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Cry of the Spirits: The Forgotten Night

von

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Kapitel 3

Kapitel 3

Bei Körper und Seele
 

Miles war spurlos verschwunden. Bei genauerem Betrachten war das Dorf doch relativ überschaubar, weshalb Evan schnell die Straßen zwischen den teilweise verfallenen Häusern durchsucht hatte. Aber er hatte keinen Hinweis auf den Verbleib seines Freundes finden können. Es herrschte eine totenstille. Nur der Wind und ein leichtes Rauschen der Blätter waren zu hören. Doch diese leichte, ausblendbare Geräuschkulisse fühlte sich an wie ein schwacher Deckmantel einer bedrohlichen, unheimlichen Stille, die wie ein zu fest zugeschnürter Gürtel auf den Magen drückte. Doch war Evan alleine? Nein, war er nicht, davon war er überzeugt. An seinem Leib konnte er permanent das Gefühl spüren von jemand beobachtet zu werden. Die Anwesenheit einer Person war deutlich zu spüren. Doch es war keine wohlseiende Empfindung von Gesellschaft. Evan fühlte sich dennoch allein, isoliert und hatte deutlich den Eindruck einer Gefahr im Nacken. Das war ihm mittlerweile bewusst, dass die ruhelosen Seelen der ehemaligen Einwohner über sein Dasein nicht erfreut waren. Mit jedem Meter, den er voranschritt, wurden diese Gefühle intensiver. Er rechnete jeden Moment damit, dass ihn von hinten etwas anfassen würde.

Evan betrat eines der wenigen Häuser, die noch relativ intakt zu sein schienen. Die Eingangstür hing nur noch in Einzelteilen in den Angeln und stand dazu auch weit offen. Nach einem kurzen, kahlen Flur, fand er sich im Wohnzimmer wieder, welches überraschenderweise sogar noch voll mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen war. In der Mitte stand ein alter Holztisch, auf den einige vergilbte Kaffeetassen standen. Drumherum befand sich ein Sofa aus altem, braunen Leder, das stark vermodert und ausgefranzt war, sowie dazugehörige Sessel. Von der Decke hingen lange, dichte Spinnenweben und vereinzelt Glühbirnen, die aber nicht mehr zu funktionieren schienen, genauso wie die braune Deckenverkleidung aus Holz, die schon teilweise abfiel. Eine beigefarbene Tapete hing nur als Fetzen an der Wand und enthüllte die graue Steinmauer darunter. Die Wand wurde dazu auch noch von ein paar vereinzelten Gemälden geziert, die aber schon zu alt waren, um wirklich ein Motiv zu erkennen. Eines davon schien vielleicht einmal das Bild eines Schiffes gewesen zu sein. Auf einer Seite des Raumes befand sich auch ein Kamin, auf dem zwei alte, mittlerweile verrostete Kerzenständer standen. Dazwischen lang ein kleiner, zerbrochener Bilderrahmen. Gegenüber, auf den Tisch gerichtet, stand ein kleines, halb zerfallenes Regal, auf das ein kleiner Röhrenfernseher stand. Zumindest war das mal ein Fernseher, jetzt war davon nur noch das Holzgehäuse übrig, in dem ein paar einzelne elektrische Teile lose lagen. Zerbrochene Holzbretter auf der anderen Seite der einstigen Wohnstube zeugten davon, dass das wohlmöglich ein größerer Schrank gewesen ist. Hinter dem Tisch mit dem Sofa, also gegenüber dem Eingang, befand sich ein weiterer Flur. Wegen der drückenden Dunkelheit war nicht zu erkennen, wo dieser hinführte. Als Evan noch einmal seine Blicke durch das Wohnzimmer schweifen lies, ging er darauf zu. Die hölzernen Bodendielen knarzten laut beim Darüberlaufen. Diese Geräusche, die durch die Stille hallten, fühlten sich wie Bombenexplosionen an. Bei jedem Schritt hoffte er, dass das nicht auf ihn aufmerksam machen würde. Und dann ertönte ein lauter Knall. Evan erschrak und zuckte dabei so zusammen, dass er seine Taschenlampe fallen ließ. Der Schock hatte seinen Puls schlagartig ansteigen lassen, sodass er bei jedem Herzschlag einen drückenden Schmerz im Hals spürte. Einige Momente blieb er kurz stehen und atmete tief durch, ehe er mit zittrigen Händen nach seiner Taschenlampe griff. Diese Bewegung fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an. Zentimeter für Zentimeter näherten sich seine Finger der Lichtquelle. Fast hatte er sie erreicht, bis er plötzlich einen starken Druck an seinem Handgelenk spürte und seinen Arm Richtung des Bodens zerrte. Er wehrte sich mit aller Kraft dagegen, aber die fast durchsichtige Hand, die er in der Dunkelheit schwach erkennen konnte, war sehr stark. Mit aller Kraft stemmte er seine Beine dagegen und zerrte nun auch mit seiner anderen Hand entgegen. Aber dann ließ die Geisterhand so schnell los, wie sie gekommen war, wodurch die Gegenkraft verschwand und Evan nach hinten umfiel. Einen kurzen Augenblick versuchte er sich zu sammeln, ehe er blitzschnell diesmal erfolgreich nach seiner Taschenlampe griff und er auf allen Vieren rückwärts sich in eine Ecke verkroch. Zugegeben, er hatte mit etwas derartigem gerechnet. Doch es nun tatsächlich zu erleben, löste den Schock seines Lebens aus. Nun saß er hier und wusste nicht weiter. Seine Knie waren noch viel zu schwach und sein ganzer Körper zitterte zu sehr, um weiter zu gehen. Vorsichtig blickte er sich mehrere Male in dem Raum um. Erst jetzt erkannte er, dass von dort wo der Knall herkam, ein altes Klavier stand, dessen Abdeckung für die Tasten zugefallen ist. Er atmete mehrmals tief ein und aus. So verbrachte er noch einige Minuten, bis er sich wieder etwas beruhigt hatte. So war er sich nun auch etwas sicherer, dass er nun weitergehen konnte. Beim Aufstehen drehte sich kurz alles und er merkte, wie ihm durch das heftige Erschrecken schwindlig wurde. Aber das konnte er jetzt vernachlässigen. Mit noch langsameren Schritten als zuvor wollte er wieder auf den Flur zugehen, doch dann erkannte er eine Tür neben dem Klavier. Diese schien einst weiß lackiert gewesen zu sein, jedoch war die Farbe teilweise abgeblättert und von Dreck und Spinnenweben überzogen.

Evan betätigte den rostigen Türknopf. Jedoch war dieser verschlossen. Zumindest öffnete sich die Türe nicht. Eigentlich war er darüber sogar etwas froh. Denn er konnte ja nicht wissen, was sich dahinter befand. Und nach dem Erlebnis von eben war er sich nicht einmal sicher, ob er das wissen wollte. Also ging er zu dem Flur, zu dem er schon zuvor wollte. Ein mittellanger Gang, mit einem zerfallenen Regal auf der rechten Seite. Ihn packte doch die Neugierde und er öffnete eine der Schubladen. Darin befand sich nur Staub. Also öffnete er die zweite der drei Schubfächer. Dort entdeckte er einen alten Zettel, der schon fast vollständig ausgeblichen war. Nur schwach konnte er die Schrift erkennen. Einer der Sätze schien zu sagen: bis zu der Nacht, liegen die Erinnerungen im Garten begraben. Er hatte zwar überhaupt keine Ahnung, was dies bedeuten sollte, aber er legte den Zettel zurück und ging weiter. Die linke Wand wurde immer niedriger. Es war die Treppe in das nächste Stockwerk. Am Fuße der Treppe lag ein Durchgang in einen anderen Raum, während am Ende des Ganges eine weitere Eingangstür war, die man allerdings mit Brettern vernagelt hatte. Also ging Evan durch den Durchgang und fand sich in der Küche wieder. Diese war zwar noch voll eingerichtet, aber am Design der Möbel zu urteilen wurde diese seit den 50ern nicht mehr berührt. Vermoderte Regale Ständen an den Wänden, die allerdings nicht mehr zu gebrauchen waren, ein Gasherd, der aber schon stark verrostet war. Genauso verrostet wie der Kühlschrank, der offen stand. In diesem lagen sogar noch Verpackungen alter Lebensmittel. Aber wegen des Alters konnte man nicht einmal mehr erkennen, was das für Produkte waren. Neben dem Herd war auch noch ein Spülbecken, in dem die Überreste alter Töpfe lagen. Scheinbar warteten diese schon seit über 60 Jahren darauf geputzt zu werden. In der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch, mit mehreren Holzstühlen drumherum. Einfach ohne groß darüber nachzudenken holte Evan das alte Aufnahmegerät aus seinem Rucksack heraus, das er zuletzt in dem Haus der alten Frau vor fünf Jahren benutzt hatte. Er wusste ja, dass hier ein Geist war. Mindestens einer. Vielleicht würde der ja mit ihm sprechen. Das neue Band hatte er schon Zuhause eingelegt. Jetzt drückte er nur noch auf Aufnahme.

„Bist du hier?“, fragte Evan direkt ins das Gerät und hielt es danach in den Raum.

„Wie ist dein Name?“

„Wie bist du gestorben?“, fragte er mit jeweils immer einem Moment Pause dazwischen, um den Geist eventuell Zeit für eine Antwort zu lassen.

„Wieso willst du mich nicht hier haben?“, fragte er, während er sich umdrehte. Und in dem Moment sah er im Flur eine Person an dem Durchgang vorbeigehen. Evan stoppte die Aufnahme und folgte der Gestalt. Doch draußen im Flur angekommen war diese schon verschwunden. Vielleicht war der Geist ja die Treppen nach oben gegangen. Obwohl Evan einen Moment darüber nachdachte dort hinaufzugehen, entschied er sich dann doch dagegen. Durch das Mondlicht, das durch die Fenster schien, gab es im unteren Stockwerk zumindest eine ganz schwache Lichtquelle. Aber von oben war nichts als gähnende Schwärze zu erkennen. Er war sich sowieso sicher, dass Miles nicht hier war. Mit diesen Böden wäre er von oben zu hören gewesen. Also entschied sich Evan das Haus zu verlassen.

Das bedrohliche Gefühl in seinem Nacken war stärker als je zuvor. Nun wusste er ja, dass hier etwas gewesen ist. Aber er schaffte es ohne einen weiteren Zwischenfall nach draußen. Vielleicht wollte das der Geist ja auch einfach nur.

Wieder im freien lehnte sich Evan gegen die Außenmauer des Hauses und spulte die Kassette zurück, um anschließend die Aufnahme wiederzugeben.

„Bist du hier?“, hörte er seine Stimme. Eigentlich hasste er es seine eigene Stimme in Aufnahmen zu hören, da er sie als einfach grässlich empfand. Doch auf seine Frage erhielt er keine Antwort.

„Wie ist dein Name?“, und auch da wieder keine Antwort.

„Wie bist du gestorben?“, auch da keine Reaktion.

„Wieso willst du mich nicht hier haben?“

„Wir sind nicht tot“, war dann plötzlich doch eine leiste, fast schon flüsternde Stimme eines Mannes zu hören.

„Die Nacht des Vergessens darf nicht passieren“, fuhr die Stimme fort, ehe sie wieder verstummte. Fassungslos starrte Evan auf das Aufnahmegerät. Er wusste nicht, was diese Worte bedeuteten. Doch er hatte nun unwiderlegbar die Stimme eines Geistes aufgenommen. Allerdings wusste er nicht, ob er sich freuen oder Angst haben sollte.

Noch immer auf das Gerät starrend bemerkte er nicht die Gestalt, die nun vor ihm stand. Diesmal erschrak er aber auch nicht, schaute allerdings dennoch nur vorsichtig hin. Erleichterung, aber auch Verwunderung machte sich in ihm breit. Er erkannte die Gestalt sofort. Ein Junge, der Evan etwa bis zum Kinn ging, mit etwas längeren, hellblonden Haaren, die er unter der Kapuze seiner hellblauen Kapuzenjacke versteckte. Es war Kenta, der kleine Bruder von Miles Freundin. Dieser war nun die letzte Person, mit der er gerechnet hätte.

„Kenta? Was machst du denn hier?“, fragte er verwundert.



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