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Kalendertage

Der Tag, an ...
von

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41 - Der Tag, an dem ich wieder aufwachte

Alles war weiß. Ich glaubte, es hätte die Nacht noch weiter geschneit, denn ich spürte auf meinem gesamten Körper eine Schneedecke lasten. Aber etwas daran war extrem ungewöhnlich. Eine Hand und ein Fuß von mir guckten unter dem Schnee hervor und lagen somit im Freien. Hatte mich etwa eine Lawine verschüttet? Nein, dafür war es viel zu warm außerhalb der Schneehaube. Wieso war es warm? Es müsste doch total kalt sein? Aber auch die Schneedecke war merkwürdig. Sie war nämlich ebenso warm wie die Temperatur außerhalb. Dabei war sie so weich und roch nach Waschmittel und …

Mein Hirn kam mit dieser Reizüberflutung nicht zurecht und hängte sich auf wie mein Handy, wenn ich wieder einmal zu viele Sprachnachrichten fast zeitgleich abgeschickt hatte.

Bestimmt war ich Tod und gen Himmel aufgefahren und ruhte dort oben auf einer weichen Wattewolke. Da wollte ich schon laut losheulen und mich selbst bemitleiden, als ich anders als gedacht ruckartig den Kopf hochriss. Mein Hirn hatte neugestartet und etwas kapiert: Nein, ich war weder tot, noch im Schnee stecken geblieben. Das war ein Bett! Und ich hatte mich unter der Bettdecke verheddert. Aber wo zum Henker stand denn dieses Bett? Immer noch bäuchlings liegend, hatte ich den Kopf wie ein Säugling kurz vor dem Loskrabbeln erhoben und lugte unter der Decke vorsichtig hervor. Mein Nacken schmerzte von der ungewohnten Kraftanstrengung. Also plumpste mein Haupt wie ein großer Weißkohl wieder in das Kissen zurück. Aua! Meine Haut an Wange und Stirn brannte schmerzhaft. Überhaupt tat es an unzähligen Stellen im und am Körper weh. Es war mir bis dato gar nicht klar gewesen, wie viele Stellen so ein Körper hatte. Und mein verstauchter Fuß? Der war so schwer und unbeweglich, als hinge eine Eisenkugel daran, wie man es von Knastbrüdern aus dem Märchen kannte. Hm, aber meine Kleidung war nicht so gestreift wie Sträflingskleidung. Also war mein Bett wohl nicht in einem Gefängnis zu finden. Wieso hatte ich eigentlich mein Nachthemd an? Boah, könnte mir mal einer auf die Sprünge helfen? So musste es sich anfühlen, wenn man gefühlte drei Tage Nonstop nur Alkohol und andere berauschende Substanzen inhaliert hatte und später nicht mehr wusste, was geschehen war. Ganz böse Vorahnungen schlichen sich in mein Erinnerungsvermögen ein. Da hatte ich mal einen Horrorthriller zu später Nachtstunde im Fernsehen geschaut. Es ging auch um Entführungen, wo die Opfer eingesperrt und dann in ihre organischen Einzelteile zerlegt wurden. Ein Schauder erfasste mich. Sherenina, du glotzt eindeutig zu viel fern!

Wie dem auch sei, musste ich dringend herausfinden, wo ich war. Wenn es ein böser Ort war, so müsste ich fliehen. Aber das würde kein Spaziergang werden. Mein ganzer Leib fühlte sich wie vom Zug überfahren an. Meine Sicht war eingeschränkt, denn ich sah nur im Tunnelblick alles zeitweise verschwommen. Dazu kam noch dieser blöde Schwindel. Trotzdem wollte ich wissen, was passiert war und wohin es mich verschlagen hatte.

Es war dunkele Nacht. Soviel hatte ich ausmachen können, denn direkt neben meinem Bett war ein großes Fenster. Die Gardinen waren nicht zugezogen und gaben den Blick auf das nächtliche Finsternis frei. Obgleich hier in meinem Zimmer keine Lichtquelle brannte, spiegelte sich schemenhaft mein Zimmer in der Glasscheibe, so dass ich in dem Nachthimmel nicht entnehmen konnte, ob dort nun die Sterne standen oder Wolkenschafe über das Firmament zogen. Allein der Mond besah sich mein Elend, wie er es immer tat. Still und stumm. Der Mond. Angesicht zu Angesicht. Also gab es wohl gerade keine Wolken am Himmel. Ob es draußen kalt war? Der Mann im Mond blickte schon fast ein wenig erbarmungsvoll herab. Meine Augen hingen förmlich an den Kraterumrissen, die mir sein Gesicht suggerierten. Ich konnte mich kaum davon abwenden.

Ich fühlte mich wie eine leere Büchse. Inhaltslos und verbraucht. Mein Freund hatte mir mal erzählt, im Feuer-Reich würde man gar keinen Mann im Mond sehen, sondern einen Hasen mit einem Bottich. Da hatte ich schon recht viel Fantasie gebrauchen müssen. Doch es stimmte. Nach einer gefühlten Ewigkeit fand ich das Tier mit seinen langen Ohren und den Bottich. Und mit dem verschwommenen Tunnelblick hoppelte es sogar wie bei einem Daumenkino auf und ab. Wenn ich Kakashi jemals wiedersehen würde, dann müsste er mir einmal die Legende dazu erzählen, warum man im Erd-Reich ausgerechnet einen Hasen sah. Und wieso hatte der einen Bottich bei sich? Maannn, schon wieder so viele Fragen für das gemarterte Hirn.

Kakashi … Nun heulte ich doch. Und als mir Yuuki und Asa in den Sinn kamen, da heulte ich noch mehr. Wo waren sie? Wie ging es ihnen?

Es war nicht allein der Hase und meine Familie, die meine Sinne so betäubte. Neben dem Langohr hoppelten noch ganz andere Bilder und Filmsequenzen durch meinen Verstand. Ich kapierte nichts davon. Es war alles nur schrecklich und unheimlich zu gleich. Auch dieser unbekannte Ort jagte mir Angst ein. Also gab ich meiner Müdigkeit nach, wo sich meine Wahnvorstellungen nun als Traum weiter austobten.

Da gab es im Traum finstere Geister, die mich aus einem vereisten Käfig mitnahmen. Sie tanzten über den Dächern zusammen mit den Schneeflocken, als wären sie Marionetten. Aber ihr Fäden waren nicht aus Stoff, sondern wie schwarze Schatten. Die Marionetten zerrten an den Schattenfäden und verhedderten sich immer mehr und mehr. Zum Schluss klebten sie alle in einem großen Schattenspinnennetz fest. Und all diejenigen, die nicht in dem Netz bleiben wollten, wurden zurück geweht. Ein blonder Pfau mit vier Zöpfen und lila Federn schlug ein großes weißes Rad mit drei roten Augen und fächerte alle Fliehenden wieder in das Netz. Plötzlich krochen aus allen Ecken und Enden Gestalten in schwarzen Mänteln und weißen Tiermasken hervor. Eine Maske gruseliger als die andere. Als die Masken niederfielen, meinte ich Yuuki und Asa darunter zu sehen. Der Schock fuhr mir in die Glieder. Ich schrie und schrie. Doch dann landete ich auf dem Rücken eines Pferdes. Ich konnte genau spüren, wie sich meine Beine um seinen Leib schlangen, die Haken sich treibend in das Fleisch bohrten und meine Arme sich eng um seinen Hals schmiegten. Mein Gesicht vergrub sich in einer grauen Mähne. Mein Apfelschimmel trug mich geborgen über alle Dächer hinweg.

Plötzlich kracht es. Etwas war herunter gefallen und ein stechender, kurzer Schmerz durchfuhr meinen Handrücken. Schweißgebadet wachte ich auf. Ich hörte mir selber zu, wie mir ein spitzer Schrei im Halse stecken blieb. Das Mondlicht konnte mit seinem silbernen Glanz nicht verhindern, wie sich mein blütenweißes Bett nun mit rotem Blut aus meiner Hand befleckte. Ein gleichmäßiger Rinnsal rann aus einer feinen Wunde heraus. Wenigen Tropfen genügten, und sofort bildete sich ein großer, dunkler Fleck auf dem reinweißen Untergrund. Scheiße, was war das hier für ein Alptraum?

Da wurde auch schon die Tür aufgerissen und eine besorgte Frau stürmte herein. Ein gedämpftes Zimmerlicht wurde eingeschaltet, damit es in den Augen nicht so blendete. Meine endgültige Ankunft in der Wachwelt. Ein Krankenhaus! Ich war in einem Krankenhaus gelandet. Und meine Hand blutete, weil sich die Infusionsnadel unfreiwillig gelöst hatte. Während meines Alptraums hatte ich wohl nicht mit bösen Dämonen, sondern wiederholt mit der Decke gerungen, dabei den Ständer für den Infusionsbeutel umgeworfen und somit die feine Kanüle aus meiner Hand am Schlauch herausgerissen.

„Oh, sie sind endlich aufgewacht, Jibek-san. Es ist alles in Ordnung“, redete die junge Krankenschwester beruhigend auf mich ein, versorgte meine Wunde und bereinigte das Malheur.

Sie hatte einen freundlichen Blick und eine unendliche Ruhe und Fürsorge, obgleich ich ihr eine große Last bescherte, so eingesaut wie mein Bett nun aussah. Aber, so dachte ich, eine medizinische Belegschaft sähe sicherlich noch viel krassere Sachen als meine Blutung am Handrücken. Also doch kein Grund für ein schlechtes Gewissen. Ob man der Schwester trauen konnte? Wieder fiel mir der Film aus dem Fernsehen ein mit den Leicheneinzelteilen. Spielte das nicht auch in einem Krankenhaus?

Ich konnte nur stumm zusehen und war verwirrt. Endlich aufgewacht? Meine Güte, wie lange hatte ich denn geschlafen? Langsam drehte ich den Kopf in beide Richtungen. Die Schwester hatte mich aufgerichtet. Ich war bisher nur einmal zu Yuukis Entbindung im Krankenhaus gewesen. Trotzdem konnte ich mich an die Schwesternkluft erinnern. Meine letzten Zweifel über meinen Aufenthaltsort wurden durch einen Blick aus dem Fenster beseitigt. Dort draußen sah man die Dächer von Konohagakure. In der Ferne wachten die Hokageköpfe über die Nachtruhe ihres Dorfes. Ich musste tatsächlich nach Hause gekommen sein. Wie auch immer. Zumindest schien alles in Ordnung. Trotzdem war ich fix und fertig.

Ich sprach keinen Ton und sah wie durch eine Nebelwand, dass mir die Schwester die Hand verband. Sie redete freundliche Worte mit mir, doch ich hörte gar nicht hin. Dann drückte sie sanft gegen meine Schulter, dass ich mich wieder hinlegen sollte. Schon wieder schlafen? Ich hatte doch erst geschlafen, und anscheinend auch sehr, sehr lang. Mein Körper verbat jegliche Diskussion. Er gab den Worten der Schwester nach und schlief wieder ein.

Es wurde kein erquickender Schlaf der Genesung. Bequem in meine Decke gegewickelt, dämmerte ich gleichermaßen vor mich her, wie die Sonne draußen die neue Morgendämmerung vor sich herschob. Da waren sie wieder. Diese Bilder, die ich nicht verstand. Und diesmal waren sie schlimmer und heftiger als zuvor. Ganz langsam wurde es heller und heller. Leider geschah das ganz und gar nicht in meinen Erinnerungen. Da waren wieder schwarze Traumbilder, zu denen sich mittlerweile neue gesellt hatten.

Es klopfte leise an die Tür. Die Nachtschwester, welche meine Hand versorgt hatte, begrüßte mich, maß die Körpertemperatur, nahm den Puls und erkundigte sich nach meinem Befinden. Stumm wie ein Fisch sah ich sie merklich unbeweglich an. Man selber sah sich und seinen Gesichtsausdruck ja nicht, doch meine Mimik war wohl emotionslos und die Augen total leer. Das hätte ich wohl selber auch gar nicht registriert, hätte die Schwester mich nicht auf eine hübsche Sache hingewiesen, die meine Stimmung auffrischte.

„Wenn es ihnen besser geht, dann müssen sie mir einmal ihren heimlichen Verehrer vorstellen“, witzelte die Schwester herzerwärmend, nur um die Stille zu durchbrechen und mich mit einem belanglosen Gespräch aufzumuntern. „Ich habe ihn noch nie gesehen, aber er bringt jede Nacht eine neue Blume mit. Dabei bin ich wirklich achtsam. Und hier auf Station liegen gerade nicht so viele Patienten. Hm, er ist wohl Jô-Nin?“

Und erst da drehte ich wohl meinen Kopf, erblickte auf einem Tisch neben meinem Bett einen Wildblumenstrauß und erstrahlte wie die aufgehende Frühlingssonne. Meine Güte, wo hatte er die denn her so mitten im Winter? So dachte ich im Stillen bei mir selbst und bekam dann doch wieder das unerträgliche Gefühl der puren Ahnungslosigkeit. Ich war viel zu antriebslos, die einzelnen Blumen zu zählen, doch es war schon ein ganzer Strauß. Und wenn er wirklich jede Nacht eine weitere Blume hatte in die Vase dazugestellt, dann war ich wie befürchtet schon eine halbe Ewigkeit hier. Doch in dem Moment zählte nur die Freude über die liebe Geste.

Ich nickte eine bejahende Antwort, den Mund bekam ich noch nicht auf. Die ganzen Ränge der Shinobis kannte ich gar nicht. War Jô-Nin ein hoher Rang? Gab es da viele von, die so einen Rang hatten? Keine Ahnung. Aber es musste wohl ein hoher Rang sein, wenn die Schwester, die sich mir noch als Schwester Kiri vorstellte, meinte, nur ein Jô-Nin könnte sich an ihr vorbeischleichen. Na, sollte sie doch alle Jô-Nin im Kopf durchgehen, die sie kannte. Da hatte sie ein kleines Rätsel zu lösen, wenn es sie so sehr interessierte. Ich sollte mich zukünftig mit den Rängen beschäftigen, schwor ich mir selbst. Yuuki und Asa waren auf dem Weg zur Ge-Nin-Prüfung. Das war ganz unten in der Reihenfolge. Ganz oben war Kage. Also müsste ich nur noch das Mittelfeld lernen.

Schwester Kiri war wirklich nett. Und auch sehr taff. Sie verabschiedete sich von mir, denn ihre Schicht endete nun. Aber in den kommenden Nächten wäre sie wieder da. Schon in einer halben Stunde würde die nächste Schicht das Frühstück bringen. Und die Visite würde mir dann erzählen, welche Befunde ich hätte. Ich nickte nur stumm zum Abschied und drehte mich den Umständen entsprechend schwerfällig auf die Seite. Mein verstauchter Knöchel war nämlich gar nicht verstaucht gewesen. Ein komplizierter Trümmerbruch an eben dieser Stelle hatte mir nun eine Operationsnarbe, eine Metallplatte und fünf Schrauben eingebracht. Das schwere Gewicht am Fuß rührte von der Schiene her.

Draußen sah es schön aus. Der wolkenlose Himmel färbte sich nun pastellfarben. Erst leckte die Sonne mit ihren Strahlen oben an den schroffen Felsen und an den Spitzen der Hochhäuser. Dann kletterte der gelbe Ball mühsam über die Horizontlinie und legte seine beiden lichthellen Arme über die Stadt. Ein neuer Tag hatte begonnen. Ganz idyllisch und friedlich.

Die Tür wurde leise geöffnet, ein Tablett mit Essen wurde gebracht. Es gäbe erst einmal nur eine Kleinigkeit, bis die Ärzte mich begutachtet hätten, wurde mir unverblümt von einer etwas mürrischen Schwester mitgeteilt. Na schön. Ich schlürfte den heißen Tee, schob langsam Reiskorn für Reiskorn in meinen Mund und empfand die Prozedur des Essens als ungeheuer mühselig. Erschöpft kuschelte ich mich wieder ins Bett. Was auch immer ich hatte, es musste mich schwer aus der Bahn geworfen haben, wenn selbst Essen schon anstrengender war als ein Marathonlauf.

Gespannt wartete ich auf den Ärztetrupp. Was würden sie mir wohl erzählen? Wie lange müsste ich noch hier bleiben. Der Wunsch brannte in mir, mich bei meiner Familie zu melden, weshalb ich mich nun mehr mit meinem Zimmer beschäftigte. Es war ein Einzelzimmer. Trotzdem konnte man Vorhänge um das Bett herum zuziehen, dass man nicht sofort gesehen wurde, falls jemand durch die Zimmertür kam oder jemand durch das kleine Türenfenster sah. Neben meinem Bett war ein Nachtschrank und direkt hinter mir an der Wand pappte ein Pinbrett mit Ergebnissen von medizinischen Untersuchungen. Es fiel mir schwer, solange nach hinten an die Wand zu schauen, doch die Schublade im Schrank wollte ich mir näher betrachten. Viel war nicht darin. Eine Packung Taschentücher. Ein Essensplan, den ich logischerweise noch nicht ausgefüllt hatte. Was brauchte man wohl auch, wenn man die ganze Zeit nur schlief? Wie hatte ich eigentlich im Schlaf gegessen? Eine Magensonde hatte ich nicht. Dafür fand ich einige schöne Kinderzeichnungen. Asa und Yuuki hatten sich wirklich ins Zeug gelegt, mir viele bunte Bilder zu zeichnen.

Es klopfte. Ein Tross an Ärzten strömte herein und breitete sich um mein Bett herum aus. Ich fühlte mich wie ein belagertes Zootier in einem viel zu engen Käfig.

„Guten Morgen!“ schallte es mir entgegen.

Boah, nicht so laut! Meine Ohren klingelten. Ein großer, hagerer Typ stellte sich als vertretender Oberarzt vor, weil die für mich zuständige Ärztin gerade zu einer Konferenz gereist wäre. Wie es mir denn so ginge, wurde ich gefragt. Mir war das schon alles zu viel. Zu viele Menschen. Zu viel Lärm. Zu viele Fragen. Zu viel Stress. Die Informationen über meinen Gesundheitszustand ließ ich einfach so über mich ergehen. Einen gebrochenen Knöchel, viele Prellungen und Blutergüsse, eine starke Unterkühlung und eine virale Infektion, ein Gen-Justu und daher ein tiefer Schlaf mit Halluzinationen und Schlafwandeln von fast drei Wochen. Was zum Henker ist ein Gen-Justu? Dürfte ich mal meinen Telefonjoker anrufen? Nö, so weit kam ich gar nicht mit meinen Bedürfnissen, konnte ich noch nicht einmal den Worten des Arztes richtig folgen. Auf jeden Fall bekam ich mit, dass ich wohl noch ein paar Tage hier im Krankenhaus bleiben müsste und mein Fuß nun Physiotherapie bräuchte. Und es würde noch eine Psychologin wegen des Gen-Jutsus vorbeischauen. Es wurden fleißig Notizen über mich gemacht, ein neuer Zettel über meinem Kopf an des Brett gepinnt und schon rauschte der Schwarm an Halbgöttern in Weiß zum nächsten Zimmer. Plötzlich war wieder Stille eingekehrt.

Telefonieren, ich möchte gerne telefonieren. Wieder gab es Schritte auf dem Gang. Die Tür ging auf. Mein Essenstablett wurde wieder abgeholt. Dafür platzierte sich nun eine Kanne Tee und eine Tasse auf meinem Nachttisch. Und so zog es sich durch den ganzen lieben langen Tag. Tür auf, Tür zu. Wie in einem Taubenschlag. Nur Ruhe fand man hier gar nicht. Und telefonieren wurde auch nichts. Dafür konnte ich meinen Fuß bestaunen, als der Physiotherapeut die Schiene entfernte. Eine Narbe zierte nun meinen Knöchel. Die Fäden waren bereits gezogen worden. Und es schmerzte, obgleich der Therapeut äußerst behutsam mit dem Fuß umging. Ich verbiss den Schmerz, ließ aber in den Augenwinkeln Tränen zurück. Dann war schon Mittagszeit. Diesmal Reis mit Gemüse. Klappklapp, und das Tablett war auch schon wieder weg.

Erschöpft sank ich wieder in das Bett und döste. Mit halben Augen genoss ich, wie draußen der Sonnenschein die Stadt erwärmte. Dort hinten war der Hokageturm und daneben die Akademie. Am Liebsten hätte ich einen Stein an Kakashis Bürofenster geworfen. Er war garantiert dort. Blöd, dass ich nichts zum Werfen hatte und erst recht nicht so weit werfen konnte. Aber wenn er wirklich jede Nacht hier aufgekreuzt wäre, würde er es diese Nacht auch wieder tun. Da konnte ich nur abwarten.

Nachmittagszeit. Tür auf, neue Teekanne und Mochis rein, Tür zu. Jedes Mal schreckte ich auf, wenn diese Tür ging. Ich hatte genug, raffte mich hoch und zog wenigstens den Vorhang zur Türseite hin zu. Dann humpelte ich mit den an meinem Bett parkenden Gehhilfen zur Tür und sah zum ersten Mal aus meinem Zimmer heraus. Ich war am Ende eines kurzen Ganges. Am anderen Ende war wohl das Schwesternzimmer. Und wo war die Toilette? Wieder wurde mir schwindelig. Auch der Tunnelblick wollte nicht so recht weichen. Also musste ich mehr den Kopf hin- und herdrehen, was zu neuem Schwindel führte.

„Sie sollten noch nicht alleine aufstehen. Ich helfe ihnen!“ rief es da aufgeregt aus dem Schwesternzimmer heraus.

Hui, die bekamen hier ja wirklich alles mit, wie Schwester Kiri behauptet hatte. Schon stürzte ein Pfleger herbei, griff mir unter die Arme und schob mich nur eine Tür weiter zum Klo. Kaum zurück auf dem Zimmer, wurde schon das Teegedeck gegen die Abendmahlzeit ersetzt. Reis, Gemüse und sogar Fisch. Und natürlich wieder der obligatorische grüne Tee. Ob man um einen Kaffee betteln durfte? Lieber nicht. Das wären nach dem Telefonanruf schon zwei Wünsche auf einmal. Wer wüsste schon, ob das nicht ein wenig unverschämt wäre. Gerade mal aus dem Dornröschenschlaf erwacht und schon Anforderungen stellen. Trotzdem konnte ich meine Ungeduld nicht länger zügeln.

Meine nächste Wanderschaft auf Krücken wurde schon weit aus sicherer. Tock klack, tock klack, tock klack, trommelten die Gehilfen und mein gesunder Fuß einen Rhythmus um die Wette. Hoffentlich kam mir niemand entgegen. Auf dem schmalen Flur wäre das Ausweichen eine wirkliche Kunst für sich geworden, und in meinem Nachthemd fühlte ich mich darüber hinaus sehr unangezogen, oder besser: halbnackt. Puh geschafft! Geschlaucht lehnte ich nun am Türpfosten. Der Pfleger von vorhin sah mir neugierig entgegen und wies mir einen Stuhl neben dem Schreibtisch zu, auf welchem das heißersehnte Telefon stand. Das war noch so ein ganz uraltes Ding mit Kordelschnur zum Vernudeln und Wählscheibe. Ich dachte immer, so etwas gäbe es nur noch in einem Technikmuseum. Aber das Schöne daran war, dass die Hörer noch so riesig waren, dass man sie bequem zwischen Schulter und Ohr einklemmen konnte. Wie ich den Zeigefinger in der Wählscheibe versenkte, überlegte ich fieberhaft, wie sich Kakashis Handynummer zusammensetzte. Die hatte ich zwar gespeichert, aber genau deshalb kannte ich sie gar nicht so recht auswendig, weil man sich stets nur auf die Rückwahltaste verließ. Hoffentlich landete ich nun auf dem richtigen Handy. Zweimal Freizeichen und der wortlose Anrufbeantworter ging ran. Ich sackte innerlich zusammen. Wenn der Telefonsklave abnahm, dann hatte mein Freund viel um die Ohren.

„Hey, hier ist Nina. Ich bin wieder wach“, sprach ich darauf.

Etwas Schlaueres war mir nicht eingefallen. Das war wohl auch ganz gut so, denn der Pfleger war nicht sonderlich diskret. Der hockte immer noch an dem Gruppentisch unmittelbar neben mir und hatte gespannt gelauscht. Ich dankte ihm und mit Tock-Klack machte ich mich auf den Rückweg in mein Zimmer. Das Tablett vom Abendessen war schon wieder abgeräumt. Ich hoffte, etwas Ruhe zu finden, denn eigentlich dürfte heute kein Personal mehr ins Zimmer schneien.
 

Spät war es, vielleicht so gegen Mitternacht, als es wieder einmal klopfte. Müde rieb ich mir die Augen. Der Mond hatte nun seine wahre Größe erreicht. Ein kreisrunder silberner Spiegel erhellte mein Zimmer ausreichend, dass man auf elektrisches Licht verzichten konnte. Es klopfte noch einmal. Nun mit etwas mehr Nachdruck. Nein, es war nicht die Tür, sondern das Fenster, welches nun lautlos von Außen aufgeschoben wurde. Ein wohlbekanntes Gesicht lugte um den Fensterrahmen. Kakashis heller Schopf leuchtete genauso hell wie der Mond. Er war unverwechselbar.

„Kommst du wie immer durchs Fenster?“ kicherte ich leise zu Begrüßung. „Die Nachtschwester rätselt schon ganz gespannt, wer sich immer an ihr vorbeischleicht.“

Obgleich Kakashi schnell das Fenster wieder hinter sich geschlossen hatte, war kühlende Nachtluft in einen viel zu warmen Raum nachgeströmt. Meine Lungenflügel flatterten und brachten mich zum Husten.

Ein besorgter Blick musterte mich gründlich. Finger schoben Haarsträhnen aus meinem Gesicht. Leise wurde ich herangezogen und umarmt, wie man ein lange vermisstes Schnuffeltuch umschlingt. Es tat einfach nur gut. Und endlich hatte ich das Gefühl, wirklich wieder zuhause zu sein. Sicher und geborgen.



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