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Lieben und geliebt werden

von

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Abschied

Wenn Oscar und André an die Revolution dachten, dann grauten ihnen die Erlebnisse noch immer. Und jeden anderen Menschen, der diese grausigen Zeiten miterlebt und überlebt hatte. Die Menschen wurden zu Bestien, reinstes Chaos herrschte überall und jeder musste sich entscheiden, auf wessen Seite er stand. Oscar hatte versucht mit der Königin zu reden, aber war gescheitert.

 

„Ich flehe Euch an, Majestät, bitte gebt den Befehl, dass Eure Soldaten sich aus Paris zurückziehen. Die Lage eskaliert, es muss unter allen Umständen verhindert werden, dass es zu einem Blutbad kommt...“, sprach Oscar immer wieder auf die Königin mit Nachdruck ein.

 

„Oscar...“ Marie Antoinette schien sie aufs Neue zu überhören. „Falls das Schlimmste nicht zu Verhindern sein sollte, werdet Ihr mich dann beschützen?“

 

„Es tut mir leid...“ Oscar schmerzte es sehr, dies zu sagen: „Aber, dann sehe ich mich gezwungen, meinen Dienst zu quittieren. Bitte, Majestät, hört auf mich. Zieht Eure Soldaten zurück. Es darf nicht sein, dass die königliche Familie sich gegen das eigene Volk richtet. Ich bitte Euch...“

 

Die Königin betrachtete sie eine Weile und schien zu überlegen. Seit fast zwanzig Jahren hatte Oscar ihr gedient, ihr oft geholfen und sie konnte ihr blindlings vertrauen. Oscar war eine zuverlässige, treue Seele und jetzt wollte sie sie verlassen. Das schmerzte tief, die Jahre ihrer Freundschaft verloren für einen Augenblick die Bedeutung, sodass die Tränen sich in den Augen sammelten und dennoch... „Nein, ich kann nicht. Es tut mir leid...“ Marie Antoinette bedauerte ihre Worte, aber es gab keinen Weg mehr zurück. Noch mehr füllte sich der Schmerz in ihren Herzen, als Oscar sich wortlos erhob und ihr mit gesenktem Kopf den Rücken kehrte. „Oscar...“, murmelte sie mit belegter Stimme und Oscar blieb kurz stehen. „Ihr weint, Ihr weint ja... Denkt Ihr denn, wir werden uns nie wieder sehen?“ Von Oscar kam keine Antwort und da begriff Ihre Majestät, dass dem so war und dass es ein Abschied für immer bedeutete. „Auf Wiedersehen, Oscar.“

 

„Auf Wiedersehen...“ Mit traurigem Herzen hatte Oscar sich von ihr verabschiedet und mit ihren Soldaten am nächsten Tag auf die Seite des Volkes gewechselt.

 

 

 

 

 

- - -

 

 

 

 

 

„Wie bitte?“ Marie Antoinette konnte es kaum glauben, wie auch die Generäle und der König, welche grausige Neuigkeiten der Bote ihnen gerade berichtete. „Oscar hat die Seiten gewechselt und den Sturm auf die Bastille angeführt?“

 

„Das ist Verrat!“, rief einer der obersten Generäle empört. „General de Jarjayes, wie konnte Eure Tochter uns allen das antun?!“

 

„Ich hörte, sie soll jetzt zu Eurem Anwesen zurück gekehrt sein...“, meinte ein Adjutant und Reynier trat fest entschlossen vor. „Majestäten, gestattet mir, Oscar selbst zu bestrafen und die Ehre der Familie somit zu bereinigen!“

 

„Ich gestatte es Euch, General.“, entließ ihn der König, ohne seine Frau anzusehen. Er hatte schon einmal auf ihre Bitte Oscar begnadigt, aber genug war genug und es würde kein zweites Mal mehr geben. Marie Antoinette verstand und sagte deshalb nichts. Auch wenn sie der Seitenwechsel ihrer Freundin zu tiefst erschreckte, wünschte sie ihr dennoch, dass sie heil aus der Sache rauskommen und am Leben bleiben würde...

 

 

 

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Reynier war außer sich vor Wut. Seine ungehorsame Tochter würde was erleben! Sie würde ihres Lebens nicht mehr froh sein! Auf dem Anwesen änderte sich seine Stimmung schlagartig in Hilflosigkeit. Wie ein Wüterich stürmte er durch sein Anwesen und platzte in Oscars Zimmer rein. „Oscar! Stell dich mir sofort! Ich weiß, dass du hier bist! Du kannst dich vor mir nicht verstecken!“

 

Anstelle von Oscar kam Emilie aus dem Zimmer. „Sie schläft...“

 

„Um diese Zeit? Was fällt ihr ein?!“ Der General erstürmte das Schlafzimmer, aber bekam gleich den Schreck seines Lebens: Oscar lag unter den Bettlaken in ihrem Bett und sah mehr tot als lebendig aus. Ihr Körper zierten mehrere Schichten von Verbänden und um ihre Mitte sickerte immer noch das Blut durch. „Was ist mit ihr?“

 

„Sie wurde beim Sturm auf die Bastille von der gegnerischen Besatzung mehrfach angeschossen“, erzählte ein Söldner mit dem roten Halstuch, den Reynier erst jetzt wahrgenommen hatte. Dieser Söldner musste sie hierher gebracht haben. Auch noch ein Abtrünniger! Am liebsten hätte Reynier ihn gleich geköpft, aber der grausame und blutverschmierte Anblick auf Oscar ließ ihn in eine Art Schreckensstarre verharren.

 

„Wir konnten ihr alle Kugeln bereits entfernen und soweit die Blutung stillen...“, erklärte auch der Arzt, Doktor Lasonne. „Ihr Herz und ihre Lungen waren zum Glück nicht getroffen, aber dafür hatten die Kugel in ihrem Unterleib große Schaden angerichtet... Es ist die einzige Stelle, wo das Blut nicht aufhören will zu fließen... Und eine Kugel hatte auch ihren Kopf erwischt... Aber auch da hatte sie großes Glück und es war nur ein Streifschuss...“

 

„Das heißt, sie wird sterben...“, flüsterte Emilie zitternd hinter ihrem Gemahl. „...aber wenn ein Wunder geschieht und sie überlebt, dann wird sie nie wieder Kinder haben können... Sie wird bis ans Ende ihres Lebens womöglich ein Krüppel bleiben... Willst du trotzdem über sie richten, mein Gemahl? Sie bestrafen und des Verrates beschuldigen? Sogar in diesem Zustand?“

 

„Es wird sich zeigen!“ Der General schleppte sich bis ans Bett, begutachtete seine Tochter und dann fiel er urplötzlich auf seine Knie. Er griff nach ihrer Hand. „Was habe ich getan... Das ist alles meine Schuld... Du darfst uns nicht verlassen, Oscar. Hörst du deinen Vater? Ich verbiete dir zu sterben! Hast du verstanden? Tu dieses einzige Mal, was ich dir sage... Hast du verstanden? Bitte mein geliebtes Kind, komm zu dir und mach uns nicht unglücklich...“

 

Oscars Augen öffneten sich mühsam. Sie sah alles verschwommen und ihr ganzer Körper brannte wie auf einem Scheiterhaufen. Wo war sie? Doch nicht etwa in der Hölle? Langsam erkannte sie die Konturen eines Mannes, der streng und gleichzeitig verzweifelt sie ansah und ihre Hand noch dazu hielt. Erschrocken entzog sie ihm ihre Hand, die Schmerzen jagten noch schlimmer durch ihren ganzen Körper. „Wer... wer seid Ihr?“, brachte sie krächzend hervor und fiel wieder in die schwarze, aber schmerzfreie Ohnmacht...

 

Stunde später wachte sie erneut auf, aber konnte weder ihren Vater noch jemand anderen in dem Zimmer erkennen...

 

 

 

 

 

- - -

 

 

 

 

 

André träumte von einem Grab mit dem Namen seiner Frau darauf. Schweißgebadet wachte er auf und begann seine Sachen zu packen. Er musste zu Oscar! Der Sturm auf die Bastille lag bereits fünf Tage zurück. Viele Verletzte, Waisen und verzweifelte Menschen kamen in Scharen von Paris nach Arras. Im Gasthof „Zum alten Allas“ wurden sie mildtätig verarztet und versorgt, mit dem Wenigen was der Wirt und André aufbringen konnten.

 

„Ich gehe nach Paris und komme ohne Oscar nicht zurück!“, verlautete André den seinen.

 

„Aber das kannst du nicht! Niemand verlässt und betritt die Stadt unbeschadet!“, ermahnte ihn Gilbert.

 

„Ich nehme ja auch nichts mit!“

 

„Und was ist mit den Kindern?“, wisperten Diane und Rosalie.

 

„Ihr sorgt für sie! Ich werde mich beeilen!“, sagte André mit dem Blick auf alle Anwesenden, besonders auf die Zwillinge und machte bei ihnen einen kurzen Halt. „Ich werde eure Mutter zurückbringen, ich schwöre es!“ Er strich den beiden sachte durch die weichen Locken, schaute ein letztes Mal in die Runde und eilte aus dem Haus.

André gelang es nach Paris zu Bernard unbeschadet durchzukommen. Von ihm erfuhr er von dem Sturm auf die Bastille und brach sofort zum Anwesen der de Jarjayes auf.

 

„André?!“ Sophie, Emilie und Alain waren überrascht ihn zu sehen und ließen ihn zu Oscar. Der General war nicht mehr anwesend.

 

„Sie kann nur niemanden mehr erkennen...“, teilte ihm Emilie traurig mit, als er das Bett mit Oscar erreichte und sich perplex zu ihr hinsetzte.

 

André bekam den Schock seines Lebens. „Nein, tu mir... tu uns das bitte nicht an...“, flehte und weinte er, sie möge leben und ihn nicht alleine lassen, aber Oscar schlief ungerührt und reglos weiter.

 

Alain kam hinter ihm näher heran und legte ihm tröstend die Hand auf die Schulter. „Tut mir leid, Kumpel... Ich konnte sie nicht von den Kugeln bewahren... Es ging alles so schnell und ich war zu weit entfernt, als die gegnerische Besatzung auf sie das Feuer eröffnete... Aber sie wird leben... Ich habe sie dann sofort auf das Anwesen gebracht...“

 

„Warum wurde ich nicht gleich informiert?“ Und warum war es dazu gekommen?! André schoss in die Höhe und packte Alain am Kragen. Sein Gewissen sagte ihm, dass es falsch war, dass Alain im Grunde nichts dafür konnte, aber in Anbetracht der Umstände und dem schlimmen Zustand seiner Frau, wusste André keinen anderen Ausweg.

 

„Lass ihn los, André.“, sagte Emilie hinter seinem Rücken. „Du wurdest nicht in Kenntnis gesetzt, weil wir es nicht gestattet haben.“

 

Langsam ließ André von Alain ab und in dem Moment öffnete Oscar die Augen. Sie stöhnte vor Schmerzen, verzog ihr Gesicht und das bewog André auf der Stelle, zu ihr ans Bett zurückzukehren. Sachte nahm er ihre Hand in die seine und unterdrückte dabei die anlaufenden Tränen. Oscar sollte davon nichts mitbekommen! „Liebes, bewege dich nicht, es wird alles gut...“ André war es egal, dass er log. Ihr Blick schien trüb und an ihm vorbei ins Leere zu gehen und ihm kam es so vor, als würde er selbst in kleinste Stücke zerbrechen und qualvoll verbluten.

 

„Sie kann auch dich nicht erkennen...“, schluchzte Sophie im Hintergrund.

 

André wandte verbittert den Blick von seiner Frau ab, damit sie seinen Schmerz nicht sah, ließ ihre Hand los und schloss hilflos ein Stück Laken in seiner Faust. Wie sollte es nun weiter gehen?! Was sollte er nun tun? Das konnte doch alles nicht wahr sein! Er hätte darauf bestehen sollen, bei ihr zu bleiben und sie niemals verlassen dürfen! Plötzlich spürte er eine hauchfeine Berührung auf seiner verkrampften Faust und sah überrascht hin. Oscars Hand lag auf der seinen und ihre schrumpligen Lippen formten ein Wort: „Doch...“

 

„Oscar!“ André rückte sich sofort in ihr Blickfeld und umschloss sachte ihre Finger. Die hilflose Wut wich einer Hoffnung. „Du... erkennst mich?“

 

„Ja...“ Ihre Wimpern wurden feucht, ihr Blick klärte sich und dann sah sie direkt in seine Augen. „André... mein Mann...“

 

Welch ein Wunder! Es war rührend und traurig zu gleich! Nur ein Blick in sein Gesicht und in seine Augen, in denen ihr ganzes Leben niedergeschrieben zu sein schien, genügte, um sich an alles wieder erinnern zu können. Und im Nachhinein auch an die anderen Menschen. Das war der Streifschuss an ihrer Schläfe, der sie einiges vergessen und an niemanden erinnern ließ, erklärte der Arzt später.

 

 

 

- - -

 

 

 

Zwei Tage später stürmte Reynier aufgebracht in das Anwesen. „Sie muss hier fort! Ihr alle müsst hier fort!“, rief er schon auf dem Gang und während er in die Gemächer seiner Tochter eilte. Als er André in dem Salon entdeckte, steuerte er unverzüglich auf ihn zu. „Gut, dass du hier bist, mein Junge – du wirst sie mir alle sicher nach Arras schaffen!“

 

André merkte schon an dem äußerst ernsten Gesichtsausdruck und der Unruhe des Generals, dass etwas Schreckliches vorgefallen sein müsste und nickte ohne zu zögern. „Jawohl General.“

 

„Und was ist mit dir, mein Gemahl?“ Auch Emilie spürte die Anspannung ihres Gemahls und war auf der Hut.

 

„Ich bleibe bei der königlichen Familie! Ihr alle bringt euch dagegen in Sicherheit und kümmert euch um Oscar!“ So stürmisch wie er heimkam, so schnell war er wieder weg. „Und Oscar erkläre ich in Versailles für tot...“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Heloise
2017-06-26T20:02:55+00:00 26.06.2017 22:02
Da es derzeit ja sehr mau aussieht bei den Kommentaren deiner Geschichte,melde ich mich mal wieder zu Wort. Du weißt ja....Ich bin diesbezüglich immer sehr schreibfaul. *Asche auf mein Haupt* :-p

Die Entwicklung finde ich ab diesem Kapitel sehr dramatisch und bin gespannt in welche Richtung du gehen wirst. Auch wenn der General etwas ooc ist,finde ich dies in jener Geschichte nicht weiter störend.Jeder Autor darf sich im Fanfiktion-Bereich" austoben" wie er mag. ;-) Es muss nicht immer nach Schema F verlaufen.Stereotypische Charaktere können auf Dauer auch schnell langweilen. Von daher....Daumen hoch für den Vater im General. ;-D

Ich bin gespannt wie du den Bogen zum Prolog hinbekommst.Ich hätte noch keine Idee wie das funktionieren könnte. *grübel* Du wirst uns bestimmt damit überraschen. :-)

Auch wenn ich nicht sonderlich der fleißige Kommentator bei Fanfiktions bin,lese ich trotzdem eifrig deine Geschichten mit.Mir ist aber auch durchaus bewusst das du als Schreiber Resonanz möchtest. Ansporn tut gut und bringt dich als Autor dazu weiter zu machen.

....Von daher...
Schreib bitte weiter....Ich bin mit an Bord. :-D

Antwort von:  Saph_ira
28.06.2017 19:19
Vielen lieben Dank für so einen schönen und tollen Kommentar, hab mich sehr gefreut! :D

Dass es mit den Kommentaren so sehr mau aussieht, das stimmt und ich vermutte, es liegt am Sommer, viele fahren in den Urlaub usw. Aber ich kann mich irren und deshalb danke ich dir sehr für deine Worte, es motiviert wirklich sehr weitere Kapitels hochzuladen und noch mehrere Fanfiktion´s in Zukunft hier zu veröffentlichen. :-) :-*

Ja, das mit dem General habe ich auch schon befürchtet, dass ich ihn ein wenig zu weich in dieser FF dargestellt habe, aber er musste einfach so sein, weil ich mich versuche an den Prolog zu halten. Ich bin jedoch beruhigt und froh, dass du so siehst und dass es so nicht weiter störend ist. :-)

Der Bogen zum Prolog ist bereits übergespannt und ab nächsten Kapitel wird es langsam in Richtung Epilog gehen, wo sich dabei auch der Prolog anknöpft. ;-)

Da hast du wohl recht und schon alleine dein Kommentar hat mich sehr motiviert. Es ist verständlich und nachvollziehbar für mich, wenn man nicht zu jedem Kapitel ein Kommentar schreiben möchte, aber ab und zu tut es auch gut. Und wie du schon selbst geschrieben hast, es spornt wirklich weiter an, da gebe ich dir recht. Ich werde auf jeden Fall weiter schreiben und bedanke mich ganz herzlich bei dir, dass du so eifrig meine Geschichten liest. :-* <3


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