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Die Erben

Buch Eins: ANBU
von

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Familienbande III

Zu Makanis Erstaunen, musste sie sehr bald zugeben, dass Itachi vor seinem Teilgeständnis nicht nur leere Versprechungen gemacht hatte. Der Überwachungsdienst an diesem und auch an den folgenden Tagen gestaltete sich tatsächlich um Welten abwechslungsreicher als in den Wochen zuvor. Die Ursache dafür kam allerdings aus einer ziemlich unerwarteten Richtung: Offenbar hatte die Observationskoodinatorin Yūgao von dem Uchiha das Okay erhalten, Makani von ihren Pseudoaufgaben zu erlösen und sie stattdessen endlich ernsthaft in die Arbeit der Überwachungszentrale einzuführen. Nun stellte sich heraus, dass Yūgao keineswegs nur Protokolle abzeichnete und abheftete oder Überwachungsdienste koordinierte. Ihre eigentliche Aufgabe bestand vielmehr darin, sich um die aufwändige Technik, die hinter dem von der ANBU unterhaltenen Dorfüberwachungssystem steckte, zu kümmern, es zu warten, stetig zu erweitern und zu verbessern. Und es wurde schnell deutlich, dass die sonst so schweigsame Kunoichi dieser Tätigkeit mit größter Leidenschaft nachging und auf einmal gar nicht mehr so schweigsam war, wenn es um Kameras, Mikrofone und sonstige Übertragungstechnik ging. Yūgao war zeitweise nur noch schwer in ihren hochmotivierten Ausführungen zu bremsen; sie skizzierte für Makani große Teile des über das Dorf verteilten Überwachungsnetzes, zeigte ihr diverse von ihr entworfene technische Prototypen, zerlegte sie zu Demonstrationszwecken, erklärte und erklärte… Er schien, als hätte sie seit Ewigkeiten auf jemanden gewartet, der ihr zuhörte und vor dem sie ihr ganzes angehäuftes Knowhow ausbreiten konnte. Makani gab sich jedenfalls große Mühe den schier endlosen Ausführungen zumindest in den Grundzügen zu folgen. Besonders in den ersten Tagen war sie jedoch mit der Flut an Informationen hoffnungslos überfordert. Die junge Chunin war es nicht gewohnt, sich mit solch anspruchsvollen technischen Dingen auseinanderzusetzen, was allerdings kaum verwunderlich war. Als Ninja auf derlei Hilfsmittel zurückzugreifen, die nichts mit Chakren und Jutsus zu tun hatten, war in Konoha keine besonders hoch angesehene Praxis und die Behandlung in der Ausbildung nahm sich dementsprechend oberflächlich aus. Makani selbst wäre nie der Gedanke gekommen, dass Kenntnisse in diesem Bereich, die über das Bedienen eines Funkgerätes hinausgingen, tatsächlich nützlich sein könnten – ein großer Irrtum, wie sich nun zeigte. Bald ahnte sie, dass dieses ausgeklügelte Überwachungssystem, welches Yūgao ihr da zu erklären versuchte, so etwas wie einen Grundpfeiler der ANBU darstellte. Mit seiner Hilfe blieb die Einheit für die Dorfbewohner die meiste Zeit über so gut wie unsichtbar und trotzdem hatte sie stets die Lage in und um Konoha im Blick. Makani konnte sich nur all zu lebhaft vorstellen, wie gerade die traditionsbewussten Uchihas über diese Erweiterung des Ninja-Handwerks die Nase rümpfen würden und Tekka würde wahrscheinlich lieber Harakiri begehen, als zuzugeben, dass eben solche Hilfsmittel auch die Arbeit der Polizei, die zu einem großen Teil aus personalintensiven Patrouillegängen bestand, enorm erleichtern würde. Je klarer ihr also wurde, in was für einen wichtigen Bereich der Einheit man ihr nun Einblick gewährte, desto stärker wurde auch ihr Interesse geweckt und ebenso ihr Ehrgeiz, so viel wie nur möglich von dem zu verstehen, was Yūgao ihr erklärte – oder es zumindest versuchte. Schließlich ließ die Observationskoodinatorin Makani sogar während ihres Dienstes kleinere einfache Aufgaben außerhalb der Zentrale erledigen, wie etwa das Ersetzen einer defekten Kamera oder eine kleinere Reparatur vor Ort. Aufgrund ihrer mangelnden Kenntnisse war ihre Erfolgsquote allerdings nicht sehr rühmlich. Bei ihrem zweiten Einsatz dieser Art verursachte sie sogar einen Kurzschluss, der einen Großteil des Kameranetzes komplett lahmlegte und für einiges an Aufregung im Hauptquartier sorgte. Als Makani anschließend zerknirscht und ratlos in der Überwachungszentrale ankam, ließ sich Koguma gerade von Yūgao die Ursachen für den Zwischenfall darlegen. Diese berichtete ihm bereitwillig den technischen Hergang in allen Einzelheiten, wobei dem ANBU-Oberhaupt aber sehr bald vom Gesicht abzulesen war, dass er den Ausführungen seiner Untergebenen noch weniger gut folgen konnte als Makani, und schließlich gab er sich mit Yūgaos Versicherung zufrieden, dass es sich wirklich nur um eine Panne und keinen sonstigen ernsten Notfall handelte. Zu Makanis größter Erleichterung und Dankbarkeit hatte Yūgao es geschafft, in ihrem Bericht mit keinem Wort die Urheberin dieser Panne zu erwähnen. Den Schaden behoben die beiden Kunoichis anschließend in einer anstrengenden, aber überaus lehrreichen Nachtschicht.

Und so vergingen die nächsten zwei Wochen für Makani plötzlich wie im Flug. Beinah vergessen waren bald die unendlich zähen Nachmittage, die sie größtenteils damit verbrecht hatte, Herrn Nakamura bei seiner Porzellanmalerei zu beobachten. Schließlich klärte sich endlich auch, warum das Haus des Alten das wohl am besten überwachte in ganz Konohagakure war: Yūgao nutzte es als eine Art Experimentierfeld für ihre neusten Tüfteleien. Gerade entwickelte und erprobte sie mit großem Eifer verschiedene Verschlüsselungsmethoden für Bild- und Tonsignale, denn sie erklärte: „Wenn jemand unsere Leitungen findet und anzapft, dann weiß er sehr bald alles, was wir auch wissen… nicht, dass irgendwer in Konoha die nötigen Kenntnisse dafür hätte, aber es wäre doch sehr unprofessionell, diese Möglichkeit völlig auszuschließen, nicht wahr?“ Und stolz zeigte sie Makani drei weitere Kanäle, die erst nach der Eingabe eines sechsstelligen Schlüssels Bilder von weiteren Orten in Herrn Nakamuras Haus in die Zentrale übertrugen: Speisekammer, Gartenschuppen und Toilette. Makani verstand zwar wieder allerhöchstens die Hälfte von dem, was Yūgao dozierte; das tat ihrer wachsenden Faszination jedoch keinen Abbruch. Die tägliche Arbeit mit der älteren Kunoichi machte ihr mehr und mehr Spaß und ließ sie sogar beinah vergessen, dass sie ihre eigenen Teamkollegen seit dieser einen gemeinsamen Trainingseinheit nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Denn noch bei einer weiteren Sache hatte Itachi Wort gehalten: Er hatte offenbar tatsächlich Ausschau nach weiteren geeigneten Trainingspartnern für sie gehalten und diese erwarteten sie nun täglich nach ihrem Dienst in der Zentrale auf dem Übungsgelände. Also trainierte Makani nun mit niemand anderem als Hatake Kakashi Nahkampf, während sie mit Toras Teamkollegen Baku an ihrer Shurikentechnik arbeitete. Als Itachi ihr in seinem Zimmer dieses Vorhaben eröffnet hatte, hatte das ihr Geduldsfass zum Überlaufen gebracht. Es hatte sie gekränkt und wütend gemacht, dass ihr Team-Captain offenbar nicht selbst mit ihr arbeiten und sie stattdessen an andere Trainingspartner abschieben wollte. Doch jetzt musste sie sich eingestehen, dass es tatsächlich nicht das Schlechteste war, das ihr hatte passieren können, denn so bekam sie endlich den Kopf soweit frei, um sich überhaupt angemessen aufs Training konzentrieren zu können. Darüber hinaus waren Kakashi und Baku ohne Zweifel ausgezeichnete Übungspartner und Makani machte schnell beachtliche Fortschritte mit ihnen. Nein, tatsächlich war sie erleichtert, denn sie spürte schnell, wie gut es ihr tat, wieder etwas Abstand von Itachi, Shisui, dem Clan und allen damit verbundenen Sorgen und Schwierigkeiten zu bekommen. Aber obwohl sie versuchte so wenig wie nur möglich darüber nachzudenken, wusste sie doch, dass es nur eine Frage der Zeit sein konnte, bis sie all das wieder einholen würde, dass es für sie schon lange keinen Weg zurück in ihr einigermaßen unbekümmertes altes Leben mehr gab, auch wenn es sich gerade ein klein wenig so anfühlen mochte... Sie hatte verstehen wollen und bald würde sie sich den Folgen stellen müssen und der Verantwortung, die sie nun Itachi und vielleicht sogar der ANBU gegenüber trug, und die sie auf der anderen Seite selbst beansprucht hatte, als sie die Uchihas als ihre Familie bezeichnet hatte. Auch wenn Yūgao so diskret wie möglich vorging, war es Makani durchaus nicht entgangen, dass die ältere Kunoichi stets peinlichst darauf achtete, sie aus jenem Bereich des Überwachungsnetzes herauszuhalten, der den Clan betraf. Auch Yūgao zu Liebe hatte Makani es einfach hingenommen und so getan, als würde sie es nicht bemerken. Es war anzunehmen, dass Yūgao lediglich Befehle ausführte und Makani hatte nicht den Eindruck, dass die Obervationskoodinatorin viel mehr wusste. Aber es erinnerte sie dennoch zunehmend unangenehm daran, dass mitnichten alles in Ordnung war, dass die gefühlte Bedrohung keine reine Einbildung von Itachi oder ihr selbst war, auch wenn sie sich zu gern dieser Illusion hingegeben hätte. Und so konnte sie es nicht verhindern, dass ihre innere Anspannung und Beunruhigung schließlich doch wieder mit jedem Tag wuchs, der ohne größere Ereignisse vorüberging. War dies vielleicht nur eine Schonfrist, bis man auch sie endgültig vor die Wahl stellen würde: die ANBU oder die Uchihas?

 
 

*
 

Gegen sechs Uhr an einem lauen Abend Anfang September begann sich der Uchi-niwa im Herzen des Uchiha-Viertels allmählich zu beleben. Nach und nach erschienen aus allen Richtungen immer mehr dunkelhaarige Menschen – hauptsächlich Männer – in dunkler Kleidung mit einem rot-weißen Fächer auf dem Rücken und sammelten sich in losen Grüppchen vor dem prächtigen Dōjō, unterhielten sich gedämpft und schienen auf etwas zu warten. Schließlich betrat auch ein junges Mädchen mit langen walnussbraunen Haaren und großen braunen Augen den Platz. Sie bewegte sich etwas zögerlich auf den Dōjō zu und blickte sich suchend um. Zwei oder drei der umstehenden Uchihas warfen ihr dabei etwas verstohlene Blicke zu. Endlich entdeckte sie einen jungen Mann mit kurzen lockigen schwarzen Haaren, der am Rande des Uchi-niwa gegen einen Baum gelehnt stand, und ihr Gesicht erhellte sich. Lächelnd lief sie los und winkte dabei, doch der junge Mann, der tief in Gedanken versunken seinen Blick auf die Erde gerichtet hatte, bemerkte sie erst, als sie direkt vor ihm stand und ihn ansprach:

Oh, Shisui-senpai, wie schön dich zu sehen!“

Der junge Mann schreckte auf und sah für einen kurzen Moment etwas verwirrt aus.

„Ach, Izumi-chan, du bist‘s ...“, sagte er dann.

Das Mädchen begann wieder sich suchend umzuschauen, wobei das Lächeln langsam aus ihrem Gesicht verschwand. Während sie den Blick weiter über den Platz schweifen ließ, fragte sie an Shisui gewandt:

„Bist du allein gekommen?“

Er schien nicht ganz zu verstehen, was die junge Kunoichi meinte.

„Äh, ja. Ich hatte vorher noch im Dorf zu tun. Wieso?“

„Aber es geht doch bald los, kommt Itachi später?“

Shisuis Miene verfinsterte sich. Ein ungewohnter Anblick, da der junge Uchiha sonst meist sein typisches verschmitztes Grinsen zur Schau trug. Doch durch den mürrischen Ausdruck verstärkte sich plötzlich die normalerweise nicht sonderlich auffällige Ähnlichkeit mit seinem jüngeren Cousin.

„Er kommt nicht, Izumi.“

Die Angesprochene wandte sich augenblicklich wieder Shisui zu und sah in erschrocken, beinah entgeistert an.

„Aber… das geht nicht! Er hat doch schon das letzte Mal gefehlt. Ich habe ihn heute morgen im Dorf gesehen. Er ist nicht auf Mission… Was stimmt denn nicht mit ihm?“

Shisui zuckte mit den Schultern.

„Fugaku wird schon Bescheid wissen. Das ist wohl eine Sache zwischen ihm und Itachi. Mach dir nicht zu viele Gedanken.“

Doch Izumi schienen diese Worte nicht im Geringsten zu beruhigen.

„Wie kannst du das zu abtun?! Du hast Fugakus Gesicht doch selbst gesehen, als Itachi das letzte Mal nicht aufgetaucht ist. Ich glaube, ich habe ihn noch nie so böse gesehen… Nein, ich werde Itachi holen!“

Sie drehte sich entschlossen um und wollte davoneilen, doch Shisui hielt sie ebenso entschlossen am Arm fest.

„Lass es, Izumi! Wir sollten uns da wirklich nicht einmischen. Wenn Itachi nicht kommen will, dann kommt er nicht… du kennst ihn doch.“

„Aber...“

Das Gesicht der jungen Kunoichi drückte Verzweiflung aus.

„… ich will doch nur wissen, was los ist!“

„Das wird er dir dann schon sagen, wenn er es für richtig hält. Lass uns einfach abwarten und kein Drama drum machen. Das würde alles wahrscheinlich nur noch schlimmer machen. Ich habe eh keine Ahnung, wo er gerade ist. Du etwa?“

Izumi schien ein paar Momente hin und her gerissen, doch dann fügte sie sich schließlich. Sie verzichtete auf weitere Einwände und sah mit düsterer Miene zum Dōjō hinüber.

Schließlich sagte Shusui in deutlich sanfterem Ton: „Denk dran, du bist das jüngste Ratsmitglied. Du hast noch einiges zu tun, ehe es losgeht.“

„Was muss das jungste Mitglied denn tun“, fragte Makani und trat noch einen Schritt näher an Shisui und Izumi heran, die beide erschrocken zusammenfuhren.

„Makani?!“, rief Shisui verwirrt, „was machst du denn hier… Wie lange stehst du da schon?“

„Ich bin eben gerade gekommen“, log die Kunoichi in betont gelassenem Ton.

Niemand musste unbedingt wissen, wie aufgeregt sie war und dass sie sich schon seit über zwei Stunden auf dem Uchi-niwa aufhielt und das Treiben auf dem Platz beobachtet hatte. An ihrem einzigen freien Tag in der Woche hätte sie sich zwar wirklich sinnvollere und angenehmere Tätigkeiten vorstellen können, aber sie war einfach viel zu nervös gewesen, um sich auf etwas anderes zu konzentrieren.

„Ja, und was machst du hier?“, fragte Shisui noch einmal, doch Izumi fiel ihm ins Wort:

„Sag nicht, du wirst heute eingeführt?“

Die dunkelhaarige Kunoichi strahlte. Makani machte diese offen ausgedrückte Freude verlegen.

„Äh ja, irgendwie schon, glaube ich. Fugaku hat mich eingeladen.“

„Das ist ja wunderbar, Makani! Ich dachte schon, du würdest nie in den Rat eintreten und den Clan bald endgültig verlassen.“

Ja, das habe ich auch geglaubt, dachte Makani und erwiderte Izumis impulsive Umarmung etwas steif.

Shisui zog skeptisch die Stirn kraus und brummte: „Wäre das nicht eigentlich Tekkas Aufgabe gewesen?“

„Es wäre Akanes Aufgabe gewesen...“, murmelte Makani und bereute es sofort, als sie die Gesichter der anderen beiden jungen Uchihas sah.

Nach ein paar Momenten betretenen Schweigens sagte Izumi mitfühlend:

„Es ist schön, dass Fugaku es jetzt persönlich an ihrer Stelle getan hat. Es tut uns allen leid, dass sie dich nicht mehr selbst einführen konnte.“

„Ja“, antwortete Makani nur und wünschte sich, sie könnte einfach wieder gehen. Was wollte sie denn eigentlich hier? Akane hatte ihre Einführung nicht ohne Grund länger hinausgezögert. Die alte Kunoichi hatte nicht viel von diesem ganzen Zirkus gehalten und war selbst nur unregelmäßig zu den Ratsitzungen erschienen, was nicht selten zu Unmut unter den anderen Clanmitgliedern geführt hatte. Letztendlich war es aber trotzdem toleriert worden, da Akane eine angesehene Jonin gewesen war, die sich viele Male für Konohagakure und somit auch für die Uchihas verdient gemacht hatte. Aber sie? Sie war doch einfach nur Makani, eine einfache kleine Chunin und ein Findelkind ohne Stammbaum noch dazu. Sie verfügte nicht über das Selbstbewusstsein oder die Stellung, um sich hier zu behaupten so wie ihre Ziehmutter oder Itachi und das hatte Akane vermutlich ganz genau gewusst.

Im diesem Moment erreichte eine weitere Guppe Männer den Uchi-niwa; unter ihnen befand sich auch Tekka. Als er Makani bemerkte, nickte er ihr zufrieden zu und sie spürte, wie sie sich sofort ein wenig entspannte. Sie hätte es zwar selbst nicht für möglich gehalten, aber ihr Cousin, der einzige lebende Uchiha, der sie zumindest ein bisschen kannte, schien tatsächlich anderer Meinung zu sein: Er glaubte, dass der Clan stolz auf sie sein sollte – und würde. Und noch dazu hatte nun sogar niemand anderes als Fugaku persönlich dafür gesorgt, dass sie dem Clan eben nicht für immer verloren ging.

Doch dann wurde die Kunichi aus ihren Gedanken gerissen, als Izumi plötzlich ihre Hand ergriff.

„Komm“, sagte sie, „Ich zeige dir, was die Aufgaben des jüngsten Ratsmitgliedes sind.“
 

 

*
 

 

Makani konnte sich nicht erinnern, wann genau sie das letzte Mal im Dōjō des Uchiha-Clans gewesen war; sie wusste nur, dass es sehr lange her war. Als sie den riesigen, nahezu leeren Raum nun wieder betrat, verschlug ihr die Luft darin für die ersten Momente den Atem und ließ sie abrupt am Eingang stehen bleiben. Es roch nach altem Holz, kaltem Rauch und irgendetwas, das plötzlich schmerzhaft etwas lange Verdrängtes in ihr wach rief – keine konkreten Erinnerungen, vielmehr ein Gefühl. Dieser Ort war Teil einer Kindheit, bei der sich die Kunoichi die vergangenen Jahre große Mühe gegeben hatte zu vergessen, dass es sie gegeben hatte.

Izumi dagegen durchquerte den Raum zielstrebig und riss die großen Schiebetüren zur Veranda auf der Rückseite des Gebäudes auf. Als daraufhin frische Luft durch Makanis Haare strich, atmete sie erleichtert auf.

Die dunkelhaarige Kunoichi lachte: „Es kommt mir komisch vor, dir das hier zu zeigen. Du bist doch eigentlich älter als ich.“

Das stimmte, Uchiha Izumi war ein paar Monate jünger als Makani, doch soviel sie wusste, schon beinah ebenso lange Chunin. Trotzdem hätte Makani nie damit gerechnet, dass die jüngere Uchiha Mitglied im Rat das Uchiha-Clans war.

„Das macht doch nichts“, antwortete Makani und lächelte, „Du bist hier ja tatsächlich die Erfahrenere von uns beiden. Und wenn ich diesen Job ab jetzt übernehmen soll, muss ich ja wissen, was zu tun ist.“

Izumi erwiderte das Lächeln und machte eine wegwerfende Handbewegung.

„Ach, es ist wirklich kaum der Rede wert! Ein bisschen lüften, das Räucherwerk vorbereiten und die Wandbehänge anbringen. Zum Schluss lasse ich die Leute rein. Das war‘s. Aber wir können das gern die nächsten Male zusammen erledigen. Oh, es es ist einfach toll, dass du jetzt mit dabei bist!“

Ihr Lächeln wurde noch breiter und sie klatschte vor Begeisterung einmal in die Hände.

„Es gibt einfach viel zu wenig junge Leute hier. Und jetzt bin ich endlich nicht mehr das einzige Mädchen. Ich sag dir, es ist nicht immer einfach hier mit den ganzen alten Männern. Da sollten wir zusammenhalten!“, sagte sie verschwörerisch und gestikulierte dabei mit ihrer zur Faust geballten Hand. Dann lachte sie wieder, lief zum einzigen Möbel im Raum, einem großen Schrank aus massivem beinah schwarzem Holz, und holte eine große Menge Räucherutensilien heraus, während sie munter weiter plapperte:

„Ich meine, es wäre ja wirklich eine Schande für den Clan gewesen, dich zu verlieren! Du warst doch immer schon so talentiert...“

Jetzt musste Makani lachen, wenngleich sie sich nicht sicher war, ob aus Belustigung oder aus Verlegenheit.

„Hey, ich mein‘s ernst!“ Izumi sah sie streng an.

„Naja, das sind aber wohl nicht unbedingt Talente, für die sich unser Clan so gerne rühmt“, erwiderte Makani immer noch grinsend, „Ich kann weder außergewöhnlich gut mit Feuer umgehen, noch kann ich mit übermenschlicher Sehkraft dienen. Eigentlich bin ich nur im Verstecken unschlagbar, zumindest solange mich keine Sharinganträger suchen.“

Die jüngere Kunoichi schüttelte energisch den Kopf.

„Sich gut verstecken zu können, ist eine überaus nützliche Fähigkeit für eine Kunoichi! Und was das Sharingan betrifft – wir haben momentan kaum eine Handvoll Shinobi, die es wirklich beherrschen. Unser Clan hat keine Zukunft, wenn wir uns nur auf diese Kekkei Genkai verlassen und nicht offen für Neues sind; das sagt mittlerweile selbst Fugaku.“

Verwundert hörte Makani auf; diese Argumentation kam ihr irritierend bekannt vor.

„Ja, da hat er wahrscheinlich recht“, murmelte sie und löste sich endlich von der Eingangstür, um Izumi bei der Vorbereitung des Räucherwerks zu helfen.

Vielleicht, überlegte sie, tat sich ja tatsächlich langsam etwas in dieser eingestaubten Gemeinschaft. Immerhin schienen sie ihre verstockten Prinzipien mittlerweile soweit relativiert zu haben, dass sie sogar das Kind einer in Ungnade gefallenen Clan-Tochter in den Rat aufgenommen hatten. Makani schielte verstohlen zu Izumi hinuber, die gerade mit einer Zange glühende Kohlenstücke auf kleine Messingpfannen verteilte. Eigentlich, dachte sie, hatte dieses Mädchen einen noch schwierigeren Stand im Clan als sie selbst. Ihre Mutter hatte heimlich einen Nenashi geheiratet und die Uchihas noch vor Izumis Geburt für immer verlassen. Sie lebte zwar noch in Konoha, der Clan hatte den Kontakt zu ihr aber vollkommen abgebrochen. Izumi hatte später während ihrer Zeit auf der Akademie auf eigene Faust und ziemlich hartnäckig noch dazu die Nähe zum Clan ihrer Mutter gesucht, ein Verhalten, das bei Makani Verständnislosigkeit, wenn nicht sogar leichte Missbilligung hervorgerufen hatte. Doch es war ohne Zweifel bemerkenswert, dass diese noch etwas kindlich wirkende Kunoichi die Uchihas offenbar soweit von sich überzeugt hatte, dass sie sie nun als vollwertiges Clan-Mitglied anerkannten.

„Wer hat dich denn in den Rat eingeführt?“, fragte Makani in beiläufigem Ton, beobachtete die dunkelhaarige Uchiha jedoch sehr aufmerksam. Sie hatte ja ebenfalls keine näheren Angehörigen im Clan, die es für sie hätten tun können. War es etwa so wie bei ihr selbst das Clan-Oberhaupt höchstpersönlich gewesen? Als Izumi auf diese Frage bei ihrer Tätigkeit inne hielt und Makani anblickte, wurde diese beinah geblendet durch das Strahlen im Gesicht der Jüngeren.

„Weist du das etwa nicht? Darüber haben sich doch mindestens zwei Wochen lang alle das Maul zerrissen...“

„Ach weißt du, ich habe schon ziemlich lange nichts mehr von dem mitbekommen, was im Clan passiert.“

„Hmm, schade eigentlich“, erwiderte Izumi, „hier geht es lange nicht so öde zu, wie du vielleicht denkst. Ich bin im letzten Herbst eingeführt worden und ich sage dir, die Versammlung war wirklich sehenswert; das wird so schnell keiner vergessen. Naja zugegeben, die ganze Sache war schon ziemlich heikel… Es ist wirklich ein Glück, dass alles so gut ausgegangen ist.“

Sie schien für ein paar Momente ihren Erinnerungen nachzuhängen.

„Erzählst du mir jetzt, was passiert ist, oder nicht?“, fragte Makami nach einer Weile leicht belustigt.

Daraufhin sah Izumi sie bedeutungsschwer an und verkündete: „Ich weiß, es klingt seltsam, aber Itachi hat mich eingeführt.“

Als sie daraufhin Makanis völlig perplexen Gesichtsausdruck sah, brach sie in Gelächter aus.

„Genauso hat der Rat auch reagiert, als Itachi mich hier angeschleppt hat. Ich hätte ehrlich gesagt auch nicht gedacht, dass es funktioniert. Es war Itachis Idee. Mir kam es ziemlich verrückt vor.“

„Wow“, brachte Makani schließlich hervor, „das war nett von ihm, oder?“

„Jaaa und vor allem wahnsinnig mutig! Ich hab mir nie irgendwelche Hoffnungen gemacht, dass der Rat mich jemals aufnehmen würde. Aber traurig war ich manchmal schon darüber. Es ist ja auch irgendwie gemein, findest du nicht? Ich kann doch nichts für die falschen Entscheidungen meiner Mutter. Doch Itachi meinte, es gäbe keinen Grund, es nicht einfach zu versuchen. Der Clan könne es sich gar nicht leisten, auch nur einen jungen Ninja abzuweisen. Und da hat er ja auch recht…“

„Und der Rat hat Itachis Antrag einfach so akzeptiert?“ fragte Makani skeptisch, woraufhin Izumi schelmisch grinste.

„Na, das kann man nicht direkt behaupten... Zunächst haben alle ziemlich blöd aus der Wäsche geguckt. Damals war Itachi selbst das jüngste Ratsmitglied. Ziemlich unerhört also, dass er einfach anfängt, selbst neue Mitglieder zu rekrutieren. Danach wurde erst einmal stundenlang darüber diskutiert, ob über den Antrag überhaupt abgestimmt werden dürfe... es ging ziemlich heiß her dabei. Und obwohl sein eigener Sohn der Versucher für den ganzen Tumult war, hat sich Fugaku bis zum Schluss herausgehalten. Doch schließlich hat er ein Machtwort gesprochen. Itachi wisse genau, dass traditionell nur die Clanältesten oder enge Angehörige Aufnahmeanträge stellen. Und das habe seine guten Gründe. Itachi selbst würde das durch seine ‚jugendliche Anmaßung‘ noch einmal bestätigen. Er sei noch lange nicht reif genug, um zu erkennen, was das Beste für den Clan sei, und nicht in der Lage, seine eigenen Bedürfnisse hintenan zu stellen. Ich war mir absolut sicher, dass es damit gelaufen war...“

„War es aber offensichtlich nicht...“, ergänzte Makani und wartete gespannt darauf, dass Izumi in ihrem Bericht fortfahren würde. Diese hatte schließlich wieder damit begonnen, die Messingpfannen weiter vorzubereiten, indem sie nun kleine Klümpchen Räuchermaterial auf die glühenden Kohlen streute.

„Nein“, hauchte sie und lächelte selig.

„Ich war vollkommen eingeschüchtert von dem, was Fugaku gesagt hat, und ich wollte eigentlich nur noch weg. Aber dann hat Itachi absolut höflich darum gebeten, noch einmal sprechen zu dürfen. Er hat sich bei seinem Vater und dem ganzen Rat für seine Anmaßung entschuldigt. Er wisse, dass er eigentlich kein Recht dazu habe, trotzdem wolle er noch einmal inständig um meine Aufnahme bitten, denn tatsächlich sei er so etwas, wie mein engster Angehöriger hier. Und er sei sich nicht sicher, ob er selbst noch eine Zukunft in diesem Clan hätte, wenn seine … wenn seine zukünftige Frau nicht in den Rat aufgenommen werden könne.“

Den letzten Satz hatte sie beinah geflüstert, doch ihre Stimme vibrierte dabei vor Aufregung.

„Ja, das hat er gesagt… Wahnsinn, oder? Tja, danach ist die Stimmung irgendwie gekippt und man wollte nun doch über meine Aufnahme abstimmen lassen. Naja, verflucht knapp war das Ergebnis trotzdem… Huch, ist alles in Ordnung? Du siehst so blass aus?“

Makanis Mund war plötzlich furchtbar trocken geworden. Mühsam brachte sie hervor: „Äh, ich wusste nicht… also, ich meine … seid ihr wirklich, oder...“

Izumi kicherte.

„Ob wir wirklich verlobt sind, meinst du? Hmm, das kann man schon so sagen, denke ich... Aber glaub mir, damals hab ich auch gedacht, er blufft nur! Aber na ja, das ist schon eine Weile her und es ist viel passiert seitdem … Es hat zwar noch keine offizielle Zeremonie stattgefunden, aber ich denke, Itachi wird sehr bald darum bitten.“

„Dafür muss er aber erst einmal wieder zu den Ratssitzungen erscheinen...“

Die Worte waren Makani entschlüpft, ohne das sie in der Lage gewesen wäre, darüber nachzudenken, und sie hatten deutlich schärfer geklungen als angemessen. Und im nächsten Moment erschrak sie darüber, wie schnell Izumis Gesichtsausdruck von höchstem Glück zu tiefster Bedrücktheit wechseln konnte.

„Hey, das wird schon wieder“, hörte Makani sich sagen, doch sie hatte absolut keine Ahnung, was sie damit meinte. Aus irgendeinem Grund, der ihr ganz und gar nicht gefiel, wurde ihr gerade ziemlich übel.

„Ich fürchte Fugaku und noch ein paar andere haben Itachi den Coup bei meiner Aufnahme schon recht übelgenommen“, murmelte Izumi mit besorgter Miene. „Es war auch wirklich ziemlich dreist, das kann man nicht bestreiten. Deshalb verstehe ich auch nicht, warum er seinen Vater noch weiter provoziert. Und vor allen Dingen, das er mir nicht sagt, was eigentlich los ist… Itachi soll doch nach Fugaku Clan-Oberhaupt werden. Da kann es doch nicht klug sein, sich gerade jetzt in schwierigen Zeiten so aufzuführen, oder?“

Für eine Weile arbeitete sie schweigend weiter, doch als sie schließlich fertig war, blickte sie Makani nun mit entschlossener Miene an.

„Nein, du hast Recht; es wird alles gut – es muss! Wir sind jetzt beide hier und alle werden sich bald an uns gewöhnen. Und Itachi wird sich auch wieder einkriegen und seine Verantwortungen übernehmen. Wir sind schließlich die Erben dieses Clans; ohne uns gibt es keine Zukunft.“

Sie stand auf und holte die Wandbehänge aus dem Schrank.

 

 

* * *

 

 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  NiOniOn
2019-10-17T22:00:53+00:00 18.10.2019 00:00
Nach langer, langer Pause endlich wieder ein neues Kapitel!
Ich hoffe, ihr wollt noch wissen, wie die Geschichte weitergeht... :-*
Das nächste wird auf jeden Fall wieder recht dramatisch ;-)
Antwort von:  Uchiha--Itachi91
19.10.2019 22:58
Jaa ich möchte noch wissen wie es weitergeht. Hab mich sehr über das neue Kapitel gefreut.
Da kündigt sich das drama aber schon an. Jin gespannt


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