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Clary, der teuflische Engel 2 - Das Erwachen

Die Zeit ist reif
von

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Dunkelheit

Jace stand ihr gegenüber und zerteilte die einzelne schmale Kette zwischen ihren Handgelenken mit seinem Schwert. »Die Ketten um deine Hände kann ich leider nicht zertrennen, die sind zu massiv.«

Er sah daraufhin an ihr herunter und bemerkte, dass sie keinerlei Schuhwerk trug. »Soll ich dir meine Stiefel geben?«

Bethany schüttelte den Kopf und sah sich verzweifelt um. Jace erkannte sofort, dass sie innerlich zerrüttet war und dass sie krampfhaft irgendetwas zu verstecken versuchte. Er konnte sich jedoch noch keinen Reim daraus machen.

»Wie alt bist du eigentlich?«, fragte er sie zunächst erst einmal, denn er konnte selbst das nicht einschätzen.

Bethany sah ihn überrumpelt an.

»18«, log sie unwillkürlich und schaute zur Seite weg.

Jace nickte und überlegte. »Weißt du denn, wo deine Eltern sind? Du lebst doch bestimmt noch bei ihnen, oder nicht? Entschuldige, dass ich so viel frage, aber ich möchte dir wirklich nur helfen.«

Bethany seufzte leise auf und beinahe stimmlos antwortete sie: »Ich weiß nicht, wo sie gerade sind, ich weiß nichtmal, wo ich gerade bin. Ich war noch nie in dieser Stadt.«

»Oh!«, reagierte Jace und vermutete in ihr eine umherreisende Touristin, »du bist in New York. In welchem Hotel seid ihr denn?«

»Hotel?«, fragte Bethany überrascht, »was sollten wir denn da?«

Jace erhob eine Augenbraue, diese Antwort hatte er nicht erwartet. Bethany erschien ihm äußerst mysteriös. Sie wurde mit magischen Ketten gefesselt, sie schien von vielem nicht die leiseste Ahnung zu haben und vermisste ihre Eltern. Vielleicht war sie auch nur einzig verrückt? Oder er selbst? Jaces Gedanken hüpften so sehr umher, dass er letztendlich den Kopf schüttelte, um sie wegzublasen.

»Weißt du denn, welches Restaurant es war, wo ihr gegessen habt?«

Bethany sah ihn mit so großen Augen an, dass er von sich aus schon abwinkte. Jace erkannte, dass jedwede weitere Frage nutzlos war. Er seufzte erschöpft von der Fragerei auf, ging hinüber zu einer der beiden Leichen und hielt seine Füße an deren Schuhwerk. Sie passten, also zog er sich seine Stiefel aus, streifte sich die Schuhe des Toten über und hielt seine dahingehend Bethany hin.

»Hier, damit du dir nicht wehtust.«

»Oh, äh, vielen Dank«, reagierte sie höflich, setzte sich auf den Boden, wie es Kinder nun einmal so selbstverständlich taten, und zog sich Jaces Stiefel an. Natürlich waren sie deutlich zu groß, aber es war besser als nichts.

Jace verkniff sich ein Lächeln, denn ihm wurde schlagartig klar, dass sie definitiv keine 18 war, es entsprach einfach nicht ihrem Verhalten. Doch er machte sich, so merkwürdig, wie er es auch fand, Sorgen um ihr Wohlergehen. Somit ließ er sie in dem Glauben, dass er ihr das abgenommen hatte.

Wackelig stand Bethany wieder auf und fragte ihn geradewegs heraus: »Und was jetzt? Wer waren eigentlich die Männer?«

Jace musste nun doch schief grinsen und klärte Bethany auf. »Ich würde sagen, wir gehen jetzt erstmal hier weg, sonst kommen die vielleicht nochmal hierhin. Die waren nämlich Schattenweltler und Schwarzmarkthändler. Sie hatten wohl etwas Größeres mit dir vor, aber das geht mich nichts an. Also keine Sorge, ich werde nicht versuchen, dich auszuquetschen. In Ordnung?«

Bethany nickte zaghaft. Dieser fremde Mann verhielt sich sonderbar. Normalerweise vertraute sie sich auf ihren siebten Sinn, aber diese dämlichen Handschellen störten ihre magische Fähigkeiten. Und die schwächliche Restkraft brauchte sie für das Verstecken ihrer Flügel auf. Ihre weißen Runen wurden zum Glück von ihrer Jacke, Top und Hose verdeckt. So fühlte sie sich nahezu verloren. Sie war bei diesem jungen Mann gestrandet und er erschien ihr zweifellos gutmütig, jedoch schien er auch etwas vor ihr zu verbergen. Sie wusste schlichtweg nicht, ob sie ihm vertrauen sollte. Sie musterte ihn schließlich eindringlich. Er trug eine schwarze Hose, ein weißes, langärmeliges T-Shirt und darüber eine ebenso tiefschwarze Lederjacke. Er lief sichtbar offen mit diesem Schwert herum und doch schien auch er Magie zu besitzen, denn er hatte diese Wesen und sie bemerkt. Sie konnte ihn einfach nicht einschätzen und das bekümmerte sie umso mehr.

Jace sah sie an und zuckte schließlich mit den Schultern. »Ich kann dir anbieten, bis es vielleicht Tag ist, bei mir zu nächtigen? Keine Sorge, ich werde auf dem Stuhl schlafen. Oder auf dem Boden. Aber ich denke, du willst bestimmt nicht zur Polizei?«

Bethany wusste keinen Rat mehr und das spiegelte sich in ihrer Mimik wieder. Sie holte dennoch einmal tief Luft und überlegte, was ihr Vater nun in dieser Situation bloß täte. Ein Seufzen entfuhr ihr darüber wieder. Denn ihr Vater wäre niemals in solche Umstände hineingeraten. Sie spürte, wie sie ihn und ihre Mutter herbeisehnte, und versuchte krampfhaft nicht loszuweinen.
 

Jace wartete geduldig ab. Er wusste schließlich, in welcher Notlage sie sich befand. Er verstand zwar nicht ihr geheimnisvolles Auftreten, doch er beließ es dabei.

»Soll ich vor dir gehen?«, fragte er sie nun, »Ah, Moment, ich habe eine Idee!«

Jace kramte in seiner Jackentasche einen kleinen Dolch hervor, drehte die Klinge herum und hielt Bethany das Heft hin. »Hier! Damit fühlst du dich vielleicht wohler?«

Bethany nahm es dankbar an. Sie sah, dass ein geschwungenes ‚J‘ und ein ebenso verzierendes ‚F‘ eingraviert waren. »Wofür stehen die Buchstaben? Jace Fffff... ?«

Jace wandte sich mit einem verschreckten Gesichtszug zu ihr um. »Nein, das Ding gehörte der Mutter einer ehemaligen Freundin von mir. Sie hatte es mir einst mal gegeben.«

»Ah, es ist auf jeden Fall hübsch!«, erwiderte Bethany nett lächelnd.

Doch weiter führte Jace es schweren Herzens nicht aus und achtete nichtmal auf Bethanys liebevoller Mimik. Gedankenverloren lief er einfach vor und sah nur kurz hinter sich, ob Bethany ihm folgte. Sie tat es, wenngleich auch mit einem gehörigen Sicherheitsabstand und einem fragenden Stirnrunzeln. Sie hatte sich den Dolch in einen Stiefel gesteckt und atmete einmal tief ein, nachdem sie sich auf den Weg gemacht hatte.
 

Kurze Zeit später erreichten sie eine schmale Gasse, in deren Mitte eine Feuerleiter heruntergelassen war. Jace blieb abrupt stehen und Bethany wäre fast in ihn hineingelaufen. Sie dachte die gesamte Zeit über ihren mysteriösen Retter nach. Und sie beobachtete ihn ganz genau. Jedwede Bewegung erfasste sie. Außer, dass er stehenblieb und sie dadurch ins Stolpern geriet.

»Entschuldige!«, reagierte sie sofort, »ich habe nur zuviel nachgedacht.«

»Ist nicht schlimm, ich glaube aber, ich hatte zuhause Besuch. Verbleib mal bitte hier unten.«

Jace zog die Leiter hinunter und kletterte bis zur zweiten Etage hinauf. Die Fenster zu seiner Wohnung waren zersplittert und die weiß-schwarz gemusterten Gardinen wehten hinaus. Er lugte herum und erkannte die Lage. Er hatte eindeutig Besucher da gehabt.

Vorsichtig stieg er wieder hinab und seufzte tief. »Ich glaube, wir müssen noch ein gutes Stück weiter. Meine gesamte Bude wurde auf den Kopf gestellt. Aber keine Angst, ich kenne hier jemanden. Der wird uns bestimmt für eine Nacht übernachten lassen.«

Achselzuckend betrachtete Bethany ihn, woraufhin Jace versuchte ihr mittels eines Lächelns Hoffnung zu geben. Doch ihre Ausdruckslosigkeit zeigte ihm, dass es hoffnungslos war.

So ging er weiter und wurde von seinem weiblichen Schatten verfolgt. Immerhin verkürzte sich der Abstand zwischen ihnen ein wenig. Dies stimmte ihn zumindest ein wenig zuversichtlicher.
 

Einige Straßenblocks später erreichten sie ein Hochhaus. Eine große Party schien dort zu laufen.

Bethany beobachtete die jungen Leute, die ihre roten Plastikbecher hielten. Ein Mädchen lachte laut auf und mit ihr intonierten zwei bis drei Jungs, die sich um sie versammelten. Man brauchte kein Todesengel zu sein, um zu verstehen, dass sie es nur taten, um sie zu erobern. Jace nickte selbstbewusst einem der breitschultrigen Männer, der eine Football-Jacke trug, zu und ging hinein. Bei Bethany hingegen erhob jener die Hand knapp vor ihrer Brust und blickte auf ihre Handgelenke.

»Was hast du denn da?«, fragte er sie argwöhnisch.

»Das ist die neue Mode«, antwortete sie schnippisch.

Jace grinste schief, ihm gefiel ihre freche Art. Für einen kurzen Moment musste er an Clary dabei denken. Doch schnell verwarf er wieder diesen Gedanken. Zuviel Schmerzen bereitete ihm diese Erinnerung.

»Lass sie einfach durch, das ist schon in Ordnung«, äußerte er schließlich wie selbstverständlich.

Bethany lächelte den jungen Mann höflich an und passierte ihn, während dieser Jace unsicher anblickte.
 

»Kennst du ihn?«, fragte sie Jace, als sie den Fahrstuhl betraten und er den Knopf für die 24. Etage betätigte.

Nachdem die Türen sich geschlossen hatten, antwortete er: »Nein, aber manchmal hilft es allein, hart und bestimmend zu erklingen. Dann sind die Menschen verunsichert und tun alles, um bloß nicht in einen Kampf zu geraten.«

»Hm, das sagt mein Vater auch immer«, grübelte Bethany laut, »aber ich denke, bei ihm hilft auch seine imposante Erscheinung.«

»Klingt nach einem interessanten Mann. Ähnlich interessant, wie du es bist.«

Bethany sah beschämt zu Boden und selbst Jace bemerkte, dass der Satz komplett falsch aufgefasst werden konnte. Beschwichtigend erhob seine Hände.

»Ich, äh, meinte das nicht so. Ich meinte es wirklich nur wegen deiner magischen Fesseln. Immerhin scheinst du ja den Schattenweltlern wichtig zu sein.«

Das Klingeln des Fahrstuhls ertönte und unterbrach die peinliche Unterhaltung. Bethany seufzte erleichtert auf, trat zielstrebig heraus und bog nach links in den Flur ab.

»Ähm«, Jace blieb in der Mitte stehen und sah ihr grinsend hinterher, »wir müssen rechts entlang.«

Beinahe unwillentlich drehte sie sich wieder um und folgte ihm gezwungenermaßen.

Jace klopfte schließlich an einer Tür an und wartete. Aufgeregt stand Bethany daneben, voller Erwartung, wer sich wohl dahinter verbarg.

Ein schlanker, junger Mann, der eine Brille, ein bedrucktes T-Shirt und eine blaue Jogginghose trug, öffnete die Wohnungstür und schaute Jace überrascht an.

»Hey! Mit dir habe ich ja gar nicht gerechnet. Das ist aber mal eine coole Überraschung. Komm rein!«

Jace ließ es sich nicht zweimal sagen. Vorsichtig folgte Bethany ihm und sah sich um. Zwei schmale Betten, zwei Schreibtische mit passenden Drehstühlen, zwei Kleiderschränke und zwei kleine Regale fand sie vor. Allerdings war nur die eine Seite des Raumes häuslich eingerichtet. An den Wänden hingen kreuz und quer zahlreiche Poster, deren Inhalte Bethany nicht einzuordnen wusste.

Der junge Mann beobachtete erst Jace, der sich direkt auf einen Stuhl pflanzte. Dann verfolgten seine Augen Bethany, und als sie sich ihm zuwendete, hielt er ihr höflich die Hand zur Begrüßung hin.

Als sie ihm ihre reichte, sagte er lächelnd: »Hi, ich bin Simon!«
 

Sebastian schrie vor Wut, vor allem über sich selbst, dass er den blauen Van so knapp verpasst hatte. Clary saß mit angewinkelten Beinen auf dem Boden und vergoss elendiglich ihre Tränen. Plötzlich landete Uriel bei ihnen und sein Gesicht wirkte aufgewühlt und schmerzverzerrt. In seinen Händen trug er Clarys und Sebastians Rüstungen. Er überreichte Eine zunächst stillschweigend Sebastian, der sofort sich daran machte, sich umzuziehen. Daraufhin ging Uriel vorsichtig und einfühlsam auf Clary zu und kniete sich zu ihr.

»Es tut mir leid, meine Teuerste, ich habe sie nicht beschützen können. Dabei war es seit jeher meine Aufgabe.« Er verneigte voller Demut sein Haupt vor ihr.

Clary schüttelte den Kopf. »Es ist nicht deine Schuld. Ich muss mir die Schuld geben. Sie war noch nicht dazu bereit. Und ich kann sie nicht mehr orten. Irgendetwas Schlimmes ist vorgefallen.«

Uriel erhob seinen Kopf wieder und blickte sie traurig an. »Ich vermute, dass man ihr magische Fesseln angelegt hat. Denn Gleiches wurde bei Gabriel getan. So können wir sie nicht finden. Oder bei ihr ist jemand, der nicht gefunden werden will. Diese Kraft allein reicht ebenfalls aus um sich vor unsereins zu verstecken.«

»Aber doch nur, wenn dieser jemand mächtig genug ist. Darum habe ich ja so viel Angst um meinen kleinen Engel. Wer weiß, was ihr gerade angetan wird.«

»Niemand wird ihr etwas antun, Liebes«, zischte Sebastian, der nun bei ihnen stand, »das würde niemand wagen, an meinem Schatz Hand anzulegen. Jeder müsste wissen, dass meine Rache dann umso fürchterlicher ist.«

Dennoch kniete er sich nun zu Clary und nahm sie beschützend in den Arm.

Mit einer deutlich liebevolleren Stimme versuchte er, ihre Tränen zu trocknen. »Gemeinsam werden wir unsere Tochter retten. Verlass dich darauf! Gemeinsam haben wir so viel erreicht, dann wird das hier ein Spaziergang werden.«

Er küsste ihre Stirn und drückte sie fest an sich. Zusätzlich umarmte er sie mit seinen Flügeln und herzte sie.

Mit einem gequälten Lächeln bedankte sie sich bei ihm und stand mit wackeligen Beinen auf.

Als sie sich allmählich das wundervolle Kleid auszog, drehte sich Uriel höflichst weg, während Sebastian als Sichtschutz seine Schwingen um sie legte.

Mit zittrigen Händen legte sie sich ihre schwarz-silbrige Todesengel-Rüstung an und an ihrer Hüfte steckte sie ihr Schwert hinein. Sebastian trug seines hingegen auf dem Rücken zwischen den Flügeln und Schulterblättern.

»Was hast du zuletzt gesehen?«, fragte Clary Uriel.

»Der Wagen wurde später wieder für uns sichtbar. Er steht in der Nähe des Hotels Dumort. Er scheint jedoch leer zu sein.«

Sebastian sah ihn aufgebracht an. »Wirklich? Dort? Der Ort ist doch längst schon von den Vampiren verlassen, seit Clary und ich unserem Schicksal nachgehen!«

Clary sah ihn dennoch hoffnungsvoll an. »Lass es uns herausfinden, es ist unsere einzige Spur!«

Sebastian bejahte es tonlos und schwang sich in die Lüfte. Wut, Hass und Trauer nagten an ihm. Clary bemerkte es und seufzte. »Ich hoffe, ich verliere nicht an einem Abend beide.«

Uriel schüttelte beschwichtigend den Kopf. »Er verarbeitet es lediglich anders als du. Ihm wurde so viel Schmerz in der Vergangenheit auferlegt. Und nun wurde ihm eines seiner beiden teuersten Schätze geraubt. Diesen Schmerz will er nicht noch einmal erfahren. Flieg einfach mit ihm, Clary. Er wird deine Liebe mehr denn je benötigen.«

Clarys Augen verrieten, dass sie Uriel zustimmte, und mit nur wenigen Flügelschlägen hob sie in den Himmel ab. Sebastian stand in der Luft und wartete schon. Doch er versuchte sich zu gedulden. Er spürte Clarys Angst, er spürte seine eigene, und gerade deshalb war er so aufgebracht. Er wollte keine Furcht zeigen, doch die Entführung Bethanys zeigte ihm auf, dass auch er verletzlich war. Und das missfiel ihm drastisch.
 

Sie landeten nach wenigen Minuten lautlos auf dem Dach des Hotels. Der Eingang war mit Holz von außen verbarrikadiert worden. Es schien wirklich jemand wieder an diesem verwunschenen Ort zu sein. Sebastian und Clary setzten sich ihre dunklen Kapuzen auf. Nur einzelne rote Strähnchen verrieten Clarys Antlitz dahinter, während Sebastians Erscheinungsbild komplett im Dunkeln lag.

Die mächtigen Rüstungen und die weich wehenden düsteren Umhänge wirkten bedrohlich und unheilvoll. Sebastian zog sein Schwert und ließ es entflammen. Knisternde Funken sprühten, als er mit wenigen Hieben das Holz von der Tür herunterriss. Mit einem schweren Quietschen zog er die freigelegte Metalltür auf und trat ins dunkle Treppenhaus. Trotz allem konnte er in dieser Finsternis bestens sehen. So wie einst in den Katakomben vom Mausoleum in Idris. Auch Clary war bewandert in dieser Fähigkeit und lief ihm zielstrebig auf leisen Sohlen hinterher. Ihre schwarzen Flügel hatten sie eingeklappt, damit sie durch die Flure passten. Doch auch auf dieser Art und Weise war ihr Erscheinungsbild furchteinflößend, und auch so erreichten sie bei den Sündern die grauenvollsten Angstgefühle.

Sie gelangten auf die Etage, wo einst die zahlreichen Penthouse-Suits eingerichtet waren. Dort horchten sie auf, flüsternde Stimmen drangen aus einem der Zimmer.

Sebastian deutete auf die Tür in der Mitte des Flures hin und so blieb Clary angespannt vor jener Zimmertür stehen. Währenddessen kletterte er aus einem der zerstörten Fensterrahmen ins Freie hinaus und schwebte mit wenigen leisen Flügelschlägen zum gegenüberliegenden Fenster. Er ließ die Flammen seines Schwerts ersticken und landete auf dem Balkon. Er erkannte zwei Männer, die auf Sesseln saßen und sich auf einem kleinen Fernseher mittels einer Zimmerantenne das Abendprogramm anschauten. Auf dem Bett liegend sah er zwei Strumpfmasken liegen, genau die gleichen, die er durch die Fensterscheiben des Vans ausmachen konnte. Voller Wut konnte er sich nicht länger halten und brach tobend durch die Balkontür herein. Sein Schwert und seine Rüstung ging in lodernde Flammen auf. Die Männer sprangen voller Panik auf und rannten zur Zimmertür. Doch bevor sie diese erreichten, trat Clary seelenruhig durch diese hindurch und erhob ihre hellglühende Klinge. Die Verdächtigen liefen umher und suchten verzweifelt nach einem Ausweg, bis sie voller Furcht erkannten, dass es keinen gab.

Einer der beiden kniete sich schließlich hin und bettelte zitternd um Vergebung. Der Andere presste sich an eine Wand und schloss die Augenlider. Sebastian beobachtete beide und trat auf den am Boden sitzenden heran.

»Wer bist du?«, grollte er und ließ die Flammen seiner Rüstung ersticken, während Clary ihr Schwert an die Kehle des Zweiten drückte, damit dieser die Gunst der Stunde nicht ausnutzte, um vielleicht zu fliehen.

»Jason«, stotterte er, »ich, ich wurde nur dazu befehligt, ich, es war nicht meine Idee.«

»Wessen Idee war es, wer hat dir den Befehl gegeben?«, reagierte Sebastian ungezügelt und neigte sich tief zu ihm hinunter.

Jason sah in die Kapuze und konnte trotz seiner vampirischen Sehkräfte außer tiefste Finsternis darin nichts erkennen. Die Furcht stieg ins Unermessliche und Tränen liefen seinen Wangen hinab.

»Sprich!«, schrie plötzlich Clary laut und ungehalten hinüber.

Sie ergriff den Kragen des zweiten Vampirs und schleuderte ihn neben Jason zu Boden. Erschrocken riss dieser die Augen wieder auf und erblickte Sebastians Schwertspitze direkt über seinem Gesicht hängen.

Das Weiße seiner Augen war nun deutlich sichtbar und er versuchte sich krampfhaft zu beruhigen.

Doch Sebastian ließ eine einzelne Feuerspitze entfachen und so polterte der am bodenliegenden Mann los: »Wir wissen nicht, wer der Auftraggeber ist. Unser Clan-Führer hat uns nur dorthin geschickt. Unser Clan-Führer wurde aber von dem Auftraggeber getötet. Wir sollten nur zwei Händlern dieses Mädchen überreichen. Es waren Hexenmeister. Sie hatten irgendetwas mit ihr vor. Doch dann kam zufällig ein Schattenjäger vorbei und hat den Austausch gestört.«

»Schattenjäger existieren nicht mehr! Wir verbannen sie!«, reagierte Sebastian scharf.

Jason stotterte: »Aber er trug Runen, ich habe sie gesehen, als er mit seiner Klinge ausholte, rutschte ihm sein Shirt hoch!«

»Kanntet ihr ihn?«, fragte Clary mit einer tiefen Ruhe in ihrer Stimme.

Jason und der andere Vampir schüttelten die Köpfe. »Wir hatten zuvor nie wirklich viel Kontakt mit ihnen. Wir gehörten nicht zu Raphaels Clan.«

»Ihr wart zu viert«, setzte Sebastian an, »wo sind die anderen beiden?«

»Sie sind zu der Untergrund-Disco!«, stotterte der Namenslose.

»Marc!«, rief Jason erschrocken, »verrate ihnen doch nicht alles! Sie werden uns doch so oder so in die Hölle befördern!«

Marc sah Jason angsterfüllt an und seine Mimik bedeutete diesem, nicht so etwas laut herumzuschreien.

Clary fragte hingegen, ohne weiter auf Jason zu achten: »Wo ist diese Disco?«

Jason schüttelte in Marcs Richtung hin den Kopf, so dass jener schweigend zu Sebastian hinsah. Schweißtropfen perlten von seiner Stirn und er biss die Zähne krampfhaft zusammen.

Sebastian allerdings seufzte schwer auf, nahm sein Schwert und schlug es in Jasons Brust. Jason erstarrte und erbleichte vor Panik, erst als das Feuer entbrannte, schrie er wie am Spieß. Marc traute seinen Augen kaum und sah vor Herzensangst weg. Innerhalb weniger Sekunden erstarb Jasons Jammerlaut und einzig seine Asche zeugte noch von seiner ehemaligen Existenz.

»So, Marc, wenn du eine Chance haben willst, dass wir dich nur ins Fegefeuer schicken und nicht für immer zerstören, dann führe uns jetzt zu dieser Disco.« Sebastian reichte ihm seine Rechte, die in einem metallisch-silbrigen Handschuh steckte.

Der Vampir seufzte leise auf, denn er wusste, dass ihm kaum eine andere Wahl blieb. So nahm er die Hand des Todesengels.

Sebastian packte ihn jedoch mit beiden Händen am Arm, rannte zur geöffneten Balkontür und sprang hoch in die Luft. Sodann breitete er seine tiefdüsteren Schwingen aus und flog über die Stadt. Marc kreischte und hielt sich krampfhaft an Sebastian fest. Währenddessen sah sich Clary in der Suite noch ein letztes Mal um und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.

»Ich hoffe, wir finden dich rechtzeitig, mein Kind!«, flüsterte sie angsterfüllt.

Dann sprang auch sie hinaus und schwang sich in die Lüfte.



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