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undone

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Undone
 

Kapitel 6
 

Ein leises Murren war zu vernehmen. So ganz konnte der junge Japaner das Geräusch nicht zuordnen, welches ihn aus seinen Träumen riss. Dann verschwand es wieder, doch zu spät. Taka drehte sich herum, bemerkte eine Bewegung neben sich am Bett und dann wurde der Vorhang neben dem Bett aufgerissen.

„Echt jetzt?“, fragte Taka nach, der mit einem geöffneten Auge die Zahlen auf seinem Wecker erhaschte.

„Es ist 5 Uhr! Bist du wahnsinnig?“, fragte er schlaftrunken und rollte auf die Seite des Bettes, auf der sein Freund eben noch gelegen hatte.

„Zeit zum Joggen!“, kam die Antwort. Der Kleinere hatte dafür kein Verständnis.

„Fick dich und lass mich schlafen!!!“, murrte er noch immer verschlafen und zog die zusätzliche Decke in seine Arme, um diese als Kuscheltier zu benutzen. Seinen Kopf bettete er auf dem oberen Teil. Schon waren seine Augen wieder geschlossen.

„Weichwurst!“, kommentierte Kouyou, der nun munter durch das Zimmer polterte, das Licht anschaltete, da es draußen noch immer dunkel war.

„Woahr!!!! KOUYOU!!! Ich will schlafen!“, murrte Takanori grantig und drehte sich unzufrieden wieder in seinem Bett herum. Das war doch echt eine unzumutbare Zeit! Vor allem für einen Samstag!

Aber seinen Gast schien das nicht zu stören und er hockte sich vor seinen Koffer. Aus dem zog er seine Sportklamotten und nahm ebenso weiter vor sich hin raschelnd ein paar Utensilien mit, die er ebenso im Bad benötigte. Wie ein Trampeltier bewegte sich das Model durch die Wohnung und dann wurde der Krach im Badezimmer fortgesetzt.

„Geh sterben, Takashima!“, meckerte der kleine Blonde weiter. Er war bereits wieder bemüht, eine Schlafposition zu finden, in der er seinen wohlverdienten Schlaf fortführen konnte. Es war schwieriger als gedacht, sich bloß nicht auf die Geräuschkulisse, die immer wieder an seine Ohren drang, zu konzentrieren.
 

~*~
 

Wieder vernahm Kouyou nur das monotone Tuten am anderen Ende der Leitung. Mann ey, das nervte ihn echt an. Aber dann klackte es und er hörte ein seufzendes „Hai!“.

„Fuck ey! Wird ja mal Zeit, dass du ans Telefon gehst!“, sprach er total aufgeregt und ließ den Schlüssel zu Takanoris Wohnung prompt fallen. Er war durchgeschwitzt ohne Ende. Aber das war normal nach seiner Joggingrunde und jetzt total unwichtig.

„Ich hab seit Tagen versucht, dich zu erreichen, dumbass!“ Kous Stimme wurde um eine Oktave höher als normal. Aber es hatte ihn schon nervlich aufgewühlt.

„Ja, ich hab’s gesehen…“, kam die weniger begeisterte Erwiderung.

„Wo zum Teufel steckst du und warum gehst du nicht ans Telefon?“, wetterte das Model und schloss die Tür auf, um Takanoris Wohnung wieder zu betreten. Wenigstens hatte er vorhin geistesgegenwärtig den Schlüssel eingesteckt. Sonst hätte er klingeln müssen und Taka um seinen Schönheitsschlaf gebracht. Das hätte nur wieder Ärger bedeutet, großen Ärger.

„Ich bin beschäftigt. Business, okay?“

„Nicht okay!“, fauchte Kou und schlüpfte aus seinen Turnschuhen, trampelte durch den Flur, um zum Badezimmer zu kommen.

„Wo bist du?“, fragte der Schwarzhaarige eindringlicher nach.

„Reg dich ab! Bin in Kuba!“

„Kuba?“, fragte das Model voller Unglauben nach.

„Was machst du da?“

„Hab ich doch gesagt. Ich bin geschäftlich unterwegs. Da kann ich nicht immer ans Telefon gehen. Hast du außerdem auch mal an den Zeitunterschied gedacht?“

„Nein, hab ich nicht! Entschuldige. Ich…“ Kouyou schloss die Tür zum Badezimmer hinter sich und erhaschte einen Blick auf seine Gestalt im Spiegel. Bah, die Schweißflecke auf seinem Shirt konnten sich sehen lassen. Eine Dusche war jetzt das Richtige.

„Ich dachte, wir reden vielleicht noch über das Treffen?“, fragte das Model nach, wandte sich nach rechts und zog die Schiebetür zum Badebereich auf.

„Wohow!“, entkam es ihm aber, als er den nackten Hintern von Takanori sah.

„KOUYOU!!! RAUS HIER!!!“, schrie Takanori in einem spitzen Ton den ungebetenen Gast an und warf sofort die Flasche mit dem Conditioner nach seinem Sandkastenfreund. Der trat wie ein aufgescheuchtes Hühnchen sofort den Rückzug an und schloss die Schiebetür um nicht noch von Wurfgeschossen getroffen zu werden. Hektisch atmete er durch.

„Ich meld mich wieder…“, japste er ins Telefon. Der Schock hatte gesessen.
 

~*~
 

„Och, Takaaaaaa~~~~“

„Führ dir dein „och, Taka“ rektal ein!“, knurrte Takanori zurück und verschränkte seine Arme noch fester vor seiner Brust.

„Was?“

„Schieb’s dir in den Hintern!“, übersetzte er für das Model. Manchmal glaubte er echt, Kouyou war blond.

„Ich hab’s nicht gesehen, okay?“

„Ich wüsste nicht, dass du taub bist! Du hättest hören können, dass das Wasser lief! Aber nein, DU BIST INS BAD SPAZIERT! MUTWILLIG!!!!“, unterstellte der Designer seinen temporären Besuch Böswilligkeit und schnaubte gleich wieder. Die Verzweiflung war dem Älteren ins Gesicht geschrieben.

„Ich war abgelenkt. Das war echt nicht so gemeint! Ich hab auch fast gar nichts gesehen!“

„FAST GAR NICHTS?“, schnappte der Blonde auf. Seine Stimme wurde vor Hysterie ganz hoch.

„Na, dein kleiner, süßer Hintern war ja mal nicht zu übersehen!“

„Glotz mir gefälligst GAR NICHT auf den Hintern!“, wetterte Taka einfach weiter. Ausgeschlafen war er nämlich dank Kouyou auch nicht.

„Das war aber ein Kompliment.“

„Seh ich aus, als hätte ich Komplimente nötig?“, keifte Taka weiter und der Blick vom Model sprach wohl Bände.

„Ich weiß, dass ich nicht gerade „the most wanted“ bin, aber den Blick hab ich echt nicht verdient!“, motzte er weiter und schnaubte wie ein Bulle. Gleich zog er seinen flauschigen leopardengemusterten Bademantel noch enger um seinen mageren Körper. Kouyou must die!!!

„Das war so doch auch nicht gemeint, Taka. Ist doch nichts passiert…“, versuchte es der Ältere nochmals und schwang den Pfannenwender in aller Seelenruhe, um den nächsten Pfannkuchen zu wenden. Da sich Taka geweigert hatte, Frühstück zu machen, hatte er sich doch dazu durchgerungen. Einer musste es ja tun. Und den Bewohner des Apartments fragte man heute am besten nach gar nichts mehr und fasste ihn nur noch mit Samtpfötchen an.

„Nichts passiert!“, empörte sich der Blonde.

„Ich weiß schon, warum ich dagegen war, dass du überhaupt hier wohnst! Wie kann man nur so selten dämlich sein und in ein Badezimmer gehen, in dem laut und deutlich zu hören ist, dass jemand duscht? Das Wasser lief!!!“

Kou seufzte und schob einen der fertigen Pfannkuchen, den er bereits mit Marmelade bestrichen und gerollt hatte, auf den Tisch, da ihm auf der Arbeitsfläche der Platz ausgegangen war.

„Ich hab mich doch entschuldigt. Ich war abgelenkt, weil ich telefoniert hab und da ist das einfach so passiert!“

„Einfach so passiert sagt er!!!“, äffte der Leidtragende ärgerlich den Schuldigen nach. Frustriert zog Taka den Pfannkuchen zu sich. Vielleicht half frühstücken ja. So hob er den Teller an seine Lippen und schob die Rolle weiter zu seinem Mund. Mit einem Happs biss er ab und kaute. Das bemerkte nun auch Kouyou, da das Zetern urplötzlich aufgehört hatte. Er sah zur Seite und seine Augen weiteten sich.

„Was schon wieder?“, knurrte der Designer zurück, doch das Model schien erst noch abzuwägen.

„Das… solltest du vielleicht… nicht essen…“, murmelte der Schwarzhaarige zögerlich.

„Willst du jetzt auch noch sagen, ich bin fett?“, wetterte Takanori und war kurz darauf zu explodieren. Der Typ war heute doch echt auf Streit gebürstet.

„Nein! …Eh… nein!“ Abwehrend hob Kou seine Hand und den Pfannenwender schützend vor seine Brust.

„Aber… da ist Erdbeermarmelade drauf!“, verteidigte er sich.

„Uärghs!!!!“ Taka verzog sein Gesicht und schnippte auf. Umgehend stürzte er zur Spüle und krallte sich ein leeres Glas, das er mit Wasser füllte. Dieses kippte er in Windeseile runter und dann wurde noch gegurgelt.

„Meinst du nicht, dass du übertreibst? Is doch nix passiert. Und augenscheinlich lebst du auch noch.“

Wenn Blicke hätten töten können, wäre Takanoris Sandkastenfreund mausetot umgefallen.
 

~*~
 

„Wow, hier hat sich ja voll viel verändert! Dort war doch mal ein Haus! Mit ner Uhr… Ner Pandauhr!“, stellte Kouyou fest, als sie an einer Kreuzung zum Stehen kamen. Auch wenn er kontinuierlich durch die Welt jettete, ein paar Dinge brannten sich ins Gedächtnis ein.

„Hm, haben sie abgerissen.“ Takanoris Laune war im Vergleich zum miserablen Vormittag wieder gestiegen, seitdem er einen Frappuccino in der rechten Hand hielt. Ein Stück Glückseligkeit auf Erden strömte seiner Speiseröhre nach unten und er lächelte leicht. Manchmal war er so leicht zufrieden zu stellen. Die Ampel sprang auf Grün und sie setzten sich zusammen mit den etlichen anderen Wartenden in Bewegung.

„Hier ändert sich ständig was. Die Shops, die ich in der Gegend häufig besuche, ziehen andauernd um. Dann steh ich immer doof vor einem Plan, der den neuen Standort anzeigt. Das ist vielleicht nervig, sag ich dir!“, fiel Taka ein.

„Wo gehen wir überhaupt hin?“, erkundigte sich das Model, da die Gegend immer weniger einladend aussah. Jedenfalls ihm fiel das auf.

„Zu Second Hand Shops!“, erklärte sein Nebenmann und blieb bereits an der nächsten Ampel stehen.

„Dein Ernst?“ Selbst unter der Sonnenbrille konnte der kleine Blonde den Unglauben in Kouyous Augen feststellen.

„Jap. Meinst, ich kann mir die Markenklamotten aus erster Hand leisten? So gut verdien ich nun auch nicht und selbst Second Hand sind die oftmals noch preisintensiv. Aber was ich cool finde ist, dass die dann immer nur einzelne Stücke haben und da ich recht klein und schmächtig bin, passt mir so gut wie ALLES!“ Zufriedenheit machte sich auf Takanoris Gesicht breit. Endlich mal ein Vorteil, den seine Gestalt mit sich brachte.

„Aber ist das nicht eklig? Ich meine, die Sachen hatte schon mal wer an!“

„Ist mir bewusst! Aber wir reden hier nicht von Unterwäsche. Und darf ich dich in diesem Zusammenhang an den Automaten mit der gebrauchten Unterwäsche erinnern? Ist nun echt nicht so, dass ich vollgewichste Klamotten kaufe!“

Die Abscheu stand Kou nur so ins Gesicht geschrieben. Taka hingegen amüsierte das.

„Da juckt es mich direkt!“, warf das Model angewidert ein und schon kratzte er sich über den Arm.

„Glaub ich auch, dass dir das Fell juckt. Aber garantiert nicht wegen der Kleidung. Außerdem hab ich mir ne Waschmaschine gekauft, die heiß wäscht. Das tötet Bakterien ab!“

Wieder wurde dem kleinen Blonden Unglauben entgegen gebracht und er überquerte einfach die Straße und ließ seinen Sandkastenfreund eiskalt stehen.

„Taka, du bist ja zum richtigen Hausmann geworden!“, platzte die Erkenntnis aus Kou heraus. Das wiederum entlockte dem Kleineren nur ein Lachen.

„Sicherlich nicht. Aber aus der Not heraus lernt man halt dazu. Was meinst du, wie beschissen das damals war, als ich auf Anraten der Therapeutin zu Hause ausgezogen bin. Zu Hause war ich eh nur noch voll angenervt von meinen Eltern und deren Vorschriften. Ich hab ja Geld bekommen durch den Job, den ich hatte, und natürlich bin ich in meine eigenen vier Wände gezogen. Und was war? Zwei Wochen später stand ich original vor Mamas Tür und hab gebettelt, dass sie meine Wäsche wäscht und mir essen kocht. Mann, war das peinlich!“ Heute konnte er darüber lachen.

„Echt?“ Der Schwarzhaarige grinste und Taka zuckte mit den Schultern. Da bekam er ganz neue Einblicke.

„Hochmut kommt vor dem Fall. Und ja, ich war voll arrogant und hab gedacht ich kann alles nur weil ich Umgang mit ein paar angesagten Designern hatte. Das war damals, als ich die Grundlagen gelernt hatte. Toll, hat mir letztendlich aber nicht geholfen im alltäglichen Leben klar zu kommen mit erhobener Nase durch die Gegend zu stolzieren. Von Haushalt hatte ich keinen blassen Schimmer, genau so wenig wie vom Wäsche waschen oder putzen und es war oftmals schlimm nach Hause in eine leere Wohnung zu kommen und einfach nur allein zu sein!“ Taka atmete tief durch. Er wusste, dass Kou das nicht nachvollziehen konnte. Er hatte immer jemanden, der sich um ihn kümmerte, denn das Model hatte das Dollarzeichen auf der Stirn. Kein Wunder also, dass man ihm den Hintern puderte. Während Kouyou der internationale Durchbruch gelang, versauerte er in seinem kleinen Apartment und war depressiver denn je. Erst war Akira weg, dann auch noch Kou und er kam auf die Glanzidee sich ne Wohnung zu suchen. Kein Wunder, dass er alles damit nur noch schlimmer gemacht hatte. Nicht nur seine Phobien standen ihm letztendlich im Weg, sondern er sich selbst.

„Warum hast du denn nicht angerufen?“

„Kou, wir haben andauernd telefoniert zu der Zeit?! Während du mir von Partys erzählt hast und von Promi A, B und C, komm ich sicherlich nicht um die Ecke mit „Kou, ich bin einsam und schaffe es nicht einmal Reis zu kochen, der genießbar ist!“. Das kannst du nicht erwarten!“

„Oh. Eh… tut mir leid, dass ich nichts gemerkt hab.“

„Kein Thema. Ich hab auch nichts erzählt.“ Geräuschvoll schlurfte Takanori seinen Becher leer, blieb vor einem eher unscheinbaren Gebäude stehen.

„Ich glaub auch nicht, dass du es hättest nachvollziehen können.“ So viel Ehrlichkeit musste sein. Zwar wusste er nicht, wie es seinem Freund ergangen war, aber das, war er ihm berichtet hatte, klang so ganz anders als seine trübsinnige Wahrnehmung seines Lebens.

„Ja, aber… Was hast du denn dann gemacht? Ich meine, gerade kommst du nicht einsam oder verzweifelt rüber…“ Kouyou war etwas verunsichert. Aber so rund, wie ihn Taka heute Morgen gemacht hatte, das war gruselig.

„Das ist fast 3 Jahre her. Warum sollte ich nicht dazu stehen, dass ich damals noch grün hinter den Ohren war? Jetzt weiß ich ja schon eher, was ich will. Schnee von gestern!“ Taka schlurfte nun den letzten Rest aus seinem Becher und ging zu dem Getränkeautomaten. Neben diesen stopfte er seinen Becher in die kleine runde Öffnung, die für leere Dosen und Flaschen vorgesehen war.

„Ich bin dann in die Wohnung gezogen in der ich jetzt wohne. Meine Bewerbung bei NG war erfolgreich, da nen Bekannter ein gutes Wort für mich eingelegt hatte. Ich hab den Job gewechselt und bin dann gleich auch umgezogen. Und die neue Wohnung ist näher an zu Hause dran, da kann ich oft mal so vorbeigehen. Meine Mum ist sowieso total verständnisvoll und lieb. Sie hat mir alles gezeigt, was notwendig war und das mit einer Engelsgeduld.“ Taka nickte seiner Begleitung zu und deutete ihm, ihn in den Laden zu folgen.

„Außerdem mache ich nun mehr Dinge, die ich will und die gut für mich sind – unabhängig von anderen.“ Nachdem Akira weg war, war Taka in ein schwarzes Loch gefallen, hatte versucht irgendwo Anschluss zu finden und wenn es eben dadurch war, Dinge zu machen, die andere wollten. Hauptsache er bekam die Aufmerksamkeit, die er dringend nötig gehabt hatte. Wegen jedem Scheiß war er zu seiner Therapeutin gerannt, wusste selbst nicht mehr, wie er sich verhalten sollte und hatte ihrem Urteil Glauben geschenkt. Bis zu dem Punkt, an dem er festgestellt hatte, dass sie von seiner Krankheit lebte und nur mehr Profit aus ihm herausschlug, je mehr Blödsinn er anstellte. Doch damit war dann Schluss.

In dem kleinen Shop wusste Taka ganz genau, in welche Ecke er sich zu begeben hatte, während Kou immer noch recht argwöhnisch dreinblickte, als es jetzt ernst wurde und er unheiliges Gebiet betrat.

„Hier riecht es schon billig“, murrte der Schwarzhaarige. Seine Begleitung rollte mit den Augen und besah sich die Stücke, die zum Verkauf standen. Nun ging es ans Shoppen. Jedenfalls die Art Shoppen, die er immer praktizierte.

„Zwingt dich keiner hier was zu kaufen. Oder ist die Luft hier drin zu minderwertig für deine Lungen?“, erkundigte sich der kleine Blonde. Natürlich verarschte er Kou schon wieder und ihre kleine Unterhaltung, die sie eben noch vor der Tür geführt hatten, war bereits ad acta gelegt. Takanori hielt sich inzwischen eine asymmetrisch geschnittene schwarze Jacke vor den Körper, um auszuprobieren, ob diese von der Länge her in Ordnung war.

„Schon gut, hint verstanden. Carry on.“ Seine Worte unterstrich Kou mit einer entsprechenden Handbewegung. Dann sah er sich skeptisch um, wechselte einen Blick mit dem Verkäufer, der ihn wohl genau so argwöhnisch musterte, wie er ihn. Alles machte hier einen minderwertigen Eindruck und war mit vorwiegend schwarzen Klamotten vollgestopft. Billig sah es aus, vor allem da ein schief hängender Vorhang die Sicht auf einen riesigen Stapel Kartons unterbinden sollte. In solchen Läden fand er sich normalerweise nicht wider. Taka aber machte den Eindruck, als wäre das normal für ihn. Er kümmerte sich nicht um das Ambiente und konzentrierte sich ganz auf die Kleidung. Als wäre nichts dabei. Eindringlich musterte das Model seine Begleitung und immer mehr fiel ihm auf, dass er gar nichts mehr über seinen Sandkastenfreund wusste.

„Such dir einfach heute aus, was du magst. Ich zahle!“, meinte der Ältere schließlich und Takanoris dunkle Augen wanderten zu der Sonnenbrille seines Nebenmannes. Erkennen konnte er nichts. Vorherrschend war nur ein lieb gemeintes Lächeln. Takas Blick hingegen änderte sich nicht und er nickte leicht. Aus reiner Gewohnheit spitzte er seine Lippen zu einer Schnute, während er seine Schlüsse aus dem Angebot zog.

„Verstehe. Fraglich wie viel dir mein Gemütszustand wert ist.“ Der Kleinere drehte sich weg und ging ein paar Schritte weiter, um durch die Ständer zu stöbern.

„So ist das gar nicht gemeint, Taka. Ich will dir nur etwas Gutes tun. Ich hab dich wohl echt derbe vernachlässigt seitdem ich weg bin und….“

„Du willst dein Gewissen beruhigen“, vollendete der Designer die Erklärung seines Freundes. Er lachte leise. „Du machst es dir verdammt einfach, Kou-chan!“, sprach er ruhig und wandte sich um.

„Aber gut. Wieso nicht? Ich nehme, was ich kriegen kann. Abgerechnet wird nicht hier und heute. Angebot angenommen!“ Das gehörte auch zu dem, was er gelernt hatte. Nicht immer alles hinterfrage. Gelegenheiten ergreifen, wenn diese sich einem boten. Und wenn sich Kouyou dadurch besser fühlte, dann war er der Letzte, der etwas dagegen hatte. Shopping trug dazu bei, dass er selbst sich auch besser fühlte und so hatten sie beide etwas davon: Kouyou ein ruhiges Gewissen, er neue Klamotten! Klang nach einem fairen Deal.

„Dann komm mal her! Ich kann nen Träger gebrauchen! Kein Limit?“, erkundigte sich der kleine Blonde nochmals. Jetzt hatte er Blut geleckt.

„Ehm… Also… Ich hab wohl recht viel wieder gut zu machen. Deinen Geburtstag, dass ich dich vernachlässigt habe und nun wohne ich auch noch bei dir…“, stammelte der Schwarzhaarige. Nur, um ein paar seiner Fehltritte zu erwähnen. Insgeheim waren da noch sehr viel mehr Dinge, die er wieder gut zu machen hatte.

„Klingt nach einer Basis mit der ich arbeiten kann!“ Taka grinste selig vor sich hin. Und ja, er würde es ausnutzen. Gerade weil Kouyou wie ein offenes Buch für ihn war. Er konnte sein schlechtes Gewissen regelrecht riechen.

„Die Jacke ist cool. Von Jury Black. Die Marke liebe ich. Die haben ein paar echt coole Sachen. Die kann man auch in den Alltag einbauen ohne schief angeguckt zu werden. Und dann, wenn du einen Geheimtipp haben willst: Deorart.“ Ein Schalter schien umgelegt worden zu sein und der Designer sprach aus dem Jüngeren. So wanderten mehr und mehr Kleidungsstücke auf die Arme des Models, der Mühe hatte, alles letztendlich zur Kasse zu schleppen.
 

~*~
 

„Ganz ehrlich, hab ich übertrieben?“, wollte Taka wissen und der Blick von Kou zu dem Berg von Tüten neben ihnen sprach wohl Bände. Der kleine Blonde lachte lauthals auf. Das aber brachte auch Kouyou zum Schmunzeln.

„Ich hoffe, ich hab deine Kreditkarte nicht überzogen!“, sagte der Jüngere amüsiert und packte seinen Burger aus dem Papier aus. Den ganzen Tag hatten sie mit Shoppen zugebracht und nun mussten sie Energie tanken.

„Nein, nein, mach dir mal keine Gedanken darüber“, beruhigte das Model seinen Sandkastenfreund.

„Mach ich aber schon. Immerhin hab ich dein Angebot eiskalt und skrupellos ausgenutzt. So ganz die feine Art war das nicht.“ Taka sah das schon ein. Da hatte er Kouyou einiges voraus. Und noch dazu hatte er die Rechnungen gesehen. Wenn er diese hätte bezahlen müssen, dann wäre das nur auf Raten möglich gewesen und dann bestimmt über acht Monate lang.

„Das ist schon in Ordnung, Taka-chan. Hätte ich das nicht zahlen können, hätte ich was gesagt. Das sind für mich Peanuts gewesen. Ich freu mich, wenn ich dir etwas Gutes tun kann. Und nun hast du sicherlich 10 neue Outfits. Nach Hause nehmen wir aber ein Taxi!“ Noch weiter Tüten schleppen wollte das Model definitiv nicht.

„Nun tu nicht so! Du hast dir auch Schmuck gekauft und – UHW – eine gebrauchte Jacke!!! Oh, oh, oh, wenn das die Medien spitz kriegen!“ Taka kicherte. Den Anflug von Größenwahn ignorierte er gekonnt.

„Sei nicht albern!“, bat der Ältere und schüttelte grinsend seinen Kopf.

„Na hör mal. Ich muss doch auf deinen Ruf achten! Und überhaupt – Pommes? Nix da! Du musst auf deine Linie achten!“, stichelte der kleine Blonde und klaute sich direkt die Box mit den Pommes vom Tablett seines Freundes.

„Untersteh dich, Takanori! Was meinst du, warum ich 5 Uhr aufstehe, um zu Joggen? Sonst könnte ich mir weder das hier noch mein Bierchen gönnen!“, warf der Schwarzhaarige ein und eroberte sich seine Pommes zurück, als Taka in seinen Burger biss.

„Scheisch schob haschu!“, nuschelte der Jüngere mit vollem Mund.

„Passt. Ich wollte es so. Ich komm viel rum und das Geld stimmt. Aber ich finde, du solltest mich mal in Amerika besuchen. Du wolltest doch schon immer dahin!“, sprach der Ältere ein anderes Thema an. Taka schluckte hinter, griff zu seiner Coke und schlürfte erstmal davon. Den Blick seines Freundes spürte er weiter auf sich.

„Schon…“, murmelte er und biss wieder ab.

„Also ehrlicherweise hab ich mir von dem Vorschlag mehr erhofft! Mehr Begeisterung? Du bist eingeladen!“, versuchte Kouyou wenigstens etwas Entzücken bei seinem Sandkastenfreund hervorzurufen. Taka aber legte seinen Burger ab und seufzte.

„Jetzt machst du alles wieder kompliziert.“ Der Kleiner zog seinen Pappbecher wieder zu sich und nippte an seinem Getränk. Dann knabberte er den Strohhalm an. Es war nur zu offensichtlich, dass er seine weiteren Worte überdachte.

„Ich würde, aber das geht nicht so einfach. Zeit, Geld, du?“

„Ich?“

„Hn. Wir hatten nicht sonderlich viel Kontakt in den letzten Monaten und dass du gerade hier bist, ist nur Zufall. Ich freu mich, dass ich mal wieder mit dir abhängen kann. Und das nicht nur, weil du meinen Kleiderschrank aufgestockt hast. Aber es ist nicht mehr so wie damals. Sicher wäre es toll mal raus zu kommen, nur die Zeit passt nicht. Du kannst mir nicht deine Welt zeigen und mich dann zurückschubsen in…. das hier!“ Der Tag ab Mittag war total super. Sie hatten Spaß und waren unbeschwert Shoppen, aber Takanori hatte schon immer einen Hang zu Träumereien und verlor nur zu schnell den Bezug zur Realität. Wenn diese ihn traf, dann umso härter.

„Wäre es dir zu einer anderen Zeit denn lieber?“ Kouyou war unsicher, wie er auf sein Gegenüber reagieren sollte. Er wollte ihn schließlich nicht von eben auf gleich kidnappen.

„Vielleicht…“ Taka lächelte leicht. „Ich weiß nicht. Ich frag mich oft, was wohl gewesen wäre, wenn… wenn ich weitergemacht hätte. Ob ich dann jetzt auch im Ausland wäre? Oder zumindest nicht mehr in der Stadt?“

„Bereust du es denn, aufgehört zu haben?“

„Ja… Manchmal.“ Takanori schob seine Finger durch seine blonden Haare und stützte seinen Kopf auf. Wieder so ein unliebsames Thema. Augenscheinlich holte ihn seine Vergangenheit ein.

„Aber ich weiß auch, dass ich nicht hätte weitermachen können. Selbst heute hab ich ab und an noch Probleme, wenn ich den Auslöser einer Kamera höre. Ich kann mich für Sekunden nicht bewegen und bekomme Panik. Das hätte nichts gebracht, diese Laufbahn weiter zu verfolgen. Aber mir das nun unter die Nase reiben, was hätte sein können, ist grausam, Kou-chan. Vielleicht später, wenn ich hier erfolgreich bin.“

„Du musst mir nichts beweisen, Taka. Ich will dir nichts vorführen oder sowas. Du musst nicht erfolgreich sein, um mich zu besuchen. Das Angebot steht, weil ich dort wohne und weil ich dir gern die Gegend zeigen möchte. Ohne Wertung. Wenn es am Geld liegt, dann zahl ich dir gern alles. Wir kennen uns doch schon ewig. Das ist Ehrensache. Angeben hab ich bei dir wohl am wenigsten nötig.“ Nun machte sich Kouyou doch Sorgen um seinen Sandkastenfreund. Der schien ziemlich mit sich und seinem Leben zu kämpfen. Eins war sicher: Er hatte versagt.

„… aber nur, weil du es bist!“, rang sich der Designer eine halbherzige Zusage ab.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  OMEN
2021-07-17T19:50:27+00:00 17.07.2021 21:50
XDDDDD Die beiden machen mich fertig XDD
Aber super geschrieben *-*


Von:  Goesha
2017-06-19T14:30:42+00:00 19.06.2017 16:30
Ich weiß nicht wer von den beiden nerviger ist. XD
Ruki nörgelt ständig rum und Uruha ist ein Wirbelwind, der alles aufwirbelt und liegen lässt.
Aber mal sehen ob es noch spannend wird. ^^
Antwort von:  Daisuke_Andou
19.06.2017 19:08
Hast du die beiden etwa gar nicht lieb? o.o
Aber Taka ist eben schwierig: motzt, meckert, weint, jammert und ist dennoch liebenswert >DD
Von:  Jyll
2017-04-18T06:45:57+00:00 18.04.2017 08:45
Da ich momentan nichts Gutes zu lesen habe im FF Bereich, freue ich mich unglaublich, wenn es von dir ein neues Kapitel gibt. So überzeugend wie deine Charakteren habe ich schon lange nichts mehr angetroffen.
Es bleibt weiterhin sehr spannend mit dem geheimen Angerufenen von Kouyou...aber ich bin mir sicher, dass es Reita ist. Kouyou weiss, dass er noch lebt, hat sogar Kontakt mit ihm und das ist es auch was er insgeheim bei Ruki gut machen muss.
Aber wenn das echt so ist, find ich das unglaublich! Wie konnten sie das Ruki antun? Der Grund, warum Reita sich für tot erklären liess, ist dann umso interessanter...
Ich rätsle wohl noch etwas weiter ;)

lg Jyll

P.S. Anstelle von 'Taka schluckte hinter', sollte es wohl 'hinunter oder runter' heissen, Autokorrektur nehm ich an :)
Antwort von:  Daisuke_Andou
18.04.2017 21:30
Danke fürs Kommentieren ^^v Ist super, dass du meine FF weiter gespannt verfolgst. Aber du hast schon recht, es gibt kaum mehr updates oder Interessantes zu lesen. Umso schöner find ich es dann, gelobt zu werden.
Ich finde es sehr spannend von den vielen Spekulationen zu hören. Es dauert wohl noch eine Weile, ehe sich auflöst, wer denn Kouyous Gesprächspartner ist^^ Es bleiben nach wie vor viele Fragen offen (was hoffentlich auch gut so ist ^^)
Bis zum nächstes Kapitel ^.~

Gemeint ist schon "hinunterschlucken" aber das geht wohl auch mit "hinterschlucken" o.O" Hat wohl alles die gleiche Bedeutung ^^°


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