Zum Inhalt der Seite

Breathtaking

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Salvation - Prologue

„Ich hab dich.“
 

Sie kam in Wellen. Unmöglich vorherzusehen und doch in einem stetigen Rhythmus. Immer und immer wieder durchbrach sie das stetige Rauschen in seinem Kopf, die Wand aus dunklem Nebel, die versuchte ihn zu verschlingen. Doch sie war da. Und alles was er tun konnte, war sich an sie zu klammern, als ob sein Leben daran hing. Als ob…? Tat es das denn nicht auch irgendwie…?
 

„Ich hab dich, okay? Ich lass dich nicht mehr los…“
 

Die Stimme zitterte, der Kloß im Hals ihres Besitzers nur allzu offensichtlich, während das leise Flüstern immer und immer wieder einem Mantra gleich die kaum vorhandene Distanz zwischen ihnen überbrückte. Als ob sie gar nicht existierte; als ob sie nie existiert hatte.
 

Die Worte selbst waren heiß, als sie auf blasse, kühle Haut trafen. Die Lippen so nah, dass er sie an seinem Ohr hätte spüren können— müssen.
 

Er tat es nicht.
 

Nicht mehr.
 

Ihre Hitze, so sengend sie ihm auch in Erinnerung geblieben war, nicht stark genug um durch die eisige Kälte zu dringen, die längst von seinem Körper Besitz ergriffen hatte. Er wusste, was es bedeutete. Sie alle wussten es.
 

Ein Ruck ging durch seinen Körper als die kräftigen Arme ihren Halt um ihn stärkten, als sich die Hand des Mannes neben ihm – unter ihm? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob er ihn an irgendeinem Punkt nicht doch auf seinen Schoß gezerrt hatte, trotz vehementer Proteste seinerseits – in den zerzausten, hellen Strähnen vergrub, die sich vor Ewigkeiten mal eine Frisur geschimpft hatten. Er spürte dumpf, dass er ihn an sich drückte, spürte den warmen Hauch des fremden Atems. Oder vielleicht wollte er ihn auch einfach nur spüren. Vielleicht war all das hier nur Wunschdenken? Ein Traum? Vielleicht war er ja schon längst…?
 

Er blinzelte, langsam und träge. Nur vage nahm er die vertrauten Gesichtszüge des Jüngeren wahr, die bebenden Lippen und feuchten Wangen – wieso heulte er nochmal? Wegen ihm? Nein, er war doch noch gar nicht… er war doch noch hier oder nicht? Ah, verdammt. Langsam wurde es echt schwer dem Nebel in seinem Kopf standzuhalten.
 

Es würde nicht mehr lange dauern…
 


 

Merkwürdigerweise hatte es die Halbblüter zuerst getroffen. Nicht nur hier unter ihnen… Es war bereits von Anfang an so gewesen - überall auf der Welt, auch wenn es eine Weile gedauert hatte, bis man tatsächlich eine Verbindung zum Blutstatus hergestellt hatte. Es war ja nicht so, als ob Reinblüter oder Muggelstämmige verschont geblieben waren. Nur schienen Halbblüter eben besonders anfällig für es zu sein, auch wenn es am Ende jeden von ihnen auf die gleiche Weise hinraffte.
 

Eine Schwachstelle in der Struktur der magischen DNA war die Erklärung gewesen. Irgendein Geschwafel von leichter angreifbaren Zellen, die durch die Mixtur beider Blutlinien auftrat. Kein geschlossener Kreislauf, leichtes Spiel für es sich zwischen dem unausgewogenen Wirrwarr von reinen und unreinen DNA-Strängen auszubreiten.
 

Bullshit, war seine Meinung dazu gewesen. Immerhin traf es sie am Ende alle und wieso zur Hölle sollte er auf irgendwelchen Expertenmist hören, wenn besagte Experten noch nicht einmal wussten, was es eigentlich war. Magie? Ein Virus? Eine Mischung aus beidem? Vielleicht wäre es nicht soweit gekommen, wenn sie es damals schneller begriffen hätten… Damals, bevor es sich schleichend und unauffällig in den kleinsten Gemeinden der Zaubererwelt ausgebreitet hatte; bevor es nach Europa gekommen war und sich Stück für Stück durch die Bevölkerungsschicht gefressen hatte. Wieso bestand die Welt eigentlich aus solchen Idioten? Und wieso zur Hölle hatte er dazugehört?
 

Vielleicht… vielleicht hätten sie es stoppen können— bevor es London erreicht hatte; vor dem Shutdown des Ministeriums und bevor der letzte widerstandsfähige Rest in Hogwarts Zuflucht gesucht hatte, während die Welt da draußen vor ihren Augen zugrunde gegangen war. Dörfer, Gemeinden… Familien.
 

Etwas flackerte im trüben Blau eingesunkener Augen, als sich der Geist einer Erinnerung ungewollt und unerwünscht in den Vordergrund stahl. Fahle Haut, kalt und hart unter zitternden Fingern. Pechschwarze Adern, die sich einem Fremdkörper gleich netzartig über dem leblosen Körper ausgebreitet hatten.
 

Vielleicht… hätten sie sich auch einfach nur einen besseren Ort aussuchen können, um zu verrecken. Nicht dieses Drecksloch im Wald, nicht dieser feuchte, modrige Verschlag aus Brettern, der kaum genug Licht und noch weniger Luft zum Atmen durch die überwucherten Wände ließ. Aber jetzt… Jetzt war es eh zu spät. Für ihn sowieso. Und für die Anderen…
 

Er blinzelte ein weiteres Mal. Als ob der Gedanke an sie ihn zurück ins Hier und Jetzt holte. Noch immer spürte er den Mann an seiner Seite – nicht so wie sonst; nicht so, wie es hätte sein sollen – aber er war da und was brauchte er schon mehr als das?
 

Dennoch schweifte sein Blick am dunklen Schopf vorbei, tastete im spärlichen Licht, das durch die Ritzen der mit Brettern vernagelten Fenster fiel, nach ihren übrigen Begleitern. Denjenigen, die noch übrig waren, zumindest. Oder… auch nicht.
 

Er blieb zuerst an der schemenhaften Gestalt neben ihnen hängen. So nah— und doch waren die strähnigen Haare so dunkel; die Haut so fahl unter dem giftigen Netz, dass der reglose Körper beinahe selbst im Schatten des Raumes versank. Braune Augen offen und doch blind; erloschen. Er erinnerte sich nicht mehr daran, wann sie das letzte Mal geblinzelt hatten. Ah— deshalb heulte er.
 

Ein Scharren am morschen Holzboden lockte den verschwommenen Blick zur anderen Seite des Raumes. Er musste wieder und wieder blinzeln, um zumindest für einen Moment klar genug sehen zu können, um die beiden Männer zu erkennen. Obwohl er doch auch so hätte wissen müssen, wer die ineinander verschlungenen Personen waren.
 

Gewesen waren, korrigierte ihn das masochistische, leise Flüstern in seinem Kopf, als er langsam aber sicher das scharrende Geräusch dem Fuß des jüngeren der beiden zuordnen konnte – offenbar bemüht eine Position zu finden, die es ihm ermöglichte einen anderen, bessern Halt um die Person in seinen Armen zu bekommen. Verschwendung, schoss es ihm durch den Kopf, noch während er im Dämmerlicht der Hand des Brünetten folgte, die ungeachtet der mangelnden Reaktion Finger um Finger miteinander verwob.
 

Was auch immer passiert, wir müssen zusammenbleiben! Wenn wir zusammenbleiben, haben wir eine höhere Chance uns später zu erinnern. Wir müssen uns erinnern! Komme was wolle! Erinnert euch!
 

Für den Hauch eines Augenblicks dachte er tatsächlich die Stimme seines einstigen Professors hören zu können; unfähig Erinnerungsfetzen und Realität zu unterscheiden. Geisterhaft hallten die Worte in seinem Kopf wieder und er musste für eine Sekunde die Augen schließen um sich klar zu werden, dass er nicht mehr genau wusste, wann sich die Worte des Amerikaners in sein Gedächtnis gebrannt hatten. Er wusste nur, dass es vor einer Weile gewesen sein musste… bevor… bevor…
 

Ein goldenes Schimmern zwang ihn zum Aufsehen, als sich die mit pochenden Adern überzogene Hand in dunkle, braune Strähnen grub. Er wandte den Blick ab, als das Kinn des Schotten der Geste folgte und in einer intimen Geste, die nicht für seine Augen bestimmt war, den goldenen Glanz des Ringes verbarg.
 

Er spürte die Hand, die sich in den eigenen Strähnen verborgen hielt und plötzlich kam ihm der lächerliche Gedanke, dass dieser Hand wohl auch ein Ring gestanden hätte… Huh. Er wollte schnauben, doch kein Mucks verließ die eigene Kehle; zu trocken, zu lange unbenutzt.
 

Als sich die hellen Augen ein letztes Mal hoben, blickte ihnen das gleiche Blau entgegen.
 

Nein, gleich aber doch anders.
 

Es war schon immer anders gewesen und vielleicht hatte es ihn deswegen eine Zeit lang so sehr fasziniert. Jetzt… jetzt hatte ein anderes Blau seine Aufmerksamkeit, seine Hingabe gefunden, so selten er es in den letzten Jahren auch offen zugegeben hatte. Zu selten, wie ihm jetzt bewusst war. Trotzdem war es wohl offensichtlich gewesen. Genauso offensichtlich, wie die Hingabe des Mannes, der in diesem Moment seinem Blick standhielt, so sehr er sich anfangs auch gegen sie gesträubt hatte. Jetzt— wo der Arm um eine schlanke Hüfte und das Kinn auf strohblondem Haar ruhte, den bebenden Körper vor sich an den eigenen Brustkorb gepresst — jetzt war es klar. Er wollte ihm ein Grinsen schenken – Freundin im Arm und trotzdem nur Augen für einen, hm? – doch selbst wenn er noch die Kraft dafür hätte aufbringen können, er glaubte nicht daran, dass ihm sein Körper gehorcht hätte. Zu sehr hatte es ihn schon in Beschlag genommen; die tiefschwarzen Adern bereits bis zu seinem Nacken empor gekrochen. Er spürte sie – wie unsichtbare Schlingen, die sich um seinen Hals zogen; die ihm Blut und Magie gleichermaßen abschnürten, wie die Luft zum Atmen. Es würde nicht mehr lange dauern… er wusste es. Und sein bester Freund wusste es auch.
 

Und plötzlich verflog das Bedürfnis zu grinsen, wich stattdessen dem Wunsch lächeln zu können. In Dankbarkeit? Respekt? Anerkennung? Dafür, dass er nicht wegsah? Dass er kein Wort sagte und doch alles in dem so vertrauten Blau geschrieben stand? Er spürte, wie sich die eigenen Lider senkten; es schwerer und schwerer wurde den Blick fokussiert zu halten. Und doch konzentrierte er sich auf das glasig schimmernde Blau; auf die Tiefe und Entschlossenheit. Auf die Worte, die nicht da waren und doch im Raum hingen. Und er wollte nicken; ihm die Bestätigung geben, dass er verstand — doch stattdessen fielen die eigenen Augen zu. Unaufhaltsam. Unnachgiebig. Die Stimme an seinem Ohr kam näher – wurde intensiver, wärmer, so kalt es um ihn herum auch war.
 

„Ich finde dich. Hörst du, das verspreche ich dir— egal wo du bist, ich finde dich.“, und er wollte ihnen glauben. Den Worten— der Stimme.
 

Matthew.
 

Finger vergruben sich in seinen Haaren, schlossen sich an anderer Stelle um seine Hand. Er wusste nicht ob er es wirklich schaffte, ob es wirklich beim Iren ankam – doch mit aller Kraft, mit aller Magie, die er noch in sich trug, klammerte er sich an die Hand, die ihm so viel mehr gegeben hatte, als er selbst je hatte geben können.
 

„Ich finde dich, Hadrian. Egal wo du bist.“
 

Und dann verstummte sogar das Flüstern.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück