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Goldblumen und Tausendschön

von

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Goldblumen und Tausendschön

Es war früher Morgen in Askr. Nebel hatte das Gras mit einer feinen, glänzenden Schicht überzogen und die Trainingsgründe waren entsprechend leer. Prinz Ephraim wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er mochte diese Zeit des Tages.

Später, wenn alle Krieger hierher stürmten, würde es auf dem Trainingsfeld fast wie in einer echten Schlacht sein. Ein Schritt zu weit nach links und man musste sich unter einem Pfeil ducken, ein Schritt zu weit nach rechts und da war eine Axt im Weg. Keine gute Voraussetzung um neue Schritte zu üben, oder sich auf die Anzahl der Löcher in seinem Trainingsdummy zu konzentrieren.

Jetzt war das noch kein Problem. Hier waren nur er, sein Dummy und ein Schwertkämpfer, der einige Meter weiter seine Übungen absolvierte.

 

Ephraim atmete tief durch, dann ließ er den Blick probeweise zu seinem Mitstreiter gleiten. Der hatte ganze Arbeit geleistet. Sein Trainingsdummy hing völlig schief auf seiner Stange. An einer Stelle quoll sogar schon das Stroh heraus und immer noch machte er keinerlei Anstalten von der Puppe abzulassen.

 

Sein Schwert sauste durch die Luft als hätte er das Training gerade erst begonnen. Er drehte sich, kam von der Seite, nur um im letzten Moment noch einmal die Richtung zu wechseln und völlig überraschend von oben auf die Puppe einzuhacken. Es krachte heftig und der Dummy brach in sich zusammen. Der Schwertkämpfer ließ seine Waffe sinken, dann sah er auf und ihre Blicke trafen sich.

 

Für einen Moment guckten sie einander an.

Er überrascht, dass er beobachtet worden war und Ephraim überrascht davon, dass sein Mitstreiter neben Kraft und Ausdauer auch noch über Technik verfügte. Es war eine seltsame Situation. Ungewohnt, unangenehm und doch -

In Ephraim brodelte es. Vielleicht sollte er ihn um ein Duell bitten und ausprobieren, ob er diese Schläge blocken konnte, oder ob sein Gegenüber einen Weg kannte, sich gegen seinen Speer zu behaupten. Langsam öffnete er den Mund -

 

„CHROM!“

 

Ephraim zuckte zusammen. Ein kleiner, gelb-brauner Ball huschte an ihm vorbei und warf sich seinem Gegenüber an den Hals. Chrom wirbelte ihn eine Runde herum, dann setzte er ihn wieder

ab.

 

„Du musst mir helfen!“, forderte das Mädchen, die blonden Haare wild in alle Richtungen stehend, „Es ist eine Katastrophe!“

 

„Was ist eine Katastrophe, Lissa?“

 

Das Mädchen tanzte auf der Stelle herum. Offensichtlich war es sehr aufgeregt.

„Meine Goldblumensalbe! Sie ist alle! Und ohne Goldblumensalbe kann ich Blutungen nicht mehr so schnell stoppen. Du weißt, wie wichtig das ist! Ich habe es schon Sharena erzählt, aber sie meint, sie kennt keine Blume mit dem Namen. Bitte, du musst mir helfen hier Goldblumen zu finden.“

 

Chrom nickte.

„Natürlich helfe ich dir“, stimmte er zu und das Mädchen begann prompt zu strahlen.

 

„Oh danke, danke, danke! Wenn jemand hier Goldblumen finden kann, dann bist das du.“

Chrom grinste, während Ephraim nachzudenken begann. Er kannte keine Goldblume, aber das musste nicht zwingend etwas heißen. Er hatte sich noch nie besonders dafür interessiert, was die Natur so hervorbrachte. Trotzdem -

 

„Ich möchte helfen“, platzte er heraus und erntete prompt einen Quietscher dafür.

 

„Oh, danke! Danke! Äh... Wer bist du?“, fragte das Mädchen und brachte so auch ihn zum lächeln.

 

„Ich bin Ephraim. Und du kannst dir sicher sein, wir werden deine Blume finden.“

 

Sie klatschte in die Hände. „Das ist wundervoll! Ihr seid die allerbesten. Danke Chrom! Danke Ephraim! Ich verlasse mich auf euch.“ Einen Moment noch wirbelte die Kleine fröhlich um sie herum, dann war sie auch schon im nächsten Busch verschwunden.

 

Chrom schenkte ihm einen langen Blick. „Nun, Ephraim, dann fangen wir wohl mal an zu suchen.“

 
 

🏵🏵🏵🏵

   

„Ist das eine Goldblume?“, fragte Ephraim und drehte eine kleine, gelbe Blüte zwischen seinen Fingerspitzen.

 

„Nein, das ist Hornklee“, entgegnete Chrom, „Damit kannst du Schnecken töten. Die mögen diese Blumen nicht.“

 

Ephraim musterte seinen Fund. Sonderlich gefährlich sah das Blümchen nicht aus, aber wenn es Schnecken umbringen konnte, war wohl mehr an ihm dran, als es den Anschein hatte. Nachdenklich strich er über die Blütenblätter. Sie waren klein, gelb und verschlungen. Ein wenig wie ein Schmetterling, aber leider kein bisschen wie die Goldblume, die sie suchten.

Eilig ließ er die Blüte sinken und beeilte sich Chrom zu folgen, der inzwischen ein wenig weiter gegangen war. Links und rechts von ihm blühten große, rote Blumen und bildeten einen spannenden Kontrast zu seinem weißen Umhang.

 

Ein süßlicher Geruch lag in der Luft. Vielleicht von den Blumen, vielleicht aber auch von etwas anderem. Ephraim räusperte sich. „Ist es vielleicht die da?“, fragte er und deutete auf ein anderes, dottergelbes Gewächs.

 

Chrom schüttelte den Kopf. „Das ist eine Nachtkerze“, erklärte er. „Wenn du sie findest, bevor sie zu blühen beginnt, kannst du ihre Wurzeln essen.“

 

Ephraim runzelte die Stirn. „Bevor sie zu blühen beginnt, sieht sie doch genauso aus wie alle anderen Pflanzen hier.“

 

„Zugegeben“, räumte Chrom ein, „Es ist nicht ganz einfach, aber es gibt schon Dinge, an denen man sie erkennen kann. Da ist die Form der Blätter, ihre Farbe, der Geruch … Pflanzen sind sehr unterschiedlich, auch wenn es oft erst einmal einen anderen Anschein hat.“

 

Neugierig trat Ephraim auf die Pflanze zu. Sie war ziemlich hoch, irgendwie krautig und die untersten Blätter lagen strahlenförmig auf dem Boden.

„Du kennst dich ziemlich gut mit solchen Dingen aus“, stellte er fest, während er versuchte, sich die Details einzuprägen. Das war schwierig, denn genauso wenig wie er ein Mann für Pflanzen war, war er einer für Details. Zumindest nicht für solche.

 

Chrom stellte sich neben ihn. „Das wirkt alles nach viel mehr als es eigentlich ist“, gestand er, „In Wahrheit kenne ich die ganzen Pflanzen nur, weil Lissa sie mir irgendwann gezeigt hat. Weißt du, die Samen von der hier geben ein gutes Mittel gegen Husten ab. Lissa wird sich freuen zu hören, dass man sie hier finden kann.“

 

Ephraim nickte. „Deine Schwester scheint eine gute Heilerin zu sein.“

 

„Sie ist die Beste.“
 

 

🏵🏵🏵🏵

   

„Magst du was von meinem Huhn?“ fragte er und reichte Chrom seinen Proviantbeutel, den der Andere strahlend entgegennahm.

 

„Danke, ich habe einen Bärenhunger“, verkündete er und begann darin herumzuwühlen. Es dauerte einen Augenblick, dann hatte er einen Schenkel gefunden, den er glücklich hervorzog. Ephraim erlaubte sich ein Lächeln.
 

Es ging ihm ähnlich. Sie waren mehrere Stunden über die Wiesen gelaufen und hatten sowohl das Frühstück als auch das Mittagessen verpasst. Kein Wunder also, dass ihr Magen knurrte.

 

Trotzdem war das Ergebnis ihrer Suche ein wenig deprimierend. Hier und da hatten sie zwar eine Heilpflanze gefunden, die Chrom sorgsam ausgegraben und in seinen Korb gelegt hatte, doch die versprochene Goldblume war immer noch nicht dabei gewesen.

 

„Denkst du wir werden die Blume noch finden?“, fragte Ephraim, bevor er in sein Hühnchen biss.

 

Auch Chrom kaute erst einmal. „Ich hoffe“, murmelte er dann, „Lissa wäre enttäuscht, wenn ich sie nicht auftreiben könnte.“

 

„Deine Schwester sollte nicht enttäuscht sein müssen.“

 

Für einen Moment kauten sie Beide schweigend, dann hob Chrom erneut den Blick. „Es ist sehr nett, dass du mir hilfst“, stellte er unvermittelt fest.

 

Ephraim schluckte seinen Bissen herunter. Wenn er ehrlich war, hatte er nicht den Eindruck eine große Hilfe zu sein. Er kannte die Pflanzen nicht, die hier wuchsen und obwohl Chrom sich bemüht hatte, ihm die Goldblume zu beschreiben, kam er nicht umhin, daran zu zweifeln, dass er sie erkennen würde, würde er sie sehen. Das machte ihn zu totem Ballast, einem Begleiter, der nichts taugte und der nichts zum Erfolg der Mission beitrug. - Ein Punkt, der ihm missfiel.

 

„Ephraim?“, fragte Chrom zwischen zwei weiteren Bissen.

 

Missmutig hob er den Kopf.

 

„Du siehst verstimmt aus.“

 

Er seufzte ertappt. „Vielleicht, weil ich das bin.“

 

Chrom ließ sein Hühnchen sinken. „Habe ich was falsch gemacht?“

 

„Nein, aber ich. Es tut mir leid, dass ich dir nicht wirklich helfen kann.“

 

Für einen Moment sah Chrom ihn an, dann schüttelte er den Kopf. „Du hilfst doch“, stellte er fest, „Sehr sogar. Du hast mir die Nachtkerze gezeigt. Und das Hühnchen!“

 

Ephraim musterte den angebissenen Schenkel, dann begann er wie von selbst zu lächeln. „Das Hühnchen zählt mehr, oder?“

 

„Nur weil ich gerade Hunger hab.“

 
 

🏵🏵🏵🏵

    

Irgendjemand hatte mal gesagt, dass mit vollem Magen alles besser ging. Für die Suche nach Goldblumen galt das aber offensichtlich nicht. Obwohl das Hühnchen längst gegessen war, bekam Ephraim es einfach nicht mehr aus dem Kopf und das hatte eindeutig mit seiner Begleitung zu tun.

 

Chrom marschierte über die Wiese, als hätte er noch nie etwas anderes getan. Die Sonne schien auf seine Haut, der Saum seines Umhangs glitt über die Pflanzen hinweg und sein Lächeln erhellte die ganze Umgebung.

 

Das sich so Jemand so über ein Stück Huhn freuen konnte...

 

Ephraim blickte sich um.

 

Neben ihm streckte ein Löwenzahn sein zottiges Köpfchen in die Luft. Ein Stück weiter blühte ein Hahnenfuß. Er war fasziniert, dass er all diese Pflanzen inzwischen erkannte. Gestern noch wären sie „gelbe Blume“ und „zottige, gelbe Blume“ gewesen.

Scheinbar sackten Chroms Erklärungen langsam ein. Er erkannte die feinen Unterschiede von denen er gesprochen hatte und auch von den Nutzungsmöglichkeiten waren die einen oder anderen hängen geblieben.

Nachtkerzen konnte man essen, Löwenzahn ebenso. Hornklee half gegen Schnecken und – Ein kleiner, leuchtend weißer Fleck erregte seine Aufmerksamkeit. Dort, gleich neben dem Löwenzahn. Ephraim kniete sich auf die Wiese und strich das Gras fort.

 

„Was hast du da?“

Neugierig trat Chrom näher und beobachtete sein Tun.

 

Ephraim streckte die Finger nach dem Blümchen aus. „Das ist ein Tausendschön.“

Vorsichtig strich er durch die weißen Blättchen. „Als ich klein war, hat Eirika daraus Kronen geflochten. Sie wachsen in Renais überall.“

 

Chrom kniete sich neben ihn. „Ich kenne diese Blume nicht.“

 

„Man kann Tee aus ihr machen. Er hilft gegen Entzündungen und -“

 

Chrom legte den Kopf schief. „Und?“

 

Ephraim seufzte. „Es ist nur ein albernes Orakelspiel“, erklärte er, „Du weißt schon, du nimmst die Blume und zupfst die Blätter ab und dann sagt sie dir, ob dich das Mädchen mag.“

 

„Und? Mag sie dich?“

 

Ephraim blickte auf. „Ich weiß es nicht. Aber ich habe auch kein Bedürfnis nach so etwas zu fragen.“

 

Chrom schenkte ihm ein Lächeln. „Nach was würdest du denn fragen?“

 

„Im Moment?“

 

Sein Gegenüber nickte und Ephraim begann zu überlegen. Wenn er jetzt eine Frage stellen könnte, welche wäre das wohl? Es musste etwas besonderes sein. Etwas, was ihn interessierte und beschäftigte. Etwas, worauf er die Antwort wirklich wissen wollte.

 

Langsam öffnete er den Mund: „Trainierst du morgen früh mit mir?“
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Arcturus
2017-10-15T14:51:21+00:00 15.10.2017 16:51
Warum nur spüre ich da mehr Taktik in Ephraims letzter Frage, als Chrom wahrscheinlich bemerken wird? x'D
 
Ich finde es ja ein wenig komisch, dass Chrom Ahnung von Blumen hat. Offenbar hat Lissa da mehr Einfluss auf ihn, als ich annahm. Normalerweise sehe ich ihn da nur versehentlich was kaputt trampeln oder zerschneiden. Vor allem zerschneiden. x'D
 
Jedenfalls, danke für die Fic. Die beiden Dumpfnasen sind knuffig wie immer. ♥
Antwort von:  _Delacroix_
15.10.2017 16:52
Macht die dauerhafte Nähe zu dem Grünzeug. Aber ich wette kaputt trampeln kann er auch. XD
Antwort von: Arcturus
15.10.2017 16:53
Lissa wird sauer sein, wenn er auf ihre Ringelblumen latscht, statt sie zu finden. x'D
Antwort von:  _Delacroix_
15.10.2017 17:00
Was Lissa nicht weiß, macht sie nicht heiß^^


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