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The close Stranger

von

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the fear of nearness

Er wischte sich seine verschwitzten Haare aus dem Gesicht, versuchte seine Atmung erstmal wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ein Seitenblick zu seinem Nebenmann zeigte, dass es diesem nicht anders erging.
 

Das, was er vor ein paar Wochen noch als eine einmalige Sache betitelt hatte… nun, es war augenscheinlich nicht einmalig geblieben. Jedenfalls wenn man die vergangenen Wochen mit einbezog, in denen sie fast jedes mal, wenn der Jüngere ihn besucht hatte, schlussendlich im Bett gelandet waren. Und er konnte dem Jüngeren nichtmal einen Vorwurf machen, war er selbst es doch gewesen, der dabei jedes mal den ersten Schritt gemacht hatte. Er konnte es nicht mehr leugnen, der Jüngere zog ihn einfach an. Es schien, als hätte der Silberhaarige seit ihrem ersten mal ein Verlangen in ihm entfacht, wovon er gedacht hätte, dass er es in diesem Ausmaß nie wieder erleben würde. So oft wie sie es in den letzten Tagen miteinander getrieben hatten, kam er sich beinahe vor wie ein Sexbesessener Teenager, der einfach nicht genug davon kriegen konnte.
 

Und verdammt, er bereute es nicht.
 

Der erste Sex mit dem Jüngeren war ja schon gut gewesen und es schien, als würde er mit jedem weiteren mal noch besser werden. Und der Silberhaarige schien genau zu wissen, was er tun musste, um ihn wahnsinnig zu machen. Doch das Allerbeste war, dass sein Kopf bei nichts anderem leerer war, als dann, wenn sie miteinander schliefen. Nichtmal das Gefühl, wenn er seine Aggressionen – die nebenbei erwähnt in letzter Zeit stark abgenommen hatten – bei ihrer einvernehmlichen Prügelei herausließ, konnte mit dem konkurrieren, wie wenn sie geschafft und befriedigt nebeneinander im Bett lagen. Und es war genau das, was er haben wollte; einen leeren Kopf, frei von pessimistischen Gedanken, die ihn ansonsten nur runterzogen.

Das Seltsame daran war, dass sich dieses Hochgefühl nicht nur auf den Moment während und nach dem Sex bezog, sondern sich auch auf alltägliche Situationen ausgebreitet hatte, während der Jüngere in seiner Nähe war. Wie wenn sie in der Küche etwas zusammen aßen, vor dem Fernseher hockten oder sogar dann, wenn der Silberhaarige ihm mit seinem Großmaul auf die Nerven ging. Hätte er gewusst, dass sinnlose Gespräche – bei denen er sich nicht mal beteiligen musste – ihn so sehr von seinen Problemen ablenken konnten, dann hätte er sie schon viel früher geführt.
 

Eine Hand, die sich auf seine Brust legte, riss ihn aus seinen Gedanken. Er drehte den Kopf zur Seite und blickte in das zufriedene Gesicht des Jüngeren. Dieser hatte sich seitlich zu ihm gedreht, stützte sich auf einem Ellenbogen ab, während er ihm über die Brust streichelte. Schließlich beugte er sich zu ihm und drückte ihm seufzend einen sanften Kuss auf die Lippen.
 

Das tat er in letzter Zeit öfters.
 

Kakuzu fuhr ihm sanft durch sein silbernes Haar, strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht und genoss einfach diesen kurzen Moment der Stille und des Friedens. Doch die harmonische Stimmung zwischen ihnen geriet mit den nächsten Worten etwas ins Wanken.
 

«Willst du mich nicht endlich mal nach meinem Namen fragen?»
 

Kakuzu gab ein genervtes Grummeln von sich.
 

«Warum fragst du mich das ständig, wenn du meine Antwort doch schon kennst?» So langsam ging ihm diese Frage so tierisch auf die Nerven. Zumal sie ihm der Jüngere jetzt beinahe jedes mal stellte, wenn sie sich trafen.
 

«Weil ich denke, dass es so langsam an der Zeit ist. Ich weiß so vieles über dich, doch du hingegen kennst nichtmal meinen Namen. Und ich verstehe den Grund einfach nicht, weshalb du nichts über mich wissen willst und ständig abblockst, wenn ich dir etwas über mich erzählen will.»
 

Für Kakuzu war damit der Moment zerstört und er scheute sich auch nicht seine Verärgerung darüber zum Ausdruck zu bringen.

«Weil ich niemanden in meiner Nähe haben will.» Zischte er gereizt und schob den Jüngeren, der bis eben noch halb auf ihm gelegen hatte, von sich runter, erhob sich vom Bett und fing an sich anzuziehen.
 

«Verdammt, Kakuzu! Wir ficken seit Wochen miteinander, ich glaube viel näher geht’s nicht mehr.» Der Jüngere schien nun auch langsam wütend zu werden, was Kakuzu an seinem Tonfall erkannte, ebenso wie er sich aufgebracht aufsetzte.
 

«Ich meinte damit nicht diese Nähe», flüsterte er leise, ehe er hinzufügte: «Ich kenne dich nicht und so soll es auch bleiben. Versteh doch endlich, dass ich nicht will, dass sich etwas verändert, dass es mir egal ist wer du bist und hör auf mich in dieser Sache zu nerven.» Sagte er und zog sich eilig seine Hosen hoch, da er nicht schnell genug aus dem Zimmer verschwinden konnte. Ihm war die Richtung, in die dieses Gespräch verlief, so gar nicht geheuer.
 

«Du sagst das fast so als wäre ich ein Fremder für dich. Doch das bin ich doch schon lange nicht mehr. Du kennst mich sehr wohl, Kakuzu. Nur willst du nichts über mich wissen. Warum nicht? Hat es etwas mit deiner Frau zu tun? Oder ist es weil–»
 

Kakuzu machte den Fehler bei der Erwähnung seiner Frau eine verräterische Bewegung zu machen.
 

«Dann ist es also wegen deiner Frau. Ich dachte mir schon, dass sie der Grund dafür ist, weshalb du niemanden an dich heranlässt. Begreif doch, sie ist tot, Kakuzu. Es bringt nichts auf sie zu warten, sie kommt nicht wieder. Ich sage ja nicht dass du sie vergessen sollst, nur dass du anfangen musst sie loszulassen. Du liebst sie noch immer, nicht wahr? Auch noch nach drei verdammten Jahren…»

Kakuzu antwortete nicht, stattdessen beeilte er sich etwas mehr mit Anziehen. Er wollte hier raus.
 

Nein, er musste hier raus.
 

«Du hast Angst davor, dass dich wieder jemand verlässt, so wie sie es mit ihrem Tod getan hat. Du gibst ihr die Schuld dafür und doch gilt deine Treue noch immer ihr. Ich meine, Scheiße, überall in der Bude sind sogar noch ihre Sachen verstreut. Sogar im Schrank hängen noch ihre Kleider… dass das nicht ganz gesund ist muss ich dir wohl nicht sagen, oder? Das grenzt schon fast an Besessenheit!» Der Jüngere legte eine kurte Pause ein, ehe er mit leicht belegter Stimme weitersprach. «Sag mir nur eins, Kakuzu… denkst du an sie wenn wir miteinander schlafen?»
 

Den Pullover über den Kopf gezogen drehte er sich zu dem Jüngeren um, blickte in die ernsten Augen die denen seiner Frau so ähnlich sahen. Auch wenn zu Anfang die Ähnlichkeit ihrer Augenfarbe wohl ausschlaggebend gewesen war, warum er ihn nicht direkt aus seinem Umfeld verscheucht hatte, so sah er nicht seine Frau, wenn er ihm in die Augen blickte. Sondern die Person die er in Wirklichkeit war. Es war nicht seine Frau an die er dachte, wenn sie zusammen ins Bett stiegen. Gott, die beiden waren abgesehen von den Augen doch so verschieden, das hätte er nicht bewerkstelligen können. Vielmehr dachte er dabei an nichts, war es doch die einzige Möglichkeit sich von den Gedanken, die stets um seine verstorbene Frau kreisten, zu lösen und sich von ihr zu distanzieren. Er fühlte sich lebendiger und wacher, wenn der Jüngere in seiner Nähe war. Mehr noch, als wenn er einen ganzen Liter Kaffee trinken würde.

Und doch hielt er es sich vor ihm die Wahrheit zu sagen, denn es bedeutete trotzdem nichts und er wollte um alles auf der Welt verhindern, dass der Silberhaarige daraus etwas fehlinterpretierte.
 

Doch wenn es nichts zu bedeuten hatte, warum fühlte er sich dann bloß jedes mal so schlecht, wenn er wieder alleine war und seine Gedanken erneut zurück zu seiner Frau wanderten?
 

«Manchmal», log er mit versteinerter Miene, blickte ihm direkt in die Augen.

Anders sah er keine Möglichkeit, um diesem Thema ein Ende zu setzen. Er hatte schon immer gewusst, dass er ein guter Lügner war, was sich auch dieses mal als wahr herausstellte, denn seine Worte verfehlten die gewünschte Wirkung nicht.

Der Jüngere sah ihn für einen Moment enttäuscht und etwas fassungslos an, bevor er kurz den Kopf schüttelte, ihn anschließend senkte um auf die Bettdecke zu starren.
 

Damit dürfte ihm die Lust an diesem Thema vergangen sein.
 

«Doch dass ich nichts über dich wissen will hat trotzdem nichts mit ihr zu tun. Ich hab dir von Anfang an gesagt, dass das zwischen uns nichts bedeutet.»

Er war schon aus dem Schlafzimmer getreten, hatte sich im Gehen seinen Mantel übergeworfen, als ihm der andere noch etwas hinterher brüllte.
 

«Ach ja?! Und warum stellst du dich mir dann nicht, sondern läufst davon wie ein Feigling?!»
 

Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel und ihm die kalte Herbstluft ins Gesicht schlug, fiel ihm auf, dass er in seiner Hektik vergessen hatte den Wohnungsschlüssel mitzunehmen. Doch auch das würde ihn jetzt nicht davon abhalten so lange durch die Gegend zu laufen, bis er sich etwas heruntergefahren hatte und sein Kopf wieder klar war.
 

Doch zu seinem Missfallen sagte ihm sein Gefühl, dass auch danach der Jüngere mit diesem Thema nicht locker lassen würde. Er würde ihm vielleicht nicht direkt wenn er wiederkam damit im Nacken sitzen und vielleicht auch nicht gleich morgen, doch so hartnäckig wie dieser sein konnte, glaubte Kakuzu kaum, dass er es auf sich beruhen lassen würde.
 


 

♦︎
 

Ein Tritt in die Seite des am Boden liegenden, worauf ein gequältes Stöhnen folgte und sich dieser nur noch mehr krümmte vor Schmerz.
 

Langsam ging Kakuzu in die Hocke, beugte sich über den Jüngeren, um ihm einen Schlag ins Gesicht zu verpassen, so dass dessen Kopf zur Seite flog und gegen den Boden knallte. Fest packte er im am Kragen, riss ihn ein Stück nach oben um ihm ins Gesicht sehen zu können.
 

Die Unterlippe des Jungen war aufgeplatzt, ein kleiner Blutstrom floss aus der Wunde das Kinn hinab.
 

Die selben Lippen die er schon so oft geküsst hatte.
 

Die lilafarbenen Augen starrten ins Leere, als würden sie einen unbestimmten Punkt in weiter Ferne fixieren, den nur sie sehen konnten.
 

Die selben Augen die ihn auf so unterschiedliche Weise anfunkeln konnten.
 

Dabei wirkte er auf Kakuzu jedes mal so, als ob er geistig gar nicht mehr richtig da wäre, als hätte sich seine Seele vom Körper gelöst und würde irgendwo über ihnen schweben.
 

Er holte mit seiner Faust zum nächsten Schlag aus und hielt noch in der Bewegung inne, als ihn erneut dieses seltsame Gefühl überkam, welches ihn schon die letzten male heimgesucht hatte. Ein merkwürdig drückendes Gefühl in der Magengegend, als ob ihn etwas davon abhalten wollte den Jüngeren weiter zu schlagen. Es fühlte sich nicht richtig an weiterzumachen, zumal er sich dabei auch irgendwie schlecht fühlte und er frage sich, wie er es die ganzen anderen male über sich gebracht hatte den Jüngeren so schlimm zuzurichten, ohne sich danach nicht mies zu fühlen.
 

Wut.
 

Ja, er war immer rasend vor Wut gewesen und auch wenn sie sich nie gegen den Jüngeren gerichtet hatte, so hatte er nie ein Problem damit gehabt sie an ihm auszulassen. Doch was war nun anders?

Denn so weiterzufahren wie bisher, erschien ihm mit einem mal absurd. Denn eigentlich wollte er dem Silberhaarigen doch gar keine Schmerzen zufügen.
 

So, wie er auch seiner Frau nie etwas hatte antun wollen.
 

Sein Zögern schien von dem Jüngeren bemerkt zu werden, denn dieser sah so aus als würde er wieder zu sich kommen. Seine Pupillen huschten kurz unfokussiert durch den Raum, als müsste er sich erstmal orientieren, ehe sie an ihm hängen blieben.
 

«Was ist? Warum hörst du auf?» Seine Stimme hörte sich kratzig an.
 

Kakuzu senkte seine erhobene Faust und ließ den Silberhaarigen schließlich los.
 

«Weil es reicht.»
 

Der Jüngere richtete sich etwas auf, tastete mit den Fingern seine Lippen ab und als er das Blut bemerkte leckte er es genüsslich weg.

«Du hast nachgelassen.» Sagte er als er sich vom Boden erhob, nicht ohne sich die wohl geprellte Seite zu halten.
 

«Was?»
 

«Na mit den Schlägen. Früher hat es irgendwie mehr weh getan und du hast auch wesentlich länger gemacht.»
 

«Und?», knurrte er, zog seine Augenbrauen zusammen.

Er hatte noch gehofft, dass der Jüngere es nicht merken würde, doch da hatte er wohl falsch gedacht. Er hatte keine Lust ihm den Grund für sein Verhalten zu erklären, zumal er ihn ja selbst kaum verstand, weswegen er ohne eine Antwort abzuwarten in die Küche ging um sich etwas zu trinken zu holen.
 

«Nichts und. Ist mir nur aufgefallen.» Antwortete der Jüngere, der ihm gefolgt war und nun im Rahmen angelehnt da stand.

Kakuzu warf einen Blick in den Kühlschrank und entschied sich für Orangensaft.
 

«Und du trinkst auch nicht mehr so viel wie damals als wir uns kennengelernt haben. Und die ganzen leeren Bierdosen stehen auch nicht mehr überall in der Gegend rum.»
 

«Was willst du mir damit sagen?» Er nahm einen Schluck, drehte sich dann zum anderen um, lehnte sich an die Küchenzeile.
 

Der Jüngere machte ein Gesicht, als ob die Antwort auf diese Frage offensichtlich wäre.
 

«Du kannst mir nicht sagen, dass du es noch nicht bemerkt hast?» Fragte der Jüngere verwundert, ehe er sich langsam auf ihn zubewegte.
 

«Was bemerkt?»

Als der Silberhaarige vor ihm stand nahm er ihm die O-Saft Flasche aus der Hand und stellte sie auf den Tresen. Der durchdringende Blick, mit welchem Kakuzu bedacht wurde, ließ ihn etwas unbehaglich werden, dennoch hielt er ihm stand.
 

«Du hast wieder angefangen zu lesen. Du lässt wieder Licht in die Bude, die im Gegensatz zu vor ein paar Monaten viel aufgeräumter ist. Du trinkst kaum mehr, hast aufgehört ständig vor der Glotze zu sitzen und vor dich hin zu grübeln, gehst stattdessen öfters mal nach draußen… muss ich noch mehr sagen?»

Der Jüngere kam ihm noch etwas näher, schlang zögerlich einen Arm um seinen Nacken und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. Kakuzu nahm einen leicht eisenhaltigen Geschmack wahr, ehe der Silberhaarige wieder von ihm abließ und ihm fest in die Augen blickte.
 

«Es scheint, als ob es dir langsam besser gehen würde. Und ich glaube, dass ich einen Teil dazu beigetragen habe.»
 

«Besser? Mir ging es nie schlecht.» Behauptete er mit belegter Stimme, als er den Arm um seinen Nacken löste und den Jüngeren etwas von sich schob.
 

Vom einen Moment auf den anderen verzog der Silberhaarige ärgerlich das Gesicht. Kakuzu wollte schon unbeirrt an ihm vorbeigehen, als er am Oberarm festgehalten wurde.
 

«Ich bin vielleicht nicht der hellste aber blöd noch lange nicht, also verkauf mich nicht für dumm. Und dann läufst du schon wieder vor mir davon. Weißt du, eigentlich wollte ich dir Zeit geben und warten bis du von dir aus mehr über mich wissen willst. Doch anscheinend würde ich bei deinem Sturkopf vergeblich darauf warten und ich war noch nie der Geduldigste. Auch wenn du immer so abweisend und desinteressiert tust, weiß ich ganz genau, dass du mich magst. Und ich denke mit dem Tod deiner Frau hast du… keine Ahnung, irgend so ein scheiß Trauma oder so erlitten. Und das hält dich jetzt irgendwie davon ab jemanden an dich ran zu lassen und–»
 

«Bist du fertig?», knurrte Kakuzu gereizt und riss seinen Arm los. «Denn ich kann auf irgendwelche an den Haaren herbeigezogenen Psychoanalysen verzichten!» Es herrschte Stille zwischen ihnen, in der sie sich bloß ansahen. Doch der seltsame Ausdruck der sich in den Augen seines Gegenübers breit machte, behagte Kakuzu so gar nicht.
 

«Na schön, dann eben auf die harte Tour. Du hast es ja nicht anders gewollt…» Herausfordernd hob der Jüngere seinen Kopf und fixierte ihn mit seinem Blick. «Ich bin einundzwanzig Jahre alt. Ich hasse den Winter, weil er scheiß kalt ist und ich Kälte einfach nicht ausstehen kann, Sommer ist mir zu heiß und im Frühling sind mir die Leute zu gut drauf. Deswegen mag ich den Herbst am liebsten, auch weil ich das Geräusch liebe, was der Regen macht, wenn er gegen die Scheibe schlägt. Ich esse vorwiegend Fleisch, Gemüse mag ich nicht sonderlich, ist für mich nur Unkraut was nicht satt macht. Als ich damals von dir verlangt habe, dass du mich vergewaltigst, habe ich es nicht aus dem Grund getan, weil mir der Kick nicht mehr ausgereicht hat, sondern weil ich dachte, dass das die einzige Möglichkeit wäre um dir näher zu kommen. Ich weiß, dass das seltsam erscheinen mag, aber ich kann eben nicht gut mit Menschen und von Zwischenmenschlichem hab ich noch weniger Ahnung. Was auch der Grund ist, weswegen ich so gut wie keine Freunde habe.»
 

Wie ein tosender Sturm brach das Gesagte auf Kakuzu ein und am liebsten hätte er sich die Ohren zugehalten. Es waren alles Einzelheiten über diesen Jungen die er doch so sehr versucht hatte von sich fern zu halten, um ihn weiter als Fremden ansehen zu können.

Unfähig eine Reaktion von sich zu geben, da er mit so einem Überfall einfach nicht gerechnet hatte, blieb er wie angewurzelt stehen.
 

«Ich war zwölf als ich die Schule abgebrochen habe, weil ich mich mit Mitschülern geprügelt habe und ich mit dem Stoff einfach nicht mehr hinterhergekommen bin. Ich wohne ein paar Straßen weiter, nicht weit von hier, mit meiner Mutter in einer kleinen Mietwohnung. Ich bezeichne sie nicht gerne als meine ‹Mutter›, weil sie es für mich nie war und sie auch nie etwas unternommen hat, als mich mein Vater schlug. Den habe ich schon seit über sieben Jahre nicht mehr gesehen, weil er vom einen Tag auf den anderen abgehauen ist als ich vierzehn war und uns mit einem Schuldenberg zurückgelassen hat. Doch auch wenn er mich immer verprügelt hat und ein Arschloch war, so war mein Verhältnis zu ihm schon immer besser gewesen als das zu meiner Mutter. Und manchmal wünschte ich, sie wäre gegangen und er bei mir geblieben.»
 

«Hör auf damit, halt die Klappe!», brüllte Kakuzu, als er sich endlich aus seiner Starre gelöst hatte. Gleichzeitig schalt er sich innerlich dafür, dass er sich auf jemanden eingelassen hatte, der ganz offensichtlich einen scheiß Vaterkomplex hatte. Da erübrigte sich wohl auch gleich die Frage, weshalb der Jüngere sich nie an ihrem großen Altersunterschied gestört hatte.
 

«Meine Lieblingsfarbe ist grün. Ich bin gläubig und bete zum einzig wahren Gott Jashin-sama. Ich huldige ihm jeden Tag indem ich mich selbst verletzte oder verletzen lasse, so wie es seine Regeln verlangen. Ich hab zu ihm gefunden, als ich mich mit neun umbringen wollte und mich aus dem zwölften Stock eines Gebäudes gestürzt habe. Doch wie durch ein Wunder habe ich überlebt und nichts weiter als ein paar Schrammen, blaue Flecken und gebrochene Rippen davongetragen. Ich hasse Politiker, weil die den ganzen Tag nur reden und schlussendlich nur den Reichen noch mehr Geld in den Arsch schieben und nichts für diejenigen tun, die das Pech haben in so einem Viertel wie diesem aufzuwachsen. Ich kann es gar nicht leiden wenn man lügt, deswegen ziere ich mich auch nicht frei zu sagen was ich denke, auch wenn es nicht jedem passt.»
 

«Ich will das nicht wissen, verdammt!», schrie er nun schon aus vollem Hals.

Es waren so viele Informationen die er mit diesem Redeschwall vor die Füße geworfen bekam und dazu schoben sich Bilder in seinen Kopf, die er einfach nicht mehr heraus bekam. Auch wenn er in seinem Inneren bereits vor Wut schäumte und alles in ihm schrie, den Jüngeren zum Schweigen zu bringen, so entschied er sich doch für die Flucht. Er stürmte beinahe schon aus der Küche ins Wohnzimmer und doch schien dies nicht viel zu nützen, denn der Silberhaarige folgte ihm hartnäckig und fuhr einfach fort.
 

«Ich hab ein paar kleinere Vorstrafen, da ich manchmal Lebensmittel in Supermärkten klaue, weil meine Mutter unser Geld lieber versäuft anstatt es für Essen auszugeben. Ich habe keinen richtigen Job, mache eigentlich den ganzen Tag lang nichts, außer zu versuchen ihn unbeschadet zu überstehen. Der Grund warum ich dich Mittwochs nie besuchen komme ist der, weil ich da als Aushilfe in einer Kneipe in der Gegend arbeite, was ich nur dem fetten Kerl zu verdanken habe, dem der Laden gehört. Er hatte Mitleid mit mir, als ich mich im Winter vor ein paar Jahren lieber in der Kneipe aufgehalten habe als Zuhause, weil es da wenigstens ne Heizung gab die funktionierte. Und obwohl ich den Job hasse und ihn am liebsten schon längst geschmissen hätte, halte ich daran fest, weil es das einzig Beständige in meinem Leben ist und weil ich denke, dass ich mir ohne ihn gleich die Kugel geben könnte. Ich hab dich schon bei unserer ersten Begegnung interessant gefunden und später, als ich dir den Grund für mein masochistisches Verhalten erklärt habe, warst du der Erste, der mich nicht schief angeschaut und mich direkt verurteilt hat. Und dann, als ich dich ein paar mal unbemerkt dabei beobachtet habe, wie du auf das Foto deiner Frau gestarrt hast, habe ich angefangen mir zu wünschen, du würdest, so wie du sie ansiehst, auch mich ansehen und–»
 

Ein ekelhaft klatschendes Geräusch hallte von den Wänden wider und als Kakuzu seine erhobene Hand senkte, fing seine Handfläche an zu brennen wie Feuer. Wie es wohl auch die Wange des Jüngeren tun musste, da sie sich bereits jetzt schon anfing rötlich zu verfärben. Der Kopf des Silberhaarigen war durch die Ohrfeige zur Seite geflogen, weswegen Kakuzu nur dessen Profil betrachten konnte. Es herrschte eine ganze Weile Stille, in der Kakuzu das Mienenspiel des Jüngeren mitverfolgte.

Obwohl man meinen könnte dass der Silberhaarige Schmerzen gewohnt war, schien ihm die Ohrfeige ganz schön weh zu tun. Und das, obwohl er doch nur die Handfläche benutzt hatte, anstatt ihn mit der Faust zu schlagen.
 

Oder hatte es gar nichts mit dem Schmerz an sich zu tun, warum der Jüngere sein Gesicht so verzog, sondern war es für ihn genau deshalb schlimmer, weil sich Kakuzu dazu gezwungen gesehen hatte, seine Handfläche zu benutzten und ihn damit zurechtzuweisen wie ein kleines Kind?
 

Tränen traten dem Silberhaarigen in die Augen, seine Unterlippe fing verdächtig an zu beben und Kakuzu befürchtete bereits das Schlimmste. Wider Erwarten schien sich sein Gegenüber jedoch gleich wieder zu fangen und einmal tief ein- und ausatmete. Und als er schließlich den Kopf in Kakuzus Richtung drehte und ihm direkt in die Augen blickte, stand in ihnen die pure Entschlossenheit.
 

«…und ich will, dass du endlich meinen verdammten Namen erfährst! Auch wenn ich ihn dir auf die Stirn tätowieren muss, so dass du ihn jeden Morgen im Spiegel sehen kannst und ihn auch nie vergisst, Gott ich werde es tun! Ich hoffe du erstickst dran, Arschloch! Mein Name lautet Hhhng–»
 

Noch bevor der Jüngere seinen Namen aussprechen konnte, hatte Kakuzu ihm am Hals gepackt um jeden weiteren Laut zu ersticken. Fest drückte er dabei die Kehle des anderen zusammen und blickte ihm Wutentbrannt in die Augen.

So weit würde er es nicht kommen lassen, als dass er diesen Namen erfahren würde, denn damit würden sich die Puzzleteile, die Dinge die er von diesem Jungen wußte, in seinem Kopf unwiderruflich zusammenfügen. Mit dem Namen würde sich ein Bild formen, welches er dann nie wieder aus seinem Kopf bekommen würde.
 

Denn dann würde er ihn unweigerlich nicht mehr als einen Fremden betrachten können.
 

Der Jüngere brachte nur einen erstickten Laut zustande und auch die Versuche sich von seinem Griff zu befreien waren vergebens.
 

«Ich sage es jetzt noch ein letztes mal…», fing er mit vor Wut bebender Stimme an zu sprechen. Er drückte noch etwas fester zu, um seinen Worten mehr Ernsthaftigkeit zu verleihen. Die Augen des Jüngeren weiteten sich in blanker Panik, da diesem wohl langsam die Luft ausging. Doch das interessierte Kakuzu nicht, zu sehr war er von seinem Zorn und Widerwillen eingenommen. Nichtmal die Tritte gegen sein Schienbein nahm er mehr wahr, es fühlte sich beinahe so an, als wäre sein gesamter Körper taub.
 

«Ich will deinen Namen nicht kennen, weil es mir egal ist, wer du bist, was du tust oder woher du kommst. Solltest du in Zukunft nur noch einmal versuchen mir auch nur irgendein Detail aus deinem Leben preiszugeben, dann schwöre ich, wirst du mich kennenlernen. Und glaube mir, das was ich dann mit dir vor habe würde nichtmal mehr dir gefallen.»

Angst spiegelte sich in den Irden des Jungen wider, wo sich nur kurze Zeit später erneut Tränen sammelten, die ihm dieses mal ungehindert über die Wangen liefen. Teilnahmslos nahm Kakuzu dies zur Kenntnis und als der Jüngere beinahe nur noch wie ein nasser Sack in seinem Griff hing, ließ er ihn los.
 

Mit einem dumpfen Laut fiel der Jüngere zu Boden. Würgend und hustend schnappte er gierig nach Luft, nach welcher es seinen Lungen schon so lange fehlte, was seinen Hustanfall nur noch verschlimmerte. Er stützte sich mit den Unterarmen am Boden ab und als er sich etwas beruhigt hatte fuhr er sich einmal mit dem Handrücken über die Augen. Langsam drehte er sich zu Kakuzu, welcher noch immer an der selben Stelle stand und ihm mit einem kalten Blick begegnete.
 

«Wenn ich dir so scheiß egal bin», fing er an und versuchte sich zittrig aufzurichten. «Wäre es dir dann auch egal, wenn ich gehen und nie wieder kommen würde?»

Einen kleinen Schimmer Hoffnung konnte Kakuzu an der Miene des Jüngeren ablesen, welcher er mit seinen nächsten Worten jedoch gleich wieder zunichte machte.
 

«Wäre es.»
 

Ein trauriges Lächeln legte sich auf die Züge des Silberhaarigen, als sich dieser wankend erhob. Er öffnete seinen Mund, als würde er etwas sagen wollten, doch noch bevor ihm ein Laut entwich, schloss er ihn wieder, während sich erneut Tränen über seine Wangen bahnten.
 

Für Kakuzu sah der Jüngere in diesem Moment genau so traurig und verloren aus, wie er sich selbst die letzten Jahre gefühlt hatte. Und doch unterdrückte er seinen ersten Impuls einen Schritt nach Vorne zu machen und den Silberhaarigen aufzuhalten, als sich dieser ohne ein weiteres Wort umdrehte und ihn in seiner Wohnung alleine ließ.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, für alle, die noch nicht 18 sind, hab ich hier das Kapitel noch zugeschnitten. War zu faul den Lemon abzuschwächen und hab ihn stattdessen rausgeschnitten. Ich hoffe ihr verzeiht. ^^
Aber in der Originalversion war der Lemon eigentlich auch nur ein halber Lemon, deswegen... allzu viel verpasst habt ihr also nicht. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Fate_stay_night
2017-07-19T11:24:25+00:00 19.07.2017 13:24
Yo!

Erstma' danke für deine Glückwünsche. 😁
Ich hatte wirklich einen sehr schönen Geburtstag und hab' auch wirklich schön viele Geschenke bekommen. 😉


Das Chap hat mir wieder sehr gut gefallen.

Die Charaktere und ihre Persönlichkeiten hast du wieder perfekt getroffen und sie auch wunderbar der Situation angepasst.

Die Stimmung hast du wirklich sehr gefühlvoll und spannend hinbekommen, was mir besonders gut gefallen hat. 👍

Zudem find' ich's super, dass man endlich ma' etwas genaueres von Hidan erfährt und Kakuzus Reaktion darauf hat mir auch wirklich gut gefallen! 😉👍

Das Ende hat mir besonders gut gefallen, da dort am meisten Emotionen drin verbaut waren und du diesen Abschnitt auch verdammt gut beschrieben und dargestellt hast.


Freu' mich schon sehr auf das nächste Chap und bin schon sehr gespannt, wie's weiter geht! 😁😉


GLG

Fate 💢💣💥
Antwort von:  hYdro_
26.07.2017 17:26
Hey :3

Yap, endlich hat man was über Hidan erfahren. Wollte damit so lange wie möglich warten, da es dann ansonsten nicht mehr zum Titel der FF gepasst hätte. Und da Kakuzu ja auch nicht unbedingt scharf drauf war, etwas über ihn zu erfahren, tja.. hat sich's dann hingezogen. Aber Hidan wäre nicht Hidan, wenn er ihn nicht einfach so mal alles über sich ins Gesicht klatscht. xD
Man merkt, dass ich einen Hang zu dramatische Schicksale habe, oder? Hidans Vergangenheit ist ja nicht grad ohne, genauso wie Kakuzus... allgemein leiden die Protagonisten in meinen FFs sehr oft, wie ich jetzt gerade feststelle. xD

Jedenfalls danke für die lieben Worte, ich hab mich wie immer sehr darüber gefreut! Wir sind schon bald am Ende angekommen, es folgen nur noch zwei Kapitel. Und das Letzte ist dann wirklich nur noch sehr kurz.

LG
hYdro


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