Zum Inhalt der Seite

Das erste Mal...

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Non, mon amour! Dieser hier wird dir viel zu klein sein!"

Sie kannte die Stimme. Zögernd drehte sie sich um, das Kleidungsstück noch immer in ihren Händen und blickte der groß gewachsenen Hexe entgegen, die sie mit kritischem Blick betrachtete. Sie hatte ihr blondes Haar streng nach hinten gebunden und trug den grünen Seidenschal, den sie letztes Jahr zu Weihnachten bekommen hatte. Für einen kurzen Moment setzte ihr Herz aus, als die andere kurz ihre blauen Augen zusammenkniff, doch dann lächelte sie. Erleichtert seufzte sie.

"Zu klein?", fragte sie nach und spielte an den blütenbestickten Trägern des BHs herum, den sie sich ausgesucht hatte.

"Oui. Du siehst aus, als wärst du das erste Mal hier. Ich bin hier Stammkundin und habe dich noch nie hier gesehen. Bist du gerade erst hergezogen?"

Eigentlich war sie schon oft hier gewesen. Aber dann in anderer Gestalt, immer darauf bedacht nicht zu interessiert zu wirken, wenn Victoire abertausende von BHs und dergleichen anprobierte.

Heute war der erste Tag, an dem sie als Frau in diesem Laden war.

"Jedenfalls, der ist zu klein für dich", meinte Victoire und sah sich dann suchend um. "Es wäre doch mega peinlich, wenn dir die Brüste rausquellen, oder?" Sie legte ihren Kopf schief.

"Und das wollen wir doch sicher vermeiden, oder? Darling, wenn du schon früher hier gewesen wärst, dann hätte ich dir doch viel eher helfen können!"

"Uhm..."

Victoire kicherte leicht, als sie ihr errötetes Gesicht sah.

"Du wirst nicht glauben, wie viele Frauen sich ihr Leben lang in den falschen BH quetschen. Übrigens, ich bin Victoire."

"Das ist ein wirklich einprägsamer Name!", rutschten ihr die Worte heraus, die sie damals zu Victoire gesagt hatten, als sie sich das erste Mal getroffen hatten. Die junge Slytherin betrachtete sie misstrauisch und für einen Moment fragte sie sich, ob sie sich verraten hatte. Doch glücklicherweise zuckte Victoire nur mit den Schultern. Sie war es gewohnt,  dass die Leute ihr Komplimente machten. Manchmal, nein eigentlich immer, war Victoire eine verwöhnte Prinzessin.

"Du hast mir übrigens noch immer nicht deinen Namen verraten!", bemerkte Victoire.

"Teddy!", meinte sie unbedacht und zuckte dann zusammen. Das war nun eindeutig der falsche Name. Victoire blickte sie verwirrt an und wollte etwas sagen, doch Teddy kam ihr zuvor.

 "Also, eigentlich heiße ich Theodora. Aber alle meine Freunde nennen mich Teddy. Theodora klingt so streng und altmodisch, findest du nicht auch?"

Victoire schnalzte mit der Zunge, so wie immer wenn sie etwas störend fand. Leider wusste man bei ihr nie, was genau sie als störend empfand. Aber Teddy wagte es nicht genauer nachzufragen.

"Bei Merlins Bart! Ich kann dich nicht Teddy nennen, mein bester Freund heißt schon so!" Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte missbilligend den Kopf.

"Oh." Teddy wußte nicht, was sie darauf antworten sollte. Wenn Victoire wüsste, dass sie und der Teddy, den Victoire meinte, mehr gemeinsam hatten als nur ihren Namen, wie würde sie dann reagieren?

"Aber eigentlich ist das auch egal.  Schließlich werden du und Teddy euch sicherlich nie über den Weg laufen", entschied Victoire schließlich nach einer Weile und grinste überzeugt.

Victoire ging davon aus, dass sie ein Muggel war. Schließlich befanden sie sich hier in einer Boutique für Unterwäsche im Muggellondon. Hexen und Zauberer kauften hier nicht ein. Victoire tat es nur, weil ihrer Meinung nach Muggel einfach die qualitativ hochwertigere und modischere Kleidung hatten. Die Zauberwelt hatte immer noch einen altmodischen Geschmack, was Wäsche betraf.

"Außerdem bin ich es gewohnt, mehrere Leute mit dem gleichen Namen zu kennen", erzählte sie. "Auf Familienfeiern ist das besonders schlimm. Du rufst einen Namen und fünf Leute aus fünf verschiedenen Generationen stehen auf!"

"Das ist wirklich nervig."

"Sag ich ja! Ich verstehe sowieso nicht,  wieso man seine Kinder nach irgendwelchen toten Verwandten benennen muss."

"Uhm, ja... sehe ich genauso!", pflichtete Teddy ihr bei. Sie wollte noch etwas erwidern, als genau in diesem Moment eine Verkäuferin an ihnen vorbeiging und Victoire sie ansprach.

"Entschuldigen Sie?"

Die Verkäuferin, eine junge Frau, deren feuerrotes Haar in leichten Locken über ihre Schultern hing, sah sie fragend an. Auf ihrem Namensschild prangte in goldener Schrift der Name "Miss Blair".

"Meine Freundin hier könnte Hilfe gebrauchen. Sie ist auf der Suche nach einem passenden BH!" Sie zeigte auf Teddy.

"Größe? Mit Bügel oder ohne? Soll es für einen bestimmten Anlass sein? Haben Sie sich schon für eine Farbe entschieden?", ratterte die Verkäuferin Fragen herunter, die Teddy nur noch mehr verwirrten. Wer hatte gedacht, dass BH kaufen so schwierig sein würde? Als sie sich heute morgen dazu entschieden hatte, sich aus dem Haus zu trauen und der Unterwäsche-Boutique einen Besuch abzustatten, war sie davon überzeugt gewesen, dass sie binnen weniger Minuten den passenden BH gefunden haben würde. Leider sah es vollkommen anders aus.

"Also, ich dachte...", begann sie zögernd, doch Victoire fiel ihr ins Wort.

"Blair, meine Freundin bräuchte eine genaue Beratung. Sie hat bisher immer die falschen getragen."

Wenn man es genau nahm, dann hatte Teddy bis heute noch nie einen angehabt. Aber es war besser, das für sich zu behalten.

Die Verkäuferin biss sich kurz auf die Unterlippe, dann bedeutete sie den beiden Frauen ihnen in den hinteren Teil der Boutique zu verfolgen, der durch einen dicken schwarzen Vorhang vom vorderen Bereich abgetrennt war. In dem kleinen Bereich standen einige Kisten herum, sowie ein grosser Spiegel und einige Mannequins, teils unbekleidet und teils Unterwäsche und Dessous tragend.

Die Verkäuferin zog ein zusammengerolltes Maßband aus ihrer Tasche und drehte sich dann wieder zu Teddy, blickte sie abwartend an.

"Teddy, runter mit den Klamotten!", meinte Victoire grinsend und Teddy errötete. Sie sollte sich ausziehen? Hier? Vor Victoires Augen?

"Ich weiß doch, wie ein Mädchen aussieht. Du brauchst dich nun wirklich nicht zu genieren ... oder würde es dir weniger ausmachen, wenn ich mich auch ausziehe?"

"Nein!", beeilte sich Teddy zu sagen. Wenn Victoire wüsste, wer sie wirklich war - sie würde sie den Ghulen bei ihrer Großmutter im Fuchsbau zum Fraß vorwerfen.

"Wolltest du nicht sowieso nach neuen BHs suchen?", fragte Blair nun. "Warum schaust du dich nicht etwas um und wenn deine Freundin hier fertig ist, melden wir uns bei dir!"

Victoire seufzte leicht und setzte dann ihren Hundeblick auf, mit dem sie normalerweise alles bekam. Doch bei Teddy hatte der Blick noch nie gewirkt und als Victoire klar wurde, dass diese ihre Meinung nicht ändern würde, zog sie leicht beleidigt einen Schmollmund.

"Wage es ja nicht einfach so abzuhauen!", meinte sie drohend, ehe sie dann wieder in den vorderen Bereich der Boutique trat.

"Danke Ihnen!" Teddy nickte Blair zu, ehe sie sich daran machte, ihre Bluse aufzuknöpfen.

"Kein Problem. Ich würde mich auch nicht wohl dabei fühlen, mich vor dem Mädchen,  dass ich mag, auszuziehen, wenn ich nicht mal weiß, ob sie mich auch mag."

"Uhm..."

"Meine Schwester ist Hochzeitsplanerin und sie schickt viele der zukünftigen Bräute zu mir, damit sie sich zu dem Hochzeitskleid die passenden Dessous aussuchen können. Dieses Leuchten in den Augen würde ich überall erkennen. Wobei es doch so aussah, als hätte Victoire sie heute das erste Mal gesehen."

"Nun..." In gewisser Weise stimmte das schon. Für Victoire war das ihre erste Begegnung - jedenfalls, wenn Teddy so aussah.

Doch Blair trat nun an sie heran und legte ihr Maßband um Teddys Oberweite. Ihr Blick war ernst und ruhig, während sie die Maße auf einem Block notierte und Teddy erklärte, dass es wichtig war den richtigen BH auszusuchen, ihr Rücken würde ihr dankbar sein.

Blair reichte ihr ein mintgrünes Exemplar und blickte diskret zur Seite, während Teddy in die Träger des BHs schlüpfte. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hatte sie den Verschluss geschlossen und betrachtete sich nun eingehend im Spiegel.

Ihre Brüste passten nicht komplett rein. Gerade als Teddy etwas sagen wollte, trat Blair wieder zu ihr und half ihr dabei den BH richtig anzuziehen. Als sich ihre Brüste schließlich perfekt saßen, trat Blair schließlich zur Seite, damit Teddy sich erneut im Spiegel betrachten konnte.

Das dort war wirklich sie. Der BH passte sich perfekt ihrem Busen an und fühlte sich an wie eine zweite Haut. Sie fühlte sich so glücklich. Es war eine wundervolle Idee gewesen hierherzukommen.

"Der scheint wohl zu passen", sprach Blair lächelnd zu ihr und reichte ihr ein Taschentuch. Erstaunt registrierte Teddy, dass sie doch tatsächlich weinte - Tränen der Freude.

"Ich fühle mich so - frei!",  erklärte Teddy und wirbelte herum, um sich genauer betrachten  zu können.

"Du siehst toll aus.", vernahm sie Blairs Stimme und errötete. "Das erste Mal einen BH zu tragen, ist ein tolles Gefühl, oder? Ich kann dich nur zu gut verstehen."

In Blairs Stimme schwang ein Ton mit, der Teddy stutzig werden ließ. Sie warf der jungen Verkäuferin einen fragenden Blick zu, doch etwas hielt sie davon ab, nachzufragen. Es ging sie schließlich nichts an.

Sie drehte sich noch einmal, um sich von allen Seiten im Spiegel begutachten zu können. Das hier war wirklich sie. Wie konnte es falsch sein, wenn es sich doch so richtig anfühlte? Teddy strich vorsichtig über den Stoff und beobachtete, wie ihr Spiegelbild genau dasselbe tat. Ihr Gesichtsausdruck war unsicher und doch voller Freude.

"Danke Ihnen" Freudestrahlend drehte Teddy sich wieder zu Blair um. "Ohne Sie wäre ich vollkommen aufgeschmissen gewesen!"

Nun war es an Blair zu erröten. Beschämt blickte sie zur Seite und tat so, als wäre sie plötzlich sehr beschäftigt damit, ihr Maßband wieder aufzurollen.

"Es steht Ihnen wirklich gut!", meinte Blair lobend. "Jetzt, wo Sie ihre passende Größe gefunden haben, da wollen Sie doch bestimmt die Gelegenheit nutzen und nach einigen weiteren BHs zu suchen? Ich bin sicher, Victoire wartet schon begierig auf Sie."

"Hm." Auch wenn der Anblick irgendwie schmerzte, so öffnete Teddy doch den Verschluss und zog das Kleidungsstück aus, um es dann wieder auf den Kleiderbügel zu hängen, den Blair ihr hinhielt, schlüpfte dann wieder in ihre Bluse und knöpfte diese zu.

Teddy lächelte und bedankte sich noch einmal bei Blair, ehe sie wieder in den vorderen Bereich der Boutique trat und ihre Augen den Raum auf der Suche nach Victoire absuchten, bis sie sie schließlich aus einer der Umkleidekabinen treten sah.

"Ich bin sicher, Victoire wird zu schätzen wissen, was sie zu sehen bekommt!", meinte Blair neben ihr und Teddy ertappte sich dabei, wie sie sich vorstellte, dass Victoire sie tatsächlich so sah und ihr gefiel, was sie dort sah.

Dass sie Teddy so akzeptierte, wie er war. 



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Kerstin-san
2017-02-26T09:54:57+00:00 26.02.2017 10:54
Hallo,
 
das ist ja wirklich mal ein außergewöhnliches Thema, dem du dich hier angenommen hast und über das ich glaub ich noch nie irgendwas gelesen hab. Die Geschichte hat mich jedenfalls direkt in ihren Bann gezogen.
 
Ich fand es witzig, dass Teddy bei der ersten Shoppingtour ausgerechnet auf Victoire trifft und diese sie dann so resolut unter ihre Fittiche nimmt. Victoire ist hier so selbstbewusst und ganz in ihrem Element, dass Teddy einfach gar keine andere Wahl hat, als sich von ihr helfen zu lassen. Bis zum Schluss hab ich mich gefragt, ob Victoire wohl darauf kommen wird, wer Teddy wirklich ist, aber ich bin froh, dass das nicht passiert ist. Das wäre doch zu viel auf einmal gewesen.
 
Irgendwie fand ichs cool, dass Victoire bevorzut in Muggelläden shoppen geht, weil sie die Klamotten von der Qualität her besser, als die Zauberermode empfindet. Ist mal ein ganz anderer Ansatz :)
 
Man merkt Teddy an, wie nervös und überfordert sie mit der ganzen Sache ist, aber die Verkäuferin hat ein sehr feines Gespür dafür, was los ist und hat das sehr geschickt und diskret gelöst. Oh und Teddys Freude, als sie ihren ersten BH zum ersten Mal anhat und er so perfekt passt und sie sich einfach so als Frau fühlt. Wirklich sehr emotional. Ich hoffe wirklich, dass sie irgendwann gegenüber Victoire den Mut aufbringt ihr das alles zu erklären und das Victoire sie so akzeptiert, wie Teddy es sich wünscht.
 
Am Schluss ist mir noch aufgefallen, dass du da wieder von Teddy als "er" geschrieben hat. Ist das Absicht gewesen, um auf Teddys Genderfluidität hinzuweisen?
 
Liebe Grüße
Kerstin


Zurück