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The Time We Share

von
Koautor:  Aphrodi

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ich hab ein bisschen herumgeforscht, weil es mir komisch vorkam, dass Guang-Hong Leo immer mit Leo-kun anspricht, obwohl er kein Japaner ist. Scheinbar ist das aber legitim, weil es auch im Chinesischen Suffixe gibt, die "-chan", "-kun", "-sama" usw. repräsentieren. Kun ist dabei - je nach regionalem Unterschied - deckungsgleich mit der japanischen Version. Wenn es jemand allerdings besser weiß, bitte her mit der Info. Ich hab mir echt den Kopf darüber zerbrochen :D Komplett anzeigen

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I Want To See You

Wieder sah Leo auf die Uhrzeitanzeige seines Handys, wieder dieselbe stumme Antwort. Es war noch nicht spät genug. Es kam ihm vor, als starrte er nun schon seit Stunden auf die Uhr, dabei waren es gerade einmal sieben Minuten gewesen. Sieben unerträgliche Minuten, denen noch weitere sechs folgen sollten. Er hatte sich mit Guang-Hong zum Facetimen verabredet, das Warten machte ihn allerdings jedes Mal vorher schon verrückt. Ob es dem Anderen auch so ging? Ob er vielleicht auch schon an seinem Handy hing und es kaum erwarten konnte? Theoretisch war es dann ziemlich albern, noch weitere Minuten totzuschlagen, wenn sie beide längst bereit waren und sehnlichst darauf warteten, die Stimme des anderen zu hören, sein Gesicht zu sehen, das freudige Lächeln.

Allein bei dem Gedanken daran wurde Leo unbemerkt ein wenig rot, sein Blick verträumter, bis er sich mit einem entnervten Seufzen aus seiner Trance befreite. Es waren immer noch fünf Minuten zu warten und er benahm sich peinlich.

 

Ob Guang-Hong schon wach war? Oder stand er gleich erst auf? Es war schließlich Wochenende und nicht einmal acht Uhr morgens bei ihm. Leo selbst, sofern er nicht trainierte, hätte einen Teufel getan als dann so früh schon wach zu sein. Dabei war Training genau das, was er nötig hatte, um ehrlich zu sein, wenn er in ein paar Wochen bei der Weltmeisterschaft gut abschneiden wollte. Es war nicht mehr allzu viel Zeit und er hatte das Gefühl, als gäbe es noch so viel zu tun. Nicht einmal an seiner Performance selbst, denn er lief gut und sein Fahrstil sowie Ausdruck, Interpretation, all das sicherte ihm immer viele Punkte. Aber die Sprünge...Daran mangelte es ihm noch stark mit seinem Programm, das keinen wirklich sicheren Vierfachen beinhaltete, auch wenn er es endlich geschafft hatte, den Toeloop fest darin zu verankern. Andere in seinem Alter wie Jean-Jacques sprangen dagegen schon vier Stück in der Kür. Vier Vierfache. Und er selbst beherrschte nicht einmal einen sicher.

 

Er wusste selbst, dass er sich so noch lange nicht ausruhen konnte, dass es so nie reichen würde für den großen, internationalen Erfolg. Aber es war nicht leicht.

 

Sein Handy meldete sich, kündigte einen Anruf von Guang-Hong an und schnell waren die negativen Gedanken mitsamt den Ängsten von sich geschoben. Allein sein Gesicht zu sehen, brachte Leo zum Strahlen und zauberte die Mimik, die bis eben sein eigenes beherrscht hatte, davon.

 

„Leo-kun, guten Morgen“, sagte Guang-Hong und wenn Leo richtig sah, dann wirkte der Junge noch halb verschlafen. Es war süß.

 

„Guten Morgen, Guang-Hong“, gab Leo lächelnd zurück. „Hast du gut geschlafen?“

 

„Mhm.“

 

Der Chinese rieb sich noch einmal müde lächelnd über die Augen, während das von der Seite eintretende Sonnenlicht sein Haar zum Glänzen brachte und die Röte, die seine Sommersprossen übertönte, noch mehr leuchten ließ.

Etwas hilflos auflachend suchte er nach Worten, um das Gespräch voran zu treiben. Doch das war leichter gesagt als getan.

 

„Und du? Hast du gut geschlafen?“

 

„Mh... Ja, doch. Ich hab nur was Merkwürdiges geträumt.“

 

Guang-Hong horchte auf.

„Was Merkwürdiges? Was denn?“

 

„Ich weiß es selbst nicht mehr genau“, merkte Leo an, schließlich war es bei ihm schon Nachmittag, er hatte einen halben Tag gehabt, um zu vergessen. „Was ich noch weiß ist, dass ich auf dem Eis war und unter mir die Eisfläche immer mehr Risse bekam, bis ich einbrach. Als wäre unter dem Eis ein Schwimmbecken gewesen, nur in eiskalt. Und dann bin ich...“

 

Guang-Hongs Gesicht wurde deutlich besorgt.

„Leo-kun“, murmelte er. „Das war nur ein Traum. Sowas hat man manchmal, mach dir keinen Kopf.“

In Guang-Hongs Gesicht konnte Leo allerdings sehen, dass der Chinese weitaus mehr Bange war bei der Vorstellung als er selbst. Wer machte sich jetzt einen Kopf?

„Das gilt aber auch für dich, okay?“, befahl er milde lächelnd und rollte sich mit dem Handy in der Hand auf den Rücken. Ihm tat langsam der Nacken weh, der eh schon seit dem Training Muskelkater verkündete.

 

„Okay.“

 

„Sag mal...“ Leo wollte es schon eine ganze Weile lang ansprechen. Schon seit Tagen aber ganz besonders schon seit sie dieses Telefonat begonnen hatten. Es sollte aber auch nicht aussehen, als würde er drängen oder wäre verzweifelt. Doch jetzt musste er einfach fragen.

„Hat deine Trainerin es sich überlegt? Wegen dem Trainingscamp, meine ich. Kommt ihr auch?“

 

„Hat sie, aber es war schwer, die Schulleitung davon zu überzeugen. Ich bin in der zwölften Klasse und die Abschlussprüfungen sind super wichtig - und äußerst schwierig“, gestand Guang-Hong und sah dabei erschöpfter aus als erwartet. Und ein wenig niedergeschlagen, wenn Leo es richtig deutete. Er schluckte, es sah nicht gut aus für sie. Dabei hatte er doch gehofft die paar Tage zusätzlich mit ihm verbringen zu können, schließlich war White Day in diesem Zeitraum und Leo hatte sich noch für ein Geschenk zu revanchieren.

„Verstehe“, gab Leo zurück und seufzte leise. „Da kann man wohl nichts machen.“

Er versuchte, ein Lächeln aufzusetzen, irgendwo zwischen tröstlich und guter Hoffnung.

„Dann sehen wir uns eben zur WM wieder, das ist ja auch nicht mehr lange hin.“

 

„Mh-Mh“, machte Guang-Hong nur, brachte Leo dazu, überrascht die Augen zu heben.

 

„Warum nicht? Wirst du nicht fahren?“

 

Guang-Hong schüttelte den Kopf, bevor er zu grinsen begann.

„Weil wir uns vorher sehen. In LA. Zum Trainingslager.“

 

„Dann kommst du also doch?!“

 

„Klar! Die Schulleitung und meine Eltern fanden es zwar nicht so gut, aber sie haben Verständnis dafür, schließlich soll es mir doch für die WM helfen. Und danach ist Saisonpause, da habe ich bis Juli noch viel Zeit mich intensiv aufs Lernen zu konzentrieren!“

 

Er konnte gar nicht in Worte fassen, wie froh er war, dass es doch geklappt hatte. Als seine Trainerin und er es bei der Vier-Kontinente-Meisterschaft angesprochen hatten, wirkte die Chance, dass sie einwilligen würden, noch so gering. Leo hatte es gewusst und sich nicht allzu große Hoffnungen gemacht, sogar einen Plan B hatte er schon ausgeklügelt, aber der war einfach lange nicht so schön wie das, was er wirklich mit Guang-Hong vorhatte. Ein Geschenk vorbei zu schicken war eben doch lange nicht so viel wert wie gemeinsame Zeit. Und manche Dinge konnte man eben nur dann tun, wenn man beieinander war.

 

„Ich freue mich schon drauf“, gestand Leo und Guang-Hong nickte verstehend. Sie lächelten einander an, ihre Blicke wurden inniger und schließlich begannen sie leise zu lachen – irgendwo zwischen Erleichterung und übermannt vom Glück.

 

Nicht mehr lange, dann würden sie sich endlich wieder in den Armen halten können.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  karlach
2017-03-14T19:15:30+00:00 14.03.2017 20:15
Das nenne ich mal einen vielversprechenden Anfang ;v; <3
Leo ist herzallerliebst, wie er sich nur schon aufs Facetimen mit seinem Erbschen freut, das ist so süss! Und dass das Chinesische auch so Suffixe kennt wusste ich nicht, da hab ich was Neues gelernt!
Du bist super darin, Leo überzeugend zu schreiben, da ist's gleich noch eine Extra-Freude, die Geschichte aus seiner Perspektive zu lesen. Und wahrscheinlich auch etwas angenehmer als Guang-Hongs nervöse Anflüge zu lesen… :,D
Man freut sich richtig für die beiden, dass es mit dem Trainingscamp klappen wird, aber ich freue mich extra darüber, nimmt Guang-Hong seine Bildung ernst! Die ist wichtig!!


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