vier Stunden Schreibzeit und komischen nächtlichen Begegnungen –, konnte er darauf verzichten, noch mehr solcher geistigen Ergüsse abliefern zu müssen.
 

Er seufzte nochmal und betrachtete einen Moment die einzelnen Tropfen, die auf die Fensterscheiben perlten. Hier auf unbestimmte Zeit im Schulgebäude festzusitzen gehörte aber auch nicht grad zu dem, wie er gerne einen freien Nachmittag verbringen wollte. Seine Eltern würden erst abends nach Hause kommen, Geld für den Bus hatte er nicht, ein Auto sowieso nicht.. ach, Lungenentzündungen waren doch wirklich nicht so schlimm. Genervt stand er auf und verließ die Schule. Wie erwartet war er innerhalb von Sekunden durchnässt, und machte den Eindruck eines begossenen Pudels. Eines aggressiven, begossenen Pudels, denn seine Miene verzog sich zu einem Ausdruck größten Missfallens. Nass, kalt, feucht. Bäh. Den Blick stur auf den Weg vor sich gerichtet, bemerkte er erst nach einigen Sekunden, dass ein schwarzes Auto langsam neben ihm herfuhr. Sportlich, elegant. Teuer. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in seiner Bauchgegend aus, als eins der Fenster herunter gelassen wurde.
 

„Na, Adonis, brauchst du eine Mitfahrgelegenheit?“, fragte eine unverwechselbare Stimme, in der ein Grinsen mitschwang. „Oder soll ich dir lieber ein paar Schwimmflossen besorgen?“
 

Adam traute sich kaum, seinen Kopf zu drehen. Diese rauchgrauen Augen hatten in ziemlich penetrant die letzten Tage verfolgt, er wollte sie eigentlich nicht in real sehen.
 

„Sag mal, verfolgst du mich?“, blaffte er, den Blick weiter stur nach vorne gerichtet, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. Der Wagen fuhr jedoch weiter neben ihm her.
 

„Nein. Ansonsten hätten wir uns in der letzten Woche wohl öfter gesehen. Also, was ist? Willst du weiter im Regen bleiben?“ Leon machte eine kurze Pause, ein süffisantes Lächeln in der Stimme. „Oder hast du etwa Angst, dass ich über dich herfalle?“
 

Adam gab einen unwilligen Laut von sich, sah Leon trotzig an, stapfte dann um das Auto herum und schmiss sich, nass wie er war, mit Schwung auf den Beifahrersitz.
 

„Gut, bring mich nach Hause.“ Er verschränke die Arme und richtete die Augen stur auf den Verkehr vor ihm. Es tropfte leise von seinem Hemd und seinen Haaren herunter, doch er ignorierte einfach die Tatsache, dass er gerade den Innenraum unter Wasser setzte.
 

Leon grinste ihn breit an, langte nach hinten und reichte Adam einen wolligen, marineblauen Rollkragenpulli.
 

„Hier, pack dich warm ein. Sonst wirst du krank!“ Und während er losfuhr, mit einem verschmitzten Seitenblick: „Du solltest vorher vielleicht aber das Hemd ausziehen...“
 

„Das... brauchst du mir nicht sagen...“, knirschte Adam zwischen seinen Zähnen hervor, streifte sich sein nasses Hemd ab und schlüpfte in den kuschelig weichen, etwas zu großen Pullover und mümmelte sich darin ein. Aus den Augenwinkeln betrachtete er seinen Chauffeur, der in ein bordeauxfarbenes Hemd und eine beige Hose gekleidet war. Seine Haare hatte er zu einem französischen Zopf geflochten, und diesmal trug er silberne Kreolen mit Diamantsteinchen besetzt. Der gute Junge musste stinkreich sein. Verdiente man als Maler so viel? Nun ja, das sollte Adam ja eigentlich nicht interessieren, trotzdem war er etwas überrascht. Unter Künstler verstand er eher die armen Schlucker, die auf irgendwelchen Märkten irgendwelche Mittelklasse-Portraits an die Touristen verscherbeln wollten. Wobei, wenn er recht darüber nachdachte, war Leon schon bei ihrer ersten Begegnung meilenweit vom Klischee des armen Schluckers entfernt gewesen. Künstler... hm.
 

„Und, wo wohnst du?“, fragte Leon mit einem Seitenblick zu seinem Beifahrer und runzelte dann die Stirn. „Ist dir kalt? Oder warum kuschelst du dich so sehr in den Pullover?“
 

Adam errötete leicht. „Natürlich ist mir kalt. Schließlich bin ich auf die Knochen durchnässt. Außerdem ist das Teil schön weich.“ Und riecht gut, fügte er noch im Gedanken hinzu, doch er würde sich eher die Zunge abbeißen als das laut auszusprechen. Sonst würde Leon sich ja sonst noch was denken. Er nannte ihm schnell seine Adresse, während sein Blick abschweifte. Leons Hände lagen locker auf dem Lenkrad. Langgliedrige Finger, und tatsächlich, an einigen waren Reste von Farbe zu sehen. Dabei wirkte er so perfekt. Aber eigentlich unterstrichen diese Farbtupfer auf seltsame Weise Leons Perfektion. Gepflegt, sinnlich, aber nicht makellos. Wie sich seine Berührung wohl anfühlte?
 

„Ich nehme mal an, du willst mein Atelier auch mitten am Tag nicht sehen, was?“, riss dieser Adam aus seinen Gedanken
 

„Was soll denn das heißen?“, fuhr Adam verärgert auf, und versuchte die Röte zu überspielen, die seine Wangen überzog. „Glaubst du etwa, ich habe Angst vor dir, oder was?“
 

„Nein, keineswegs. Habe ich das auch nur mit einem Wort erwähnt?“
 

„Es klang mit!“, erwiderte er trotzig. Eine Zeit lang kaute er überlegend auf seiner Unterlippe, bis er sich schließlich Luft holend zu einem Entschluss durchrang. „Okay, zeig mir dein Atelier!“
 

Leon sah ihn überrascht an, lächelte dann jedoch zufrieden. „Bist du dir sicher?“
 

„Ja!“ Ihm gefiel dieses Lächeln nicht. „Warum nicht? Du hast mich ja eingeladen. Warum soll ich mir nicht sicher sein?“
 

„Gut, gut, wie du willst. Gerne.“
 

Leon zuckte, immer noch lächelnd, mit den Schultern und lenkte den Wagen in eine andere Richtung. Schweigend saßen sie nebeneinander, bis sie nach einigen Minuten an einem großen Haus ankamen, das fast schon einer Villa glich. Der riesige Garten machte einen sehr gepflegten Eindruck, genauso wie die Einfahrt, in deren Mitte ein kleiner Brunnen mit einer Nixenstatue stand. Der Weg wurde von einigen Fliederbüschen gesäumt, und den Hauseingang schmückten blutrote Japanische Ahornbäume. Die meisten anderen Pflanzen konnte Adam nicht mal im Traum benennen, doch er konnte sich gut vorstellen, wie wunderschön der Garten in voller Blüte sein musste.
 

Sie parkten, und während Leon schweigend seine Haustür aufschloss, trat Adam nervös hinter ihn. Gut, wenn er ein Psychopath war, dann zumindest ein stinkreicher. Der Garten hatte zumindest genug Platz, dass er irgendwo eine Leiche verbuddeln konnte, ohne dass jemand sie je wieder finden würde. Er musste innerlich lachen über seine absurden Gedanken, aber immer noch besser, als darüber nachzudenken, was zum Teufel er hier eigentlich verloren hatte.
 

„Willkommen!“
 

Leon verbeugte sich leicht und lud Adam mit einer Handbewegung ins Innere ein. Dieser schluckte, als er den Flur betrat. Oder, besser gesagt, die Eingangshalle. Der Boden war aus schwarzem Marmor, die Einrichtung in dunklem Mahagoni darauf abgestimmt. Zum ersten Stock führte eine breite Treppe aus dunklem Granit, und zwei weitere Treppen bildeten den Eingang zum Dachgeschoss. Die hellen Wände wurden mit Bildern verschiedener Stilrichtungen geschmückt, doch trotz ihrer Unterschiede waren sie perfekt aufeinander abgestimmt. Und vermutlich teuer. Sehr sehr teuer.
 

„Ich dachte, du bringst mich in dein Atelier.“, meinte Adam, allein, um einfach nur irgendwas zu sagen. Es war kaum zu übersehen, wie beeindruckt er war, doch er wollte es nicht offensichtlicher als unbedingt nötig machen.
 

„Das ist mein Atelier!“, antwortete sein Gastgeber und begab sich in Richtung der Treppe „Und mein Haus. Mein Atelier befindet sich im Dachgeschoss. Der Rest sind Küche, Bäder, Bibliothek, Wohn- und Schlafzimmer. Oh, und natürlich mein Pool. Komm mit, wir müssen nach oben.“
 

Adam folgte ihm schweigend und betrachtete alles mit riesigen Augen. Er traute sich kaum zu atmen oder auch nur einen falschen Schritt zu machen. Nicht, dass er stolperte und eines der teuren Porzellanväschen auf einer der teuren Kommoden auf dem teuren Teppich in dem bestimmt teuren ersten Stock zerbrach. Zwar waren die Zimmertüren geschlossen, doch er konnte sich gut vorstellen, dass es da drin ähnlich aussah. Ausgesuchte Möbel, wertvolle Teppiche, feinste Vorhänge, Möbel aus Mahagoni, Ebenholz oder Walnuss, die neuste Elektronik, die exquisitesten Accessoires. Meine Güte, was für Kunst produzierte der Typ, dass er so in Geld schwamm?
 

Leon stieß mit Schwung eine Tür auf und ließ Adam eintreten. Sie waren im Atelier angekommen. Ein riesiges Atelier. Mit gigantischen Fenstern in den Dachschrägen, die momentan vom prasselnden Regen nass waren. An einer Seite der geraden Wände stand ein Schrank, vermutlich für Zubehör wie Farben und Pinsel. Gleich daneben lehnten einige fertige oder halbfertige Gemälde an einem breiten Tisch, vermutlich der Entstehungsplatz für die Graphic Novels, die der Maler erwähnt hatte. Überall im Raum verstreut befanden sich verschiedene Sessel, Sofas, Diwane, Stühle, Tische, Kissen, Stoffe und Decken. Direkt neben der Tür war ein kleiner Kühlschrank angeschlossen. Trotz all diesem Zeug wirkte der Raum immer noch nicht voll.
 

Leon machte eine alles umfassende Handbewegung.
 

„Bitte schön, das ist mein Atelier. Gefällt es dir?“
 

Adam schluckte. Er fühlte sich leicht erschlagen. Hilflos zuckte er mit den Schultern und zeigte dann, um überhaupt etwas zu tun, auf das ganze Mobiliar und die Stoffe.
 

„Für was ist das ganze Zeug?“, fragte er neugierig.
 

„Für meine Motive.“ Leon machte es sich auf einem Sofa bequem und deutete Adam, es ihm gleich zu tun. „Ich will meine Modelle ja nicht nur blöd in der Gegend herumstehen lassen. Sie sollen sich auch mal auf einem Diwan lasziv räkeln oder nackt von irgendwelchen Stoffen umgeben sein. Das macht den Reiz eines Aktes aus.“
 

„Akt?“ Adam wäre fast über den Sessel gestolpert, auf den er sich gerade hatte setzen wollen. „Bist du etwa Aktzeichner?“
 

„Nicht nur. Ich bin an vielen verschiedenen Motiven interessiert. Manchmal Landschaftsbilder, manchmal Stillleben. Portraits, Ausschnitte. Außer abstrakte Kunst, die gefällt mir persönlich nicht sonderlich.“ Er zuckte mit den Schultern, sprang dann auf und schlenderte zum Kühlschrank. „Entschuldige, ich bin wohl kein guter Gastgeber. Was möchtest du trinken? Ich hab...“ Er warf einen Blick in das Innere des Kühlschranks. „Ich habe im Prinzip alles da, also keine falsche Bescheidenheit.“
 

Seufzend ließ Adam sich nieder und rieb sich einmal mit beiden Händen übers Gesicht. Es fühlte sich ein wenig warm an. „Wasser, bitte!“
 

„Wasser? Hätte nicht gedacht, dass du so gesund lebst.“
 

„Warum? Sehe ich etwa so... hatschi... krank aus?“ Er zog eine Augenbraue hoch und schaute ihn fast schon schockiert an.
 

Leon musterte ihn aufmerksam und bemerkte dann seine nasse Hose.
 

„Nein, du siehst nicht so aus, du bist es anscheinend. Oder wirst es zumindest bald. Komm, zieh die Hose aus.“
 

„Was?“ Adam zuckte zurück und sah ihn an wie das Kaninchen vor der Schlange. „Was soll denn das jetzt?“
 

Sein Gegenüber verdrehte leicht genervt die Augen. „Nein, das soll nicht sexuelle Nötigung sein, wie du vielleicht denkst. Ich will deine Hose zum Trocknen aufhängen. Währenddessen kannst du eine von mir haben. Dürfte dir eigentlich passen. Duschen solltest du vielleicht auch. Wir wollen ja nicht, dass du krank wirst.“
 

„Du hörst dich an wie meine Mutter.“
 

Leon grinste ihn an. „Sieh mich eher als besorgter Liebhaber.“
 

Adam warf ihm einen bösen Blick zu, ging zur Tür und sah ihn abwartend an. Auch wenn es ihm missfiel, Leon hatte Recht, er sollte aus den nassen Klamotten raus. Er könnte sich natürlich auch nach Hause bringen lassen. Könnte. Eigentlich. Wollte er aber nicht.
 

„Du willst doch, dass ich dusche. Also, wo muss ich hin? Noch kenn ich mich hier nicht aus.“
 

„Ach,“, Leon trat neben ihn, musterte ihn für einige Sekunden, und brachte dann seinen Mund ganz nah an sein Ohr, „willst du denn öfter kommen?“
 

Adam sah in nur kalt an. „Wo ist das Bad?“
 

Sein Gastgeber lachte leise. Ein volles, erotisches Lachen, mit einer Spur von Belustigung und Hohn. Es verursachte einen angenehmen Schauder auf Adams Rücken.
 

Leon führte ihn in den ersten Stock zurück und stieß eine Tür auf.
 

„Hier, bitte schön. Ich bringe dir ein paar Sachen zum umziehen. Zieh dich schon mal aus.“
 

Während er den Raum wieder verließ, blieb Adam leicht benebelt mitten im Raum stehen. Er konnte hier zwar im Prinzip nichts kaputt machen, aber... Er schüttelte den Kopf. In der Mitte befand sich ein riesiger Whirlpool, während die Dusche in einer Ecke Platz für zwei oder drei Personen gleichzeitg bot. An den Wänden hingen mehrere Spiegel, so dass man sich von allen Seiten begutachten konnte. Der Boden und die Wände bestanden aus weiß marmorierten Fliesen, über die Decke zog sich ein dunkelblauer Sternenhimmel mit zahlreichen integrierten Lämpchen. In einer Ecke stand eine kleine Bar aus dunklem Schiefer, die mehrere teure Kristallgläser und hochqualitative alkoholische Getränke enthielt. Neben dem Pool gab es einen kleinen Rolltisch, auf dem diverse Kleinigkeiten abgestellt werden konnten. Er war sich sicher, irgendwo versteckten sich auch die sexy Dienerinnen, die mit Palmwedeln für frische Luft sorgen und im Zweifelsfall einen mit Trauben fütterten.
 

„Hm... du bist ja immer noch angezogen.“
 

Leon kam mit einer nachtblauen Hose und einem champagnerfarbenen Kaschmirpullover zurück und legte sie auf den Rolltisch. Aus einem Schrank holte er ein Frotteehandtuch und tat es daneben. Dann drehte er sich zu Adam, der immer noch starr herumstand und sich keinen Zentimeter bewegt hatte, kräuselte kritisch die Augenbrauen und trat dann zu ihm. Vorsichtig streifte er ihm den Pullover über den Kopf. Keine Reaktion. Adam schien mit seinen Gedanken ganz, ganz weit weg zu sein. Mit einem süffisanten Grinsen fing Leon langsam an, ihm die zwei Hosenknöpfe aufzuknöpfen. Erst jetzt erwachte Adam aus seinem Dornröschenschlaf, sprang erschrocken ein Stückchen zurück und fixierte den Künstler mit böse funkelnden Augen.
 

„Sag mal, spinnst du? Was soll das werden, wenn’s fertig ist?“, fauchte er böse
 

„Ein nackter Adam, würde ich sagen. Oder willst du angezogen unter die Dusche steigen?“ Leons Lächeln strahlte ihn unschuldig an.
 

„Natürlich nicht. Aber das heißt ja nicht, dass du an meiner Hose herumfummeln musst!“
 

„Ich wollte dir nur behilflich sein, mehr nicht.“
 

„Danke, ich kann auf deine Hilfe bestens verzichten.“
 

Aufgebracht versuchte er, die Hosenknöpfe zu öffnen, was ihm jedoch absolut nicht gelingen wollte. Er zitterte zu sehr. Vielleicht, weil Leon ihn ziemlich in Rage versetzt hatte, vielleicht aber auch, weil dieser ihm mit einem sehr interessierten Blick zusah. Genervt seufzte er und machte zu Leon eine rotierende Bewegung mit der Hand.
 

„Dreh dich um!“
 

„Was?!“ Leon sah ihn ziemlich verblüfft an.
 

„Du sollst dich umdrehen. Ist das so schwer zu verstehen?“
 

„Nein, nicht wirklich.“ Schulterzuckend drehte Leon Adam den Rücken zu. „Aber dir ist schon klar, dass wir beide Männer sind?“
 

„Das ist es ja, was mir so Sorgen macht.“, knirschte Adam durch die Zähne.
 

„Hast du was gesagt?“
 

„Nicht so wichtig!“
 

Er schaffte es endlich aus seiner Kleidung zu kommen, schmiss sie Leon über die Schulter und eilte unter die Dusche. Erleichtert schob er die Milchglastür zu und lehnte sich gegen die Fliesen. Sein Herz schlug wie wild. Er konnte es sich nicht wirklich erklären, aber Leon machte ihm mächtig Angst. So verunsichert war er noch nie gewesen. Dabei war nichts passiert. Sie hatten geredet, mehr nicht. Aber die ganze Zeit drängten seine Instinkte ihn dazu, abzuhauen. Weg hier, nur weg. Und irgendwas anderes, irgendeine Empfindung tief in ihm, befahl ihm zu bleiben. Wenn er jetzt nur noch wissen würde, was das für eine Empfindung war. Wobei... vielleicht wollte er das gar nicht so genau wissen.
 

Während er hörte, wie Leon das Bad verließ, machte Adam das heiße Wasser an und stellte sich unter den wohltuenden Strahl. Er genoss die angenehmen Wassertropfen, die seinen geschmeidigen Körper entlang perlten und die Kälte aus seinen Knochen vertrieben. Eine wohlige Wärme hüllte ihn ein, während das Wasserrauschen seine wirren Gedanken vertrieb. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit verließ er die Dusche, wickelte sich bibbernd in das flauschige Handtuch und wartete einige Momente, bis er sich an die Zimmertemperatur gewöhnt hatte. Erst dann zog er die Hose und den Pullover an, beide ein bisschen zu groß, aber äußert bequem. Und wohlriechend. Mit einem unzufriedenen Grunzen vertrieb er den Gedanken aus seinem Kopf, während er wieder auf den Flur raustrat und sich umsah. Der frische Duft von Kaffee lag in der Luft. Er folgte ihm ins Erdgeschoss und die luxuriöse Küche, die in Rot und Schwarz gehalten war. Nun, Schwarz schien eine der Lieblingsfarben von Leon zu sein. Der, im Übrigen, gerade fröhlich pfeifend einen Kuchen in mehrere Stücke schnitt, während neben ihm die Kaffeemaschine brodelte.
 

Das unpassende Bild einer Hausfrau mit Blümchenschürze schwirrte kurz durch seinen Kopf und ließ ihn unweigerlich grinsen, bevor er schluckte und sich räusperte. Leon drehte sich zu ihm um und lächelte ihn fröhlich an. Ein umwerfendes, schwindelerregendes Lächeln.
 

„Schon fertig?“ Leons Blick wanderte zu Adams Füßen. „Du solltest wenigstens Schuhe anziehen. Warte, ich hol dir welche...“
 

Er wollte an ihm vorbei eilen, doch Adam schüttelte nur leicht den Kopf. Vielleicht war es gar nicht Leons Lächeln, dass seinen Schwindel verursachte.
 

„Nicht nötig, ich bin nicht so empfindlich.“ Er setzte sich an den Küchentisch aus schwarzem Glas und stützte seinen Kopf auf die Hände. „Was Warmes zu Trinken wäre aber schön.“
 

Leon sah ihn beunruhigt an. „Alles in Ordnung?“
 

„Klar, alles bestens.“ Aber irgendwie... seine Beine wollten ihn nicht so richtig tragen, und es war ihm leicht schummrig, aber er wollte es sich auf gar keinen Fall anmerken lassen. Dummerweise war er ganz, ganz schlecht im Lügen. Und Leons Hobby schien es zu sein, andere sehr genau zu beobachten. Dieser trat zu ihm und legte ihm eine Handfläche auf die Stirn.
 

„Du bist der reinste Backofen, Kleiner!“, meinte er und strich mit seiner Hand darüber. „Komm, leg dich ein wenig hin.“
 

„Vergiss es!“ Adam sprang resolut auf. „Bring mich lieber...“ Doch er konnte seinen Satz nicht zu Ende führen. Erschöpft und leicht keuchend verlor er das Gleichgewicht und stürzte gegen Leon. Überrascht fing er ihn auf und hielt ihn fest umklammert. Ein besorgtes Lächeln umspielte seine Lippen.
 

„Ich bring dich nirgendwo hin außer zum nächsten Bett, du kleiner Sturkopf!“
 

„Nein, schon gut...“ Aber Adam konnte Leon nichts entgegensetzten. Irgendwie tat es auch gut, seinen Kopf an diese Schultern anzulehnen. Die Augen zu schließen und sich einfach führen zu lassen. Die Hand um seine Hüfte zu spüren, die ihn stützte und festhielt. Wacklig gingen sie wieder die Treppen nach oben und in eins der Schlafzimmer. Sanft legte Leon Adam auf das Bett und breitete eine wohlig warme Decke über ihm aus. Adam atmete tief ein und zog automatisch die Decke fester um sich.
 

„Ruh dich aus. Ich ruf deine Eltern an, dass du hier bist.“
 

Adam schüttelte leicht den Kopf. „Sie sind nicht da.“
 

„Okay, dann mach ich das halt später. Ich komm gleich wieder.“
 

Er sah ihn aus halb geschlossenen Augen vorwurfsvoll an, doch es brachte nicht viel, da Leon ihn nur verschmitzt angrinste und durch die Tür verschwand. Mit einem Seufzen kuschelte er sich noch tiefer in die Kissen. Wenn er schon hier war, konnte er es sich auch gemütlich machen. Müde nahm er den Geruch war, der in der Decke und den Kissen hing. Ein herber Geruch, aber angenehm. Männlich. Irgendwie sexy. Der Geruch, den auch seine momentane Kleidung ausströmte. Der überall war. Leons Geruch.
 

Adam spürte ein leichtes Schwindelgefühl in sich aufsteigen, obwohl er im Bett lag. Ein Kribbeln breitete sich in seinem Bauch aus, zog seine Brust zusammen, setzte sich tief in ihm drinnen fest. Ein Kribbeln, das nichts mit seinem Fieber zu tun hatte. Ein Kribbeln, das er nicht kannte, nicht wollte. Und nicht wegbekommen würde.
 

„Ich hoffe, Kamillentee ist in Ordnung...“
 

Leon stutzte überrascht, als er ins Zimmer zurückkehrte, in einer Hand eine Tasse heißen Tees, in der anderen Hand eine Schale mit Keksen balancierend. Adam schlief, tief und fest. Er atmete leise und regelmäßig, nur ab und zu von einem trockenen Husten unterbrochen.
 

Mit einem Lächeln stellte er seinen Ballast auf der kleinen Kommode neben dem Bett ab und setzte sich neben seinen schlafenden Gast. Sanft strich er ihm ein paar Strähnen aus der Stirn und legte ihm seine kühle Hand auf die Wange. Ein zufriedenes Stöhnen entwich Adams leicht geöffnetem Mund. Leon fuhr mit seinen Fingerspitzen weiter nach unten, über die langen geschmeidigen Wimpern, seine zartroten weichen Lippen, die fiebergeröteten Wangenknochen. Er nahm eine der schwarzen glänzenden Haarsträhnen zwischen die Finger und drückte einen zärtlichen Kuss drauf, während ein wehmütiges Lächeln seine Lippen umspielte.
 

„Wunderschön!“, flüsterte er leise, nah an seinem Ohr, und hauchte ihm einen Kuss auf das Ohrläppchen. „Ich will dich.“
 

Mit einem tiefen Seufzen richtete er sich wieder auf und ließ noch für einen Moment seinen Blick auf Adam ruhen. Seine Gesichtszüge hatten sich im Schlaf entspannt, nicht der Hauch der Ablehnung und der Unsicherheit, die er sonst Leon entgegen brachte. Nur das Antlitz eines friedlich schlafenden Engels. Für einen Augenblick wurden Leons Augen hart.
 

„Ich krieg dich. Später. Jetzt werde erstmal gesund.“
 

Er strich noch ein Mal sanft über Adams Wangenknochen, bevor er aufstand und leise das Zimmer verließ. Und sich mit einem undefinierbaren Lächeln in sein Atelier begab.



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