Zum Inhalt der Seite

Fliegen

Alles für die Freiheit
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der skrupellose Käpt´n – für mich, für andere, für alle

Seufzend stand ich an Deck. Der Verband um meinen Bauch störte mich. Aber sonst würde der Stoff meines Shirts die ganze Zeit an der Narbe reiben.
 

Kid war vergangene Nacht aus dem Zimmer gerannt und war kurz darauf wiedergekommen. Er hatte mir etwas auf die Narbe geschmiert, mich aufrecht hingesetzt und einen Verband herumgewickelt.

Ich hatte ihn gefragt, ob er etwas von Medizin verstehe, doch er verneinte. Was er draufgeschmiert hatte, kommentierte er mit ‚eine Salbe halt‘. Er erklärte mir, dass Rock sie gemacht hatte. Er war ein Schiffsarzt. Das hatte ich davor auch noch nicht gehört.
 

Heute Morgen hatte er mich zwar festgehalten, aber nicht wie zuvor kochen wollen. Einfach nur einen Arm um mich gelegt. Ich war sogar richtig gut aufgewacht und hatte dann schön geschlafen. Von ihm war seither auch keine weitere blöde Bemerkung gekommen und so konnte ich den Tag bisher genießen und mich erholen.
 

Das Training hatte er mir verboten und ich sollte auch möglichst viel im Bett liegen. Doch der Kerl konnte mir die frische Luft nicht entziehen. Wäre ja auch noch zu schön um wahr zu sein.

„Dürfen wir heute wieder an deiner Comedy-Show teilhaben?“, Killer lehnte sich mit dem Rücken zur Reling neben mich.

„Nein, heute nicht.“

„Was ist denn mit dir los?“

Ob das nun besorgt klang oder nicht – ich hatte immer noch keine Ahnung. Wieso musste der Kerl auch immer eine Maske tragen?

„Nix“, meine Stimme verklang im Nichts.

„Sicher, Kleines?“, er beugte sich zu mir rüber.

„Mh“, antwortete ich ihm kurz und stieß mich von der Reling ab, langsam bekam ich Hunger.

Ich wollte zur Kombüse. Heat machte Frühstück und ich hoffte er war bereits fertig. Schon seit ein paar Stunden hatte ich Hunger, aber ich wollte nicht selbst etwas machen. Trotz Sklavin war ich keine besondere Köchin. Ich hatte es nie gelernt und sonst hatte ich auch nur immer als Servierkraft alles gemacht. Ich durfte meinem Herrn hinterher rennen und Sachen nachtragen. Putzen. Und Dinge, die ich vergessen wollte.
 

„Hey, Schatz“, begrüßte mich der Grauhaarige.

Langsam hatte ich mich an die Kosenamen gewohnt, auch wenn sie mir nicht wirklich gefielen.

„Bist du schon fertig? Ich hab Hunger“, grinste ich und schaute an ihm vorbei, obwohl er versuchte mir den Blick zu verwehren.

„Gleich, ich brings dir hoch.“

„Werd ich jetzt bedient?“

„Aber sicher doch Prinzesschen.“

„Dummkopf“, scherzhaft streckte ich ihm die Zunge raus und ging dann schnell nach oben.

Seufzend setzte ich mich auf einen der Stühle. Meine Narbe schmerzte. Stöhnend verschränkte ich meine Arme auf dem Tisch und legte meinen Kopf darauf.

Grüne Wiese, Blumen, Vögel, Hundebabys, Wattewolken, weiche Kissen, …

„Was machst du?“, der Feuerspucker kam mit zwei Tellern die Treppe hoch.

„Ach, nichts“, ich setzte mich schnell aufrecht hin.

Geholfen hat die Ablenkung sowieso nicht.
 

Heat stellte mir den einen Teller vor die Nase und setzte sich mir gegenüber hin. Verblüfft sah ich darauf herab. Der Teller war fast schon überladen voll.

„Was ist das?“, ich zeigte auf die drei Brotscheiben in der einen Ecke.

„Ich hab Brot in einer Eiermilch eingeweicht und dann angebraten. Danach hab ich Zucker und Zimt drüber gestreut.“

„Ah.“

Es klang lecker, obwohl ich mir nichts unter dem Geschmack vorstellen konnte.

Der Rest des Tellers war mit Obst überschüttet. Trauben, Erdbeeren, Apfelschnitze, Ananasstücke – kunterbunt.

„Du brauchst Vitamine, du siehst etwas krank aus“, grinste er mich an.

„Danke“, schon steckte ich mir einen Apfelschnitz in den Mund.

Köstlich sauer und knackig. So liebte ich Äpfel. Ich hatte früher fast ausschließlich mehlige essen können. Welche, die nicht mehr ganz so gut waren. Das Beste vom Schlechten eben.

Nach weiten kleinen Häppchen in der Obstabteilung wagte ich mich an das Brot. Ich nahm Messer und Gabel und schnitt etwas davon ab. Kurz bevor ich es mir in den Mund stecken konnte, kamen Wire, Rock und Killer zur Tür hinein gestürmt. Abrupt bremsten sie ab und musterten uns finster.

„Euer Essen steht unten – holts euch selbst“, kommentierte Heat und biss von seinem Wurstbrot ab.

„Na super“, brummten die drei und machten sich auf den Weg.
 

Meine Laune sank in den Boden. Wenn der Tag so anfing, wollte er keinen Spaß machen. Schnell schob ich mir den Bissen in den Mund und versuchte die drei zu ignorieren. Das Brot schmeckte überraschend gut. Schnell war die erste Scheibe verschwunden.

Ich versuchte mich zu beeilen, ich wollte so wenig wie möglich von ihrer Stimmung mitbekommen. Doch die drei aßen relativ ruhig.

„Heute gibt’s keine Lacher?“, wollte Rock breit grinsend wissen.

„Nein, gibt’s nicht“, Kid hatte die Tür hart aufgestoßen, die knallte gegen die Wand dahinter, „ihr geht’s nicht gut und eigentlich sollte sie im Bett bleiben“, böse funkelte er mich an.

„Das sollte ich als Arzt aber wissen“, er musterte mich skeptisch.

„Es ist nichts ernstes“, ich erwiderte den Blick des Käpt´n.

„Du gehst zurück ins Bett“, knurrte er.

„Das werd ich nicht“, trotzig stand ich auf und nahm meinen leeren Teller.

Eilig räumte ich meinen Teller in die Kombüse und verschwand. Würde diese Diskussion länger anhalten, würde ich einknicken – wie jedes Mal. Aber zurück in mein Zimmer wollte ich nicht. Und an Deck dürfte ich mir das gleiche wieder anhören. Ziellos schlenderte ich durch das Schiff. Am Ende des Ganges war eine Tür, die meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Die zwei Zimmer der Jungs waren in einem anderen Teil des Schiffes, das wusste ich. Heat hatte mir gesagt, dass in den beiden Zimmern momentan je vier Betten standen. Killer schlief momentan allein in einem Raum. Der Rest besetzte das andere.
 

Ängstlich sah ich mich um. Gut möglich, dass Kid mir gefolgt war. Aber der Gang hinter mir war leer, so traute ich mich näher an die Tür heran und legte meine Hand auf die Klinke. Die war doch recht verstaubt. Ich erwartete schon eine Gefängniszelle mit einigen Skeletten und zwei vermoderten Leichen. Als ich die Tür aber öffnete, breitete sich vor mir ein großer Raum vor mir aus. Er hatte einige Fenster mir gegenüber und an den übrigen Wänden waren hohe Regale.

Stutzend blieb ich stehen. Ich erinnerte mich. Killer hatte mir die Bibliothek gezeigt, doch da hatte sie kleiner ausgesehen und nicht so verstaubt. Oder hatte ich das falsch in Erinnerung? Ich fand es schade. Bücher einfach so ihrem Schicksal zu überlassen. Verstauben lassen. Nicht mehr nutzen. Bücher waren zum Lesen da. Ich würde sie gerne lesen, wenn ich es denn könnte.
 

„Was machst du hier?“, ertönte die tiefe Stimme von Kid.

Er stand im Türrahmen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich in den Raum gelaufen war.

„A-ach nichts“, traurig senkte ich den Blick.

„Willst du was lesen?“, er trat neben mich und sah sich um, „die haben den Raum ziemlich verstauben lassen“, brummte er, „also“, er drehte sich zu mir, „möchtest du?“

„Ich kann nicht lesen“, erklärte ich.

„Was?“, grinsend sah er mich an.

Ich konnte in seinen Augen deutlich lesen wie er überlegte und sich einen Scherz ausdachte. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Bald würde die nächste Erniedrigung folgen. Darauf konnte ich verzichten.

„Na los. Mach deine Scherze, dann hab ich‘s hinter mir“, ich war auf alles gefasst.

„Soll ich‘s dir beibringen?“

Auf wirklich alles … aber nicht auf das!!
 

Mein Kinn fiel wie eine Klappe nach unten. Ich konnte es nicht fassen. Meine Augen weiteten sich ungläubig.

„W-wie bitte?“, brachte ich nach fünf langen Minuten raus.

„Du hältst mich für den skrupellosen Käpt´n nicht wahr?“

„Wer bist du sonst?“, ich zuckte mit den Schultern.

„Ich will, dass die anderen mich für den skrupellosen Käpt´n halten.“

„Für was soll ich dich dann halten?“

„Für einen verrückten Käpt´n … vielleicht“, sein Blick wanderte an die Decke und er grinste breit.

Verwirrt zog ich die Nase graus und versuchte mit den Gedanken hinterher zu kommen. Doch mein Kopf wollte nicht so richtig.

„Su“, er sah mich an.

Ich schüttelte meinen Kopf um wieder klar denken zu können und auch klar sehen konnte. Er legte seine Hände auf meine Schultern und sah mich direkt an.
 

„Solange meine Mannschaft hinter mir steht, kann ich der liebevolle Käpt´n für alle sein. Sollte sich aber einer gegen mich stellen, werd ich zum grauenhaften Monster für alle. Wobei das erste eher unwahrscheinlich ist. Ich bin weniger liebevoll, ich bin mehr … ähm … sagen wir doch eher, wir kommen miteinander aus“, er streckte mir kurz die Zunge raus.

„Äh …“

„Hat‘s dir jetzt die Sprache verschlagen?“

„Aber…“

„Find dich damit ab. Du gehörst jetzt zu unserer Mannschaft. Zu meiner Mannschaft. Ich hab bisher noch nichts von der kleinen Sklavin gesagt. Aber ich kann das gerne ändern – wenn du magst. Also nimm es jetzt einfach mal hin.“

Mir blieb wirklich die Sprache weg. Also nickte ich. Ich verstand es einfach nicht.

„Du bist keine Sklavin mehr. Du gehörst jetzt hierher, auch wenn du dich noch nicht wirklich ein Teil der Mannschaft fühlst. Wir helfen uns, auch wenn wir nicht so aussehen. Überleg es dir, Kleines.“

„Der Sinneswandel kommt so plötzlich“, brachte ich nur noch fast tonlos heraus.

Er lächelte: „Du hast auch eine schlechte Nacht hinter dir. Und ich schwöre, wenn du dich überanstrengst in den nächsten Tagen, dann bin ich der erste der sagt: ‘Ist deine eigene Schuld‘.“

Unwillkürlich musste ich kichern. DAS wiederum konnte ich mir gut vorstellen.
 

„Käpt´n“, Rock kam den Gang entlang gerannt.

Schnell ließ Kid von mir ab und drehte sich um: „Was denn?“

Jetzt klang er wieder verärgert und eigentlich wie immer.

„Land in Sicht.“



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück