III.
Eine Beziehung zu führen war kein Problem. Hatte man erst einmal die Basis geschaffen, kannte man die Ticks des Partners und hatte man sich aufeinander eingespielt, konnte eine Beziehung so gut wie ein geschmierter Motor laufen. Das Problem lag darin den Nährboden für besagte Beziehung zu schaffen, sich mit den Macken des Liebsten abzufinden und mit diesen leben zu lernen. Das brauchte Zeit und kostete eine menge persönlicher Energie.
Und Zeit hatte Tobio wenig.
Es fing bereits damit an, dass Iwaizumi montags kein Volleyballtraining hatte, er selbst aber schon. Einmal ließ er es ausfallen und es war für diese eine Ausnahme in Ordnung gewesen. Blieb es bei dem einem Mal, dann ergaben sich kaum Möglichkeiten sich zu sehen und eine Beziehungsbasis zu schaffen. Es blieb bei Telefonaten und Textnachrichten.
Nervös lauschte Tobio dem Tuten am anderen Ende der Leitung. Dann wurde abgenommen.
„H-hey!“
„Du rufst aber früh an.“
Tobio's Blick huschte zu seinem Wecker, so früh war es gar nicht.
„Wie lief das Training?“
„Ganz gut.“
Ihre Telefonate waren oft nicht sehr lang. Kurz und knapp. Wie die Nachrichten, die sie austauschten.
„Aber?“
„Hm?“
„Das klang nach einem Aber.“
Tobio senkte den Blick, spielte mit dem Saum seiner Bettdecke, dann rollte er sich auf den Rücken.
„Meine Noten sind nicht so gut.“
Iwaizumi schwieg. Nicht lange, aber die wenigen Sekunden hatten ausgereicht, um sicher sagen zu können, dass sein Freund nicht gerade begeistert war. Tobio selbst war auch nicht erfreut, aber Lernen, Prüfungen, Hausaufgaben… Das war öde und wurde nur zu gerne verdrängt.
„Brauchst du Hilfe beim Lernen?“
„Ich lernen schon mit so vielen Leuten.“
„Zu viele Köche verderben den Brei.“
„… Was?“
„Ich mein nur. Vielleicht kannst du besser lernen, wenn nicht so viele dabei sind?“
„Musst du nicht selber lernen, Iwaizumi-san?“
„Wenn ich einen Tag mit dir lerne, wird das meinen Schnitt schon nicht versauen.“
Tobio zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. Es war wirklich eine Qual mit Hinata zu lernen, auch wenn Yachi ihr Bestes gab, ihnen etwas beizubringen.
„Du willst doch nach Tokyo?“
„Natürlich!“
„Dann Sonntag?“
Tobio nickte, bis er peinlich berührt feststellte, dass Iwaizumi sein stummes Zustimmen gar nicht sehen konnte.
„Dann Sonntag.“
***
Mit einem viel zu überladenen Tablett in den Armen schritt Tobio vorsichtig ins Wohnzimmer. Den Blick hielt er dabei starr auf die Gläser, die Glaskanne und die Knabbereien, als hätte er Sorge, dass eines dieser Dinge spontan beschloss über die Kante des Tabletts zu fallen und sich mit den Boden zu treffen. Iwaizumi saß auf dem Boden, vor dem Sofa und blätterte durch Tobios Notizen.
„Ist schon eine Weile her, dass wir das durchgenommen haben.“
„Ist das ein Problem?“, fragte Tobio, während er ihnen etwas zu trinken einschenkte.
Iwaizumi schüttelte den Kopf, dann breitete er die Englischnotizen auf dem Wohnzimmertisch aus. Tobio verzog das Gesicht.
„Dann wollen wir mal.“
Sie gingen die sehr undeutlich geschriebenen Mitschriften durch, dann fing Iwaizumi an ein paar Übungsaufgaben auf ein leeres Blatt zu schreiben. Tobio sah ihm dabei zu und stellte fest, dass Iwaizumi eine überraschend saubere Handschrift hatte. Im Vergleich zu seiner eigenen.
„Was ist?“
„Ah, nichts!“
Skeptisch zog sein Gegenüber die Brauen zusammen. Tobio wich ein wenig verlegen Iwaizumis Blick aus, eher er antwortete.
„Ich dachte nur, dass deine Handschrift echt… Gut ist.“
„Hm? Oh. Oikawa hat mir immer gesagt, dass man meine Sauklaue nicht lesen kann, wenn er sich meine Unterlagen ausgeliehen hatte.“
Iwaizumi stütze nachdenklich den Kopf ab.
„Ich hab’s mir wohl einfach bei ihm abgeguckt, über die Jahre.“
Tobio schaute auf die paar Sätze, die Iwaizumi ihm dann zuschob.
„Füll einfach die Lücken aus.“
Englisch war eine reine Folter. Umso erleichterter war Tobio, als er die Aufgaben halbwegs gut hinbekam und Iwaizumi eine kurze Pause einläutete. Mit einem Seufzten ließ er sich gegen das Sofa fallen.
„Machen wir gleich mit Mathe weiter?“
Tobio nickte stumm, während er an seinem Getränk nippte. Für ein paar Augenblicke war nur das leise Ticken der Wanduhr zu hören. Dann fing Iwaizumi an in Tobios Matheheft herumzublättern und ein paar Aufgaben aufzuschreiben. Mit viel Mühe rappelte er sich wieder auf.
„Okay. Also“, Iwaizumi und rückte ein weniger Näher an Tobio heran, „im Grunde musst du nur diesen Wert errechnen und-“
Tobio hörte der Erklärung nur mit halbem Ohr zu, das andere lauschte seinem viel zu stark schlagendem Herzen.
Es wurde bereits dunkel, als Iwaizumi die Lernsession für beendet erklärte. Japanische Literatur hatte nach Mathe gefolgt und es war amüsant gewesen, dass selbst Iwaizumi mit diesem Fach nichts anzufangen wusste. Sie hatten mehr rumgerätselt, als wirklich gelernt.
„Viel Erfolg bei deinen Prüfungen!“
„D-danke!“
Iwaizumi verabschiedete sich, winkend. Bevor er gänzlich auf dem Nachhauseweg war, rief Tobio ihm zu:
„Iwaizumi-san! Zu zweit kann man wirklich besser lernen.“
