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Und vieles mehr

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Ohne dich

Es regnete mal wieder. Dankbar nahmen die Blumen und Pflanzen das kühle Nass auf und speicherten den Regen für das bevorstehende warme Frühlingswetter. Bisher hatte der Wetterbericht seine Weissagungen fast schon peinlich genau eingehalten, was den kommenden Ereignissen nur zugutekam.

Die letzten Hochzeitsvorbereitungen liefen auf Hochtouren. Felicitas und Ellie, gelegentlich auch Mirabelle, verliehen ihrer sorgfältigen Planung den letzten Feinschliff und sorgten dafür, dass die Männer in ihrem Umfeld Aufträge oder Besorgungen erledigten, wodurch sie nur den Kopf schütteln konnten und ständig Ausschau nach einer Fluchtmöglichkeit hielten. Sogar Taro verkniff sich jeden Kommentar, um keinen Streit mit seiner Tochter anzufangen. Denn immerhin konnte er sich noch sehr genau an seine eigene Hochzeit erinnern und die Planung die seine Frau damals gehabt hatte. Bis heute war es für ihn ein Wunder, dass er es lebend und vor allem glücklich zum Altar geschafft hatte.

Nichtsdestotrotz waren alle Beteiligten in regem Aufruhr und heller Begeisterung wegen Nathalies und Marks baldiger Vermählung. Das Brautpaar selber versuchte so gut es ging, nicht sämtliche Nerven zu verlieren und baute sich gegenseitig immer wieder auf. Jede ruhige Minute verbrachte das Paar zusammen und vergewisserte sich ihrer beidseitigen Liebe. Ein letztes Drama stelle Nathalies Hochzeitskleid dar. Aufgrund der Schwangerschaft musste ihr Kleid ein letztes Mal umgenäht werden, was ihr den schlimmsten Heulkrampf verursachte, den sie je gehabt hatte. Es dauerte beinahe einen ganzen Tag ehe ihre Freunde und Familie es geschafft hatten, die Braut wieder zu beruhigen und ihr versicherten, dass sie die schönste Braut sein würde, die jemals auf dieser Insel getraut worden war. Nachdem das Gespräch mit dem Pfarrer geführt wurde und die Trauungszeremonie bis ins kleinste Detail durchgegangen war, konnte auch Felicitas sich endlich zufrieden in ihren Sessel zurück lehnen und ihre Füße hochlegen.

Damit standen die jeweiligen Junggesellenabschiede bevor, auf die sich ein junges Paar nicht so recht freuen konnte.

 

Nachdem Chelsea und Vaughn vor ein paar Tagen im Streit auseinandergegangen waren, hatte keiner von beiden den jeweils anderen aufgesucht, um die Sache zu bereinigen. Chelsea war massiv enttäuscht und flüchtete sich in jede Arbeit, die sie zwischen die Finger bekam. Tagsüber schaffte sie es noch sich zusammen zu reißen, aber abends schloss sie sich in ihr Zimmer ein und heulte sich in den Schlaf. So sehr sie es sich auch wünschte, von Vaughn kam kein Anruf oder stand unerwartet vor der Tür. Nichts dergleichen geschah und Chelsea war zu gekränkt, um den ersten Schritt auf Vaughn zu zugehen. Sowohl ihre Eltern als auch Mark und Nathalie haben versucht mit ihr zu reden, da ihnen selbstverständlich nicht verborgen blieb, dass zwischen ihr und Vaughn etwas vorgefallen sein musste. Den Beweis lieferte Vaughn indem er sich kein einziges Mal mehr auf der Ranch blicken ließ und Chelsea es konsequent vermied seinen Namen überhaupt nur zu erwähnen.

Dieses sture Verhalten trübte die freudige Stimmung für kommenden Samstag an dem die Trauung stattfinden sollte. Eine Stunde vor der Pyjamaparty bzw. Nathalies Junggesellinnenabschied wagte eine besorgte Mutter den Versuch ihre deprimierende Tochter zu einem Gespräch unter vier Augen zu entführen. Es war nicht weiter schwierig, da sich Chelsea in den vergangenen Tagen vermehrt im Stall bei ihrem Hengst aufgehalten hatte, als anderswo.

„Hier bist du also.“ Lächelnd betrat Ellie den Pferdestall und stellte sich neben ihre Tochter, die soeben dabei war ihr Pferd kräftig zu bürsten. Dieser schnaubte gelegentlich, um zu signalisieren, dass es ihm sehr gefiel. „Ihr zwei seid nach wie vor ein tolles Team. Das beruhigt mich.“, begann Ellie eine zwanglose Plauderei und meinte damit die enge Bindung zwischen Chelsea und ihrem Pferd. „Freust du dich auf die Hochzeit morgen? Immerhin heiraten dein Bruder und eine deiner besten Freundinnen, so etwas erlebt man nicht alle Tage.“

„Natürlich freue ich mich.“, antwortete die Braunhaarige knapp, wobei sie es vermied ihrer Mutter in die Augen zu schauen, denn dann hätte sie gesehen, was Chelsea bedrückte. Doch dafür hatte sie gegenwärtig keine Zeit. Erstmal waren Nathalie und Mark wichtiger. Immerhin hatte sich Chelsea schon so lange auf diesen Tag gefreut und verfluchte Vaughn im Stillen, dass er sie hinter ihrem Rücken hintergangen hatte. Der Hass auf ihn half ihr nicht vollends zusammen zu brechen, aber zufriedener machte es sie trotzdem nicht.

„Ich habe Vaughn seit drei Tagen nicht mehr gesehen.“, plauderte Ellie scheinbar arglos weiter. Allerdings entging ihr nicht, dass Chelsea beim Bürsten kurz innehielt. „Geht es ihm gut?“

„Denke schon.“

„Du denkst es? Habt ihr euch etwa nicht mehr gesprochen, nachdem du bei ihm gewesen bist?“

„Nicht…wirklich.“

„Chelsea, was ist los? Habt ihr euch gestritten?“

„Könnte man so sagen.“

„Möchtest du mit deiner Mutter nicht darüber reden? Ich werde dich nicht bedrängen, wenn du partout nicht darüber reden willst, aber ich kann dir versichern, dass sich dein Vater und Mark und auch Nathalie inzwischen große Sorgen um dich machen. Es bleibt uns nicht verborgen, dass dich etwas schwer belastet. Außerdem habe ich große Mühe damit, deinen Vater zurückzuhalten, weil er bereits vor zwei Tagen einen, wie hat er es genannt, einen Überraschungsbesuch bei deinem Freund abhalten wollte.“

„Es geht mir gut.“ Die Sorge ihres Vaters beschämte die junge Frau ein wenig, weil sie nicht daran gedacht hatte, was ihr konsequentes Schweigen für Folgen haben könnte. Und dass sich ihre Freunde und Familie Sorgen machen würden, war im Grunde genommen abzusehen. Chelsea versuchte ein tapferes Lächeln, von dem sie hoffte, dass es ihre Mutter überzeugte und sie nicht weiter in sie eindrang. Hätte sie dabei in einem Spiegel gesehen, wäre ihr aufgefallen, dass das Lächeln nicht ihre Augen erreichte und einer Mutter entging eben nichts.

„Ihr müsst euch keine Sorgen um mich machen. Am Wichtigsten ist Nathalies und Marks Hochzeit und der Junggesellinnenabschied der gleich beginnt. Darauf sollten wir uns konzentrieren. Ich bin mir sicher, dass die Mädchen jeden Moment eintreffen werden. Lass uns lieber wieder ins Haus gehen und gucken, ob alles vorbereitet ist.“

Momentan war einfach nicht der richtige Zeitpunkt, um über ihren Liebeskummer zu reden, weswegen die Braunhaarige versuchte, das Thema weiterhin zu umgehen. Allerdings bekam ihre aufrechte Fassade die ersten Risse. Wenn ihre Mutter weiter hartnäckig in sie eindrang, würde sie die Mauer nicht mehr lange aufrecht halten können.

„Es ist alles vorbereitet. Nathalie und ich haben bereits alles erledigt. Felicitas ist ebenfalls schon da. Von daher können wir die Vorbereitungen des Abends getrost ihnen überlassen und uns darüber unterhalten, was zwischen dir und Vaughn vorgefallen ist.“

„Mama, ich…“ Erschöpft sank Chelsea auf einen Heuballen. Die Mauer war damit gefallen. „Zwischen Vaughn und mir ist…Ich gebe zu, dass wir uns gestritten haben und…Ich befürchte, dass es mit uns vorbei ist.“

Sofort drohten Tränen ihre Augen zu überfluten, die sie hinter ihren Händen zu verbergen suchte.

„Mein kleines Mädchen.“ Besorgt ging Ellie vor ihrer Tochter in die Knie und streichelte behutsam ihr Haar. „Willst du mir erzählen, was zwischen euch vorgefallen ist?“

„Ich…i-ich habe einen Brief auf seinem T-tisch gefunden. I-ich habe ihn gelesen und…ach Mama! Ich bin so verzweifelt. Er h-hat ein Jobangebot …vom…Festland b-b-bekommen.“

„Versuch dich zu beruhigen, mein Kind. Was für ein Angebot ist das genau?“

„Bin mir nicht ganz sicher.“, schluchzte die Braunhaarige und versuchte ihrer Mutter zu erklären, was sie herausgefunden hatte.

„Er wird mich verlassen, Mutter! Garantiert wird er mich verlassen.“

„Hm. Hat er das denn gesagt?“

„Nein, aber…das liegt doch wohl auf der Hand. Von Anfang an wollte Vaughn nicht auf dieser Insel Leben. Zumindest nicht dauerhaft. Bloß, ich mochte ihn und er hat mir leidgetan, weil er immer so einsam wirkte. Also, habe ich mich mit ihm angefreundet und…irgendwie ist es dann mit uns passiert. Es war bisher alles so schön, auch wenn wir uns einmal heftig gestritten hatten, aber…Danach war wieder alles gut und ich bin wirklich davon ausgegangen, dass er bleiben will. Bei Mirabelle im Laden und…natürlich bei mir…Ich habe wirklich geglaubt, dass er mich liebt und er mich nie verlassen wird.“

„Und was möchtest du?“

„Hm? Wie meinst du das?“, irritiert schaute Chelsea ihre Mutter an.

„Was erwartest du von eurer Beziehung?“

„Was ich erwarte…? Ich verstehe nicht…Ich…Ich will für immer mit ihm zusammen sein. Er darf nicht einfach so wieder gehen…Außerdem bin ich davon ausgegangen, dass wir beide eines Tages ebenfalls hier auf der Ranch leben werden. Zusammen mit Mark und Nathalie.“

„Nun, dann solltest du ihm das so sagen.“, erwiderte Ellie und stand wieder auf, wobei sie ihren Rock glättete.

„Hä?“

„Chelsea, Männer fühlen und denken anders als wir Frauen. Ich bin absolut überzeugt davon, dass Vaughn dich über alles auf der Welt liebt. Es reichte ein Blick zwischen euch beiden und ich war mir dessen gewiss. Nur, manchmal ist es unsere Aufgabe den Männern auf die Sprünge zu helfen, um ihnen aufzuzeigen, was das richtige für sie ist. Selbstverständlich funktioniert das nur, wenn ihr beide dasselbe füreinander fühlt und ihr euch komplett auf eure Beziehung einlasst. Das muss Vaughn für dich tun und du ebenso für ihn, Chelsea.“

„Aber, ich habe ihm doch gesagt, dass er der wichtigste für mich ist…“

„Das ist auch gut, aber damit allein ist euch nicht geholfen. Ihr müsst euch stets gegenseitig versichern, dass der Partner an erster Stelle kommt und ihr gemeinsam euer Leben plant. Manchmal reichen Gefühle allein nicht aus, und wenn dieser Zeitpunkt gekommen ist, musst du ihm auf deutliche Art und Weise zeigen, wie wichtig er für dich ist.“

Verwirrter als vorher starrte Chelsea ihre Mutter an.

„Ich verstehe immer noch nicht, worauf du hinaus willst.“

„Das wirst du schon noch. Und da ich dich kenne, weil ich dich großgezogen habe – worauf ich übrigens sehr stolz bin – weiß ich auch, dass es dir recht bald klar sein wird, was ich dir versucht habe zu erklären. Aber bis es so weit ist, rate ich dir ins Haus zu gehen, dich zu waschen, deinen Pyjama anzuziehen und für einen Abend deine Sorgen um Vaughn zu vergessen und einen fröhlichen Abend mit deinen Freunden und ihren Müttern zu verbringen. Wer weiß, wohlmöglich findest du die Lösung dann über Nacht.“

„Ich bezweifle, dass es so schnell geht.“

Langsam erhob sich Chelsea von dem Heuballen und ließ sich von ihrer Mutter ins Haus führen.

„Hab vertrauen, Chelsea. In Vaughn und in dich.“

„Das sagst du so einfach…“

 

                                                                                    ~<>~

 

„Vaughn? Komm doch eben mal kurz her.“

Mirabelle war soeben mit dem Abstauben eines Regals im Tiergeschäft fertig geworden und drückte ihrem Neffen einen Karton mit diversen Tierfutter in die Hände, sobald er nahe genug herangetreten war.

„Bei dem Futter ist das Haltbarkeitsdatum abgelaufen. Bring den Karton doch bitte zum Abfallcontainer.“

„Sofort.“

„Und Vaughn? Bevor ich mich auf dem Weg zur Ranch mache, zusammen mit Julia, möchte ich noch kurz vorher mit dir etwas besprechen. Sobald du den Karton entsorgt hast, komm dann zu mir in die Küche.“

Vaughn wunderte sich über den ernsten Ton seiner Tante, stellte jedoch keine Fragen und führte ihre Anweisungen auf der Stelle aus. Seit dem Streit mit Chelsea hatte auch er sich in jede Arbeit gestürzt, die zu finden war, um so wenig wie möglich an seine Freundin zu denken. Allerdings scheiterte er bei diesem Versuch kläglich, denn er musste jede Stunde an sie denken und fragte sich immer wieder, ob sie wohlauf war und ob ihre Worte ernst gemeint waren.

In der Küche angekommen, hatte Mirabelle gerade zwei Tassen dampfenden Tee auf den Tisch gestellt und forderte ihren Neffen mit einer Geste auf ihr gegenüber Platz zu nehmen.

„Okay, Vaughn, da ich nicht viel Zeit habe, komme ich gleich auf den Punkt: Was ist zwischen dir und Chelsea vorgefallen?“

„Nichts.“, antwortete der junge Mann prompt und verbrannte sich an dem heißen Tee.

„Vaughn, du bist mein Neffe und genauso wie ich will, dass Julia glücklich ist, möchte ich, dass du es auch bist. Momentan bist du es ganz und gar nicht. Außerdem habe ich mitbekommen, wie Chelsea vor drei Tagen beinahe fluchtartig das Haus verlassen hat.“

„Mach dir keine Gedanken. Es ist nichts weiter.“

„Versuch gar nicht erst mir auszuweichen.“

„Was willst du von mir hören? Chelsea und ich…Wir haben uns gestritten. Es…es wird sich schon wieder legen.“

„Du klingst nicht überzeugt.“, hakte Mirabelle hartnäckig nach. „Es ist gar nicht lange her, da habe ich dir angeboten zu mir zu kommen, wenn du Probleme mit Chelsea kriegen solltest. Natürlich kann ich dich nicht zwingen, aber, morgen findet die Hochzeit deines Freundes und Chelseas Freundin statt. Wie wollt ihr aufeinander treffen, solange der Disput zwischen euch liegt?“

„Ich…Das wird schon.“, murmelte Vaughn und stellte fest, dass er darüber bisher nicht nachgedacht hatte. „Mirabelle, ich…Chelsea und ich wollen völlig verschiedene Dinge.“

„Was für Dinge?“

„Was für Dinge? Nun, sie will oder vielmehr wird für immer hier leben…“

„Was ist daran so wunderlich? Sie und ihr Bruder haben gemeinsam eine Ranch aufgebaut, die von Jahr zu Jahr größer wird. Letztens habe ich sogar mitbekommen, dass eine automatische Wässerungsanlage noch vor dem Sommer verlegt werden soll.“

„Mirabelle, ich weiß nicht, ob es das richtige für mich ist, wenn ich weiterhin hier bleibe.“, sprach Vaughn unvermittelt den Grund aus, weswegen er in den vorherigen Wochen so rastlos gewesen war und welche Rolle Chelsea dabei einnehmen sollte. Solange sie noch mit ihm zusammen sein wollte…

Daraufhin nickte seine Tante, sah ihn ruhig an und nippte an ihrem Tee.

„Willst du gar nichts dazu sagen?“, fragte Vaughn vorsichtig, weil ihm die anhaltende Stille unangenehmer war, als zuvor mit etlichen Fragen bombardiert zu werden.

„Was willst du von mir hören, Vaughn? Du bist ein erwachsener Mann und ich bin stolz darauf letztes Jahr miterleben zu können, wie sehr du dich gemacht hast. Dass du anfangs nicht freiwillig hierhergekommen bist, war mir durchaus bewusst, aber ich gebe offen und gerne zu, dass ich mich sehr darüber gefreut habe, dass du meiner Bitte so schnell nachgekommen bist. Selbstverständlich steht es dir frei jederzeit zu gehen und aufs Festland zurückzukehren, allerdings bin ich davon ausgegangen, dass du einen wichtigen Grund gefunden hast, der dich dauerhaft auf der Insel hält. Es ist nicht dein Fehler, Vaughn, dass ich und alle anderen um dich herum es für selbstverständlich hielten, dass du bleiben würdest und ein Teil unserer Gemeinschaft wurde.“

„Was soll ich tun?“, erwiderte Vaughn resigniert. „Ich weiß einfach nicht, was richtig ist. Ich…hier mit euch und Chelsea… Chelsea.“

„Vaughn, wenn Chelsea dir so viel bedeutet, dann weißt du, was das richtige ist.“



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