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Die Erben

Buch Eins: ANBU
von

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Verrat I

Ein nebeliger Morgen brach über Konohagakure an. Der weiß-graue Dunst kroch lautlos durch die Gassen und hüllte die Gebäude in ein diffuses Zwielicht. Es schien fast, als wollten sie sich verbergen vor etwas, das im Nebel lauerte. Irgendetwas, das noch niemand mit eigenen Augen gesehen hatte – oder sehen wollte. Etwas, von dem noch nicht einmal gesagt werden konnte, um was genau es sich handelte, dessen Anwesenheit aber trotzdem nicht mehr ignoriert werden konnte, denn es befand sich zweifellos irgendwo direkt unter ihnen. An jeder Ecke meinte Makani Schatten auszumachen, die ihr folgten, nur um im nächsten Moment, wenn sie sich umdrehte, die Umrisse eines Strommasts oder einer Mülltonne zu erkennen. Dennoch rannte sie, als wäre eine Horde Nukenin hinter ihr, vollkommen lautlos natürlich – nur ein weiterer verlorener Schatten im Nebel …

Endlich erreichte sie den Zugang zum Hauptquartier, den sie zu ihrer Überraschung unverschlossen vorfand. Ihre Beunruhigung linderte dieser Umstand jedoch nicht – im Gegenteil. Noch vor dem Morgengrauen hatte Fugaku die geheime Versammlung beendet und er und seine Gefolgsleute hatten das Mausoleum verlassen. Makani hatte es ihnen schließlich gleichgetan, allerdings mit einiger Verzögerung. Etwas Unvorhergesehenes hatte sie aufgehalten. Direkt im Anschluss hatte sie versucht Kontakt mit ihren Anführern aufzunehmen. Doch sooft sie es auch versuchte, das Funkgerät hatte beharrlich geschwiegen. Atemlos stürmte sie nun in den ihr mittlerweile so vertrauten weiß gefliesten Korridor. Eine gespenstische Stille empfing sie und das arrhythmische Flackern einer einzelnen Deckenlampe, welche die Treppe am Ende des Ganges erleuchtete. Auch die Überwachungszentrale im ersten Stock war wie ausgestorben. Sogar die meisten Monitore waren ausgeschaltet – ein beunruhigend ungewohnter Anblick. Makani spürte deutlich, wie das so vertraut wie verhasste Gefühl der Panik mit seinen finsteren Klauen nach ihr zu greifen drohte. Sie konnte sich einfach nicht erklären, was das zu bedeuten hatte. Von hier hatten Itachi und Koguma ihre Mission überwacht und genau hier hätten sie auf ihre Rückkehr warten sollen. Warum war niemand hier? Was hatte Itachi vor, nachdem er erfahren hatte … die Kunoichi verscheuchte den Gedanken und hastete eine weitere Treppe nach oben.

„Koguma, bist du da? Mach bitte auf!“

Sie schlug mit der Faust gegen die Bürotür des ANBU-Oberhauptes, rief mehrmals seinen Namen und den ihres Team-Leaders. Nichts rührte sich. Verzweifelt wandte Makani sich ab und rannte wieder zwei Treppen nach unten, nur um abermals in jenem fensterlosen Korridor mit den weißen Fliesen an den Wänden stehen zu bleiben. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren, ohne zu einem konkreteren Ergebnis zu kommen, als dass sie irgendetwas unternehmen musste. In ihrer Ratlosigkeit tat sie schließlich etwas, das sie vor einer gefühlten Ewigkeit schon einmal getan hatte: Sie versuchte nacheinander jede einzelne der zahlreichen Türen zu öffnen. Genauso wie damals waren so gut wie alle verschlossen, bis auf die zum Umkleideraum und jene, die, wie sie bereits wusste, in einen Schlafsaal führte. Als sie letztere öffnete, entfuhr ihr ein leiser Schrei: Auf einer Pritsche direkt gegenüber saß – Itachi. Er lehnte leicht zusammengesunken an der Wand, hatte die Arme lose um ein hochgezogenes Knie gelegt und den Kopf gesenkt. Als er Makanis überraschten Laut vernahm, blickte er auf und sah sie teilnahmslos an. Und genau dieser Blick, den sie in letzter Zeit viel zu oft an ihrem Team-Leader gesehen hatte und der sich so fundamental von ihrem eigenen inneren Gemütszustand zu unterscheiden schien, ließ in der Kunoichi etwas explodieren. Sie knallte die Tür hinter sich zu, stürmte auf ihren Anführer zu und packte ihn grob an den Schultern.

Was soll das?! Warum antwortet ihr mir nicht? Warum bist du hier und nicht mehr in der Überwachungszentrale? Und wo zum Kami ist Koguma?“

Während sie Itachi anbrüllte, schien sich ihr Geist auf eigenartige Weise zu spalten. Der eine Teil ging völlig in ihrer Wut und Erleichterung auf. Der andere schien dagegen einen Schritt zurückzutreten und sie beide für einen kurzen Moment von außerhalb zu beobachten. Und das, was sie sah, kam ihr auf frustrierende Weise bekannt vor … Über Itachis Gesicht huschte der Schatten einer Emotion, doch gleich darauf hatte sie sich wieder wie ein aufgescheuchtes Tier irgendwo verkrochen.

„Koguma ist zum Hokage gerufen worden“, sagte er ruhig. „Er musste sofort weg. Hat er dir das nicht gesagt?“

„Nein, das hat er verdammt nochmal nicht getan! Wieso hast du es mir nicht gesagt?“

„Kuguma hat das Funkgerät mitgenommen“, antwortete Itachi leichthin und in Makanis Ohren bodenlos arrogant. „Aber du hast deine Mission erfolgreich abgeschlossen. Die Versammlung war beendet und du hattest klare Anweisungen, danach ins Hauptquartier zurückzukehren – “

„ – wo es stockfinster und keine Menschenseele weit und breit zu sehen ist. Verflucht, ich dachte – “

Sie brach ab. Wie konnte er es nur wagen, so zu tun, als wäre alles wunderbar nach Plan verlaufen? -einmal abgesehen davon, dass ihr Einsatz ihrer Meinung nach mitnichten mit dem Ende von Fugakus Versammlung beendet gewesen war. Wie konnte er nur so widerwärtig ruhig und abgeklärt bleiben, sodass sie sich zunehmend lächerlich vorkam, so vollkommen aufgelöst wie sie gerade vor ihm stand?

„Was hast du gedacht?“, fragte er und sah sie plötzlich nicht mehr ganz so teilnahmslos, sondern sogar recht scharf an. Makani erstarrte und ließ ihren Team-Leader endlich los. Sie sah weg, da sie diesen Blick noch weniger ertragen konnte.

„Was glaubst du denn? Ich hatte Angst davor, was du tun würdest, nachdem du erfahren hast, dass dein Vater dich töten lassen wollte … dass es Shisui tun sollte.“

Die Kunoichi presste die Lippen aufeinander. Sie hatte Itachi das Ungeheuerliche entgegengeschleudert, fast als würde sie es ihm selbst vorwerfen. Doch das Wissen darum wog so unerträglich schwer. Und vielleicht hatte sie sogar ein klein wenig grausam sein wollen … Bange und mit weiterhin abgewandten Blick wartete sie auf eine Reaktion ihres Anführers. Und dann hörte sie ihn plötzlich lachen. Bestürzt sah Makani auf. Schnappte Itachi jetzt etwa über?

„Wusstest du es? Hat Shisui es dir gesagt?“, verlangte sie zu wissen. Sie wollte verdammt nochmal irgendetwas von ihm hören, das kein irres Lachen war oder Teilnahmslosigkeit ausdrückte.

„Nein, er hat es mir nicht gesagt. Das war nicht nötig. Ich musste jeden Tag damit rechnen, dass mein Vater etwas in diese Richtung unternimmt. So sind nun einmal unsere Gesetze. Was ich allerdings nicht vorausgesehen habe, ist, dass er Shisui mit hineinziehen würde – obwohl sich auch das durchaus im Rahmen unserer Traditionen bewegt, ebenso wie Shisuis Entscheidung … er hat die einzige Möglichkeit gewählt, sich seiner Pflicht zu entziehen, ohne selbst Verrat zu begehen.“

„Was sollen das denn für Gesetzte sein“, rief Makani aufgebracht und nun mit unverhohlener Verachtung, „nach denen ein Vater seinem Sohn einen Killer auf den Hals hetzt, der ganz nebenbei noch der engste Freund des Sohnes ist – sind wir Uchihas ein Haufen wilder Irrer?!“

„Das sind nicht nur unsere Gesetze! Alle Clans haben einst nach diesen Gesetzen gelebt und sie würden es sofort wieder tun, wenn es nötig wäre. Das ist das Gesetzt des Krieges, Makani. Ein Verräter stellt eine existentielle Gefahr dar. Egal, in welcher Beziehungen man zu ihm stehen mag, er muss bestraft werden. Und seine Strafe muss grausam genug sein, um ein warnendes Beispiel zu bieten.“

Obgleich alles in ihr sich zu wappnen suchte, traf sie die blanke Härte, mit der Itachi gesprochen hatte, wieder einmal mit voller Wucht. Und ebenso wenig konnte sie verhindern, dass ihr Tränen in die Augen traten. Sie hasste sich dafür und sie hasste ihn. Sie hasste es, dass er wie eine undurchdringliche Wand aus Stahl vor ihr stand, während ihr die verräterische Verletzlichkeit jeden Moment über die Wangen zu kullern drohte.

„Aber eigentlich ist es kein Wunder, dass dir das alles verrückt vorkommt“, sagte Itachi nach ein paar Momenten in deutlich verändertem Ton. „Und das ist gut so! Bei dir hat sich die Vision, mit der Konoha gegründet wurde, erfüllt. Du bist ein Kind des Friedens. Krieg und Kampf auf Leben und Tod sind für dich nur abstrakte Ideen …“

Makani sah das zarte Lächeln, mit dem er sie dabei betrachtete, nicht. Sie war damit beschäftigt, sich von einem weiteren brutalen Schlag, von dem sie nicht genau wusste, woher er gekommen war, nicht überwältigen zu lassen. Sie fürchtete jeden Moment hemmungslos in Tränen auszubrechen und für absolut nichts hätte sie sich in diesem Moment mehr verachten können. Alles andere war gleichgültig. Ohne ihren Team-Leader noch einmal anzusehen wandte sie sich um. Doch Itachi sprang blitzartig auf und kriegte ihren Arm zu fassen, noch bevor sie ihre Hand auf die Türklinke legen konnte.

„Wo willst du hin?“

„Lass mich los. Ich muss mich um Izumi kümmern.“

Itachi ließ sie nicht los.

„Das wirst du nicht“, sagte er gebieterisch.

Makani erstarrte in ihrer Bewegung. Als sie sich dann wieder zu ihrem Anführer umdrehte, loderten eisige Flammen in ihren Augen, deren Anblick ihr Gegenüber unwillkürlich dazu veranlasste, seinen Griff ein klein wenig zu lockern.

„Sie ist immer noch in diesem widerwärtigen Grab. Man will sie da unten vermodern lassen, weil sie dir helfen wollte. Dich und Koguma scheint das offenbar nicht weiter zu interessieren, aber ich werde sie auf keinen Fall da unten lassen.“

Ja, Izumi war im Mausoleum zurückgeblieben. Fugaku hatte ihr befohlen dort zu bleiben, solange bis er über ihr Angebot „gründlich nachgedacht“ haben würde. Da sie mit solcher Leidenschaft für das Wohlergehen des Clans brenne, würde sie sich einer solch kleinen Prüfung sicher mit Freuden stellen. Sie brauche sich keine Sorgen machen, man würde sie mit dem Nötigsten zum Überleben versorgen. Makani hatte ihm kein Wort geglaubt, ihr war jedoch auch nicht klar, was das Clan-Oberhaupt damit bezweckte. Wollte er Izumi davon abhalten, mit Itachi in Kontakt zu treten? Wollte er sie einfach nur quälen? Nachdem Fugaku und die anderen Uchihas gegangen waren, war sie aus ihrem Versteck gekommen und hatte sich der jüngeren Kunoichi zu erkennen gegeben. Zu Makanis Erstaunen hatte sich diese jedoch geweigert, das Mausoleum mit ihr zu verlassen. Sie hatte versucht Izumi klar zu machen, dass Fugaku ihr sehr wahrscheinlich nicht glaubte, dass ihr Plan, seinen engsten Zirkel zu infiltrieren und Itachi damit zu helfen, gescheitert und es daher sinnlos war, bei seiner sogenannten „Prüfung“ mitzuspielen. Izumi hatte nichts davon abgestritten, trotzdem hatte sie nicht mitgehen wollen. Schließlich war Makani widerwillig allein aufgebrochen. Sie hatte auf den Rat und die Hilfe ihrer Anführer gehofft …

„Izumi hat verdammt großen Schaden angerichtet mit ihrer hirnrissigen Aktion“, erwiderte Itachi und eisern kontrollierter Zorn blitze zwischen seinen Worten hervor. „Das beste, das sie jetzt tun kann, ist den Anweisungen meines Vaters zu gehorchen und das weiß sie auch. Solange wird ihr nichts passieren und sie kann keinen weiteren Schaden verursachen.“

Makani schüttelte heftig den Kopf und blaffte: „Das ist Schwachsinn! Wir haben doch überhaupt keine Ahnung, was dein Vater wirklich mit ihr vorhat. Mag sein, dass er sie nur einschüchtern will, aber was, wenn nicht? Sie ist auf unserer Seite und sie konnte nur deswegen Schaden anrichten, weil du alles vor ihr geheim halten wolltest. Was dir im Übrigen nicht besonders gut gelungen ist; sie hat erstaunlich viel herausgefunden. Wir müssen sie da rausholen und wir müssen sie uns helfen lassen. Je mehr Verbündete wir gewinnen, desto besser!“

Makani machte abermals Anstalten, sich von ihrem Team-Leader loszureißen. Dieser schien für einen kurzen Augenblick zu überrascht darüber, dass sie offenbar immer noch entschlossen war zu gehen, um zu reagieren. Doch im letzten Moment, bevor sie seinen Fingern entglitten wäre, schloss sich sein eiserner Griff abermals und er riss sie so brutal zurück, dass Makani kurz fürchte, er würde ihr das Gelenk auskugeln. Doch der Schmerz war ihr willkommen …

„Ich sage, wir werden Izumi auf keinen Fall in diese Sache mit hineinziehen! Und du wirst das Hauptquartier nicht verlassen, bevor ich es sage. Das ist ein Befehl, Uchiha Makani!

Itachis Stimme war wie die blankpolierte Schneide eines Katana, das von einem Meister geführt wird, - obwohl, wenn man genau hinhörte, ein ganz leichtes unterschwelliges Zittern wahrzunehmen war. Makanis Blick dagegen, den sie ihm trotzig entgegenschleuderte, war wie der aufgewühlte Himmel vor einem Gewitter, der nur darauf wartet, irgendwo einzuschlagen.

„Glaubst du etwa ein Befehl macht dein Vorhaben weniger dumm?“, höhnte sie. „Es tut mir sehr leid, Uchiha Itachi, aber ich befolge keine schwachsinnigen Befehle, nur weil es Befehle sind.“

Itachi erbleichte. Für einen Moment schien er von Makanis Worten wie geohrfeigt. Dann packte er plötzlich auch noch ihren anderen Arm und drängte sie mit erschreckend unbeherrschter Gewalt gegen die Wand.

Nun schrie er fast: „Hast du jetzt vollkommen den Verstand verloren?! Hast du vergessen, dass du ein Ninja bist und ich dein Anführer bin? Du hast einen Eid darauf geschworen! Willst du etwa vor dem Kriegsgericht landen?“

Makani erwiderte seinen Blick, ohne auch nur einmal zu blinzeln. Sie war so wütend, dass sie fürchtete, jeden Moment auch noch den letzten Rest Kontrolle zu verlieren … Angst verspürte sie jedoch seltsamerweise keine.

Ihr entfuhr ein zynisches Lachen: „Ja, das muss ich wohl vergessen haben. Kriege und so etwas sind leider nur abstrakte Ideen für mich … Aber eins weiß ich: Ich folge einem Anführer nicht wegen irgendwelcher Eide, sondern nur, weil er gut führt.“

Nein, sie fürchtete, dass sie beide die Kontrolle verlieren würden … und sie wünschte es sich.

Sie starrten einander an, sprachlos vor Zorn, vielleicht davor zurückschreckend, was ein weiteres Wort anrichten könnte. Itachi hielt weiterhin mit enormer Kraft Makanis Schultern gepackt, seinen Körper dicht gegen ihren drängend, als wollte er sie durch die Übermacht seiner bloßen Präsenz in die Knie zwingen. Das undurchdringliche Schwarz seiner Augen sprühte lebendige Funken, die prickelnde Male auf ihrer Haut hinterließen. Doch die Kuoichi wich keinen Millimeter zurück. Sie war der Kodex treuen Sprüche ihres Anführers, seiner so zahlreichen wie durchschaubaren Masken und ihrem eigenen Schmollen darüber so dermaßen überdrüssig … Sie gierte danach, alles mit einem einzigen Schlag niederzureißen –

Ohne jegliche Vorwarnung schrie Makani plötzlich laut auf und schlug die Hände vor das Gesicht. Ein stechender Schmerz hatte ihr linkes Augen durchzuckt und schien sich nun durch ihre Augenhöhle direkt in ihr Gehirn zu brennen, als würde jemand eine glühende Klinge hineintreiben. Sie taumelte rückwärts und wäre im nächsten Moment gefallen, hätte Itachi sie nicht immer noch fest in seinem Griff gehabt. Er zog sie an den Armen zunächst wieder in eine aufrechte Position, schlang dann einen Arm um ihre Schultern und führte sie zu der Pritsche, von der er selbst vor wenigen Minuten aufgesprungen war. Makani keuchte und krümmte sich, während Itachi sie festhielt, bis der rasende Schmerz endlich ein wenig nachließ. Die Kunoichi ließ zitternd die Hände sinken, blinzelte und geriet erneut in Panik.

„Was ist das?! Ich sehe nichts mehr ...“

Das stimmte nicht ganz: Vor ihren Augen ergoss sich ein grell leuchtendes Rot, hinter dem undefinierbare Formen waberten, als schwämmen sie in einem See aus Blut.

„Was ist das!?“, schrie sie erneut hysterisch.

„Die Nachwirkungen des Scharingan sind brutal, wenn man es nicht gewohnt ist“, hörte sie Itachi sagen. „Aber keine Sorge, es vergeht meist recht schnell.“ In seiner nüchternen Stimme schwang noch ein leises Echo der Erregung, die ihn vor wenigen Sekunden beinah überwältigt hätte. Oder war er vielleicht einfach nur erschrocken? Er zögerte einen Moment.

„Leg dich hin“, sagte er dann, doch es klang nicht im Mindestens gebieterisch, sondern eher fragend. Dennoch ließ sich Makani gehorsam dabei helfen, sich auf der schmalen Liege auszustrecken. Dabei bettete er sehr vorsichtig ihren Kopf auf seinen Schoß.

„Lass die Augen geschlossen; so ist es am erträglichsten.“

Wieder gehorchte Makani bereitwillig. Der stechende Schmerz war in ein kaum weniger quälendes Pulsieren übergegangen. Sie fürchtete, wenn sie die Lider nicht fest geschlossen hielt, würden ihre Augäpfel aus den Höhlen quellen. Dann zuckte sie heftig zusammen, als sie eine Berührung spürte. Itachi hatte seine rauen Hände über ihre Augen gelegt. Seltsamerweise schienen sie Wärme und Kühle zugleich auszustrahlen und verschafften ihr sofort etwas Linderung. So vergingen mehrere Minuten, in denen sich ihr Atem und Herzschlag nach und nach normalisierten. Itachi schwieg, doch Makani hörte und fühlte deutlich, wie auch er sich langsam beruhigte. Als sich der rote Nebel in ihrem Kopf endlich gelichtet hatte, dachte sie kurz mit Bedauern, dass von der rasenden Wut, die sie zuvor empfunden hatte und die ihr scheinbar nie gekannte Kräfte verliehen hatte, nichts mehr übrig geblieben war. Stattdessen lag sie nun vollkommen hilflos hier und hatte ihrem Anführer, von dem sie sich nicht hatte anführen lassen wollen, eine weitere Schwäche offenbart – allerdings einen kleinen Unterschied gab es dieses Mal schon…

„Hast du etwa auch solche Anfälle?“

„Früher ja. Es gibt sich mit der Zeit etwas, aber einen Tribut fordert das Sharingan immer; es verbraucht einfach zu viel Energie ...“

Makani spürte die Vibration, die Itachis Körper durchlief, während er sprach. Seine Hände verrieten immer noch leichte Anspannung, als er vorsichtig über ihre Augenlider strich.

„Du wusstest, dass ich das Sharingan im Mausoleum benutzt habe? Hattest du es etwa so geplant?“

Jetzt fühlte sie, wie Itachi entschieden den Kopf schüttelte.

„Ich hatte es nicht geplant … aber, als du danach verlangtest, habe ich der Krähe erlaubt ihre Kraft auf dich zu übertragen. Es war sehr riskant, aber in dem Moment kam es mir richtig vor …“

Makani war verwirrt. Was redete er da? Nie im Leben wäre sie auf die Idee gekommen, so etwas von Itachi zu verlangen. Sie hatte ja noch nicht einmal geahnt, dass es möglich war … Doch gleich darauf kam ihr ein erschreckender Gedanke: „Kann das Vieh Gedanken lesen?!“

„Nein!“, versicherte Itachi. „Jedenfalls nicht im eigentlichen Sinne. Sie ist ein Produkt einer Genjutsu und kann sich einen begrenzten Zugang zu jemandes Geist verschaffen – andernfalls würde die Kraftübertragung nicht funktionieren. Doch ich konnte nur vage deine Emotionen nachspüren. Da herrschte ziemliches Durcheinander, aber der Wunsch, zu sehen und zu verstehen, beherrschte alles.“

„Ich wünschte, ich könnte einmal so in deinem Hirn herumschnüffeln!“, machte Makani ihrer Empörung Luft. Sie konnte es nicht fassen, mit was für einer selbstverständlichen Anmaßung er diesen verstörenden Übergriff auf sie erklärte … auf der anderen Seite, dachte sie, war es nicht auch wieder irgendwie typisch?

„Wie meinst du das?“, fragte Itachi, scheinbar aufrichtig neugierig. Frustrierender Weise schien ihn die Vorstellung nicht zu erschrecken.

„Ach, was weiß ich“, erwiderte sie ärgerlich. „Du stellt mich immer wieder vor Rätsel … Wie bist nur auf diese abartige Idee gekommen, Shisuis Auge diesem gruseligen Biest einzupflanzen?!“

Itachi zögerte und fuhr eine Weile schweigend fort mit federleichten Bewegungen über Makanis Augenlider zu streichen. Sie war sich schon sicher, dass er beschlossen hatte nicht auf ihre Frage zu antworten, als er schließlich zögerlich sagte: „Ich wollte nicht, dass es jemand anderem in die Hände fällt … Ich weiß, ich hätte es zerstören müssen; die Augen verstorbener Uchiha, die das Sharingan beherrschen, müssen vernichtet werden. Aber ich konnte es nicht … zumindest nicht solange ich nicht weiß, wo das andere Auge ist.“

Makani versuchte die Emotionen, die aus Itachis Worten sprachen zu entschlüsseln. Es gelang ihr nur vage. Jedoch stellte sie erstaunt fest, dass ihre eigene stark empfundene Befremdung deutlich besänftigt worden war.

„Hast du eine Ahnung, wo das andere Auge sein kann? Könnte Shisui es vielleicht selbst vernichtet haben?“

Itachi antwortete nicht, doch Makani erahnte sein ratloses Kopfschütteln.

Nach weiterem kurzen Schweigen sagte er mit unwillkürlicher Erregung: „Aber wäre es nicht vielleicht sogar gut, wenn das Sharingan von jedem benutzt werden könnte, unabhängig davon, ob er damit geboren wurde oder nicht? Es wäre einfach eine Waffe wie jede andere … und wir Uchihas wären eine Familie wie jede andere.“

Makani horchte verwirrt auf. Im ersten Moment verstand sie nicht so recht, was Itachi meinte. Es klang absurd oder wie eine bloße Gedankenspielerei. Doch dann versetzte es sie zurück in jenes unterirdische Grab, in dem sie eine Kostprobe dieser absurd klingenden Idee am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte.

„Ich weiß nicht ...“, erwiderte sie schließlich skeptisch. „Wenn ich ehrlich bin … ich fand es grauenvoll, mit dem Sharingan zu sehen. Versteh mich bitte nicht falsch! Es war unglaublich, das Sharingan ist eine sagenhafte Fähigkeit! Aber irgendwie … obwohl man die Quelle aller Macht zum Greifen nah vor sich sieht, als müsste man nur die Hand ausstrecken, um sie direkt in sich aufzunehmen oder sie für immer versiegen zu lassen, scheint zugleich alles Lebendige daran zu verschwinden … Ich möchte mir lieber nicht vorstellen, jeder Ninja könnte mit so einer Waffe in den Kampf ziehen.“

Itachi hatte aufgehört über Makanis Augen zu streichen. Seine Hände ruhten weiterhin auf ihrem Gesicht, doch sie hatten sich merklich verkrampft.

„So treffend habe ich es noch nie jemanden beschreiben höre … du hast recht, es wäre das Beste, niemand würde über diese Waffe verfügen.“ Die letzten Worte hatte er beinah geflüstert.

„Nein, so habe ich das nicht gemeint!“, versicherte Makani erschrocken. „Wenn man verantwortungsvoll mit dem Sharingan umgeht, kann es bestimmt sehr nützlich sein.“

Itachi lachte bitter auf: „Und du meinst, dass der Uchiha-Clan, dass mein Vater und seine Speichellecker verantwortungsvoll damit umgehen?!“

„Das wohl leider nicht“, räumte Makani ein, „aber immerhin kannst du es! Ich denke jedenfalls, es wäre viel schlimmer, wenn nur unser Gegner über diese Waffe verfügen würden.“

Als Antwort gab Itachi einen eigenartigen Laut von sich: ein Seufzen, das Erstaunen, Belustigung und Verzweiflung zugleich auszurücken schien.

„Warst du nicht diejenige, die festgestellt hat, dass ich von allen überschätzt werde? Jetzt tust du es selbst … ich bin längst nicht so frei von meiner Familie, wie du glaubst, Makani!“

„Was meinst du damit?“

Itachi stöhnte gequält. Es kostete ihn offenkundig einiges an Überwindung kostete weiterzusprechen. Trotzdem brach es plötzlich aus ihm hervor, als hätte das Zurückhalten ihn zuvor nicht weniger Kraft gekostet: „Als mein Vater vorhin sagte, ich sei der talentierteste Ninja, den der Clan jemals hervorgebracht hat, hat mich das verdammt glücklich gemacht … es war mir völlig egal, was er sonst für abscheuliche Dinge gesagt oder getan hat, alles, was mich interessierte, war, dass dieser schreckliche Mann stolz auf mich ist.“

„Itachi – “, versuchte Makani ihn zu unterbrechen, doch ihr Anführer schien ein starkes Verlangen zu verspüren, sein zorniges Geständnis fortzusetzen.

„Wie sehr ich mich auch bemühe, ich komme einfach nicht los von all dem … nicht von meinem Vater und nicht vom Sharingan! Manchmal würde ich es am liebsten überhaupt nicht mehr deaktivieren; die Welt erscheint dann so simpel und beherrschbar … ich könnte dieses ganze Elend einfach zermalmen und dann wäre es endlich vorbei.“

Itachi hatte schwer zu atmen begonnen und seine Stimme schwankte.

„Es steckt einfach in mir, Makani! Ich kann mir noch so oft einreden, dass ich für den Frieden kämpfe, im Kern bin ich nicht besser als diese Verschwörer. Ich habe nie etwas anderes gelernt als zerstören und ich bin genauso außer Stande mit dieser Waffe verantwortungsvoll umzugehen wie sie.“

Unwillkürlich begann Itachi wieder damit, Makani zu berühren: Er strich ihr das Haar zurück, das an ihrer mit kaltem Schweiß bedeckten Stirn klebte.

„ … aber wer weiß, vielleicht kannst du es ja“, murmelte er und lachte leise, während er erkundend die Linie von Kinn und Lippen der Kunoichi nachfuhr, als untersuchte er sie auf Anzeichen dafür, ob sie mit einer Waffe wie dem Sharingan verantwortungsvoll umgehen könnte oder nicht. Makani dagegen hielt vor Überraschung und Verwirrung den Atem an. Sie war sich sicher, dass Itachis Hände ein Eigenleben entwickelt haben mussten … er konnte sich unmöglich bewusst darüber sein, was er gerade tat.

„Immerhin bist du allemal widerspenstig genug, um dich von uns Uchihas nicht beirren zu lassen. Du schlägst einfach alles, was wir für unumstößliche Gesetzte gehalten haben, in den Wind ...“

Endlich löste sie sich aus ihrer Starre und wagte es, die Augen aufzuschlagen. Der rote Nebel hatte sich fast vollständig verzogen, nur noch ein leichter blutiger Schimmer lag auf Itachis von tiefer Erschöpfung gezeichnetem Gesicht. Sein rabenscharz verschleierter Blick fand ihren.

„Vielleicht überschätzt du mich auch, Itachi“, flüsterte Makani. „Ich will überhaupt nicht verantwortungsvoll sein. Und Ich will kein Kind des Friedens sein. Sind das nicht die ersten, die im Krieg untergehen …?“

Langsam richtete sie sich auf. Itachi sah sie überrascht und – so kam es ihr vor – erwartungsvoll an. Sie war sich nicht sicher, ob er verstand, was sie ihm hatte sagen wollen … eigentlich wusste sie es selbst nicht mehr genau. Alle Worte kamen ihr mit einem Mal unzulänglich und belanglos vor. Was mühte sie sich hier ab mit ihrem täppischen Geplapper? Es war noch immer meilenweit von dem entfernt, was sie ihm wirklich mitteilen wollte und was sie bisher unbedingt vor ihm hatte verbergen wollen. Immerhin meinte sie, zumindest eine leise Ahnung davon bekommen zu haben, was er ihr sagen wollte. Erschreckt hatte es sie jedoch nicht, so wie Itachi es vielleicht beabsichtigt hatte. Nein, sie fühlte sogar so etwas wie Erleichterung und das drängende Verlangen, noch besser zu begreifen. Doch es gab einfach keine Worte mehr, die ihnen dabei helfen konnten, nur – Makani neigte Itachi ihren Kopf entgegen. Sie hatte noch auf irgendein Zeichen der Einwilligung warten wollen, doch ihr Körper war schneller als ihre Furcht. Itachi zuckte fast unmerklich zusammen. Sein Körper verharrte in gespannter Reglosigkeit, nur seine Lippen folgten mit beinah übertriebener Ernsthaftigkeit und Sorgfalt den Bewegungen des fremden Mundes. Makani entglitt ein lautloses Lachen. Es brach den Bann immerhin soweit, dass sie beide wagten hörbar Luft zu holen.

„Was ist?“, hauchte Itachi.

Makani schüttelte den Kopf und ließ sich wieder auf die Pritsche sinken, diesmal jedoch nicht allein, wenngleich sich Itachis Muskeln dabei unschlüssig anspannten. Doch den zweiten vorsichtigen Kuss eröffnete er. Von schamhafter Ungeduld getrieben öffnete Makani ihre Lippen und schlang herausfordernd die Arme um den festen schlanken Körper über ihr. Sie hatte auf einmal eine einen winzigen Spalt geöffnete Tür vor Augen, dahinter ein unbekannter geheimer Raum, so flüchtig wie verheißungsvoll. Mit trotziger Entschlossenheit verbannte sie jeden vernünftigen oder verantwortungsvollen Gedanken und hoffte inbrünstig, dass Itachi es ihr gleichtun würde. Sein Verhalten immerhin schien darauf hin zu deuten. Er hatte sich neben Makani auf die Seite gelegt und folgte ihren Bewegungen zunehmend bereitwilliger, erwiderte das Drängen ihres Körpers gegen seinen, fuhr ihr durchs Haar, über den Rücken, den Bauch … Ich will dich! Sie wusste nicht, ob sie die Worte nur gedacht oder laut ausgesprochen hatte. Aber es war auch gleichgültig; ihr verräterischer Körper kannte eine viel deutlichere Sprache, auch wenn sie nicht wusste woher. Als sie auch noch ihre Beine fest umeinander schlangen, ihre Erregung plötzlich ganz unmittelbar spürten, erhöhte sich ihre Atemfrequenz noch einmal deutlich und dann glitten ihre Hände gleichzeitig unter die Kleidung des anderen. Sie waren beide alles andere als geübte Liebende, aber der Rausch des Unbekannten steigerte ihre Empfindungen so weit, dass der Weg zur Ekstase nur noch wenige Berührungen maß. Makani gab ein lustvolles Wimmern von sich, Itachi verbarg keuchend sein Gesicht in der Mulde über ihrem Schlüsselbein. So blieben sie eine Weile liegen und spürten, wie sich ihre Brust hob und senkte, erst sehr schnell und mit jeder Minute, die verstrich, ein wenig langsamer.

„Lass uns gehen“, murmelte Itachi irgendwann.

„Was … was meinst du? Wohin?“

Makani fühlte sich in einem merkwürdigen Zwischenzustand gefangen. Erschöpft und überwältigt auf der einen und voller banger Unruhe auf der anderen Seite. Sie hatte sich vor seinen ersten Worten gefürchtet, denn sie würden das, was zwischen ihnen geschehen war, zwangsläufig aus jenem geheimen namenlosen Raum verstoßen, in dem es geboren worden war …

„Ganz egal“, antwortete Itachi auf ihre verwirrte Frage, „nur fort von hier! Vielleicht nach Westen ins Tsuchi no Kuni oder noch besser: über das Meer. Ich würde gerne wissen, was dort liegt. Und zumindest können wir sicher sein, dass es dort kein Konoha, keine ANBU und keinen Uchiha-Clan gibt.“

Makani brachte keinen Ton hinaus. In ihrer Brust tobte ein aufgewühlter Ozean, der ihren Verstand zu fluten und sie irgendwohin ins Ungewisse mitzureißen drohte … es wäre so wunderbar, einfach loszulassen …

 

 

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