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World´s End

von

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World´s End

Das türkishaarige Mädchen stand auf der Dachterasse des Wolkenkratzers. Es war Nacht, doch angenehm warm. Ein lauer Wind wehte und ließ ihr langes Haar im Wind flattern. Ihr abwesender Blick war in die Ferne gerichtet und verriet, dass ihr Geist sich weit, weit weg befand. Ein weiterer Windhauch streichelte sie, wehte ihr die Locken ins Gesicht, so, dass sie aus ihrer Erstarrung erwachte. Ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen und sie strich sich das Haar zurück.

„Willst du mich abhalten?“ hauchte sie kaum hörbar,

„Oder verstehst du, was ich tun muss?“

Ein erneuter Windhauch seuselte, wie eine Antwort, welche allein sie zu verstehen schien, denn sie lächelte wieder. Ein trauriges Lächeln jedoch nun, eines voller Kummer und Schmerz. Ihr Blick wanderte abwärts auf die nächtlichen Straßen unter ihr. Hell erleuchtet und noch immer voller geschäftiger Menschen, welche von hier oben kaum mehr als Ameisen waren.

„Sie alle sind völlig ahnungslos“, flüsterte das Mädchen,

„Jagen irgendwelchen Hirngespinsten nach, von Beginn bis zum Ende ihres Lebens und übersehen dabei, was direkt vor ihnen liegt…“

Ihr Lächeln war längst erloschen und in ihren Augenwinkeln blitzten Tränen. Als diese sich den Weg über ihre blassen Wangen bahnten, strich ein erneuter Windhauch um sie, wie zum Trost, wischte die Tränen weg und seuselte abermals Unverständliches.

„Sie tun mir einfach leid“, antwortete das Mädchen mit leiser Stimme,

„Es macht mich so unendlich traurig…“

Ihre Unterhaltung mit dem Wind fand ein jähes Ende, als hinter ihr eine Stimme erklang:

„Wirst du es jetzt tun?“

Sie fuhr herum, wirkte aber nicht erschreckt, sondern eher überrascht.

„Haruka was…?“

Weiter kam sie nicht. Ihre Stimme versagte, als sie den wissenden Blick der Blondine, welche langsam auf sie zukam, erkannte. Kurz senkte sie den Blick, dann jedoch blickte sie ihr Gegenüber fest an und fragte:

„Was machst du hier, Haruka? Woher weißt du, dass ich hier bin?“

Die Blondine hatte sie fast erreicht, ignorierte ihre Worte jedoch vollkommen.

„Wirst du es tun, Michiru?“ fragte sie erneut und kam direkt vor ihr zum Stehen,

„Kann das wirklich der Grund sein, warum du hier bist?“

Michiru traute sich kaum, zu Haruka aufzusehen. Als sie deren Blick traf, war der jedoch unerwartet sanft. Sie schien wirklich besorgt und Michiru kam zu dem Schluss, dass ihr Gegenüber sich auf einer völlig falschen Fährte befand und nicht die geringste Ahnung hatte, warum sie wirklich hier her gekommen war.

„Du verstehst das vollkommen falsch, Haruka“, begann sie leise zu sprechen,

„Ich wollte nicht…“

Wieder kam sie nicht dazu, ihren Satz zu beenden. Dieses Mal allerdings, weil Haruka sie unterbrach.

„Ich weiß, dass du nicht springen wolltest“, kam es promt,

„Du bist hier, um die Menschen dafür zu bestrafen, dass sie so sind, wie sie sind!“

Michiru sah sie erstaunt und erschreckt zugleich an. Scheinbar war Haruka´s Fährte doch nicht die Falsche. Sie hatte Michiru durchschaut, hatte sie vielleicht sogar erkannt und wusste, wer sie wirklich war. Wie das allerdings möglich war, konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Haruka´s nächte Worte jedoch, bestätigten bereits, dass diese wohl doch längst nicht alles wusste.

„Wer bist du und was genau willst du tun?“ fragte sie.

Ihre Stimme war leise, beinahe schon brüchig, so, als ahne sie die Antwort bereits und hoffte dennoch, sie würde sich irren.

„Du weisst es doch bereits“, antwortete Michiru,

„Ich bin eine Tochter der Erde und doch die Mutter von Allem…“

Ihre Stimme klang sanft und beruhigend, doch konnte sie das Herz der Blondine nicht ruhiger werden lassen.

„Sag mir deinen Namen“, forderte diese und in ihrer Stimme klang ein letzter Funke Hoffnung, dass sie sich doch getäuscht hatte.

„Ich habe viele Namen, doch die meisten von euch nennen mich Gaia.“

Die Antwort ließ Haruka fast unmerklich zusammen zucken. Sie sah Michiru an. Dieses wunderschöne Mädchen mit den melancholischen Augen. So sanft und freundlich zu Allem und Jeden, zierlich und zerbrechlich, jedoch mit unglaublicher Stärke im Herzen. Dieses engelsgleiche Wesen, welches ihr Herz gestohlen hatte und ihr die wahre Liebe gezeigt hatte ohne es zu ahnen. Die ihr schon von Anfang an die Idee in den Kopf gesetzt hatte, dass kein Mensch so vollkommen sein konnte und ihr nun mit nur einem Satz genau das bestätigte.

Sie war kein Mensch. Doch was genau sie war, konnte Haruka sich nicht beantworten. Gaia, die Mutter der Erde – bisher nichts als eine Legende – was genau war sie? Ein Fabelwesen? Eine Zauberin? Oder sogar eine Göttin?

Im Grunde war es egal. Sie war hier, stand vor ihr in Fleisch und Blut und es gab einen Grund, dass es so war. Haruka traute sich kaum zu fragen und doch tat sie es beinahe automatisch, ohne ihren Blick von Michiru´s Augen abzuwenden.

„Und…warum genau bist du hier?“

Ein kurzes Lächeln huschte über Michiru´s Lippen. Erneut kein glückliches Lächeln, sondern wieder eines voller Traurigkeit und Schmerz, wodurch ihre Augen noch melancholischer wirkten und ihre Worte schon beinahe um Vergebung flehten:

„Ich bin hier um die Erde zu retten, denn lange trägt sie die Last der Menschen nicht mehr…“

„Du bist hier um uns auszulöschen?!“

Es war keine Frage, eher eine Feststellung und so blieb Haruka schon beinahe gelassen, als Michiru leicht nickte. Haruka trat an ihr vorbei und deutete hinab in die Tiefe.

„Sieh da hinunter“, forderte sie,

„Sieh dir die Menschen an, die alle nichts davon ahnen, welches Schicksal sie erwartet und von denen jeder einzelne sich nichts anderes wünscht, als ein kleines Stück vom Glück! Sieh sie an bevor du sie alle auslöscht und sag mir ins Gesicht, dass es dir egal ist, dass auch gute Seelen unter ihnen sind. Menschen, die in den letzten Monaten zu deinen Freunden geworden sind, mit denen du Zeit verbracht und Spaß hattest! Menschen, die jeden schönen Augenblick mit dir genossen und fest in ihre Erinnerungen geschlossen haben. Sieh sie dir an und sag mir, sie alle haben es verdient zu sterben!“

Es lag mehr Verzweiflung als Zorn in Haruka´s Worten und Michiru senkte kurz den Blick. Ihren Schmerz konnte sie so zwar nicht verbergen, aber das wollte sie auch gar nicht.

„Denkst du denn wirklich, ich habe mir diese Entscheidung leicht gemacht?“ sah sie der Blondine wieder in die Augen,

„Glaubst du, ich bin so etwas wie euer biblischer Gott, der nur einen kurzen Blick aufs große Ganze wirft und dann Plagen und Sintfluten schickt oder das Leben des eigenen Sohnes fordert? Glaube mir, meine Entscheidung ist nicht leichtfertig getroffen. Ich beobachte die Menschen schon seit so unendlich langer Zeit. Ich habe sogar mehr als ein ganzes, menschliches Leben gelebt, habe am eigenen Leib erfahren, wie kalt und skrupellos eure ganze Rasse ist. Die wenigen guten Menschen reichen nicht aus um alle zu verschonen. Sie können euch nicht bekehren oder retten. Sie können ja nicht einmal sich selbst vor der Schlechtigkeit des Großteils eurer Rasse retten!“

Haruka blickte Michiru fassungslos an. Dieses zarte Wesen, welches neben ihr stand, in die Tiefe starrte und über deren Wangen unaufhörlich Tränen rannen. Nein, leicht hatte sie sich diese Entscheidung sicher nicht gemacht. Im Gegenteil – das, was zu tun sie hier her gekommen war schien ihr unendlich schwer zu fallen. Und doch wirkte sie fest entschlossen, als könne Nichts und Niemand sie von ihrem Vorhaben abbringen. Trotzdem wollte Haruka es versuchen.

„Aber es gibt etwas, was lohnt erhalten zu werden“, sagte sie leise und nahm Michiru´s Hand.

Sie barg sie auf Brusthöhe in den Ihren, wodurch diese ganz dicht vor ihr stand und ihr beinahe etwas scheu in die Augen blickte.

„Du meinst die Liebe?“ fragte sie dann leise und völlig unerwartet.

Haruka war beinahe überrumpelt, fing sich jedoch schnell wieder und nickte sanft.

„Ja, die Liebe“, bestätigte sie zusätzlich leise,

„Etwas, das du noch nicht kennen gelernt hast in diesem Leben und vielleicht nicht einmal in einem anderen. Ein Gefühl so wunderschön, dass es kaum Worte gibt, die es angemessen beschreiben können. Ein Gefühl das dir Kraft gibt alles zu schaffen, was du schaffen willst und…“

„Aber nicht ausreichend Kraft es offen und ehrlich auszusprechen!“

Haruka blinzelte verwirrt. Der Satz mit welchem Michiru sie unterbrochen hatte klang so bestimmt und fest, beinahe schon allwissend.

„Aber…“, wollte die Blondine einwenden, doch Michiru ließ sie nicht weiter sprechen.

„Kein aber“, schüttelte sie den Kopf,

„Ich weiß, dass du mich liebst. Schon so lange Zeit, Ruka.“

Ihre Worte waren leise und traurig.

„Aber obwohl du diese Gefühle für mich hattest, hast du es in der ganzen Zeit nicht geschafft, es mir zu sagen. Nicht eine winzige kleine Andeutung, geschweige denn ein offenes Wort. Ich weiß, ihr Menschen fürchtet euch vor Zurückweisung, aber wer nicht voran geht, der bleibt immer weiter zurück! Furcht ist da, um sich ihr zu stellen und sie zu besiegen – nicht um davor davon zu laufen. Man wächst mit seinen Taten und wenn man nichts wagt, wird man auch nie etwas gewinnen! Verstehst du Haruka? Das ist euer Problem! Ihr geht den Weg des geringsten Widerstandes, völlig egal, dass ihr dadurch vom Weg abkommt. Und das gilt für Alles. Nicht nur für Liebe!“

„Wie meinst du das…für Alles?“

Michiru legte ihr sanft die Hand auf die Wange.

„Es gibt keinen Ausweg mehr“, flüsterte sie.

„Aber…“, Haruka legte ihre Hand über die von Michiru,

„…es ist niemals zu spät um umzukehren oder etwas nach zu holen!“

Sie klang wirklich überzeugt von ihren Worten, doch Michiru schüttelte traurig den Kopf.

„Nein Haruka. In diesem Fall ist es zu spät! Die Menschen haben nicht nur bereits viel zu viel von der Erde zerstört, sie werden auch immer mehr! Es ist ein Ungleichgewicht der Seelen eingetreten, welches sich nicht mehr ausgleichen lässt. Ich weiß es, denn ich habe jede einzelne von ihnen erschaffen!“

„Du…erschaffst…Seelen?“ fragte Haruka geschockt,

„Also bist du so etwas wie eine Göttin!“

„Ich erschaffe keine Seelen mehr“, schüttelte Michiru den Kopf,

„Schon sehr lange Zeit nicht mehr. Es gibt für jede Welt eine bestimmte Anzahl an Seelen, die diese Welt bevölkern sollen. Von Anfang an in einem Gleichgewicht geschaffen, das zu zerstören nur euch Menschen gelungen ist. Alle Seelen sind gleich bei ihrer Erschaffung und bekommen die gleichen Aufgaben gestellt, bevor sie ihre endgültige Form erhalten und für immer ein Teil des großen Ganzen werden. Seit Millionen von Jahren ist es so und nie wurde dieser ewige Kreislauf aus der Bahn geworfen oder unterbrochen. Die Menschen jedoch haben zerstört was schon immer so war. Sie haben geraubt und getötet – sogar ihresgleichen – seit Beginn ihrer Existenz…“

Ihre Worte wurden immer leiser und trauriger und sie senkte den Blick. Tränen flossen über ihre Wangen und ihre Stimme war brüchig, als sie weiter sprach:

„Je mehr Ungleichgewicht bei den Seelen herrscht, desto mehr stirbt. Ich kann diesen Planeten nicht einfach untergehen lassen, das musst du verstehen!“

„Was denn für ein Ungleichgewicht?“ fragte Haruka,

„Ich verstehe nicht, was du meinst.“

„Um es dir ganz einfach zu machen – geh nur ein oder zweitausend Jahre zurück in eurer Geschichte: Wie viele Menschen und wie viele Tiere gab es?“

Haruka schien zu begreifen.

„Es gibt…einfach zu viele von uns…?!“

Michiru nickte.

„So viele Seelen welche bestimmt dazu wären ein Tier zu sein, stattdessen aber in einem Menschen verweilen, gefangen in einer Existenz, der sie kaum entkommen können. So viele komplette Arten ausgelöscht für immer, so viele der Natur geraubten Seelengefäße. Wenn ich dem jetzt nicht Einhalt gebiete, dann wird es in hundert oder zweihundert Jahren nur noch Menschen geben auf der Erde und ihr alle seid sowieso dem Tod geweiht. Ist es da nicht gnädiger, eure Spezies schnell und schmerzlos auszulöschen, als zuzusehen, wie ihr bald langsam und qualvoll zugrunde geht?“

Haruka rang ein wenig nach Luft. Das alles war so groß und mächtig, das es jede ihrer bisherigen Vorstellungen sprengte. Die Menschen, die Krone der Schöpfung für die sie sich hielten, waren nichts weiter als Parasiten die ihren Wirt langsam aber sicher zerstört hatten, ohne sich je über die Folgen klar gewesen zu sein. Sie waren nur ein winzig kleiner Teil eines großen Ganzen, so klein und unwichtig eigentlich, das ihr Verschwinden gar nicht auffallen würde, sogar für das was bleiben würde, alles besser machen würde.

„Das ist Wahnsinn“, hauchte sie,

„Michiru bitte – ich liebe dich doch… Gibt es denn gar keinen anderen Weg?“

Michir sah ihr tief in die Augen.

„Ich liebe dich auch“, hauchte sie zurück,

„aber es ist zu spät…“

Haruka schluckte. Sie wusste weder noch etwas zu sagen, noch etwas zu tun. Einen Augenblick lang wollte sie Michiru einfach küssen, doch ihr war klar, diese würde das nicht zulassen. Irgendwann war sie – genau wie der Rest der Menschheit – vom Weg abgewichen, war dem falschen Weg gefolgt und nun gab es keine Zeit mehr, den Weg zurück zu gehen und den richtigen zu wählen.

„Hätte ich den richtigen Weg gewählt, stünden wir dann nun auch hier an diesem Punkt?“ fragte sie vorsichtig,

„Oder hätte ich irgendetwas ändern können?“

Michiru stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Lippen.

„Du allein hättest die Menschen auch nicht retten können“, flüsterte sie,

„Aber du hättest uns retten können und damit vielleicht alles verändert…“

Sie drehte sich von Haruka weg und stellte sich an das Geländer der Terrasse.

„Ich liebe dich“, sagte sie nochmal leise, hob die Arme und sah in den Himmel um dann laut in die Nacht zu rufen:

„Mutter Erde, mit all meiner Kraft, befreie ich dich von dem Leid, welches ich dir verursacht habe und gebe dir dein Gleichgewicht zurück! In dieser Sekunde noch soll alles menschliche Leben restlos verschwunden sein, als hätte es dies nie gegeben!“

„Ich liebe dich…“, hatte sie Haruka hinter sich noch sagen hören – dann war alles vorbei.
 

https://www.youtube.com/watch?v=SZK0iFmyT1c



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  dreamfighter
2017-10-01T12:04:03+00:00 01.10.2017 14:04
Worte, die einen Nachdenklich stimmen. Zumindest war es bei mir so.


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