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Die Weltenwandlerin

von

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Aussprache

Thranduil streckt eine Hand nach mir aus, als wolle er nach mir greifen, mich trösten, mich am Weglaufen hindern? Auf halbem Weg aber überlegt er es sich anders, hält inne, als ob er glauben würde, er hätte plötzlich kein Recht mehr, mich zu berühren. Ich glaube, ich habe ihn noch nie so blass gesehen – mein Herz hämmert wie verrückt in meiner Brust, als der Elbenherrscher mit zitternder Stimme hervorstößt: „Ithil, nein, nicht, ich...“ Vermutlich denkt er, ich würde mich von ihm abwenden und davonlaufen, abhauen, verschwinden, das Weite suchen – eine Reaktion, die sicherlich nicht unverständlich wäre in dieser Situation. Aber erstens habe ich schon mehr als genug Drama in meinem bisherigen, jungen Leben gehabt, und zweitens ist mir nicht einmal nach Weglaufen.

Thranduil scheint das nicht zu merken, denn er wird noch zwei Töne blasser , während sich der Ausdruck in seinen Augen wandelt und Schmerz und Trauer an die Stelle von Überraschung und Erschrecken treten. Ich kann fast selbst spüren, wie sein Herz zerbricht – ein Gefühl, das so intensiv ist, dass ich plötzlich nicht mehr weiß, wie ich reagieren soll. Es ist, als hätte jemand meinen Verstand und damit die Fähigkeit, rational zu denken, komplett abgeschaltet.

Legolas, dessen Blick zwischen Thranduil und mir hin- und herspringt, eilt seinem Vater zur Hilfe – und gibt mir so das Gefühl zurück, wieder Boden unter den Füßen zu haben: „Ithilarinia, bitte... ich kann dir das erklären...“

Ich schüttele den Kopf, dann kommen endlich die Wörter wieder zu mir zurück: „Das brauchst du nicht...“

Legolas will etwas einwerfen, vermutlich zu ihrer beider Verteidigung, aber dieses eine Mal lasse ich ihn nicht zu Wort kommen. „... Ich weiß, dass ich nicht hierbleiben kann...“

Der junge Elb scheint zu verstehen, dass ich etwas Wichtiges zu sagen habe, und lässt mir geduldig den Vortritt, ohne ein weiteres Mal das Wort ergreifen zu wollen.

„Also mir ist klar, dass ich rein theoretisch schon hierbleiben könnte“, fahre ich fort. „Und dass es Momente gibt, in denen ich mir nichts sehnlicher wünsche...“ Ich sehe zu Thranduil; er scheint hochkonzentriert. „... Aber ich weiß auch, dass ich dann nicht mehr die Weltenwandlerin wäre... was auch nicht besonders schlimm wäre...“

Ich merke, dass ich abdrifte. Daher versuche ich, meine Gedanken neu zu ordnen und sie so klar wie möglich zum Ausdruck zu bringen: „Es ist so: So richtig sich der Gedanke an ein ewiges Hierbleiben manchmal auch anfühlen mag, so fühle ich doch auch, dass es nicht meine 'Bestimmung' ist, wenn man das so heißen will... Tatsache ist, ich liebe es hier. Hier bei euch...“, gestehe ich. Behutsam gehe ich auf Thranduil zu, strecke ihm meine Hände entgegen. Er ergreift sie zögernd. „Ich kann die Angst nicht gewinnen lassen. Ich kann sie nicht über mein Leben bestimmen lassen. Nicht mehr. Nicht in diesem Ausmaß...“, flüstere ich, in der Hoffnung dass mein Gegenüber es versteht.

Der Elbenherrscher sieht mich mit diesem seltsamen Blick an – als könne er nicht ganz glauben, was er gerade gehört hat. Ich muss lächeln. „Es ist alles gut, Liebling“, versichere ich ihm und gleichzeitig auch mir selbst. Ich streiche mit meinen Daumen über Thranduils Handrücken. „Es ist alles gut...“, wiederhole ich beruhigend. „Ich habe endlich meinen Mut wiedergefunden. Nach all der Zeit. Duáth hat mir dabei geholfen...“

Immer noch blickt mich Thranduil ungläubig an. „Du bist nicht wütend?“ Seine Stimme klingt brüchig, zaghaft.

Ich schüttele den Kopf und verschränke meine Finger mit seinen. „Nein. Du hast nur ausgesprochen, was ich schon eine ganze Weile lang wusste. Es war als eine Art 'Ahnung' in mir drinnen; es war da, aber nicht wirklich fassbar...“

„Und die Angst?“, fragt Thranduil nach, als wolle er sich ganz sicher sein, dass ich mir das auch gut überlegt habe. „Was ist damit?“

Ich seufze. „Angst habe ich immer noch. Und ich glaube auch nicht, dass sie sich so schnell abschütteln lassen wird...“ Allein der Gedanke daran schnürt mir die Kehle zu. Ich atme ein paar Mal bewusst tief ein und aus, bis das unangenehme Gefühl nachlässt. „Aber ich weiß auch, dass ich mehr bin. Ich bin mehr als die Angst es mich glauben lassen will...“ Bei diesen Worten fühle ich nicht nur Entschlossenheit, sondern auch Wut in mir aufsteigen; eine Wut auf die Angst, die sie in ihre Schranken weist und verscheucht. Gleichzeitig fühle ich mich so als würde ich wachsen, als würde ich größer werden. Es funktioniert wirklich. Zu meinem Erstaunen. „Ich kann das. Ich kann das wirklich“, flüstere ich ungläubig, aber auch voller Freude. „Ich kann mehr sein... Vielleicht bin ich ja wirklich...“

„... die Weltenwandlerin“, vollendet Thranduil meinen Satz. Ein nachdenkliches, aber auch stolzes Lächeln liegt auf seinen Lippen, als er mir eine Haarsträhne hinters Ohr streicht und mich noch näher zu sich heranzieht. „Ja, das bist du wirklich...“



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