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Lilienkampf

von

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Wieder allein

Jetzt, wo Sina es sowieso schon bemerkt hatte, dass zwischen Tim und mir irgendwas gelaufen war, und ich sie mit ihrer süßen und direkten Art eh schon ins Herz geschlossen hatte, konnte ich es auch zugeben. Nach langen drum herum erzählte ich ihr schließlich von dem Kuss. Wie ich dabei fühlte und wie sehr ich es genoss. Dass ich mir wünschte, er hätte länger angedauert, aber wir leider gestört wurden.

„Warum gibst du nicht einfach zu, dass Tim dir wichtig ist?“, fragte Sina leicht lachend, nachdem ich mich mit rotem Kopf von ihr abgewandt hatte.

„Ich kenne ihn doch nicht einmal. Ich weiß nicht, wie er es macht, aber er gibt mir die Kraft wieder weiter zu machen. Wieder zu kämpfen. Das kann man nicht als lieben bezeichnen. Vor allem... hast du mich mal angesehen? Nicht nur, dass ich eine Last für ihn wäre, ich würde mir nur unnötige Hoffnung machen“, antwortete ich leise und merkte, wie sehr es schmerzte zu wissen, nie eine wirkliche Chance haben zu können. Nicht, dass ich eine wollte. Denn ich mochte ihn nicht. Er war ganz nett, aber das war auch schon.

„Das ist doch vollkommen egal. Außerdem hätte Tim den Kuss nicht erwidert, wenn er nicht so ähnlich fühlen würde. Du machst dir deswegen viel zu viele Gedanken. Hör auf das, was dein Herz dir sagt. Etwas dagegen unternehmen kannst du sowieso nicht“, sagte sie und schenkte mir von der anderen Seite des Zimmers ein Lächeln.

Ich dachte über ihre Worte nach. Klar, man konnte sich nicht aussuchen in wen man sich verliebt. Und ja... ein wenig war Tim schon dankbar, dass er mir in den Arsch getreten hat, damit ich wieder eine Therapie mache. Zumindest mehr oder weniger, denn ich weigerte mich darüber nachzudenken, dass tatsächlich er der Grund gewesen war, dass ich mich wieder aufraffte. Dass er schuld daran war, wieso ich begann zu kämpfen. Er verantwortlich ist, weshalb ich die Schmerzen wieder auf mich nahm. Dass ich wegen ihm mir freiwillig die Seele aus dem Leib kotzte. Er mich überredet hatte, doch nicht aufzugeben. Ich seinetwegen begann wieder zu Lächeln. Und erst recht nicht gab ich zu, dass er meinen Herzschlag erhöhte, meine Wangen rot färben konnte, es mir die Sprache verschlug, wenn er auch nur den Raum betrat.

Nein so war es nicht. Definitiv nicht.

Trotzdem wünschte ich mir im Moment nichts sehnlicher, als dass er den Raum betreten würde und dieses Unbehagen ihm gegenüber klären konnte. Was der Kuss für ihn bedeutete. Und, ich wusste nicht wieso, ich hatte das Gefühl, mich bedanken zu müssen.
 

Montag – Dienstag – Mittwoch – Donnerstag – Freitag – Samstag – Sonntag.

Eine ganze Woche wartete ich darauf, dass Tim mich besuchte. Jedes Mal, wenn jemand den Raum betrat, bekam ich Herzklopfen, weil ich dachte, jetzt würde ich wieder in diese smaragdgrünen Augen sehen und sein Lachen hören. Aber er kam nicht. Nicht einmal hatte er sich seit dem Kuss blicken lassen. Nicht mal Anzeichen gab es dafür, dass er Absichten hatte, je wieder zu kommen.

Nicht einmal seine Nummer hatte ich, damit ich mich erkundigen konnte.

Mich plagten unendliche Fragen. Und niemand konnte sie mir beantworten. Hat es ihm nicht gefallen? Empfindet er überhaupt so wie ich? War er auch so ein Bad Boy, der jeden ausnutze? War das für ihn nur ein Spiel? Warum sollte ich dann überhaupt eine Chemo machen?

Ich empfand Trauer und Einsamkeit. Dachte, dass sich vielleicht wirklich alles zum Guten wenden könnte, aber ich war naiv. Wie konnte ich auch nur ansatzweise glauben, dass sich wirklich jemand mit mir abgeben wollen würde. Ich lebte ein Leben lang im Krankenhaus und werde auch weiterhin für eine unbestimmte Zeit hier bleiben. Ist doch klar, dass sich das keiner freiwillig antun will.

Meine Gefühle wandelten sich in Wut und Enttäuschung um. Aber weniger auf Tim, doch beinahe auf mich selbst, weil ich wirklich geglaubt habe, dass ich jemanden gefallen könnte. Wie lächerlich.
 

„Mach dich nicht so fertig. Vielleicht ist ihm etwas dazwischen gekommen und hatte bisher einfach keine Zeit her zu kommen“, versuchte mich Sina zu trösten. Doch auch ihr war diese Unsicherheit sehr deutlich anzuhören.

„Er könnte trotzdem wenigstens kurz Bescheid sagen“, sagte ich schnippisch und kämpfte gegen die Tränen. Auch wenn es eigentlich keinen Grund zu heulen gab. Denn wie gesagt: Ich mochte ihn ja gar nicht. Und jetzt erst recht nicht mehr.
 

Aber letzten Endes stand ich genau da, wo ich zu Beginn auch war. Ich war alleine. Schon wieder. Wieder musste ich die Chemotherapie ohne Hilfe durchstehen, dabei hatte ich gehofft, Tim würde mir dieses eine Mal zur Seite stehen können. Zwar nicht unbedingt mit zu viel Körperkontakt, aber seine Anwesenheit gab mir das Gefühl, dass er mich unterstütze.

Vielleicht habe ich auch wirklich gedacht, er wäre ein guter Grund weiter zu machen. Ich wusste nicht, was ich mir dabei gedacht hatte. Es war eine Sekundenentscheidung.

Ich wollte schon wieder aufgeben. Aber nein. Ich hatte mich dagegen entschieden. Ich wollte es beweisen, dass ich das schaffe. Es mir beweisen. Und Tim. Dass ich ihn nicht brauchte, um die Chemo zu überstehen. Ich brauchte niemanden, um leben zu können. Denn ich war stark genug, um diese Krankheit zu besiegen und von niemanden würde ich mich je wieder entmutigen lassen. Ein plötzlicher Kampfgeist hatte sich entwickelt, wollte jedem zeigen, der mich verletzte, dass man mich nicht so schnell niederstrecken konnte.

Aber vor allem musste ich es mir selbst beweisen. Dass ich das alles wirklich für mich und nicht für jemand anderen tat. Weil ich mich selbst bestätigen wollte, dass nicht Tim der Grund war, weshalb ich die Papiere unterschrieb. Nicht wegen ihm.
 

Zudem hatte ich eine tolle neue Bettnachbarin, die mich in allem unterstütze. Sina war in der einen Woche wirklich zu einer guten Freundin geworden. Ich hatte das Gefühl, ich würde sie sogar besser kennen als Tim. Wir konnten viel lachen und sie schaffte es wirklich mich von Tim, dem Kuss und all den verwirrenden Gefühlen abzulenken. Ich konnte mit ihr lachen und wir machten Blödsinn, dass sich selbst die Ärzte wunderten, seit wann ich wieder so glücklich war. Zumindest war ich es immer eine kurze Zeit lang. Immer Tagsüber, wo ich mit Sina über jeden Scheißdreck reden konnte. Aber nachts, war ich doch wieder mit meinen Gedanken und Erinnerung allein. Und ich könnte mich selbst Ohrfeigen, dass ich es zuließ, dass dieser Kuss mich so sehr verletzte. Zumindest das Gefühl, was er in mir ausgelöst hatte.
 

Auch heute war einer dieser Tage, an denen ich mir wünschte, der Chemo doch nicht zugestimmt zu haben. Ich lag wieder mal in diesem Therapieraum um mir die Infusion anlegen zu lassen. Jedes Mal, wenn ich hier lag, musste ich an ihn denken. Er bahnte sich in mein Gedächtnis, so dass ich es nicht aufhalten konnte. Jedes Mal sah ich ihn vor mir. Sah seine Augen, konnte seine Stimme hören. Meinte, seine Finger in meinem Nacken und seinem Atem auf meiner Lippe zu spüren. Ich betrat den Raum mit dem Wissen, dass ich die nächsten Stunden an nichts anderes mehr denken konnte, als an ihn. Es war die reinste Folter.

Wieder übergab ich mich in eines dieser entmutigenden Pappschälchen, die die Form einer Niere hatten. Sehr aufheiternd.

Ich hörte wie die Glastür geöffnet wurde und wie sich eine Hand, aber zu leicht und zu sanft, dass es Tims sein könnte, auf meine Schulter legte. Als ich mich schließlich umdrehte, stand Sina neben mir. Sie schenkte mir ein Lächeln und setze sich dann auf einen Stuhl. Ich erwiderte das kleine Lächeln und dankte ihr somit, dass sie hier war. Es brauchte keine Worte, damit sie mich verstand. Sie war einfach toll und ich war unglaublich froh, doch jemanden gefunden zu haben, der mich verstand. Ich wusste zwar nicht, wie lange sie meine Bettnachbarin bleiben würde, aber sicher war, dass wir auch weiterhin Kontakt haben würden, auch wenn sie entlassen werden würde. Denn, im Gegensatz zu Tim, hatten wir bereits Nummern ausgetauscht.

Den Rest der Zeit versuchte sie mich abzulenken. Redete über jeden Mist, der ihr einfiel. Sie redete ununterbrochen, wie ein Fließband. Kaum glaubt man, sie macht mal eine Schweigeminute, fängt sie wieder zu plappern an. Aber dafür liebte ich sie. Sie war wirklich eine gute Freundin.

Doch leider blieb ich mit den Gedanken bei Tim. Und zwar nur bei Tim.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sheltr0n
2017-01-25T23:46:36+00:00 26.01.2017 00:46
Wirklich schöne FanFiction.

Ich hoffe das sich noch alles zum Guten wendet und er wieder seinen Lebensmut zurück bekommt. Und natürlich das er und Tim zusammen kommen!

Bin schon gespannt auf die nächsten Kapitel!

Antwort von:  FanFicFreak98
26.01.2017 12:54
Danke für dein liebes Kommentar :)
Freut mich sehr, dass sie dir gefällt *-*
LG FanFicFreak98


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