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Necromance

Von Tod und Liebe
von

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Was mach ich hier eigentlich?

„Blöder Arsch!“

Mit diesen Worten knallte Lyrika am Abend ihre Wohnungstür zu. Seitdem sie ihren Mitbewohner in der Mensa stehen gelassen hatte, hatte sie kein Wort mehr mit ihm gewechselt und war ihm aus dem Weg gegangen. Allerdings hatte er auch nicht wirklich versucht, sich bei ihr zu Entschuldigen oder sich irgendwie mit ihr zu versöhnen. Stattdessen hatte er sich einfach neugierig mit anderen Frauen unterhalten und blöd mit Typen herumgewitzelt.

Sah ganz so aus, als ob er sie gar nicht mehr brauchte. In so schneller Zeit hatte er neue Freunde gefunden. Trotzdem war sie sich ziemlich sicher, dass er bald hier auf der Matte stehen würde. Immerhin waren all seine Sachen hier.

Natürlich würde sie ihn hereinlassen und natürlich dürfte er auch hier schlafen. So sehr sie sich auch aufgeregt hatte, war sie doch keinen Unmensch einen Herz- und Amnesiekranken auf der Straße schlafen zu lassen.

Sie musste einfach zusehen, dass er so schnell wie möglich seine Erinnerungen wiederfand und bei ihr auszog - dann hätte sie ihr altes, ruhiges Leben einfach wieder!

Lyrika stellte sich an die Küchenzeile und begann etwas für das Abendbrot vorzubereiten. Sie kochte ein paar Eier, briet etwas Speck an und schnippelte Tomaten und Paprika klein. Schließlich deckte sie den Tisch für zwei. Oh, was würde Perry für ein schlechtes Gewissen haben!
 

Zwei Stunden später war von dem Herzkranken noch immer keine Spur. Es klingelte nicht. Vermutlich trieb er sich noch draußen herum. Lyrika nutzte ihre Freizeit, um zu duschen und danach etwas an ihrem Laptop zu spielen.

Als sie sich schließlich in ihr Bett legte und Perrys Luftmatratze immer noch leer und unangerührt da lag, machte sich ein schlechtes Gefühl in ihr breit. Hatte sie es übertrieben?

Lyrika zog ihre Decke bis zu ihrer Nasenspitze und drehte sich um. Er kam nicht nach Hause.
 

Sonnenstrahlen kitzelten ihre Nase und sie streckte sich. Zum ersten mal seit langem, war sie vor ihrem Wecker wach, was sicher daran lag, dass sie ohnehin unruhig und traumlos geschlafen hatte. Sofort fiel ihr Blick auf den leeren Schlafplatz.

Wenn sie Perry nachher in der Uni sehen würde, würde sie ihm anbieten wieder zu ihr zu kommen, wenn er sich denn entschuldigte. Wer weiß, wo er sich die Nacht herumgetrieben hatte. Durch seinen Gedächtnisverlust war er so manipulierbar, dass er sicher jedem alles glauben würde.

Die Studentin machte sich fertig für den Tag und obwohl sie eigentlich nichts darauf gab, ob sie Jungs wie Eric gefiel oder nicht, machte sie sich heute ein wenig mehr Mühe mit ihrem Aussehen. Vielleicht hatte ihr seine Aufmerksamkeit in der Tat etwas geschmeichelt.

Fluchend über sich selbst, verließ sie die Wohnung und wäre dabei beinahe über etwas gestolpert, das vor ihrer Tür lag.

Ein Fuß!

Dieser Fuß gehörte zu einer Gestalt, die sich neben ihrer Fußmatte zusammengerollt hatte und dort selig schlief.

„Perry!“, rief Lyrika. Der junge Mann lag noch mit derselben Kleidung, mit der er gestern die Wohnung verlassen hatte, auf dem kalten Steinboden, die Hände unter seinem Kopf zusammengelegt.

„Mh?“, kam es von ihm als er müde die Augen öffnete, „ist es schon morgen?“

Er rappelte sich langsam auf und verzog dabei die Lippen. Kurz ließ er seine Schultern kreisen. „Autsch“

„Bist du verrückt?“, brach es aus Lyrika hervor, die sich sogleich zu ihm setzte und ihre Hände an seine nackten Oberarme legte.

„Du bist ja eiskalt! Hast du die ganze Nacht hier verbracht?“

„Ich durfte doch nicht mehr rein“, verteidigte sich ihr Kommilitone verwirrt über ihren vorwurfsvollen Ton. „Also bin ich draußen geblieben“

„Du bist herzkrank, willst du dich umbringen?“, fragte Lyrika, „du hättest doch einfach klingeln können. Denkst du wirklich, ich hätte dich nicht reingelassen und von dir erwartet woanders zu schlafen?“

„Du warst ziemlich wütend“, murmelte Perry und ließ sich von ihr auf die Beine ziehen. Sie schob ihn vor sich her hinein in die Wohnung.

„Kein Wunder, so, wie du mich angeherrscht hast. Man redet nicht mit anderen Leuten in so einem Befehlston“, seufzte sie und er ließ die Schultern hängen. Als sie mitten im Wohnzimmer standen, ließ sie ihn wieder los und er drehte sich zu ihr um, blickte ihr in die Augen.

„Es tut mir leid“, entschuldigte er sich aufrichtig, „ich hatte bei Eric kein gutes Gefühl und wollte dich nur vor ihm schützen. Ich habe nicht darüber nachgedacht, wie ich es sage.“

In ihr machte sich Erleichterung breit und sie schenkte ihm eines ihrer seltenen Lächeln. „Du brauchst mich vor niemandem beschützen. Ich komme schon gut zurecht und kann mich wehren, wenn ich das muss“, versicherte sie dem besorgt dreinschauenden Mann, der sich unsicher am zerwühlten Hinterkopf kratzte.

„sollten wir nicht langsam in den Zug zur Uni kriegen?“, fragte er schließlich und Lyrika warf einen Blick auf ihr Smartphone.

„Die erste Vorlesung verpassen wir jetzt eh. Du musst erstmal schön warm Duschen, um dich etwas aufzutauen und etwas frühstücken. Nach der Schule sollten wir dir übrigens mal etwas Richtiges zum Anziehen kaufen.“

Er nickte schweigend und sah sie noch immer an. Verwirrt hob Lyrika ihre Augenbrauen.

Schließlich hob er seine Hände und legte sie sanft um ihre Oberarme, während sich ein mildes Lächeln auf seine Lippen schlich. Seine Augen waren voller Dankbarkeit und auch Reue.

Lyrika versteinerte quasi, wie ein Tier das sich tot stellte. Doch Perry spürte wohl ihr Unwohlsein und ließ sie nach einigen ewig langen Sekunden einfach wieder los.

„Danke“, hauchte er schließlich und wandte sich mit diesem Wort von ihr ab, um kurz darauf im Badezimmer zu verschwinden.

Die Schwarzhaarige stieß die Luft aus, als sie bemerkte, dass sie diese angehalten hatte. Erst jetzt spürte sie, wie ihr ganzer Körper vor Anspannung kribbelte.

Erledigt ließ sie sich auf ihr Bett plumpsen und legte ihren Kopf erschöpft in den Nacken.

Dass ihr Mitbewohner nun wieder aufgetaucht war und sie sich wieder vertragen hatten, ließ einen Stein von ihrem Herzen fallen. Bisher war sie immer alleine gewesen - und glücklich damit. Doch irgendwie war das Wissen und das Gefühl, dass Perry wieder bei ihr war, so schön, dass sie unwillkürlich lächeln musste.
 

„Was mach ich hier eigentlich?“, fragte sie sich selbst, als sie sich das dümmliche Grinsen aus dem Gesicht wischte.



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