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Für eine bessere Zukunft

von

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Er beschwert sich nie, auch wenn ihm die Arbeit irgendwann schlichtweg zu langweilig wird. Jeden Tag das Gleiche, die Stapel der Rechnungen abarbeiten. Das monotone Klacken der Tastatur, hin und wieder stöhnt ein Mitarbeiter auf oder das Zischen einer Wasserflasche durchbricht die Stille. Für Yuan ist das die Beste Arbeit die er bisher haben kann, er verdient eine Menge Geld und kann neben der Wohnung sich etwas Anständiges zu Mittag kaufen. In einer Metropole wie Tokyo fragt man nicht, man nimmt einfach die Arbeit wie sie kommt und schuftet den Tag lang bis Feierabend.

Sein Lichtblick kommt jeden Tag um zwölf Uhr Mittags aus dem Gebäude gegenüber. Ihr Bürogebäude ist ein schmales Hochhaus zwischen den vielen Gebäuden und den übervollen Straßen. Yuans Platz ist am Fenster, und immer um Zwölf geht eine junge Dame aus der Wohnanlage und läuft die Straße hinunter. Sie sieht alles andere als glücklich oder entspannt aus, manchmal sind ihre Haare ungekämmt oder unter den Augen tiefe Schatten. Sie blickt nie hoch, aber Yuan aus dem dritten Geschoss immer herab, wenn sie kommt. Was mochte wohl ihr Schicksal sein? Ein wenig interessiert ihn schon, was mit ihr los ist und warum sie regelrecht flieht.

Jeden Abend geht er nach Hause und kocht sich Ramen mit Gemüse, nach dem Rezept seiner Mutter. Yuans Mutter lebt auf dem Land und freut sich immer, wenn er nach Hause kommt und im Garten hilft. Alleine der Gedanke an Freizeit beruhigt ihn.

Dieses Wochenende hat er frei, aber fährt nicht zu seiner Mutter. Die Suppe ist heiß, er wirft das Gemüse in den Topf und sieht zu, wie es herab sinkt.

„Du solltest dich mehr anstrengen und mehr aus dir machen.“ Die Stimme einer jungen Frau kommt von rechts. Yuan seufzt und wendet sich von der Suppe ab. Die Haare sind lang und rosafarben, das Kleid eher kurz und ihre Körperproportionen eines typischen Anime-Mädchens. In der Hand schwenkt sie ihren Regenschirm, bereit um ihm wieder mal eine damit drüberzuziehen. Yuan geht panisch in Deckung und meidet es, ihr in die leuchtend blauen Augen zu sehen, die immer fies auf ihn herabfunkeln.

„Du kommst mir nicht davon!“ ruft sie und hebt den Schirm.

„Lady, es ist alles okay.“ Yuan duckt sich und hält die Arme als Schutz vor den Kopf.

„Heute bist du wieder ein Lappen gewesen, du machst nichts mehr als nur arbeiten, arbeiten, ignorierst mich während deinen doofen Rechnungen und du schaust immer noch der anderen Frau hinterher!“ Der Schirm saust herab und trifft auf seine Arme.

Yuan zuckt zusammen, nach ein paar Sekunden schaut er wieder vorsichtig hoch.

„Während der Arbeit Selbstgespräche zu führen, das ist doch total seltsam. Sie würden mich eher abweisen und in die Anstalt schicken, weil ich mir eine Anime-Frau vorstelle.“ Dafür erntet er einen ziemlich kalten Blick von Lady.

„Eingebildet hin oder her, du kannst was verändern. Geh doch endlich mal zu der Frau und lade sie zum Essen ein?“ Ein guter Ratschlag, findet er. Das Ramen blubbert und er nimmt den Topf vorsichtig mit den Handschuhen vom Herd und bringt ihn an den kleinen Tisch, Lady schwebt ihm hinterher, den Schirm hat sie weg gesteckt.

Lady ist eine Kämpferin aus dem Spiel „Love Fighter! Super Burst!“, das vierte Spiel in der Reihe. Sie stehen alle ordentlich aufgereiht über dem Computer, neben vielen verschiedenen hübschen Figuren von Anime-Mädchen. Seit Lady in seine Gedanken gekommen ist, hat sie ihn überzeugt, mehr mit seinem Leben anzufangen. Vom Videospieljunkie hat er sich zu einem normalen Büroarbeiter entwickelt. Ihre Vorschläge sind nicht immer höflich gemeint oder nett formuliert, aber jetzt wo sie da

war, ist er täglich froh über die Gesellschaft.

Er schaufelt sich das Essen in den Teller und beginnt zu Essen. Lady sieht ihm zu, sie scheint zu überlegen. Nur er sieht sie und nur zu ihm spricht sie. Manchmal wechselt sie auch ihre sehr knappen Kleider oder kommentiert die anderen Frauen in der Stadt.

Damit kann Yuan nichts anfangen, aber solange Lady bei ihm ist, hat er seinen Sinn im Leben.

Aber die Frau zum Essen einzuladen, vielleicht ist das keine so schlechte Idee.

Möglicherweise würde er somit herausfinden, was mit ihr wohl los ist. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen isst er zu Ende und freut sich ein wenig mehr auf den nächsten Tag.

“Du bist so langweilig.” Lady schmollt und Yuan seufzt tief. Ja, das ist er in der Tat.

Ein langweiliger junger Mann, der immer noch Videospiele liebt und schwer davon fortkommt.

Ganz langsam isst er das restliche Gemüse auf und stellt die Ramen-Schüssel zurück in die Spüle. Dass er viel zu schnell nervös wird und immer noch ein wenig zu viel Speck auf den Rippen hat, das ist im leider klar.

Immer wieder ertappt Lady ihn dabei, wie er sich die Chips aus dem Küchenschrank mopst, dafür bekommt er jedes Mal einen Schlag mit dem Schirm. Das beirrt ihn nicht, er ist vielleicht ein Verlierer, der bei jeder Kleinigkeit schrecklich nervös wird, aber

seinen Durchsetzungswillen, den hat er wirklich.

Erschöpft legt er sich in sein Bett und winkt Lady zu Bett.

“Morgen schaffen wir das. Da bin ich mir sicher.” Lady nickt und deckt ihn zu.

“Dankeschön, ich vertraue dir.” Erleichtert schließt er seine Augen und findet schnell Schlaf.

Gleich ist es Zwölf. Immer wieder sieht Yuan nervös auf die Armbanduhr. Gegenüber liegt der Wohntrakt der jungen Frau, heute wird er sie abfangen und zu einem Kaffee mitnehmen. Lady steht neben ihm und betrachtet gespielt lässig ihre Fingernägel, den

Schirm lässig an der Seite baumelnd. Heute hat sie ihre Haare hochgesteckt und trägt ein weißes Hemd mit kurzen Rock, die fantasievolle aufreizende Variante einer Büroarbeiterin. Natürlich will sie ihn auch ein wenig ärgern, dass er es sicher nicht schaffen wird, die Dame anzusprechen und sie zum Kaffee einzuladen.Yuan selbst ist sehr zuversichtlich. Ein wenig zappelig und durcheinander wartet er hier schon seit mindestens einer viertel Stunde, immer wieder den Blick auf der Armbanduhr und dem Gebäude.

“Wenn du weiterhin so herumzappelst, wirkst du eher, als ob du dringend auf Toilette musst.” Spöttisch grinst Lady ihn an, doch er nimmt sich das wenig zu Herzen. Ganz langsam rückt der Zeiger auf die Zwölf. Dort kommt sie heraus gestürzt, ihre Haare unordentlich, der Rock sitzt nicht richtig auf ihren Hüften. In ihren Augen stehen die Tränen, die sie hastig fort wischt.

“Warten sie!” unbeholfen stürzt Yuan ihr hinterher, Lady lacht fies als er beinahe in ein paar Fußgänger hineinläuft, die alle mit genervten Gesichtsausdrücken an ihm vorbeihetzen.Yuan rappelt sich auf und läuft so schnell er kann hinter ihr her, aber nur Videospiele spielen hat ihm nicht gut getan. Mit den Händen in die Seiten gepresst hechelt er ihr hinterher, Lady gibt weiterhin fiese Kommentare über seine Ausdauer ab.

“Wenn du weiterhin nur Chips gegessen hättest und Videospiele gespielt, dann würdest du dich jetzt keinen Meter mehr bewegen!” Die dunklen Haare der Frau sind das einzige, was er in der Menge ausfindig machen kann. Verdammt, wenn er wirklich öfters auf seinen persönlichen Ratgeber gehört hätte, dann würde er sich hier nicht so abrackern. Als er um die Ecke stürzt, erwischt er sie an der Hand. Yuan holt japsend nach Luft, als sie sich umdreht und ihn fragend anblickt.

“Bitte, gehen sie mit mir einen Kaffee trinken!” Die Worte kommen einfach aus ihm herausgesprudelt. Lady kichert hinter ihm. “Dass unser Moppelchen überhaupt eine Frau ansprechen kann, tss tss.” mit verschränkten Armen schwebt sie hinter der jungen Dame und betrachtet ihre ungekämmten Haare.

“Ehm...natürlich.” Etwas überrumpelt zupft sie an ihrer Bluse und dem blauen Rock.

“Es tut mir wirklich leid, dass ich sie so überfalle, aber ich habe schon lange meinen Mut gesucht, um sie endlich anzusprechen.” Ihre Augen bekommen einen leichten Glanz. Ihn erfüllt Stolz, er hat es zum ersten Mal geschafft, so Angstfrei wie möglich eine Frau anzusprechen und dabei nicht wieder zu stottern oder vor Panik rot anzulaufen.

“Das ist auf eine seltsame Weise rührend. Lass uns doch in dem Cafe an der Straßenecke gehen, sie machen dort wunderbaren Espresso.” Yuan nickt nur, einen leicht panischen Blick in den Augen. Lady zeigt ihm den Daumen hoch. Dieses Mal hat sie ihren Schirm ganz fort gesteckt, es scheint auch ihrer Meinung nach alles bisher einfach super zu laufen.

Das Cafe ist ein vergleichsweise kleines, mit großen Holztischen und Lederstühlen.

An den Wänden hängen große Tafeln mit dem Angebot, die Deckenlampen spenden warmes Licht. Fast wie in den Filmen, findet Yuan. Diese Kitschfilme mag er wirklich nicht besonders, aber die Stimmung hier ist einfach beruhigend. In der Theke liegen verschiedene Kuchen und Gebäckstücke aus, die Angestellten machen gerade beschäftigt Kaffee.

“Lass uns doch in die Ecke setzen.” meint die Dunkelhaarige Frau und deutet auf einen etwas versteckten, aber bequemen Sitzplatz. Auch Lady setzt sich wie eine Dame an den Platz und streicht sich ihren extrem kurzen Rock glatt.

“Das schaffst du schon. Sonst muss ich dich wieder mit meinem Schirm zurechtweisen.” meint sie trocken. Etwas unsicher schnappt Yuan sich die Speisekarte, liest aber kein einziges Wort weil er viel zu aufgeregt ist.

“Mich hat noch nie jemand so an der Straße überfallen.” Yuan schreckt hoch und spürt, wie die Hitze in sein Gesicht steigt. “Ich sehe sie jeden Tag und naja....” Er windet sich und sucht nach Worten. Lady starrt ihn an, ja, er sollte einfach damit herausrücken.

“Sie sehen immer so traurig aus. Was bedrückt sie?” Die junge Frau lacht, dann kämmt sie sich die Haare aus dem Gesicht. Wenn sie lacht, sieht sie einfach viel schöner aus, denkt sich Yuan.

Hat er etwas falsch gemacht? “Ein Fremder fragt einfach nach dem Befinden einer Frau, Sie kennen ja nicht einmal meinen Namen.”

Yuan legt die Karte wieder auf den Tisch. “Können sie ihn mir sagen?”

“Mein Name ist Komuro Rena, ich bin eine ganz normale Geschäftsfrau mit einem tyrannischen Ehemann. Reicht ihnen das?” Rena sieht auf einmal ziemlich erschöpft aus.

“Wollen sie weiterhin diese Tyrannei ertragen? Ich sehe sie nun schon seit Monaten jeden Mittag ziemlich erschöpft aus dem Gebäude laufen.” Rena winkt die Bedienung her und bestellt sich einen Espresso. Yuan nimmt einen Käsekuchen, diese Sorte von Kuchen wird nicht überall angeboten da es nicht sehr typisch ist.

“Was soll ich denn bitteschön machen? Es wird sich nie etwas ändern. Punkt. Ich habe damit abgeschlossen und mache einfach weiterhin auf die brave Ehefrau.” Auf einmal hat sie ihre Finger zu einer Faust geballt und bohrt sich ihre lackierten Fingernägel in die Handfläche.

Lady stützt ihren Kopf auf die Hände und überlegt.

“Wer sich selbst nicht in Bewegung setzt, der wird nie etwas ändern, sag ihr das.”

Die Bedienung bringt ihnen die Bestellung, neben dem Kaffee liegen diese süße Kekse, die Yuan wirklich gerne mag. Aber jetzt kann er sie nicht nach dem Keks fragen.

“Also, lassen sie mich einen Ratschlag geben.” fängt Yuan vorsichtig an. Sonst wählt er nur Optionen in einem Flirtspiel, aber jetzt sich Ratschläge von einem Anime-Mädchen geben zu lassen, das ist etwas neues für ihn.

“Wenn sie nicht damit anfangen, sich zu wehren oder etwas zu verändern, wird sich nie etwas in ihrem Leben verändern. Bis sie eingehen und irgendwann keinen Lebenswillen mehr haben werden.” Rena schweigt und tunkt den Keks in den Espresso.

“Sie haben damit Recht, aber so einfach ist das nicht.” Lady verdreht dramatisch ihre blauen Augen. “Immer diese Frauen, sie will was ändern, traut sich aber nicht.” Yuan seufzt und nimmt eine Gabel von dem Kuchen.

“Haben sie ein Ziel, wo sie mal hinfahren wollen? Ich habe frei und wir können ihnen helfen, eine bessere Zeit wenigstens für ein paar Stunden zu haben.” Verdammt, er hat sich versprochen. Verwundert sieht Rena ihn an. “Wir? Ist noch jemand dabei?”

Abermals schießt ihm das Blut in den Kopf.

“Das ist eine etwas komplizierte Geschichte, die sie mir nicht glauben werden.” Yuan macht sich klein und versucht, aus der peinlichen Sache herauszukommen.

“Erzählen sie ruhig. Wenn man so ein Leben wie ich führt, ist einem nichts seltsam.”

Lady sieht ihn auffordernd an, aber ihm ist das wirklich nicht so einfach. Sich selbst bewegen, gut.

“Ich habe seitdem ich mit den Videospielen aufgehört habe, einen Charakter aus einem Flirtgame neben mir. Gerade sitzt sie dort auf dem Stuhl und grinst mich frech an.” Rena prustet los und verspuckt beinahe ihren Kaffee. Sofort wird es ihm wieder sehr peinlich.

“So etwas habe ich schon lange nicht mehr gehört, aber es ist nicht seltsam.”

Überrascht sieht Yuan sie an, er ist sich nicht sicher, ob er ihr vertrauen sollte.

“Weißt du, ich habe das selbst! Um meine Probleme los zu werden, habe ich immer wieder einen netten Kerl aus meinem Lieblingsanime hier ´bei mir.” Sie schwenkt neben sich in der Luft. Macht sie sich lustig über ihn? Ein wenig ungläubig nimmt

Yuan einen Bissen und schweigt.

“Machst du gerade nur einen Scherz, damit ich mich besser fühle oder nicht?” Rena schüttelt den Kopf und sieht dabei sehr selbstsicher aus.

“Nein. Er meint, wir sollten doch gemeinsam ans Meer fahren. Da wollte ich schon immer hin.” Die ganze Situation kommt ihm ziemlich seltsam vor, es hat einfach keinen Sinn. aber trotzdem glaubt er ihr den imaginären Unterstützer.

“Das Meer ist einfach wunderbar!” schwärmt Lady und schwingt ihre langen Beine auf den Tisch. “So blau, viele halbnackte Menschen und alle haben Spaß!” Rena rührt in ihrem Kaffee und trinkt ihn aus, bevor sie aufsteht.

“Also ich komme jederzeit an einen Flug zum Meer. Wie siehts aus, willst du mit?”

“Einfach so, über das Wochenende ans Meer?” Yuan wuschelt sich durch die braunen Haare, er hat nicht damit gerechnet, dass sie ihm so entgegnet.

“Okay, gut. Ich komme mit.” Lady springt vor Freude auf, sodass ihr Rock in die Luft weht und ihre Oberschenkel zu sehen sind.

“Meer!” ruft sie und dreht sich im Kreis, ihre rosafarbenen Haare fliegen um ihr Gesicht.

“Lady freut es auf jeden Fall.” meint er nur und bezahlt an der Theke seine Rechnung.

“Du weißt ja wo ich wohne. Komm einfach so früh wie möglich zu mir und ich hole dich ab.” Als sie durch die Türe verschwunden ist, hat er wieder einen klaren Kopf. Das ist alles so schnell und durcheinander. Sie hat eine eigene imaginäre Person an ihrer Seite? Und dieses Wochenende besuchen sie äußerst spontan das Meer.

Daheim plagen ihn immer noch die Zweifel und die Gedanken stehen nicht still. In einen kleinen Handkoffer packt er die nötigsten Kleidungsstücke und Hygieneartikel.

Als er in die Versuchung kommt, seine portable Konsole mit einzupacken mit einem Teil der „Love Fighter! Super Burst!“ Reihe. Lady schlug ihm dafür ziemlich oft auf den Kopf, sodass er es entgegen seines Zwanges sein lässt und sie schweren Herzens auf dem Regal neben den Figuren liegen lassen muss. Abends im Bett findet der junge Mann immer noch keine Ruhe, aber wenn er wirklich morgen an das Meer fliegen kann…wahrscheinlich ist der Mann von Rena ziemlich wohlhabend oder besitzt seinen eigenen Flieger. Irgendwann hat auch er den Schlaf gefunden.

Tags darauf steht Yuan ziemlich nervös vor dem großen Wohntrakt, in dem Rena wohnt. In der Stadt ist zu jeder Uhrzeit was los, aber heute kommt es ihm vor, als ob alle Welt schlafen würde und er ganz alleine vor der Tür steht. Das ist ja nicht der Fall, auch Lady hat sich fertig gemacht in einem lilafarbenen, knappen Tankini mit einem geblümten Tuch um die Hüften geknotet. Auf dem Kopf trägt sie den farblich passenden Sonnenhut. Yuan selbst trägt wie immer ein schlabbriges Shirt und ein paar alte Jeans. Wenn er nicht auf der Arbeit ist, kümmert er sich wenig um seine Äußerliche Wirkung. Die gläsernen Schiebetüren und Rena steht vor ihm.

“Kanns losgehen?” fragt sie und lächelt. Das zweite Mal, wo er sie lächeln sieht.

Heute macht sie einen viel gelasseneneren Eindruck, unter ihren Augen sind die dunklen Augenringe ein wenig blasser.

“Wie stellst du dir das vor, dass wir einfach so zum Meer kommen?” Rena winkt ihm und gemeinsam gehen sie um das Haus herum. Mit der Feuertreppe geht es viele Stufen hinauf, und da seine Kondition wirklich sehr schlecht ist, schleppt er sich eher

die Treppe hinauf und hofft, das Ende schnell erreicht zu haben.

Oben auf dem Dach ist ein Landeplatz für kleine Flugzeuge.

“Wie bitte bekommt man so etwas genehmigt?” überrascht sieht Yuan sich um, alles eine breite Fläche sodass hier ein kleiner Helikopter landen kann.

“Mein Mann ist reich. Das ist genug?” Rena wendet sich ab und sieht in die Ferne.

Also nimmt Yuan es erst einmal so hin und steigt zu ihr in das Cockpit. Wütend hämmern ihre lange Finger auf die Knöpfe ein.

“Hast du überhaupt jemals einen Helikopter geflogen…?” fragt der junge Mann vorsichtig und schnallt sich an.

“Nein, aber ich wollte schon immer Pilotin werden.” antwortet sie und bringt den Motor zum starten. “Natürlich, ich habe den Führerschein dafür. Anschnallen, wir machen jetzt einen filmreifen Ausflug!” Sprachs, beginnt es zu rotieren und langsam erheben sie sich in die Luft.

“Wie willst du dort dann landen?” fragt Yuan und beginnt, nervös die Finger in den Sitz zu krallen. Lady klammert sich an seinen Hals, dieses Mal hat auch sie Bedenken.

“Wir werden sterben!” kreischt sie ziemlich laut und panisch in sein rechtes Ohr. Yuan versucht, sie auszublenden und nicht zu sehr darüber nachzudenken. Alles wird schon gut gehen.

Dafür wird er mit einer wunderbaren Aussicht belohnt, der Himmel sieht über der Stadt anders aus, je weiter sie auf das Land kommen, desto heller und schöner wird es.

Flockig weiche Wolken fliegen an ihnen vorbei, und je höher sie kommen, desto kühler wird es und die Vögel verschwinden. Yuan genießt es, auch wenn es einfach völlig absurd ist. Einfach mit einer noch ein wenig fremden Frau ans Meer fliegen, weil es ihr innigster Wunsch ist. Aber um etwas zu ändern, macht er auch die seltsamsten dinge mit. Ebensolche, einfach mal in das Flugzeug einsteigen und einen Ausflug machen. Rena spricht kein Wort und ihm ist es zu peinlich, jetzt ein Gespräch mit Lady anzufangen. So schräg will er nun wirklich nicht für sie wirken.

Das Meer ist noch viel schöner, als er es sich je vorgestellt hat. Im Fernsehr wird alles perfektioniert, aber das hier ist die unverfälschte wilde Natur. Die Wellen schlagen an dem Strand auf und hier, ein wenig abgelegener von dem Hauptstrand, schafft Rena es eine ziemlich chaotische Landung zu vollführen.

“Festhalten!” schreit sie auf einmal und reißt den Schalthebel nach unten. Lady kneift panisch ihre Augen zusammen und hält sich an Yuan fest, er sucht Halt im Sessel und fürchtet einige Sekunden um sein Leben. Der Boden rauscht immer näher, aber kurz bevor sie aufschlagen, reißt sie das kleine Flugzeug hoch und sie rutschen in dem Sand ein paar Meter weiter. Erleichtert lässt er wieder los und Lady schlägt ihre Augen auf.

“Du lebst noch, wir haben es geschafft!” freudig reißt sie ihren Hut vom Kopf und springt aus dem Flugzeug. Yuan öffnet die Türe und eine frische Brise salziger Luft weht ihnen entgegen. Rena streckt ihren Kopf heraus und sieht aus, wie ein kleiner Hund.

“So gefällt mir das! Du kannst mich mal, du Idiot von einem Ehemann!” Provozierend streckt sie die Zunge in die Richtung, aus der sie gekommen sind.

“Wird er sich nicht Sorgen um dich machen?” Rena schnauft nur und steigt aus.

“Dem bin ich egal. Also los, wir sind hier um Spaß zu haben.” Vorsichtig steigt der junge Mann aus und hat sofort Sand in den Schuhen. Genau so hat er sich einen Ausflug an so ein blaues Meer vorgestellt.

“Ich möchte auf diesen Fels dort klettern!” Rena zeigt rechts von sich auf eine Erhöhung, die in das Meer ragt. Yuan und Lady folgen ihr, seine Begleiterin genießt

den Wind und springt freudig von einem Bein auf das andere.

Entspannung pur, das hat auch er einmal gebraucht. Oben angekommen, sehen sie Seite an Seite auf das Meer, erhellt von der Morgensonne. Hier liegen ein paar größere Felsen am Wasser, da dieser Abschnitt nicht für Touristen genutzt wird. Rena breitet ihre schmalen Arme aus und lässt sich von dem Wind durchpusten. Ihre langen Haare wehen hinter ihr her und die Ärmel der Bluse lassen sie aussehen, als wäre sie eine Schwalbe kurz vor dem Abflug.

Lady setzt sich an den Felsenrand und genießt die Stille. Für ihn ist es immernoch wie ein diffuser Traum, aus dem er nicht erwachen kann.

“Danke dass du mitgekommen bist.” meint Rena auf einmal und sieht wieder so traurig aus wie die Male, als sie aus dem Bürogebäude gelaufen kam. Er hat den Drang sie zu umarmen, aber Rena blinzelt die Tränen fort.

“Ich hoffe sehr, dass du auch ein besseres Leben anfangen kannst, mit einem besseren Karma und eine Menge Motivation.” Yuan seufzt und sieht auf die Wellen hinab.

“Gesagt ist alles immer einfach. Aber ich habe vor, einen Schnitt in mein Leben zu machen und endlich dem monotonen Alltag zu entfliehen.

“Nun, ich glaube daran dass du es kannst. Tu es für mich, ja?” Wie in Trance nickt er, dann weiß er nicht recht, ob alles wirklich so passiert ist. Rena fliegt fast wie eine Schwalbe, sie fliegt über den Abgrund über die Wellen und sieht frei und glücklich aus. Dann schlagen die Wellen höher, reißen sie mit bis sie in dem Meeresschaum verschwunden ist. Mit ihr ist auch Lady auf einmal verschwunden. Nichts zeugt mehr von ihrer Anwesenheit, nur das etwas zerstörte Flugzeug hinter ihm sagt ihm, dass er es nicht geträumt hat.

Rena ist geflogen, aber hinab in das Meer. War es die ganze Zeit ihre Absicht gewesen? Alles hat sich in kleine Blasen aufgelöst und in Yuans Kopf herrscht eine seltsame Leere. Sie hat ihr Leben verändert, sie ist nun Schaum. Aber nein, so will er nicht enden. Das ist alles viel zu verrückt!

“Nein, nein.” Yuan kniet sich in den Sand und starrt hinaus auf das Meer. Was soll er tun? Seine Freundin ist fort, wie soll er jemals wieder richtige Entscheidungen treffen?

der Sand fühlt sich viel zu weich unter seinen Füßen an. Alles falsch, nein, so sollte es nicht sein. Langsam steht er auf und steuert auf das Wrack zu.

Gedankenverloren geht er in die Richtung der Straße, in der Nähe hat er eine gesehen. Schritt für Schritt geht er einfach, er spürt nicht, was er tut und sein Kopf ist leer gepustet. Veränderung. Dieses Wort schwirrt ihm immer wieder durch den Kopf.

An der Straße nimmt er ein Taxi zurück in die nächste Stadt, seine Sachen hatte er glücklicherweise in eine kleine Tasche gepackt. Yuan ist eigentlich ein wenig vergesslicher und lässt manchmal sein Geld daheim liegen, aber Lady hat ihn noch daran erinnert. Im Taxi und auch im Hotel hat er immer noch das Gefühl der Leere. Er will sie füllen und etwas sinnvolles anfangen.

Mit diesem Vorhaben kehrt Yuan zurück nach Tokyo. Direkt in seinem Zimmer angekommen, wirft er alle Spiele in einen Karton und legt ein wenig behutsamer die Figuren daneben. Die Poster der Anime-Mädchen nimmt er von der Wand und tauscht die Figuren auf dem Regal gegen ein hübsches Foto mit seiner Mutter von letzten Sommer aus. Morgen geht es wieder auf die Arbeit. Jetzt, wo Lady auf einmal verschwunden ist, fühlt sich alles anders an, ein wenig realer und vielleicht auch besser. Sie hat ihm in vielen Lebenslagen geholfen, doch jetzt muss er sich selbst ändern und seinen Weg alleine finden.

Tags darauf auf der Arbeit ist es wie immer das Gleiche, die Stille, ein hustender Arbeiter und das Klicken der Tastatur. Im Internet jedoch findet Yuan nichts über Rena, alles vergeblich. Aber er hat sie doch neben sich sitzen gehabt, mit ihr geredet, so einfach ist sie nicht vergessen! Ratlos wuschelt er sich durch die kurzen Haare und beendet seine Arbeit. Heute ist er ein wenig fleißiger als die anderen Tage und bringt seine Stapel beendeter Arbeit direkt zum Chef. Dieser ist auf jeden Fall überrascht.

“Vielen Dank, ich bin wirklich begeistert von ihrer Arbeit. Wenn sie weiterhin gute Arbeit leisten werden, dann kann ich mit gutem Gefühl von einer Beförderung mit besserer Gehaltsstufe nachdenken.” sagt dieser zu ihm vollkommen ernst. Yuan zieht

seine Schultern hoch und macht ein seriöses Gesicht, von Nervosität keine Spur.

“Natürlich, ich werde sie nicht enttäuschen.” mit einer Verbeugung dreht er sich um und geht durch die Glastür hinaus in den Treppentrakt. Dort kann er sich nicht ein frohes Grinsen verkneifen. Eine neue Gehaltsstufe, da muss er sich auf jeden Fall

einen besseren Anzug zulegen. So kann er auf jeden Fall einen besseren Eindruck machen, nicht nur mit seiner Arbeit. Der nächste Laden ist nicht weit entfernt, also macht er sich schnurstracks auf zu dem Geschäft. Die Glastüren gehen zischend auf,

der Geruch von Stoff hängt in der Luft. Hinter der Theke sieht eine hübsche junge Dame auf, ihre Augen sind tiefblau und die Bluse lila farben.

“Kann ich ihnen helfen?” fragt sie und Yuan lächelt sie an. Tatsächlich hat sie was von Renas Lächeln und Lady blauen Augen.

“Ich brauche einen besseren Anzug, am Besten maßgeschneidert.” Sie nickt höflich und kommt vor und nimmt sich die Maße.

“Für die Anfertigung wird es ungefähr eine Woche brauchen.” meint sie und notiert sich die Zahlen auf einem kleinen Block. Dann steckt sie ihn beiseite und nickt sanft.

“Vielen Dank, ich werde einfach vorbeikommen.” antwortet er und verabschiedet sich kokett von ihr. Dieses Mal wird er keine Hilfe von Lady brauchen müssen, sich zu verändern und sie zum Kaffee trinken auszufragen.



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