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AURORA BOREALIS

- Unterm Nordlicht - [Noel & Rina]
von

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AURORA BOREALIS


 

AURORA BOREALIS

~ Unterm Nordlicht ~
 

Frostig wehte der Wind und trieb die Wellen höher. Einem Unwetter gleich wallte das Meer auf, brüllte und bäumte sich und brach sich dennoch an den festen, eisigen Massen der Schollen. Dem Unwetter trotzend, besah sich die Prinzessin der Arktischen See das Schauspiel, doch war es nicht Furcht, die ihre Miene zierte. Ein Lächeln umspielte ihr die Lippen. Und obschon die Menschen der Natur immensen Schaden zufügten, sie folterten, vergifteten, ausbeuteten - wieder und wieder - und die Folge dessen das Schmelzen der Polarkappen und das daraus resultierende Steigen des Meeresspiegels war, versuchte sie, wenngleich auch nur für diesen Augenblick, die Schönheit ihres Reiches zu betrachten. Tief sog sie die kalte Luft in ihre Lungen, schloss die Augen und erlag dem Lied des Windes, der sie in seine Arme zog. Jedoch durchbrachen Laute, gegen den Sturm ankämpfend, jene melodischen Klänge.

»Menschen sind furchtbare, grausame Kreaturen! Und dass du ausgerechnet bei diesem Wetter hier oben bist, erklärt sich mir auch nicht!«

Noel wandte sich um, war ihr diese Stimme doch so lieb und vertraut. Das Lächeln auf ihren Lippen blieb bestehen, während sie sanft den Kopf schüttelte. »Sei nicht so miesepeterig, Rina.«

Doch die Meerjungfrau schlug mit der Flosse, verschränkte die Arme und schnaubte nur verächtlich. »Sieh dich doch nur mal um! Sie machen alles kaputt mit ihren ... Autos, den Abgasen, ihren Fabriken, ihrem Müll ...«, angewidert verzog die hübsche Maid ihr Gesicht.

Leicht sanken die Mundwinkel Noels herab, doch waren ihr die Lippen noch immer zur Milde verbogen. »Sei nicht zu hart mit ihnen. Sie sind ...«

»Dumm ... zerstören das, was ihnen guttut«, knurrte die Prinzessin und die schmerzliche Erinnerung an den Untergang ihres Zuhauses schob sich wie ein Kloß ihre Kehle hinauf. Obgleich jene Schandtat nicht den Menschen zuzuschreiben war, schmerzte der Verlust noch immer. Und Gram, Wut und Trauer füllten das Herz des Mädchens, dessen Reich sich einst im Nordatlantischen Ozean befand. Nur noch Trümmer waren übrig, ihr Palast zerstört, und nur Wenigen ihres Gefolges war die Flucht vor dem tyrannischen Feind gelungen. Dem Sieg über den niederträchtigen Mann zum Trotze, wollte es ihr nicht gelingen, Freude zu empfinden.

»Die See ... wird sich zu wehren wissen«, gebot ihr Noel und riss sie aus den trüben Gedanken.

Rina jedoch schlug bei jenen Worten die Augen nieder. Ihr Schweigen wurde vom Getöse des Windes geschluckt, während sie mit aller Macht versuchte, die störrischen Strähnen zu bekämpfen, die ihr ins Gesicht peitschten. »Warum bist du hier? Ich dachte, du wolltest nach Grönland.«

»Grönland?«, kicherte die Prinzessin des Arktischen Ozeans. »Da ist es mir zu kalt.«

»Und hier ist es wärmer?«, hakte Rina nach und besah sich das finstere Firmament, das sich über ihnen erhob.

»Ja«, entgegnete Noel in sanftmütigem Ton. »Ein wenig.«

»Aber ... Grönland wäre näher«, schnaubte Rina erneut, tat einen Schlag mit der Flosse und schwamm auf ihre Freundin zu, die so viel für sie aufgegeben hatte. »Der Weg bis hier her war beschwerlich.«

Noel jedoch gab nur einen glucksenden Laut von sich. »Aber lohnend.«

Fragend schoben sich die Augenbrauen der Meerjungfrau zusammen. »Wie meinst du das?«, verlangte Rina zu wissen.

Doch Noel schwieg, während das Lächeln noch immer an ihren Lippen haftete.
 

Fröstelnd schlang sich die junge Meerjungfrau die Arme um ihren zitternden Leib. Gekonnt war es Noel gelungen, sich auf eine der Schollen zu hieven, während dies Rina etwas umständlich erschien. Zwar war es ihr vergönnt, sich bereits beim ersten Versuch auf die gefrorene Platte zu stemmen, doch wirkten ihre Bewegungen bei weitem nicht so grazil, wie sie es bei der Prinzessin der Arktis taten.

»Danke, Rina«, murmelte diese und wandte ihren Blick empor.

»Wofür?«, fragend zogen sich die Augenbrauen der Meerjungfrau zusammen.

»Weil du hier bist und diesen Moment mit mir teilst, obwohl ich weiß, dass dir die kalte Luft nicht behagt«, kicherte Noel und deutete auf das aufziehende Gewirr aus Farben, hoch über ihnen.

Gebannt blickte Rina zu den funkelnden Sternen hinauf, blinzelte und erkannte die sich anschleichenden Lichter, die bunt über den Nachthimmel zogen.

»Weißt du, in Grönland, da ... ist es nur halb so schön«, erklärte die Prinzessin des Arktischen Meeres.

Rina schluckte und bemerkte das helle, warme Gefühl, welches sich beim Anblick dieses Schauspiels in ihr ausbreitete. »Das ... ist wirklich wunderschön.«

»In Norwegen ... da ... hat es den Anschein, als könne man sie fast berühren, so herrlich schimmernd. Ein Band aus wogenden Wellen, durchzogen mit blauen, grünen Nuancen«, schwärmerisch drangen die Worte von Noels Lippen, während sich die farbenprächtigen Lichter in ihren hellblauen Augen spiegelten und jene nicht weniger strahlten, als das Leuchten über ihnen.

»Wirklich?«, hakte Rina nach, als könne sie nicht verstehen, dass jenes Schauspiel an einem anderen Ort womöglich noch schöner, faszinierender anzusehen war. Sie streckte die Finger nach den flimmernden Wellen aus, spürte, wie der Zauber des Augenblickes seine Wirkung tat. »Wie das Meer, nur ... verkehrt herum.«

Und noch eh sie sich ihrer Worte gewahr wurde, zuckte sie beim leisen Lachen Noels zusammen. Diese schenkte ihr ein warmes Lächeln und langte nach der Hand des Mädchens, die ihrer am nächsten war, ehe sie ihr Interesse wieder dem Polarlicht zukommen ließ.

»Aber warum kurz vor Island? Wenn Norwegen doch so viel hübscher anzusehen ist?«, verlangte Rina zu wissen.

Den Kopf leicht schief geneigt, nahm Noel den Blick von den glitzernden Bändern und betrachtete die Meerjungfrau neben sich. »Weil ich es uns für einen späteren Zeitpunkt bewahren möchte.«

Stille, die nur vom Rauschen des Meeres Unterbrechung fand, hatte sich über sie gelegt wie eine Decke aus blinkenden, funkelnden Farben. Der Griff ihrer Finger, um Rinas Hand, wurde fester, als Noel ihr jene aufmunternde Geste entgegen brachte. Beide schwiegen, bestaunten, eine jede für sich und gänzlich in Ruhe, das Geschehen, und hielten jene Momente tief in ihren Herzen.
 

Und auch wenn die eisige, stürmische See noch immer einem alten, garstigen Weibe glich, das wütend und wetternd, scheuchend und fluchend an ihnen vorüber zog, vermochte dies der atemraubenden Sanftheit und der Anmut dieses Augenblickes nichts voll an jenen bezaubernden Eigenschaften nehmen, die ein solches Phänomen mit sich brachte.



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