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Die 12 Prüfungen der Shina Fay

von

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08. Prüfung - Castor der Eistroll

08. Pruefung – Castor der Eistroll
 

Eteria im Jahr des Koalabären
 

Der Winter hatte in Eteria Einzug gehalten. Das Dorf in dem Shina Fay lebte, war gänzlich eingeschneit. Doch die Dorfbewohner waren solche harten Winter gewohnt. Hunger musste trotzdem niemand leiden. Denn Shina Fay hatte auf Maras Rat hin ein Räucherhaus und einen Nahrungsspeicher bauen lassen um die Jagdbeute, seien es jetzt Fische oder Wildtiere lange haltbar zu machen. Fasten jeden Tag war sie entweder mit Raya, Kaitlyn und Jenna unterwegs. Mal waren die vier am Lotosblütensee, mal in der Savanne, die sie vor zwei Jahren entdeckt hatten. Ein anderes Mal waren die Freundinnen an den Nyoto-Fällen gewesen und hatten im Bach unterhalb der Fälle Fische gefangen. Dabei hatte Shina Fay von Jenna das Speerfischen gelernt.
 

Doch der Winter war auch eine Zeit voller Grauen, bedeutete er doch die unprovozierten und meist brutalen Angriffe der Eistrolle. Die Trolle lebten als Clans in den Bergen und zogen sich im Sommer meistens in die unterirdischen Höhlen zurück, da sie die Hitze nicht vertrugen. Doch im Winter kamen sie aus ihren unterirdischen Behausungen und stahlen alles essbare, was nicht niet - und nagelfest war. Shina Fays Dorf hatte zwar nicht mit solchen Problemen zu kämpfen, wohl aber die Bewohner der Ländereien über die Aradil, die Cousine der jungen Elfe gebot. Und so geschah es, dass Aradil Shina Fay eines Tages ihre Aufwartung machen musste.
 

„Ich brauche deine Hilfe, Shina Fay.“, sagte sie nach einer innigen Begrüßung. Die beiden Cousinen hatten sich seit Shina Fays Kampf gegen Nekane, der schon 19 Jahre zurücklag nicht mehr gesehen. „Was kann ich für dich tun, Aradil?“ „Die Eistrolle sind wieder da. Sie stehlen die Vorräte meiner Untertanen. Es ist furchtbar. Erst letzte Woche gab es in einem der Dörfer einen Todesfall. Eine Sippe hat eines ihrer Kinder verloren, weil es nichts mehr zu Essen gab. Das arme Mädchen ist vor Hunger und Kälte gestorben. Ich war dabei, als es starb. Ich habe es noch in meinen Armen gehalten, konnte aber nichts mehr tun.“ „Wie heißt der Anführer des Trollclans?“, fragte Shina Fay Aradil. „Es ist Castor.“ „Ich lasse dich nicht im Stich Cousinchen.“ „Danke, Shina Fay. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann.“
 

Bevor die Herrin von Edendale die Wälder von Aboleni verließ, gab ihr Shina Fay noch ein paar Vorräte mit. „Gib sie deinen Untertanen. Und bestell ihnen ganz liebe Grüße von mir.“, sagte sie. „Die Leute werden dir ewig dankbar sein, Shina Fay.“ „Wenn wieder was passiert, lass es mich wissen, Aradil.“ „Ganz bestimmt.“ Nachdem Shina Fays Cousine aufgebrochen war, kam Ayla in das Dorf geritten. Die Stammesführerin vom Clan des roten Habichts begrüßte Netanyas Schülerin herzlich. „Ich bringe Neuigkeiten aus Endor.“, sagte Ayla. „Was hast du zu berichten?“ „Netanya war heute im Tempel des Orakels um es zu befragen, was deine Zukunft angeht.“ „Und was hat das Orakel gesagt?“ „Es hat Netanya geantwortet, dass deine achte Prüfung bevorsteht. Du sollst Castor, den Eistroll vernichten.“ „Das trifft sich gut. Denn so schlage ich zwei Fliegen mit einer Klappe. Weißt du, Castor und sein Clan 104

machen meiner Cousine Aradil das Leben schwer.“ „Verstehe. Aber das Orakel hat auch gesagt, dass du dieses Mal keine Zeit für irgendwelche Rettungsaktionen hast. Du musst noch heute aufbrechen und dich nach Edendale begeben.“ „Ich bin schon so gut wie fertig.“, sagte Shina Fay. „Sehr gut. Ich nehme an, dass deine Freundinnen dich begleiten werden.“ „Ja. Bis auf Ilva. Sie wird hier im Dorf bleiben.“ „Warum nimmst du sie nicht mit?“ „Weil wir dann nachts reisen müssten. Und das ist viel zu riskant. Außerdem ist dies ihr eigener Wunsch.“
 

Nachdem sich Shina Fay von Ilva verabschiedet hatte, brach sie zusammen mit dem Rest ihrer Clique auf. Tarzon und Shira stürmten wie immer vorne weg. Dahinter kamen die anderen. Mara hatte sich im Sommer bei einem der Jagdausflüge mit Shina Fay eines der vielen Wildpferde, einen Mustang, eingefangen. Sie hatte ihm den Namen Blizzard gegeben, weil das Tier ein Hengst war. Blizzard war ein Rappe und deshalb ganz schwarz. Auch Arteya hatte bei einem fahrenden Händler ein Reittier in Gestalt eines Araber-Rappen-Hengstes erstanden. Dieses Tier hatte sie Stormcloud genannt.
 

Die Freundinnen ritten bis die Dunkelheit anbrach, ehe sie auf einer Lichtung in einem Kiefernwald ihr Lager aufschlugen. Weit waren sie nicht gekommen, denn sie konnten das Dorf noch am Horizont erkennen. „Wenn das so bleibt, kommen wir morgen auch nicht viel weiter als heute.“, sagte Tyra. „Es ist Winter. Da wird es nun mal früher dunkel.“ Um sicher zu gehen, dass die Nacht ruhig verlief, hatte Kaitlyn ihre magischen Kräfte dazu eingesetzt, um einen magischen Schutzwall um das Lager zu ziehen. Am nächsten Morgen setzte die kleine Gruppe ihre Reise nach Edendale fort. Tarzon und Shira hatten wieder die Führung übernommen. Blizzard und Stormcloud folgten dahinter, doch beide waren etwas langsamer, hatten sie doch ein Gestell zu ziehen, auf dem man Desdemona gebettet hatte, für die der kalte Boden Gift war.
 

Als es Mittag war hatte die Gruppe wieder einen Wald erreicht. Shina Fay entschied, eine Pause einzulegen. Die Freundinnen waren gerade am Essen, als sie durch ein lautes Krachen aufgeschreckt wurden. „Was war das?“, fragte Jenna. „Keine Ahnung. Aber ich werde es mir mal näher ansehen. Wer von euch hält hier Wache?“ Arteya und Desdemona meldeten sich. Der Rest eilte in die Richtung aus der das Geräusch gekommen war. Am Ort des Geschehens erwartete Shina Fay und ihre Gefährtinnen ein entsetzlicher Anblick. Ein Wesen, halb Pferd halb Menschenfrau befand sich in Lebensgefahr, da sie in ein Moorloch geraten war. „Eine von uns muss da rein.“, sagte Raya. „Ich übernehme das.“ „Draufgängerisch wie immer.“ „Bindet mir ein Seil um die Hüfte und befestigt es an dieser Sumpfeiche. Danach befestigt ihr das zweite Seil von Tyra an der Eiche und werft es dieser Unglückseligen zu.“
 

Gesagt, getan. Shina Fays Freundinnen befestigten die beiden Seile am Stamm einer massiven Sumpfeiche. Das erste warfen sie dem Wesen zu, das sofort danach griff. Das zweite banden sie Shina Fay um die Hüfte und diese ging auf das völlig verängstigte Geschöpf zu. Als der feste Boden unter ihren Füßen in Morast überging sackten der jungen Elfe die Füße weg und sie sank bis zu den Hüften in das Sumpfloch. Doch irgendwie schaffte sie es, ein drittes Seil um den Bauch des 105

Wesens zu schlingen und festzuzurren. Das Ende warf sie ihren Freundinnen zu. „Okay! Und jetzt zieht!“ Gemeinsam schafften sie es, die Kreatur aus dem Sumpfloch zu ziehen. „Was hat Ayla gesagt, bevor du aufgebrochen bist? Du hast keine Zeit für leichtsinnige Rettungsaktionen.“ „Ja ich weiß. Aber wie hätte ich sie dem sicheren Tod überlassen können?“ „Wieso sie, Shina Fay?“, fragte Mara. „Sieh dir das Gesicht an, und du weißt es.“ Mara nahm das Wesen genauer in Augenschein. Der Unterleib war der eines Pferdes und goldbraun, wo der Morast sich nicht abgelagert hatte. Dort wo der Pferdekörper in den Menschenkörper überging konnte die Schattenhexe einen schlanken Oberkörper mit üppigen Brüsten erkennen. Das Frauengesicht war oval geschnitten. Braune Augen, in denen Dankbarkeit und Güte zu erkennen war, blickten in die Runde. Lange, blonde Haare, die bis zu den Hüften des Menschenkörpers reichten, wehten im Wind.
 

„Wer bist du?“, fragte Shina Fay gerade heraus. „Ich bin Biljana. Die Tochter der Königin der Kentauren.“ Erst jetzt bemerkte Shina Fay den goldenen Reif, den die Kentaurin an ihrer Stirn trug. Ebenso die bunten Flechtarbeiten im Haar, die mit den kostbarsten Edelsteinen verziert waren. Auch den goldenen Armreif mit dem Herrschersymbol, das in Form einer übergroßen Fliege gehalten war, konnte Shina Fay unmöglich übersehen. „Du hast mir das Leben gerettet, Shina Fay. Dafür gebührt dir der Dank des Kentaurenvolkes. Ich werde mich jetzt auf den Weg nach Sedenia, meiner Heimat machen und meiner Mutter von unserer Begegnung berichten.“ „Willst du dich nicht noch etwas stärken und ausruhen, bevor du deine Reise fortsetzt? Du könntest etwas Ruhe gebrauchen.“
 

Die Kentaurin musste sich eingestehen, dass Raya recht hatte. Denn der Kampf im Moorloch hatte an ihren Kräften gezehrt. Im Lager bekam Biljana erst einmal etwas Kaninchenfleisch und dazu einen Tee, der aus den Kräutern der Umgebung gebraut worden war. Und nach dem Essen deckte Shina Fay die Kentaurenprinzessin mit Fellen zu. Raya kam zu ihr, als sich Shina Fay für ein paar Augenblicke zurückgezogen hatte. „Es hat keinen Sinn noch einmal aufzubrechen, die Sonne geht bereits unter.“ „Ja ich weiß. Ein Bote von Aradil kam heute morgen zu mir, bevor wir aufgebrochen sind.“ „Und was lässt dir deine Cousine ausrichten?“ „Das es noch keine Trollangriffe gegeben hat. Wir haben also noch etwas Zeit.“ „Das kann sich aber sehr schnell ändern. Das weißt du genau so gut wie ich, Shina Fay.“
 

Am nächsten Morgen war Shina Fay als erste wach. Kurz darauf erwachte Biljana. „Ich muss dich jetzt verlassen, Shina Fay. Ich danke dir noch einmal für deine Gastfreundschaft und deine Hilfe. Ich wünsche dir noch viel Glück bei deiner Aufgabe. Nimm diesen magischen Stirnreif als Zeichen unserer Freundschaft. Er soll dich und deine Gefährtinnen in Augenblicken der Gefahr schützen. So leb denn wohl, bis wir uns im Frühling wieder sehen.“ Mit diesen Worten ließ die Kentaurin Shina Fay zurück, die in ihren Händen den Stirnreif hielt, den Biljana ihr geschenkt hatte. Die junge Elfe sah ihn sich genauer an. In der Mitte prangte ein Diamant, so groß wie Shina Fays Daumen in Form eines Tropfens oder einer Träne. Links und rechts war der Reif zu einem Teil geflochten, ehe zwei elliptische Verzierungen die vordere Seite des Reifes abschlossen. Danach verlief der Reif als schmaler, metallener 106

Streifen weiter, bis er einen Kreis bildete. Shina Fay drehte den Stirnreif eine Weile in ihren Händen, ehe sie ihn aufsetzte.
 

Zurück im Lager wurde Shina Fay von ihren Gefährtinnen erwartet. „Wo ist Biljana?“, fragte Mara. „Sie ist in ihre Heimat zurückgekehrt um ihrer Mutter, der Königin der Kentauren von unserer Begegnung zu berichten. Und so wie es scheint, ist zumindest Biljana mir wohlgesonnen, denn sonst hätte sie mir nicht diesen Stirnreif geschenkt, der uns alle in Gefahrensituationen schützen soll.“ Erst jetzt bemerkten die anderen den Reif an Shina Fays Kopf. „Ein wahrhaft edles Geschenk.“ „Im Frühling kehrt Biljana nach Eteria zurück, um mir von der Entscheidung ihrer Mutter zu berichten.“ „Ich denke, du hast die Kentauren auf deiner Seite. Immerhin hast du ihre Thronfolgerin vor dem Tod bewahrt. Die Kentauren vergessen so etwas nicht.“
 

Nach dem Frühstück brachen die Freundinnen wieder auf, denn sie wollten noch vor Einbruch der Dunkelheit zumindest mal den Rand von Edendale Forrest erreicht haben. An einem Bach machten sie kurz Rast und füllten ihre Wasservorräte auf. Danach ging es bis zum Mittag weiter, bevor die Gefährtinnen einen alten Bauernhof erreichten, der schon halb verfallen war. Shina Fay und Mara sahen sich um. In den Ställen entdeckte die Schattenhexe eine einzige Kuh, die zwar noch körperlich gut beisammen war, aber seelisch total am Ende. Mara zog einen Dolch aus ihrem Stiefel und erlöste das Tier von seinen Qualen. Anschließend brieten die Fleischstücke über dem Feuer, das Arteya entzündet hatte. „War die Kuh das einzige Tier, das hier auf dem Bauernhof noch gelebt hat?“ „Ja. Die anderen Tiere waren verendet. Das Tier wäre so oder so zugrunde gegangen. Es war wirklich eine Erlösung für diese Kuh.“, sagte Mara. „Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Du hast getan, was deiner Meinung nach das Richtige war. Außerdem haben wir dadurch frische Vorräte.“
 

Die Sonne ging gerade am Horizont unter und färbte den Himmel blutrot, als Shina Fay und ihre Freundinnen Edendale Forrest erreichten. Aradil, Shina Fays Cousine erwartete sie bereits. Nach einer innigen Begrüßung sagte sie: „Ein Glück, dass ihr da seid. Heute Morgen wurden die ersten Späher der Eistrolle gesichtet. Es wird also bald losgehen.“ Als die Dunkelheit hereingebrochen war, erreichte die kleine Gruppe Edendale Castle. Doch die Ankunft war nicht unbemerkt geblieben. Ein Späher Castors hatte die Ankunft von Aradils Cousine beobachtet. Heimlich still und leise machte er sich auf den Weg zurück in Castors Quartier um seinem Herren Bericht zu erstatten.
 

In Byrnak, der Hauptstadt Sedenias, dem Reich der Kentauren, war auch Biljana, die Tochter von Königin Athene eingetroffen und hatte sofort ihre Mutter aufgesucht. „Ich habe gehört was die passiert ist. Und ich weiß auch, wem du dein Leben verdankst.“, sagte die Königin. „Was wirst du jetzt tun Mutter?“ „Wir werden unseren Verwandten, den Zentauren in den Rücken fallen und uns mit den Elfen Eterias verbünden. Denn wir stehen in ihrer Schuld.“
 

Nach dem sich die Königstochter zurückgezogen hatte erschien ein Bote der Zentauren bei der Königin. „Eure Hoheit, das Volk der Zentauren, hat sich auf die Seite der Dunkelelfen geschlagen. Mein König Hector, lässt euch durch 107

mich ausrichten, dass Ihr nicht vergessen sollt, wem Ihr verpflichtet seid.“ „Ich kenne meine Verpflichtungen. Aber in diesem Fall bin ich an unsere Gesetze gebunden.“ „Wie darf ich das verstehen, meine Königin?“ „Die Kentauren werden an der Seite der Elfen Eterias kämpfen. Shina Fay, die Stammesführerin vom Clan des roten Habichts hat meiner Tochter Biljana das Leben gerettet. Das Gesetz besagt, dass wir Shina Fay unsere Loyalität schulden.“ „Das ist Verrat! Wir Zentauren sind eure nächsten Verwandten. Blut ist dicker als Wasser. Eure Loyalität gehört den Zentauren und niemandem sonst!“ „Ich werde unsere Gesetze nicht missachten. Damit ist gesagt, was zu sagen ist. Kehrt zu eurem König zurück und richtet ihm aus, dass er nicht auf die Hilfe der Kentauren hoffen kann.“
 

In Eteria hatte Castors Späher seinen Herrn aufgesucht. „Was gibt es?“ „Dieses Jahr werden wir bei den Überfällen Probleme haben. Lady Aradil hat Verstärkung bekommen.“ „Verstärkung? Wer wäre dumm genug, Aradil von Edendale zu unterstützen?“ „Es gibt nur eine Elfe in ganz Eteria, die genug Cojones besitzt, euch in die Suppe zu spucken, Herr.“ „Wer ist es?“ „Es ist Shina Fay, die Stammesführerin vom Clan des roten Habichts. Wie ich in Erfahrung bringen konnte, ist sie Lady Aradils Cousine.“ „Zugegeben, das erschwert die Sache natürlich. Aber will nicht mehr Castor heißen, wenn ich nicht auch für diese unerwartete Überraschung eine Antwort wüsste.“, sagte Castor. „Es gibt offenbar noch eine weitere Wendung. So wie es aussieht, werden sich die Kentauren gegen ihre Verwandten die Zentauren stellen und auf Shina Fays Seite kämpfen.“ „Das kümmert mich wenig. Meine Loyalität gilt nur meinem Clan. Weder Königin Ignissa, noch Königin Azura oder Königin Larissa. Auch nicht Shina Fay.“
 

In Edendale Castle hatten sich die Freundinnen und die Herrin des Hauses zu einem leichten Abendessen im Speisesaal eingefunden. „Du hast aber lange gebraucht. Sonst bist du viel schneller.“, sagte Aradil. „Es ging nicht schneller. Vergiss nicht, dass Desdemona eine Naga-Königin ist. Und für sie ist der kalte Boden Gift. Wir mussten sie auf einem Gestell transportieren. Und dann war da noch Biljana.“ „Wer ist Biljana?“ „Sie ist Königin Athenes Tochter.“ „Athene? Die Königin der Kentauren?“ „Eben jene. Ich habe ihr das Leben gerettet.“ „Dann stehen die Kentauren auf deiner Seite. Den Zentauren wird das gar nicht schmecken. Du weißt, dass Zentauren und Kentauren miteinander verwandt sind?“ Shina Fay sah ihre Cousine überrascht an. „Wie jetzt?“, fragte sie. „Du hast mich verstanden, Shina Fay. Die Kentauren sind die direkten Verwandten der Zentauren. Sie entstammen derselben Linie. Allerdings legen sie großen Wert auf die Einhaltung ihrer Gesetze. Die Zentauren nehmen es da nicht so genau. Du hast Prinzessin Biljana das Leben gerettet. Jetzt ist es an Königin Athene ihre Schuld bei dir zu begleichen. Das heißt im Umkehrschluss, dass sie König Hector, den Herrscher der Zentauren verraten muss.“
 

In Olbia, der Hauptstadt Maduros, des Zentaurenreiches, überbrachte der Bote Hector, dem König der Zentauren die Antwort von Königin Athene, der Herrscherin der Kentauren. „Mylord, ich komme gerade aus Sedenia, der Heimat der Kentauren.“ „Was sagt meine Cousine Pieter?“ „Sie wird nicht an eurer Seite kämpfen. Die Kentauren werden sich den Elfen Eterias anschließen.“ 108

„Das glaub ich jetzt nicht. Meine eigene Cousine verrät mich?“ „Ich habe versucht sie umzustimmen, mein König. Aber Königin Athene ist stur. Sie hält sich an den Gesetzeskodex der Kentauren. Und dieser besagt, dass wenn ein Kentaure unerwartet Hilfe erhält, er seinem Helfer seine Loyalität schuldig ist. Shina Fay, die Stammesführerin vom Clan des roten Habichts, hat Prinzessin Biljana das Leben gerettet. Damit stehen die Kentauren zumindest in Shina Fays Schuld.“ „Shina Fay sagst du Pieter?“ „Ja mein Lehnsherr, so lautet der Name.“ „Dumme, kleine Shina Fay. Du verstehst nichts von staatsmännischen Dingen. Überlass das lieber den Profis.“, sagte König Hector zu sich selbst.
 

In Eteria hatten die Bewohner in den Dörfern von Edendale begonnen, diese mit Palisaden zu umzäunen, um so einen Angriff für die Eistrolle zu erschweren. Es war Shina Fays Idee gewesen, die Palisaden zu errichten. Außerdem hatte sie angeregt, Bogenschützen auf begehbaren Brüstungen innerhalb der Palisaden zu postieren, damit diese die Eistrolle mit einem Pfeilhagel unter Beschuss nehmen konnten. Königin Ignissa hatte für jedes Dorf eine Kompanie Bogenschützen abgestellt. In Castors Hauptquartier sorgte diese Entwicklung für ein heilloses Chaos. Der Clanführer hatte Schwierigkeiten, seine Krieger und Offiziere zur Ordnung zu rufen. Als er merkte, dass alle seine Versuche Ordnung zu schaffen nicht fruchteten, schlug Castor vor Wut mit der Faust auf seinen Tisch. Schlagartig wurde es still im Raum. „SEID IHR NOCH GANZ DICHT, IHR HOHLKÖPFE? NUR WEIL DIE BEWOHNER DER DÖRFER IN EDENDALE PALISADEN BAUEN UND SCHUTZMAßNAHMEN ERGREIFEN, MÜSST IHR EUCH BENEHMEN WIE EINE HORDE WILD GEWORDERNER PAVIANE?“, brüllte er in die Runde. „Vergebung Herr. Aber es sind nicht die Palisaden, die uns beunruhigen.“ „Was ist es dann?“ „Es sind die königlichen Bogenschützen Herr. Königin Ignissa hat pro Dorf eine Kompanie abgestellt.“
 

Castor sah finster drein. Dann fragte er: „Aus wie vielen Soldaten besteht eine Kompanie?“ „500 bis 600 Mann.“ „Wie viele Dörfer gehören zur Grafschaft Edendale?“ „Acht Herr.“ „Das wären zwischen 4.000 und 4.800 Bogenschützen.“, sagte einer von Castors Generälen. „Ich kann auch rechnen, stell dir vor. Nun gut. Wie stark ist unsere Troll-Armee?“ „Insgesamt 3.900 Mann. 2.400 für die Dörfer und 1.500 als Reserve.“ „Das reicht nie und nimmer. Die Bogen der königlichen Bogenschützen haben extrem große Reichweiten. Das bedeutet, dass unsere Krieger es unter Umständen gar nicht bis über die Palisaden schaffen.“ „Wir müssen es trotzdem versuchen. Soll unser Volk hungern?“ Die Generäle mussten sich eingestehen, dass ihr Oberbefehlshaber Recht hatte.
 

Nach Einbruch der Dunkelheit sammelten sich die Legionen der Troll-Armee für ihren Angriff. „Meine Krieger! Unser Feind hat um seine Dörfer Palisaden gezogen, auf denen eine ganze Kompanie königlicher Bogenschützen postiert. Der Feind ist uns zahlenmäßig überlegen, aber wir können es schaffen, ihn zu überraschen.“ Ein zustimmendes Gebrüll ertönte aus der Menge. „So geht denn meine Krieger und macht unserem Clan alle Ehre!“ Die Eistrolle stürmten los und schon bald ergoss sich eine Flut von Trollen über die Berghänge ins Tal und auf die Dörfer zu. Die Bewohner wussten, dass sie sich auf die Bogenschützen verlassen konnten. 109

Bis auf ein kleines Dorf, dass zu abgelegen war, so dass es in den Chroniken von Edendale keine Erwähnung fand, waren alle Dörfer gesichert. Nur dieses eine Dorf hatte keine Palisaden und auch keine Bogenschützen bekommen. Die Bewohner des Dorfes waren überwiegend alte Leute.
 

Dieses Dorf wurde auch als erstes überfallen und niedergebrannt. Die Trolle töteten die Bewohner und raubten die Vorräte. Nur ein kleines Mädchen hatten sie nicht beachtet. Dieses floh in den Schutz der Wälder und wandte sich dann in Richtung Edendale Castle. Doch die wilden Tiere in den Wäldern waren im Winter auch sehr aktiv. Und so geschah es, dass sich ein Rudel Wölfe an die Fersen des Mädchens heftete.
 

Das Mädchen hatte den Waldrand beinahe erreicht, als der Leitwolf plötzlich vor ihr auftauchte und ihm den Weg versperrte. Auch links und rechts tauchten weitere Wölfe auf und hinderten sie an der Flucht. Vor lauter Angst war das Mädchen nicht in der Lage sich zu bewegen. Doch lange musste die einzige Überlebende des Massakers der Eistrolle nicht auf Rettung warten. Denn mit einem riesigen Satz sprang Tarzon in die Mitte des Wolfsrudels und packte sich den Leitwolf, den er mit einem gezielten Biss in die Halsschlagader ausschaltete. Einen anderen Wolf packte der Säbelzahntiger am Genick und schleuderte ihn durch die Luft. Die restlichen Wölfe ergriffen panisch die Flucht. Denn sie hatten erkannt, dass sie es mit Tarzon nicht aufnehmen konnten.
 

Shina Fay stieg von Tarzons Rücken und ging auf das kleine Mädchen zu. „Was machst du alleine im Wald? Weißt du nicht, dass jederzeit Gefahren auf dich lauern können? Wäre ich nicht in der Nähe gewesen, wärst du ein fetter Happen für die Wölfe gewesen.“ „Ich weiß. Meine Großmutter hat mich immer davor gewarnt in den Wald zu gehen. Aber ich hatte keine Wahl. Die Eistrolle haben unser Dorf überfallen und alle getötet. Ich bin nur am Leben, weil mich die Trolle übersehen haben.“ „Ich habe das Feuer gesehen. Komm mit mir. Ich werde dich erst mal zu meiner Cousine bringen. Dann kannst du uns allen berichten, was sich zugetragen hat.“
 

Auf Schloss Edendale angekommen brachte Shina Fay das kleine Mädchen schnell in den großen Saal, damit es sich aufwärmen konnte. Nachdem der Koch es mit warmen Wildschweinbraten, Rotkraut und Klößen versorgt und das Mädchen sich gestärkt hatte, berichtete die Überlebende Elfe über den brutalen Überfall von Castors Stoßtrupp. Nach dem das Elfenmädchen seinen Bericht beendet hatte, sagte Shina Fay: „Also gut, dann werden wir den Eistrollen bei ihrem nächsten Besuch eins vor den Koffer ballern, dass ihnen Hören und sehen vergeht. Allerdings wäre noch eine Frage zu klären.“ „Welche?“ „Wo das Mädchen unterkommt. Wenn wir sie wieder raus in die Wälder schicken, wird sie nicht lange überleben.“ Aradil richtete das Wort an das Mädchen. „Amy, möchtest du bei mir bleiben?“ Amy nickte stumm.
 

Die Dunkelheit war hereingebrochen und Shina Fay war nach draußen an die frische Luft gegangen. Da es kalt war, hatte sich Aradils Cousine entschieden, sich einen warmen Mantel über zu ziehen. Aus den Augenwinkeln konnte die junge Elfe 110

eine Bewegung wahrnehmen. So war sie auch nicht sonderlich überrascht, als Lestrade neben sie trat. „Guten Abend Lestrade.“, begrüßte die Elfe den Vampir. „Hallo Shina Fay. Warum bist du soweit weg von zu Hause?“ „Meine Cousine braucht meine Hilfe. Die Eistrolle machen ihr wie jeden Winter das Leben schwer. Sie überfallen die Dörfer und rauben die Vorräte und töten die Bewohner. Deshalb ist Edendale auch nicht die ertragreichste Grafschaft in Eteria.“ „Und was ist mit den anderen Provinzen? Haben die keine Probleme?“, wollte Lestrade wissen. „Nicht alle. Nur die, die in der Nähe von Gebirgszügen liegen, in denen ein Eistroll-Clan sein Zuhause hat.“ „Und welcher Clan der Eistrolle lebt hier?“ „Es ist Castors Clan.“ „Du sollst ihn töten. Habe ich Recht, Shina Fay?“ „Ja. Erst vor kurzem hat ein Trupp ein Dorf überfallen, das nicht gesichert war. Es war zu klein und zu abgelegen um in den Genuss königlichen Schutzes zu kommen. Die anderen Dörfer sind größer und liegen viel näher an Aradils Schloss.“
 

In Castors Versteck war inzwischen der Kommandotrupp eingetroffen. „Ist ja nicht viel, was ihr erbeuten konntet. Aber besser als gar nichts. Habt ihr unterwegs die anderen gesehen?“ „Nein Herr.“ Schließlich kehrten auch die anderen Trupps zurück. „Was habt ihr zu berichten?“ „Es wird schwierig werden, die Dörfer zu plündern. Die Palisaden sind mindestens 7 Ellen hoch. Darüber kommen wir nur mit Leitern. Und die aufzustellen wird nicht leicht. Wir müssen auf die Bogenschützen aufpassen, denn die können von den Palisaden aus unsere Reihen lichten.“ „Ich weiß. Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen sollte?“ „Ja Herr. Wir haben herausgefunden, dass ein Vampir in der Gegend weilt. Sein Name ist Lestrade. Offenbar ist er ein Freund von Shina Fay.“ „Wenn das stimmt, dann könnte er eine Gefahr für uns darstellen.“, sagte Castor.
 

In der darauf folgenden Nacht schickte Castor seine Legionen los, um die Dörfer anzugreifen. Das diese Aktion einem Himmelfahrtskommando gleichkam, wusste der Clanchef, denn seine Generäle hatten es ihm oft genug unter die Nase gerieben. Die Heerführer marschierten mit ihren Soldaten los und teilten sich am Fuß des Gebirgszugs. Als die Trolle ihre Angriffsziele erreicht hatten, bildeten sie ein Dreieck. Ganz vorne an der Spitze stand der jeweilige Oberbefehlshaber. Die Generäle hoben ein Schwert und richteten dessen Spitze auf die Eingänge zu den Dörfern. „ZUM ANGRIFF!!!!!!“ Auf dieses Kommando stürmten die Krieger auf die Dörfer zu. Doch Ignissas Bogenschützen standen schon bereit um den Angriff abzuwehren. Als Castors Krieger in Reichweite waren, schossen die Bogenschützen ihr Bögen ab und ein Pfeilhagel regnete auf die Eistrolle herab. Viele Kämpfer starben dabei und die anderen mussten sich zurückziehen.
 

Lestrade war es, der den Rückzug der restlichen Troll-Kämpfer verfolgt hatte und sich an die Trolle geheftet hatte. So fand er Castors Schlupfwinkel. In der darauf folgenden Nacht erstattete der Vampir Shina Fay Bericht. „Die Höhle ist gut versteckt. Von einem Vorsprung etwas oberhalb einer Schlucht hat man einen guten Blick darauf. Eine Brücke verbindet die Höhle mit der Ebene.“, sagte Lestrade. „Ist die Brücke bewacht?“ „Na aber so was von glaub mir. Vor dem Eingang zur Höhle stehen zwei Wachen und noch einmal zwei Wächter am Anfang der Brücke.“ „Wird ein Kinderspiel.“, sagte Shina Fay. „Stell dir das nicht so leicht vor, Shina Fay.“ „Und warum?“, wollte die junge Elfe wissen. „Denk doch mal nach. Wenn du die 111

Wachen am Brückenkopf zur Ebene ausschaltest, kannst du wetten, dass die beiden anderen Alarm schlagen. Und dann wird Castor sich tief in seine Höhle zurückziehen, wo er dir gegenüber im Vorteil ist, weil er und seine verbliebenen Krieger jeden Winkel dort kennen.“
 

Shina Fay hatte eine Idee, wie sie dieses Problem lösen konnte. Li An Kai, das Purpurdrachenweibchen konnte helfen. Doch Li An Kai war gerade beschäftigt. Sie hatte vor kurzem Nachwuchs bekommen und saß nun den ganzen Tag auf dem Nest und brütete das Ei aus. Ihr Lebensgefährte, Shen, der gefürchtete schwarze Drache, bot Shina Fay seine Hilfe an. Und so kam es, dass die junge Elfe die Bekanntschaft des Schicksalsdrachen machte. Schweigend hörte sich Shen an, was Shina Fay zu erzählen hatte. Dann nickte er. „Die beiden Wachen am Höhleneingang werde ich heute Nacht ausschalten. Da ich schwarz bin, werden die Wächter mich erst bemerken, wenn es bereits zu spät ist.“, sagte der Schicksalsdrache. „Dann viel Glück.“
 

Und Shen hielt sein Wort. Noch in derselben Nacht näherte er lautlos dem Eingang der Höhle und spie noch im Sturzflug einen breit gefächerten Feuerstrahl, der die beiden Wächter am Eingang zu Castors Versteck bei lebendigem Leib verbrannte. Am nächsten Tag im Morgengrauen hatte Shina Fay zusammen mit ihren Freundinnen die Brücke erreicht. Sie und Raya schalteten mit ihren Bögen die Wachen am Übergang der Brücke zur Ebene aus. Die Freundinnen überquerten die Brücke und betraten die Höhle. Mara, die Schattenhexe, entfachte mit Hilfe ihrer magischen Kräfte ein kleines Irrlicht, das vor der kleinen Gruppe herflog und ihnen den Weg wies.
 

Einer der vielen verwinkelten Gänge, die Shina Fay und ihre Freundinnen genommen hatte, endete in einem riesigen Raum, der von unzähligen Irrlichtern erhellt wurde. An den Wänden, die aus reinsten Eiskristallen bestanden, standen Castors verbliebene Krieger. Jeder der Trolle war nach menschlichen Größenverhältnissen 1,70 m groß. Doch Castor, der Clanchef, war 7 Ellen, also 2,10 m groß. Shina Fay fiel vor allem der dichte, weiße Pelz der Eistrolle auf. Bei Castor selbst fiel seine Kriegsbemalung im Gesicht auf. Die Zeichnung bestand aus einer weißen Grundfarbe, die etwas heller war, als der Pelz des Eistrolls. Von den Augen verliefen dünne, schwarze Linien, die am Mundwinkel in einem Halbkreis endeten. Ober- und Unterkiefer waren ebenfalls mit schwarzer Farbe bemalt worden und bildeten das Gebiss von Castor nach. Doch in Wahrheit verfügte der Clanführer in seinem Mund über drei Reihen messerscharfer Zähne. Die Konturen der Stirn waren ebenfalls mit schwarzen Strichen nachgezogen, ebenso wie Castors Augenbrauen. Aus den Schultern des Trolls ragten starke mit Gift versehene Dornen.
 

„Willkommen in meinem Reich, Shina Fay.“, sagte Castor. „Dein Reich wird untergehen, genau wie du und deine Krieger.“ „Das sehe ich anders. Ich weiß, dass du geprüft wirst, weil die Götter dich für nicht reif genug erachtet haben. Aber soll ich ehrlich sein? Es war ein Fehler deines Großvaters Etgo, dich zur Clanführerin zu ernennen, anstatt deinen Halbbruder Leto. Da die Götter Leto aber für unwürdig erachtet haben, kann es nicht angehen, dass du auch noch den Zauberbogen deines Vaters führst.“ „Heißt im Klartext?“ „Dass ich dich töten muss. Nur so kann 112

ich meine Macht aufrechterhalten. Die Macht des großen Castor.“ „So, jetzt hab ich mir den Schwachsinn ja wohl lange genug angehört. Kenn viele, die was im Kopf haben. Aber was du hier treibst, mit deiner lausigen Kriegsbemalung im Gesicht, übertrifft alles was ich kenne.“ „Wie meinst du das, Shina Fay?“ „Du hast zig Leute umlegen lassen durch deine ausgekotzten Spargel da. Und eins dieser seltenen Exemplare nehme ich auch mit in unser Dorf. Aber mit dir werde ich hier schon abrechnen, denn für dich wär ja schon die Luftfracht zu schade.“ „Du bist doch jetzt schon eine tote Frau, törichte Elfe.“
 

„Du stinkst ja geradezu vor Überheblichkeit, du Pappnase.“, sagte Shina Fay und zog ihre beiden Schwerter. „Du wirst schon sehr bald in deinem Grab liegen. Verlass dich drauf.“ „Erst mal musst du mich töten du taube Nuss.“ Castor wurde wütend. „Noch so eine Beleidigung Shina Fay und ich dreh dir die Gurgel um.“ „Du kannst mich gern haben Castor.“, sagte Shina Fay schnippisch. „Freu dich nicht zu früh, kleine Elfe. Oder hast du meine Krieger schon vergessen? Ehe du mir auch nur einen Kratzer beigebracht hast, haben sie dich in Stücke gerissen.“ „Mir scheint, dass DU nicht bedacht hast, dass meine Freundinnen mit mir gegangen sind. Und deine Kavallerie muss an ihnen erst mal vorbei.“
 

Castor sah sich zu seinen Kriegern um. Dann deutete er auf Shina Fay und ihre Freundinnen und sagte: „Schnappt euch das elende Gesindel!“ Genau darauf hatte die junge Elfe gewartet. Unauffällig gab sie Mara und Kaitlyn ein Zeichen. Die Dunkelelfe ließ einen Ball aus violetten Energieblitzen aufsteigen. Dieser traf nacheinander gleich vier von Castors verbliebenen Kriegern und tötete sie auf der Stelle. Mara erschuf einen Kettenblitz, der bläulich schimmerte und ließ diesen auf Castors Krieger los. Wieder fielen fünf weitere Eistrolle. Raya hatte inzwischen einen Pfeil in ihren Bogen gelegt und ließ die Sehne los. Das Geschoss traf den Eistroll direkt hinter Castor zwischen den Augen. Arteya hatte mit ihrem Schwert zwei weitere Eistrolle getötet. Tyra hatte ebenfalls drei weitere Troll-Krieger mit ihrem Schwert getötet. Jenna hatte mit ihrem Messer zwei weiteren Trollen die Kehle durchgeschnitten. Die letzten verbliebenen Krieger schalteten Mara und Kaitlyn gemeinsam aus.
 

Nun waren nur noch Shina Fay und Castor übrig. Der Clanführer war außer sich vor Zorn, denn die Stacheln an seinen Schultern waren nun ganz ausgefahren. „Das wirst du mir büßen, Shina Fay.“ „Büßen wird nur einer. Und das bist Du, Castor, für all die Leiden, die du und deine Krieger den Untertanen meiner Cousine zugefügt haben. An deinen Händen klebt das Blut eines Mädchens, das vor Hunger und Kälte sterben musste.“ „Das war mir klar. DU denkst nur an das Wohlergehen von deinesgleichen. Aber das Wohlergehen anderer ist dir scheißegal. Wir Eistrolle müssen auch von irgendwas leben.“ „Das mag sein. Aber es kann nicht sein, dass ihr anderen ihre Vorräte stehlt.“ „Sollen wir vor den Elfen auf den Knien rum rutschen und betteln?“ „Das muss ein anderer Troll entscheiden. Du und dein Clan seid ab sofort Geschichte.“
 

Castor stieß einen lauten Kampfschrei aus und stürmte auf Shina Fay zu. Doch seine Konkurrentin duckte sich und tauchte unter ihm weg. Es gelang ihr, dem Eistroll mit dem Schwert ihrer linken Hand einen Kratzer auf der linken 113

Wange zu verpassen. Castor stieß einen lauten Schmerzensschrei aus, als die Klinge seine Haut aufriss. Dann stapfte er wutentbrannt zur Wand an der gegenüberliegenden Seite des Raumes und nahm ein riesiges Schwert von der Wand. Shina Fay sah sich diese Waffe genauer an.
 

Die Klinge war aus Titanenstahl gefertigt und an den Außenseiten wellenförmig geschliffen. Der Griff war aus Silber hergestellt worden und mit roten Vogelfedern verziert. Dazwischen befanden sich Ringe aus purem Gold. Ein wenig unterhalb des Griffes besaß das Schwert zwei kleine Zierstäbe aus Messing und Kupfer. Darüber war als Zierde ein großer Ball aus Vogelfedern und ein größerer goldener Ring eingearbeitet. Shina Fay erkannte diese Waffe. Es war der Rondrakamm ihres Onkels Torin. „Du hast da etwas, was eigentlich meiner Familie gehört.“ „Aha. Du kennst also dieses Schwert.“ „Es gehörte meinem Onkel Torin.“ „Das hast du sehr richtig erkannt. Es GEHÖRTE ihm. Nachdem ich ihn getötet hatte, habe ich das Schwert als Trophäe behalten. Dein Onkel war ein tapferer Kämpfer, weißt du. Aber wie so viele vor ihm, war er mir nicht gewachsen. Vielleicht ist es eine Fügung des Schicksals. Torins Nichte stirbt durch sein Schwert.“
 

Castor stürmte auf Shina Fay zu, das Schwert über seinen Kopf erhoben, um ihr den Schädel zu spalten. Im letzten Moment riss die junge Elfe ihre Schwerter hoch und kreuzte die Klingen. Castor taumelte zurück, als eine Vibration durch die Klinge des Rondrakamms lief. Shina Fay hatte genau darauf gewartet. Mit einem lauten „BRISINGIR“ verwandelte sie ihre Damaszenerschwerter in Feuerschwerter. Dann ging sie zum Gegenangriff über. Sie wirbelte um die eigene Achse und hatte dabei ihre Schwerter von sich gestreckt. Mit einem Hieb des rechten Schwertes erwischte die junge Elfe den Eistroll.
 

Sofort brannte Castor lichterloh. Er wälzte sich auf dem Boden um das Feuer zu löschen, doch es half nichts. Da dieses Feuer durch Magie erzeugt wurde, konnte es nicht gelöscht werden. Die kleine Gruppe floh aus der Höhle, doch vorher hatte Shina Fay das Schwert ihres Onkels an sich genommen, um es ihrer Cousine Aradil zurückzugeben.
 

In Edendale Castle wurde die kleine Gruppe von Aradil und Desdemona bereits erwartet. „Scheinst ja nicht allzu viele Schwierigkeiten mit Castor gehabt zu haben.“, sagte Desdemona. „Selbst schuld, wenn er sich provozieren lässt.“ „Ich danke dir Cousinchen. Jetzt müssen die Bewohner der Dörfer keine Angst mehr haben, dass ihnen die Eistrolle das Leben schwer machen.“ „War nicht der Rede wert. Und ich habe noch was für dich Aradil.“ Shina Fays Cousine sah sie fragend an. Ohne große Worte zu verlieren nahm Shina Fay den Rondrakamm ihres Onkels von Tarzons Sattel und hielt ihn Aradil vor die Augen. „Vaters Schwert.“, hauchte Aradil ehrfürchtig. „Castor hat es Onkel Torin gestohlen. Ich habe nur zurückgeholt, was rechtmäßig dir gehört.“ „Ich danke dir, Shina Fay. Aber ich brauche Vaters Schwert nicht. Behalte es ruhig, wenn du willst. Es steht dir zu.“
 

Als Shina Fay zurück in ihr Dorf kam, waren die Feuer bereits entzündet und die 114

Wildschweine brieten schon darüber. Aber es spielten keine Musiker und es wurde auch nicht gegrölt und gelacht, wie sonst, wenn die Feier im Gange war. Sie hatten also wieder auf sie gewartet.
 

Später am Abend erzählte Shina Fay von ihrer Reise und dem Kampf mit Castor. „Es war klug von dir, dir das Wohlwollen von Königin Athene zu sichern. Doch die Zentauren werden es dir verübeln, dass du ihre nächsten Verwandten auf deine Seite gezogen hast.“, sagte Halgrim. „Hätte ich Biljana sterben lassen sollen Halgrim?“ „Du hast getan, was du für richtig gehalten hast. Königin Ignissa hat dich zu Recht als ihre Nachfolgerin erwählt. Keine andere Frau in Eteria hat das Zeug dazu eine gute und gerechte Königin zu werden, als Du Shina Fay.“ 115



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