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Progressing 4 u

Tales of Xillia
von

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The Proof of Truths which Stand all Trials (Code J, Final Report)

Als Agent des zweithöchsten Ranges, den die Spirius AG ihren fleißigsten Arbeitern in Aussicht stellt, habe ich die Achtlosigkeit, von hinten überrascht zu werden, natürlich lange überwunden. Ich gewahre, wann das Knistern hinter mir der friedlich durch einen Strauch streichende Wind verursacht und wann der unaufmerksame Schritt eines Wilden Keilers, dessen Rippen sich vor ahnungsloser Zuversicht, mir Stück für Stück die Stationen seines Verdauungssystems vorführen zu können, erregt einziehen und senken. Und dennoch zucke ich jedes Mal, wenn die Klinge durch den Widerstand hin auf das Brett schlägt, eklatant auf meinem Stuhl zusammen.
 

Stunden zuvor hatte ich mich dieses simplen Duetts von Stahl und Holz mit einer angenehmen Sehnsucht erinnert. Der sichere, beschwingte Takt spendierte mir das Behagen, meiner grundlegendsten Aufgabe wieder einen Tag mehr zwar nicht erfolgreich, aber zumindest förderlich gedient zu haben. Und das sich charmant in die Nase stehlende Versprechen eines kulinarischen "Willkommen daheim" bedeutet kaum geringer einen Verlust, der die Sorge um den Schmerz in meinem linken Arm theatralisch erscheinen lässt.
 

Ich habe versagt.
 

Erneut ziehen sich meine Eingeweide zusammen, als das Messer neben das Brett fällt, akkompagniert von einem verärgerten Zischen. Jene mangelhafte Koordination ist so untypisch für ihn wie der hilflose Bammel für mich; ich weiß nicht, ob die daraus entwickelte Vermutung, die Katastrophe des Abends werfe nicht nur mich aus der Bahn, mich etwas beruhigen darf oder vielmehr ängstigen.
 

Mir ist klar, dass ich die Verantwortung trage, jetzt aufzustehen, mich umzudrehen und ihn festzuhalten – festzuhalten zu jedwedem Zweck, aus dem man jemanden festhalten möchte… oder muss. Jeder ist für seine eigenen Entscheidungen, Aktionen sowie deren Auswirkungen zur Rechenschaft zu ziehen und kann sie nicht auf irgendjemanden sonst abwälzen, nur weil sie sich nicht so ergeben haben, wie man es sich das vorstellte. Trotz dieses Bewusstseins, trotz der tiefen Enttäuschung über und der enormen Wut auf mich selbst rühre ich mich keinen Zentimeter weiter, als es das Erschrecken für mich tut. Wie ein Schuljunge, der am Mittagstisch eine miserable Note zu enthüllen hat, sitze ich steifgerade an dem mir zugewiesenen Platz und starre auf die Platte, in der sich die Leuchtröhren spiegeln, während er seine Arbeit wieder aufnimmt, ohne zur Packung mit den Pflastern gegriffen zu haben, falls er überhaupt weiß, wo sie sich befindet.
 

Nicht einmal dringen Worte hinter dem Schutz meiner Lippen hervor. "Sei vorsichtig" und "Ich werde dir etwas zu essen machen" lauteten die wenigen, die seit Marksburg zwischen uns gefallen waren, und sie sind alle von ihm gekommen. Dem so von sich selbst überzeugten, seine Überlegenheit ohne Rücksicht zur Schau stellenden Kronenagenten, Weltenzerstörer und erbärmlichen Bruder Julius Kresnik fiel kein Satz ein, diese von ihm selbst herbeigeführte Krisensituation zu entschärfen. Wann ist mir die Übersicht entglitten?
 

Mein sorgfältig organisiertes Testament ist in Flammen aufgegangen, zu einer widerstandslosen Pyramide aus Asche geworden, die verwehen wird, sowie die Panischen an ihr vorüberrennen. Schwere Wolken scharen sich über unseren Städten zu einem düsteren Heer, und über dem Handschlag von Rieze-Maxia und Elympios thront, unmöglich zu meiden, ein violetter Mond wie ein unverrückbarer Diktator. Die Stimmen der Menschen unter seinem zweifelhaften Schirm klingen intuitiv gedämpft, als würden sie befürchten, er könne jedes Wort verurteilen, und die Hoffnung, zuvor gestärkt durch die verheißungsvollen Annäherungen der beiden Nationen, wird hingeworfen wie ein vom Unwetter bedrohtes Fest. Nicht lange, und die schüchternen Souvenirs aus Rieze-Maxia in unseren Balkontöpfen und Simskästen werden eingegangen sein. Dies ist die Welt, die ich zurücklasse. Dies ist die Zukunft, der ich Ludger anvertrauen muss.
 

Mir ist schlecht, und als der gefüllte Teller vor mir platziert wird, muss ich einen Brechreiz hinunterschlucken. Tomatensuppe. Das Blattpaar Basilikum schwimmt inmitten des roten Pfuhls gleich den ausgelieferten Körpern seiner Freunde. Leia Rolando, der kleine Alfie… Selbst König Gaius und der Geist Muzét… Vermutlich wird nicht einmal der Tod mich von diesen Anblicken erlösen. Dr. Mathis und der Herr der Geister hatten ihre Hände ineinander verschränkt… Die junge Elize lag in den tröstlichen Armen Rowen Ilberts, ihre Wangen nass vor zerschmettertem Glauben…
 

Meine Augen fahren die Arme der Gestalt neben mir hinauf bis zu ihrem Gesicht. Die roten Spritzer kleben noch auf seinen Wangen. Hat er sie nicht bemerkt oder ist es ihm egal? Er lächelt.
 

Ich sollte die Zubereitung zu mir nehmen. Aktuell verschafft mir die Konfrontation mit ihr eine ähnliche Nervosität wie eine ohne Frage dumme Mutprobe, aber ich vermag seine Reaktion nicht abzuschätzen, wenn ich es nicht tue. Das ist wohl meine Strafe dafür, bisher derart verrückt nach seiner Tomatensuppe gewesen zu sein. Ich möchte nicht, dass ihm auffällt, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist, obschon es meine Pflicht darstellt, ihm exakt das klarzumachen. Was scheine ich durch mein Schweigen erreichen zu wünschen? Versuche ich bereits, eine für mich perfekte Splitterdimension um mich her zu errichten? Aus dem verdorbenen Material dieser unterganggeweihten Welt? Nein. Es ist gerade das Bewusstsein über jene Verdammung, die mich lähmt.
 

"Mach dir keine Sorgen." Er hat sich leicht über den Tisch geneigt, um meine Hände zu erreichen. "Selbst wenn sie es herausfinden: Sie können uns nichts mehr anhaben. Ich werde uns beschützen."

Bar der Notwendigkeit langer Überlegungen erfasse ich, dass er mit "es" seine entsetzliche Tat meinen muss und mit "sie" sämtliche Exekutive der Gesetze von Elympios und Rieze-Maxia. Leider schwant mir auch, was er mit "beschützen" meint. Und ich glaube ihm. Ich glaube ihm, dass er uns verteidigen kann. Sogar ein Kind könnte das in der diamantharten Rüstung des Chromatus.
 

Ich räuspere mich, ehe ich zu sprechen beginne. Ihm ist der verbale Staffelstab entglitten, den ich brauche, um endlich loszulegen, ohne nicht zu wissen, in welche Richtung. Ich darf diese Chance nicht aus Phlegma passieren lassen. Reiß dich zusammen, Agent. "Und die Folgen seines übermäßigen Gebrauchs? Hast du keine Angst um Elle?"
 

Als er daraufhin stockt, just des zuversichtlichen Lächelns beraubt, atme ich innerlich auf. Ich hatte befürchtet, er habe heute Abend jegliche Raison verloren, sei zu einem seligen Vollidioten geworden, doch dass der Name Elle sofort einen Alarm erwirkt, bezeugt mir das Gegenteil. Seine Züge verdüstert nun entschlossener Ernst – der gleiche, den ich auch oft im Spiegel erblicke. "Es muss noch einen anderen Weg geben, Julius", wiederholt er, weiterhin an meinen Händen festhaltend. "Ich werde ihn finden. Ich gehe nach Canaan und rette Elle. Ich werde Bisley aufhalten! Und dann wird alles wieder wie früher!"
 

Kaum erträglich schweres Mitleid ist alles, was meine Miene ihm darauf erwidern kann. "Glaubst du das wirklich?"

Anscheinend fasst er die Frage als ein Stück hoffnungsversprechenden Treibguts im teerigen Meer meines Pessimismus auf – eine Flaschenpost, die das Verlangen nach Rettung enthält. Ich wünschte, ich verfügte noch über den Optimismus, sie auszuschicken. "Ja", versetzt er, unterstrichen von einem Nicken, begleitet von einem Lächeln.

"Ich fürchte, du verstehst mich nicht…", muss ich ihn enttäuschen.

Doch er lässt es nicht zu: "Falsch. Ich habe dich niemals so gut verstanden wie heute. Was du auf dich genommen hast. Wofür du es getan hast. Ich war so blind. Aber jetzt sehe ich es endlich. Niemals war ich dir so nahe, Julius. Lass uns jetzt unsere Rollen tauschen."

"Du willst der flüchtige Dimensionsagent sein?", frage ich müde nach.

"Dein großer Bruder." Er lächelt unverändert. "…Iss etwas. Du brauchst Energie. Eine Nacht verbringen wir noch hier, aber morgen müssen wir aufbrechen."

Ich bin ehrlich erstaunt. "Wohin?"

"Nach Drellin", sagt er und steht auf. "Von dort aus über den Catamar-Gipfel zum Epsilla-See. Das ist eine verlassene Gegend; da wird uns erst mal niemand aufspüren."

Dass er so plant, zeigt mir, dass er sich der Intensität seines Verbrechens bewusst sein muss. Mir schaudert ob des Fehlens trotzdem jeglichen Anzeichens von Reue oder Zweifel. Und weil ich nicht mitbekommen habe, seit wann "Ich schneide mir den Weg frei" eine akzeptable Option für ihn darstellt. Gewalt sollte ihm nie näher kommen als im Bildschirm unseres Fernsehers. Und nun muss ich feststellen, dass sie ihm bereits so selbstverständlich zu sein scheint wie Zähneputzen.

"Julius, Elle, Rollo und ich…", murmelt er, außerhalb meines Sichtfeldes.

"Ludger…" Kein mir bekanntes Wort genügt, um meiner Verzweiflung adäquat Ausdruck zu verleihen. Selbst zum Weinen ist meine Motivation zu geschwächt.
 

Die wiederkehrenden Krämpfe in meinem Arm, meinen Schultern lassen die Suppe kalt werden. Ludger ist sofort zur Stelle. Mit der Geduld eines tadellosen Krankenpflegers hilft er mir bei der Wäsche, beim Umkleiden, obwohl er es eilig hat, zu packen. Er lädt mich auf der Couch ab, schaltet den Fernseher ein und direkt um, als er die Nachrichten laufen erkennt. Was danach geschieht, erlebe ich lediglich in weitestgehend unzusammenhängenden Fragmenten: Es klingelt mehrmals hintereinander; etwas Größeres fällt um. Vier runde Füße treten über meinen ruhenden Körper. Es donnert oder Schüsse aus einer Serie oder einem Film. Werbung und eine streichelnde Hand. Wasser rauscht draußen oder im Nebenraum, wo etwas kontinuierlich gegen die Fliesen schlägt. Ludger, ohne Blutspritzer, sitzt über mir und lächelt mich an. Ludger liegt still über meinem Schoß.
 

Es ist der Moment, in dem ich aufwache aus meinem Schlaf oder meiner Bewusstlosigkeit. Die TV-Anlage läuft weiterhin, allerdings nehme ich die Farbensprünge und das Geräuschpotpourri aus ihr nur wahr wie einen undefinierten Brei. Sie strahlt Ludgers Profil an, dessen Lid geschlossen ist. Meinen Blick hebend, kann ich in den unstetigen Lichtverhältnissen drei Koffer vor der Küchenzeile ausmachen. Gut gedacht, Bruder, aber schlecht umgesetzt: Das sind drei Koffer zu viel für eine Flucht vor der Verantwortung.
 

Ich senke ihn wieder. Lasse meine Hand behutsam über das Hemd, die Hose streichen. Er hat sich umgezogen; eine ungewöhnliche Kombination für ihn. Der Kontrast jener beiden bedeutungsträchtigen Farben ist derart enorm, dass ich mich frage, ob er sich nicht entscheiden kann, für weiß zu schuldig und für rot zu anständig zu sein. Womöglich ist er nur so zu einem Kompromiss gelangt.
 

In einer Tasche werde ich fündig. Ganz sacht ziehe ich an den Ketten, dabei die Aufmerksamkeit unbeirrt auf sein Antlitz gerichtet. Ich fange gar nicht erst an, mir vorzustellen, welche Konsequenzen das haben wird, sowie er aufwacht. Es ist eine Maßnahme, die ergriffen werden muss, und ich darf mich von meinen Gefühlen ihm gegenüber nicht ablenken lassen. Oder verleiten nicht gerade sie mich hierzu? Ich kann nicht behaupten, dass die Welt mich auf eine andere Art interessiere denn als Umgebung Ludgers. Sie sollte das Anwesen, der Spielplatz und die Schule sein, die ich um ihn her forme. Jetzt ist sie das unermessliche Sportfeld für seine Schattenseite. Der Chromatus hat ihm Blut schmackhaft gemacht und ihn die Würze unantastbarer Dominanz kosten lassen. In welchem Bilderbuch habe ich existiert, dass ich mich darauf verlassen konnte, er sei immun wider die Versuchung? Gerade mit Rücksicht auf seine labile Psyche darf man ihm doch nicht vorwerfen, diese raffinierten Zutaten fortan jeder Bestellung ungemütlicher Gäste beizufügen, die unverhoffte Superkraft zu verwerten. Er wollte etwas tun. Er wollte mich stolz machen. Meine Obhut hat ihn zu einem Leben in Sicherheit und Ohnmacht verdammt. Ich war der Überzeugung, ich könnte ihn ebenso zu meiner privaten Unterhaltung heranziehen wie Rollo, aber das Verlangen eines jungen Mannes geht nun einmal über Gummifischlis hinaus, und letztlich erwies sich sogar mein Kater der weiten, wilden Welt gegenüber alles andere als abgeneigt.
 

Unsere Uhren klackern, als ich sie mir um den Hals hänge; ich kann sie um ihre unbekümmerte Nähe zueinander nur beneiden. Indem ich sie ihm wegnehme, liefere ich Ludger dem nächsten Kommando aus, das kommt, um ihn einzusperren oder zu töten. Indem ich sie ihm lasse, gebe ich ihn unserem Fluch an die Hand, der ihn führen wird in eine stetig finsterer werdende Dimension der Leere. Sie ist es, die auf mich wartet, bis ich mich noch einmal verwandle. Egal, wo ich grabe: Kein Rinnsal wird die durstige Blume Hoffnung erreichen, wenn er sich auch den Epsilla-See wieder glitzernd träumt.
 

Vielleicht sollte ich… der Blume ein langsames Hässlichwerden ersparen… seinem Traum verbieten, zu enden.
 

Ich hatte das Folgende schon einmal durchgezogen.
 

Vielleicht wird mein… kaltblütiger Wille dieses Mal seine befriedigende Illusion nicht zertrümmern… sondern sie konservieren können.
 

Ich drücke meinen Daumen auf den fügsamen Hahn. Die Mündung zwischen den silbernen Strähnen zittert kein bisschen. Ich hätte nicht so weit gelangen können, wäre dies anders. Claudia Kresnik wäre mir zuvorgekommen.
 

…Aber wäre das so verkehrt gewesen?
 

Verrate mir, Ludger: Wenn wir dir die Entscheidung anvertraut hätten, wärst du bei ihr geblieben oder mit mir gegangen?
 

Ach…
 

Vergiss die Frage. Natürlich hättest du dich für sie entschieden, schließlich war ich zu diesem Zeitpunkt bloß ein fremder Rüpel, der an deiner Taschenuhr interessiert war.
 

Lass sie mich anders formulieren.
 

Wenn sie gestern zwischen deinen Freunden gestanden hätte…
 

Allein angesichts des Kokons deines Schlafes wage ich es, diese Forderung in meinem Verstand zu konstruieren. Jeder Entschluss öffnet uns Türen und schließt welche, und während wir oft nicht erahnen, was die neuen, noch dunklen Zimmer beinhalten, ist uns meist bewusst, was wir in den vergangenen zurücklassen. Wir handeln mit dem Schicksal, müssen etwas, das wir besitzen, gegen das, was es uns offerieren kann, einlösen. Du kennst das Prinzip von dem sehr trivialen Beispiel, wann immer ich zögerte, ob du mit den Tomaten ein Omelette zubereiten sollst oder ob ich mir lieber die Möglichkeit bewahren möchte, sie zu betrachten und über den Tag verteilt zu essen. Das ist nun einmal so, doch ich will dir dies so selten wie vermeidbar ins Bewusstsein rufen.
 

Sie hat mir demonstriert, wie glücklich du gewesen wärst, diese Welt, in der ich den Speer des Jägers durch deinen kleinen Körper gerammt hatte.
 

Es ist dieses Glück für dich, das ich dem Schicksal abzuringen versuchte, im Austausch gegen nichts, was ich besitze, sondern alles, was ich bin; und hier enden die Verhandlungen, und ich lösche erneut deine Existenz aus.
 

Ich bin einfach kein talentierter Geschäftsmann.
 

Ludger.
 

Schlaf gut.
 

Meine Augen schließen sich, während sich mein Finger um den Abzug windet. Das Letzte, was sie wahrnehmen, ist Rollo, der neben dem Esstisch sitzt, mich konzentriert beäugt und… nichts weiter. Ich öffne sie noch einmal. Rollos Aura ist umfangreicher als sein Leib; ich kann ihn nicht ignorieren, nicht ausblenden, und von abdrücken kann gar nicht erst die Rede sein, solange er dort hockt und mich anstarrt. Wahrscheinlich will er bloß einen Nachschub an Futter oder sorgt sich darum, wer es ihm morgen in den Napf schüttet. Andererseits darf ich ihm ausgerechnet jetzt nicht die Rolle des bewährten Wächters über meine Milde, meine Besonnenheit aberkennen. Stets spürte er sensibler als ich selbst, sowie ich mir zu viel zugemutet hatte. Dann drängte er sich mir auf und forderte schonungslos Streicheleinheiten ein, bis ich wieder ausgeglichen war.
 

In diesem Moment kommt er nicht, als setze er seinem Dienst eine Bedingung voraus, als erwarte er zuvor von mir, einzusehen, dass seine Flauschigkeit nicht über alles hinwegzutrösten vermag. Irgendwo muss Schluss sein, und es handelt sich um jenen schwarzen Raum, den ich betrete, nachdem ich meinen Bruder getötet habe und alle anderen Türen hinter mir zufallen. Dem Labyrinth der Entscheidungen sind unsere Intentionen gleichgültig, und für wie barmherzig ich die meine auch gehalten habe: Nichts berechtigt mich dazu, Ludger ein weiteres Mal die Bestimmung über seine Zukunft zu entreißen. Wenn ich mir meiner Fehler schon bewusst genug bin, um seitenlang über sie zu jammern, sollte ich auf der letzten endlich beginnen, aus ihnen zu lernen.
 

Der Lauf der Spirius-4304 gleitet von seiner Schläfe; ich stecke sie ihm zurück in das Halfter. Keine Sekunde später hopst Rollo zwischen uns und drückt schnurrend sein Köpfchen in meine nun freie Hand. Weshalb, weiß ich nicht – aber ich verspüre Erleichterung. Als Ludger, auf dessen Rücken Rollo turnt, süchtig nach meiner Hinwendung, zu sich kommt, sich vorsichtig erhebt und mich errötend zur Kenntnis nimmt, sieht er mein ehrliches Lächeln.
 

Dann schließe ich ihn in eine Umarmung.
 

"Bleibt bei mir… Bitte bleibt bei mir, bis es vorbei ist. Bitte, Ludger."
 

Er erwidert sie.
 

Und er bleibt.
 

Jede Sekunde.
 

Der Zug Richtung Drellin fährt ohne uns drei. Die Morgen grauen, die Abende dämmern. Tage brechen an, und Nächte spannen sich über uns, aber es beeinflusst unser Handeln nicht im Geringsten. Wir haben keine Fahrkarten mehr, um uns weiter mit der Welt zu drehen. Sie hat uns aus dem Karussell geworfen, und dort bleibe ich zufrieden liegen, wie er nun bei mir.
 

Julius und Ludger Will Kresnik – Ende.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Yuugii
2018-03-22T13:45:49+00:00 22.03.2018 14:45
Toller Schreibstil! Ich hätte mir nur mehr Dialoge gewünscht. Insgesamt fand ich das Kapitel aber sehr schön geschrieben, ausführlich und die Wortwahl spiegelt Julius auch wieder. Zudem liegen dir die Metaphern. Diese sind sehr passend in Szene gesetzt. Ich gestehe, dass ich ToX2 sogar ein bisschen besser als den ersten Teil finde, was einfach an Julius' und Ludgers Band liegt. Da steckt einfach so viel Drama und Liebe hinter, umso schöner, dass du das in deiner FF nochmal aufgreifst. ♥


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