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Aishite?

Love me?
von

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Blind Romance

Dass Tomo regelrecht strahlte, war schlichtweg unverkennbar. Bereits, als er mit einem breiten Lächeln im Gesicht auf Tohyas Fußmatte gestanden und von seinem Freund und Bandkollegen in die gute Stube gebeten worden war, hatte er mit seiner bombastischen Laune förmlich die Luft verpestet. Nicht, dass Tohya mies drauf war - das war er nur in Ausnahmefällen und dann nur, wenn es einen triftigen Grund gab - aber auf einem Höhenflug befand er sich momentan auch nicht direkt, machte ihm doch eine etwas knifflige Situation zu schaffen, welche Tomos bald folgende Erzählung nicht gerade einfacher gestalten sollte.

Zufrieden seufzend ließ der Sänger sich auf der Couch nieder und ließ sich ein Bier von seinem Kumpel in die Hand drücken, welcher natürlich mit Gastfreundschaft glänzte. Als er Tomo anschließend Gesellschaft leisten wollte, indem er neben ihm Platz nahm - mit ebenfalls einem Bier in der Hand - plapperte dieser bereits los. Und dies freilich nach wie vor mit diesem Atomgrinsen im Gesicht.

"Ich hatte so eine geile Nacht, das kannst du dir gar nicht vorstellen."

Diese Offenbarung sorgte dafür, dass Tohya seinen Kumpel erstaunt anguckte. Dieser, in seinen heißen Frühlingsgefühlen badend, sonnte sich voller Stolz in seinem Erlebnis und sah Tohya noch nicht einmal an. Selbstzufrieden hockte er da und trank einen Schluck aus der Flasche, während der andere noch am Verschluss der seinen herumknibbelte und dessen Verwunderung rasch verflog.

"Ah ja", kommentierte Tohya nur wenig sagend und entschied sich letzten Endes dazu, die Flasche an der Tischkante zu köpfen. Ein kleines Ächzen entwich ihm, dann knackte der Deckel und Dampf stieg aus der Flasche auf. Ein kurzer, abschätzender Blick hin zu Tomo folgte. "Versuchst du mich damit zu beeindrucken?"

Diese Frage besaß ihre Berechtigung - schließlich war Tomo nicht gerade ein Unschuldslämmchen, auch wenn seine Singstimme wie die eines solchen klingen mochte. Es kam häufig vor, dass Tomo etwas mit Fans hatte, denn wieso sollte er die hübschen Mädchen auch verschmähen, wenn sie bereits danach gierten, von dem zugegeben attraktiven Sänger abgeschleppt zu werden?

Tomo ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Er ignorierte gar Tohyas spitze Frage.

"Sie war unglaublich, die Kleine", schwärmte er nur offen mit einem versonnenen Lächeln. "Sie wollte es die ganze Nacht. Und sogar ihren Hintereingang durfte ich benutzen."

Tohya zog eine Augenbraue empor und musste auf diese Information erst einmal einen Schluck trinken. Dafür, dass sein bester Freund sich als bisexuell identifizierte, war er aber ein ganz schöner Weiberheld. Für Jungs schien er nicht sonderlich viel übrig zu haben, obwohl sich unter ihren Fans hier und da ein paar ganz ansehnliche junge Männer tummelten, welche Tohya an Tomos Stelle nicht von der Bettkante geschubst hätte.

Doch wie dem auch war - ein nagendes Gefühl der Missgunst machte sich in Tohyas Bauch breit. Nicht etwa, weil er auch gerne ein Mädchen abbekommen hätte, nein; es wäre auch für ihn ein Leichtes gewesen, einen Groupie abzuschleppen, schrien doch alle Mädchen im Chor laut 'Kawaiiiii!', wenn er ihnen ein Lächeln schenkte. Das Problem bestand darin, dass er sich nicht allzu viel aus ihnen machte...

"Hey, bist du etwa wirklich neidisch?" Tomo riss ihn per Schulterstoß aus seinen Gedanken. Als er wieder im Hier und Jetzt ankam, blinzelte er verdattert in das Gesicht des Sängers, das ihn aufmunternd anlächelte. "Mann, Toto-chan, spar dir deinen Neid und angle dir irgendeinen Jungen. Sei nicht immer so schüchtern in der Beziehung."

Das war Tohya natürlich gewissermaßen, aber da dies ohnehin nicht sein Problem darstellte, stritt er es ab.

"Ich bin gar nicht schüchtern."

"Ooookay." Tomo lachte, ehe er Tohya mit schiefgelegtem Kopf abschätzend musterte. "Du nimmst aber hoffentlich nicht nur niemanden mehr mit ins Hotel, weil du noch immer diesem Nero hinterherhechelst, oder?"

Wieso musste Tomo ihn denn immer so leicht durchschauen? Das war nicht fair. Grummelig verschränkte Tohya die Arme vor der Brust und schaute weg. Dann brummelte er mit leicht roten Wangen etwas, von dem er selbst nicht wusste, was es bedeuten sollte.

"Oh Maaaann." Auch wenn Tohya ihn nicht anguckte, hörte er anhand des klatschenden Geräuschs, dass Tomo sich die Hand vor die Stirn schlug. "Ich hab wirklich keine Ahnung, was du an dem findest..."

"Nero ist toll, ja?", blaffte Tohya ihn mit glühenden Wangen an, da er sich etwas schämte, als er sich diese Worte sagen hörte. Aber es musste sein. "Ich kann viel von ihm lernen, was das Schlagzeugspielen angeht. Es macht Spaß, etwas mit ihm zu unternehmen. Er ist ein guter Trinker."

"Und er sieht sooooo gut aus", äffte Tomo den Freund mit quietschiger Stimme nach. "Er ist sooo sexy, und sein Schwanz ist bestimmt riiiiiesengroß."

"Du bist doof", piepste Tohya peinlich berührter denn je. "Über solche Sachen mach ich mir gar keine Gedanken."

"Natürlich tust du das." Tomo war sich seiner Sache sehr sicher. "Wäre er nur ein Kumpel für dich, würdest du doch in der Gegend herumvögeln."

"Würde ich nicht", versuchte Tohya sich noch immer zu verteidigen, kam sich dabei aber vor wie ein Vollidiot. "One Night Stands liegen mir generell nicht so..."

"Hör mal." Tomo hörte nun auf, sich über den reichlich gepeinigt wirkenden Tohya zu amüsieren und mimte den Kumpel, der es nur gut mit ihm meinte. "Nero spielt in einer ganz anderen Liga. Er ist viel zu alt für dich. Außerdem will er nichts von dir. Oder?"

Das war ja der Knackpunkt, der Tohya so unglücklich machte. Traurig und zugleich sehr ratlos ließ er die Schultern hängen.

"Frag mich was Leichteres."

Natürlich mochte Nero Tohya sehr, ansonsten hätte er sich wohl nicht so oft mit ihm umgeben. Sie verstanden sich prächtig, konnten miteinander umgehen, als würden sie sich bereits seit Ewigkeiten kennen. Und doch wusste Tohya partout nicht, woran er bei Nero war. Ob er in ihm nur einen kleinen Bruder sah oder doch mehr.

"Wahrscheinlich ist der Typ noch nicht einmal bi", redete Tomo seinem Freund ein und legte ihm plötzlich in einer vertraulichen Geste die Hand auf den Oberschenkel, was Tohya mit erstaunt aufgerissenen Augen kommentierte. "Vergiss ihn lieber. Guck dir jemanden aus, von dem du weißt, dass er auch auf Jungs steht."

Daraufhin schaute Tomo ihn mit solch einem seltsamen Funkeln in den Augen an. Was sollte denn das werden?

"Alte Säcke mögen gut ficken, aber junge Typen sind experimentierfreudiger und wilder", raunte Tomo und rückte Tohya förmlich auf die Pelle, ohne aufzuhören, sein Gesicht zu mustern. Die fremde Hand wähnte der kleine Drummer nun äußerst nahe an seinem Schritt, was zunächst nicht gerade für Wohlbehagen sorgte. Zwar geizten die beiden besten Freunde meist nicht gerade mit Körperkontakt, aber für gewöhnlich war dieser nicht derart ernst gemeint.

"T-Tomo?", stammelte der verunsicherte Tohya, der sich immer weiter gegen die Sofalehne presste, aber dem anderen mit seinen offenbar perversen Absichten einfach nicht entkommen konnte. "Was...was soll das werden?"

"Shh." Tomos Zeigefinger legte sich auf seine Lippen. "Lass mich dir den Kopf wieder zurechtrücken, okay? Du wirst es mögen, das versichere ich dir."

"Was m-"

Er konnte seine Frage nicht vollenden, denn es sprach sich äußerst schlecht, wenn sich gerade ein fremdes Paar Lippen auf die eigenen presste.

Tohya wusste nicht recht, wie ihm geschah. Er kannte Tomos Mund, wusste, wie weich sich seine vollen Lippen anfühlten und wie gut und gern er küsste. Es hatte also schon beinahe etwas Vertrautes, sich in solch einem intimen Augenblick mit ihm zu befinden. Und es fühlte sich auch kein bisschen schlecht an. Vielleicht ein wenig falsch, aber auch diese Empfindung verflog rasch, als der andere entschlossen seine Arme um Tohyas Körper schlang und ihn enthusiastisch zu küssen begann. Tomo war bald so voller Tatendrang, dass er beinahe auf Tohyas Schoß hockte. Dazu jedoch kam es nicht, wohl aber dazu, dass er über ihm kniete, so wie er den verdutzten Tohya in horizontaler Lage in die Sofakissen gedrückt hatte. Aus großen, kugelrunden Augen schaute der Kleine ihn daraufhin an, die Lippen feucht von seinem eigenen, aber auch Tomos Speichel. Er sah unschlüssig aus, schien zu überlegen. Und Tomo wartete ab. Wartete, bis der Kleine hastig seine Hände an seinen Hinterkopf legte und ihn gedankenlos zu sich hinab zog, um es zu vollbringen. Die zu lange Abstinenz Tohyas forderte ihren Tribut und zeigte sich schon bald in hemmungsloser Gier nach körperlicher Vereinigung. Er wollte nicht unbedingt seinen besten Freund, aber er wollte, ja brauchte Sex. Schön, dass der andere ihm sein Bedürfnis stillte. Schön, dass er da war. Es war wie ein Befreiungsschlag. Allerdings nicht für eine sehr lange Zeit...

 

*

 

Angespannt saß Tohya auf der Couch, die Hände fest zwischen seine Knie gepresst, während sein Blick bereits seit Minuten an der Wanduhr klebte.

Schon zweimal hatte er Nero vertröstet, ihm gesagt, er hätte keine Zeit, um sich mit ihm zu treffen - ein drittes Mal hätte er ihn unmöglich belügen können. Zumal er jedes Mal dessen ehrlich enttäuschtes Gesicht sah, wenn er ihm abermals eine Absage erteilte.

Heute also musste er sich mit ihm treffen, und zu allem Überdruss würde er Tohya auch noch in dessen Wohnung besuchen. Für gewöhnlich empfing man nur beste Freunde oder Partner in den eigenen vier Wänden, in welchen der Platz knapp bemessen war. Nero musste sich ja ziemlich sicher sein, dass er zu Tohyas engsten Vertrauten zählte. Und dies wiederum verpasste Tohya einen Stich im Herzen. Was total albern anmutete. Er hatte überhaupt nichts Verwerfliches getan. Und doch fühlte es sich genau so an.

Als hätte er-

Das Klingeln an der Tür ließ ihn erschrocken hochschnellen, obwohl er bereits darauf gewartet hatte. Hastig rannte er zur Sprechanlage und drückte auf den Türöffner, ohne nachzufragen, wer denn da sei. Anschließend stellte er sich an die Tür und lugte unsicher durch den Spalt in den Flur. Die Etagenanzeige des Fahrstuhls gab alsbald grünes Licht, und dann glitten die Türen auch schon auseinander.

Himmel, sieht der heute wieder gut aus, war Tohyas erster, impulsiver Gedanke, als er Nero erblickte. Er trug ein elegantes Jackett, dazu kurze Hosen über einer modischen Leggings, kombiniert mit schwarzen Schnürstiefeln. Eine neue, knallgrüne Strähne zierte seine schwarzen Haare, und außerdem schien er eine neue Brille zu besitzen. Der dicke, schwarze Rahmen verlieh seinem Gesicht einen noch strengeren Touch. Tohya vermochte sich kaum mehr an dem anderen sattzusehen und blickte Nero äußerst verdattert an, als der plötzlich mit dem Anflug eines Lächelns direkt vor ihm stand.

"Lässt du mich rein?", fragte er amüsiert, woraufhin Tohya schnell zusah, dass er nicht mehr so auffällig starrte. Schlimm genug, dass er sich an diesem Tag bereits lächerlich mit seiner dummen Schwärmerei vor dem anderen gemacht hatte.

"K-klar", krächzte Tohya und trat beiseite, damit Nero freie Fahrt hatte. Ohne jeden Kommentar sah Tohya ihm dabei zu, wie er vollkommen ungeniert in die Wohnung trat und das Wohnzimmer ansteuerte. Mit Höflichkeitsbekundungen hielten die beiden sich schon sehr lange nicht mehr auf, das wurde in diesem Moment auch wieder deutlich.

Tohya war ganz froh, dass er den Gastgeber spielen durfte, konnte er dadurch doch kurz in der Küche verschnaufen, während er für jeden ein Bier aus dem Kühlschrank holte. Allmählich kam ihm Neros Gesellschaft beinahe unerträglich vor, was er wirklich sehr bedauerte. Anfangs hatten sie sich so gut verstanden, doch dann hatte Tohya - gegen seinen Willen - angefangen, diese albernen Gefühle für Nero zu hegen, die ihm selbst absolut lästig waren. Und alles sabotierten, was zwischen ihnen war. Schon jetzt konnte er kaum mehr normal mit Nero umgehen.

Aber er musste sich zusammenreißen. Tief atmete er durch, presste die Lippen aufeinander und betrat dann mit den Bieren in der Hand das Wohnzimmer, wo Nero mit lässig übereinandergeschlagenen Beinen auf der Couch saß - und ihn bereits erwartete.

"Komm her, ich hab was für dich."

Er lockte ihn gar mit dem Finger; das Bier schien ihn nicht sonderlich zu interessieren.

Tohya stutzte kurz, rief sich aber zur Ordnung und wollte sich auf keinen Fall wieder so lächerlich benehmen. Also trat er an den Couchtisch, stellte die Bierflaschen ab und hockte sich doch reichlich neugierig neben Nero.

"Was hast du denn?", wollte er wissen und blinzelte den anderen erwartungsvoll an, welcher mit einem kleinen Lächeln ein buntes Tütchen hervorholte. Tohya erkannte natürlich sofort, um was es sich dabei handelte.

"Saure Würmer!", jubilierte er und war versucht, Nero die Tüte aus der Hand zu reißen, doch der öffnete die Packung bereits und hielt sie dann seinem gierigen Freund unter die Nase. Dieser langte natürlich sofort hinein und stopfte sich prompt drei der bunten Gummiwürmer in den Mund. Verdammt, er liebte saure Würmer. Wenn man Tohya verführen wollte, musste man ihm im Grunde nur saure Würmer verabreichen, dann machte er alles.

Moment...er hielt im Kauen inne. Hegte Nero mit der Aktion etwa Absichten? Aber mitnichten - Tohyas Wunschdenken agierte einmal mehr zu übereifrig. Nero wollte ihm lediglich eine kleine Freude machen - und er sah, wie ihm dies gelang. Für einen kurzen Moment vergaß Tohya seine Sorgen und Nöte und naschte zufrieden. Er wurde erst wieder skeptisch, als Nero ihn abschätzend musterte.

"Ist was?", hakte er nach, was Nero jedoch nicht davon abbrachte, ihn zu betrachteten. Anstelle rückte er sich sogar seine Brille zurecht, was meist das Zeichen dafür war, dass etwas Unangenehmes folgen würde.

"Ist alles gut bei dir?", konfrontierte er Tohya mit seinen Bedenken, der erschrocken inne hielt und ihn aus großen Augen anstarrte. "Du wirkst in letzter Zeit ein wenig...nun ja, seltsam. Distanziert. Ich bekomme gar keine Wangenküsschen mehr, nicht mal zum Dank für die Würmer."

Tohya schien wie versteinert. Hatte er wirklich so ein entlarvendes Verhalten an den Tag gelegt? Dabei hatte er sich so bemüht, sich nichts anmerken zu lassen von seinem sehr schlechten Gewissen, welches sofort nach dem Sex mit Tomo eingesetzt hatte. Das Ganze war ein Fehler gewesen, auch wenn es sich zunächst nicht wie ein Fehler angefühlt hatte. Die miesen Gefühle lohnten sich noch nicht einmal, war die Nummer zwar nicht schlecht, aber auch nicht besonders gut gewesen. Aber das konnte man vorher nicht wissen. Und nun musste er irgendwie damit leben. Auch damit, dass er Nero versichern musste, dass alles in Ordnung war.

Trotzdem es ihm sehr schwer fiel, näherte er sich dem anderen nun doch und drückte ihm einen zarten Kuss auf die Wange, so, wie er es früher sehr oft getan hatte. Nero hatte dies oftmals ohne mit der Wimper zu zucken über sich ergehen lassen, was Tohya stets das Gefühl gegeben hatte, dass Nero nicht sehr viel daran lag. Aber offenbar war dem nicht so. Und heute zeigte er es Tohya zum ersten Mal wirklich deutlich.

"Es ist alles gut", gab er Nero zu verstehen, während er Mühe hatte, dem Blickkontakt standzuhalten, der schon so viele Sekunden lang währte. Allerdings schaute Nero ihm nicht nur in die Augen, sondern konnte sich kaum mehr von dem Anblick seiner Lippen lösen, an denen noch immer etwas von dem Zucker der sauren Würmer haftete. Verlockend süß war Tohya ja immer, aber heute vermochte selbst ein gestandener Mann wie Nero der Versuchung nicht mehr zu widerstehen.

"Das ist schön", flüsterte er zufrieden, um im nächsten Moment die Hand auf Tohyas Wange zu legen und ihn einfach auf den Mund zu küssen. Wieder erschrak Tohya, kam sich wie in ein Deja Vu versetzt vor, nur, dass dieser Kuss ein förmliches Feuerwerk des Glücks in seinem Bauch auslöste, im Gegensatz zu jenem mit seinem besten Freund. Er kam nicht umhin, sich in Neros Jackett zu krallen, während er dessen Lippen auf den seinen spürte, so viel mehr sagend als Worte es nur gekonnt hätten. Tomo hatte Unrecht, schoss es ihm durch den Kopf. Tomo hatte so Unrecht.

Oder vielleicht doch nicht? Lange nämlich währte der Kuss nicht gerade. Er blieb kurz und wenig leidenschaftlich, was dafür sorgte, dass Tohya reichlich überrascht aus der Wäsche schaute, als Nero sich von ihm löste und ihm zum Schluss zärtlich über die Wange strich. Was sollte das werden?

"Ich geh mal rasch ins Bad", verriet er Tohya und griff zu dessen Verwunderung nach der inzwischen leeren Gummiwürmer-Tüte. "Die kann ich dann gleich in dem Zug entsorgen."

Wie paralysiert schaute Tohya dem anderen nach, der das Zimmer verließ und ihn vollends durcheinander zurückließ. Noch nie war es innerhalb so kurzer Zeit geschehen, dass ihn gleich zwei verschiedene Männer vollkommen unerwartet geküsst haben. Lag das am Frühling? Oder sollte er vielleicht sein Haarshampoo wechseln? Nicht, dass dies irgendwie aphrodisierend wirkte und irgendwann eine ganze Horde von Männern hinter ihm herlief, welche alle nur das eine von ihm wollten. Also, wenn Nero nun tatsächlich ins Bad gegangen war, um nach Kondomen zu suchen, würde er durchdrehen. Allerdings wohl eher vor Freude. Nein hätte er nämlich ganz bestimmt nicht gesagt...

 

Nero aber hatte tatsächlich nur brav die Toilette aufgesucht, sein Geschäft verrichtet und wollte nun die Tüte entsorgen. Da er sich bei Tohya inzwischen wie zu Hause fühlte, wusste er auch, wo er seinen Müll aufbewahrte und konnte den Schub zielgerichtet öffnen. Als er jedoch den Deckel des Plastikmülleimers öffnete, musste er eine recht eigenartige Entdeckung machen. Obenauf lag ohne Zweifel ein benutztes Kondom.

Nachdenklich gab er die Gummiwürmer-Tüte dazu und schloss den Deckel wieder, um ins Wohnzimmer zurückzukehren. Dort saß der für seine Begriffe ziemlich schweigsame und ernste Tohya, in dessen Augen jedoch Hoffnung funkelte, so wie er Nero anschaute. Jene jedoch sollte einer großen Betrübtheit Platz machen, als der Ältere sich wieder zu ihm gesellte und ihn prompt mit seinem Fund konfrontierte.

"Du hattest mit jemandem Sex?", fragte er, und schon allein das sorgte dafür, dass Tohya schwindelig wurde. Schlimmer aber noch war die Tatsache, dass Nero so furchtbar verletzt klang. Und mit unerbittlichem Blick eine Antwort von ihm forderte. Die Zeit der Lügen war vorbei.

"Ja", gestand Tohya ihm schweren Herzens und sank vollends in sich zusammen, schaffte es nicht mehr, Nero in die Augen zu sehen. Zu sehr kam er sich vor, als hätte er ihn betrogen, obwohl dem doch eigentlich gar nicht so war. "Mit Tomo. Es ist...es ist...ich wollte nicht..."

"Du wolltest nicht?" Nun klang Nero misstrauisch. "Hat er dir wehgetan?"

"Nein", beeilte Tohya sich zu sagen, auch wenn es ihn rührte, dass Nero selbst in einer solchen Situation noch um sein Wohl besorgt war. "Natürlich nicht. Aber es ist...einfach so passiert. T-tut m-mir..."

Das kleine Wörtchen 'leid' brachte er nicht mehr heraus, zumal er nun genauso verschüchtert wie reumütig den Blick hob und Nero anblinzelte, welcher ihn nun lediglich enttäuschend ansah.

"Und was ist mit uns?"

Mit einer solchen Frage hätte Tohya am allerwenigsten gerechnet. Verwundert runzelte er die Stirn.

"Mit uns?"

"Ja", bestätigte Nero. "Ich hatte eigentlich das Gefühl, als hättest du dich in mich verliebt und es würde sich etwas anbahnen zwischen uns. Aber wenn du noch Augen für andere hast..."

Vollends überfordert schnappte Tohya nach Luft.

"Ab-aber..." Hilflos klammerte er sich an Neros Jackett fest und blickte ihm aufrichtig, aber zugleich auch ungemein panisch in die Augen. "Ich hab doch nicht gewusst, dass du...das erwiderst. Ich dachte, du willst mich nicht. Und ich...dachte, es würde sich nicht lohnen, zu warten..."

"Und da du zu viel Angst davor hattest, irgendwann unbefleckt zu sterben", ergänzte Nero mit seinem trockenen Humor, "hast du dir eben einen Notnagel gesucht. Armer Tomo. Bestimmt heult er sich nun die Augen aus."

Zunächst schnallte Tohya nicht recht, auf was Nero hinauswollte und beäugte den anderen misstrauisch, doch als in dessen intelligenten Augen der Schalk aufblitzte, musste er befreit lächeln.

"Immer noch besser er als du", gab er amüsiert zurück und schlang dann erleichtert die Arme um seinen Freund. "Oh Mann, wieso hast du mich auch nie von dir aus geknuddelt? Dann hätte ich vielleicht schneller gerafft, dass du mich genauso magst wie ich dich."

"Zur Entschädigung knuddle ich dich jetzt, so lange und oft du willst", nuschelte der glückliche Nero in das blonde Haar seines Kleinen und hielt ihn ganz fest. "Damit du nie wieder an irgendetwas zweifeln musst." Ein wenig löste er sich nun wieder von dem anderen, gerade weit genug, um ihm ein süffisantes Lächeln zuzuwerfen. "Und natürlich befriedige ich dir auch deine Bedürfnisse..."

Dafür erntete er einen Boxhieb des entrüsteten Tohyas gegen seine Brust, der ihm ein ächzendes Lachen entlockte. Im nächsten Moment aber kuschelte Tohya sich wieder zufrieden an seinen Freund, in dem Wissen, dass nun alles gut war und er nun endlich die schöne Gewissheit genießen durfte, dass der Mann seiner Träume all seine zarten Gefühle erwiderte.

 



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