Through the fires of Jericho
Oikawa Tooru wusste so einiges.
Er wusste, dass er der Mädchenschwarm schlechthin war – in der Oberschule um einiges mehr, als noch in der Mittelschule. Er wusste auch, dass es seine Teamkameraden nervte, wenn sie ihn ständig einsammeln mussten, nur weil er sich auf dem Weg zu einem Volleyballspiel die Zeit nahm, um mit seinen Verehrerinnen zu reden.
Er wusste, dass Volleyball seine wohl größte Leidenschaft war. Das wusste aber jeder. Er war der beste Setter in ganz Miyagi, er hatte sogar vor einigen Jahren eine Auszeichnung für seine Leistungen bekommen. Es war vollkommen klar, dass er sich das mehr als verdient hatte, immerhin trainierte er hart. Er wusste aber auch, dass Volleyball seine Achillesferse war. Sie hatte ihn seine letzte Beziehung gekostet.
„Du liebst Volleyball mehr als mich, das ist doch total bescheuert!“, hatte sie gesagt, sich wie in einem Liebesdrama tragisch umgedreht und hatte ihn einfach stehen lassen.
Tooru wusste, dass ihn Ushijima wahnsinnig auf den Zeiger ging. Er wusste auch, dass ihn Tobio-chan auf die Nerven fiel. Sein ehemaliger Kouhai war eine Plage, von der sich Tooru wünschte, er könnte sie wie eine Fliege einfach erschlagen. Oder mit Insektenspray zu Tode sprühen. Er verabscheute Naturtalente, wie diese zwei, denen alles so leicht in den Schoß zu fallen schien. Den einzigen Trost fand Tooru darin, dass er wusste, dass er schon immer mehr Ehrgeiz an den Tag gelegt hatte, als andere und folglich auch besser war, als Tobio-chan oder Ushijima.
Tooru wusste auch, dass er Gefühle für seinen besten Freund hatte.
Es war ihm bewusst, dass es wahrscheinlich besser – oder fair – war, wenn er Iwaizumi von seinen Gefühlen erzählte. Nur hatte er bislang über sein Verliebtsein Stillschweigen bewahrt. Aus offensichtlichen Gründen.
Sie waren Freunde. Beste Freunde. Schon seit Jahren.
So etwas setzte man aufgrund von ein paar Gefühlen nicht aufs Spiel. Und wenn doch, dann musste es sehr gut durchdacht sein.
Ohne einen Schlachtplan zog Tooru nicht in den Kampf. Und er hatte sich eben diesen Plan schon mehrfach durch den Kopf gehen lassen. Das Grundkonzept war kinderleicht: er würde Iwaizumi einfach nach dem Schulunterricht fragen, ob sie etwas zusammen unternehmen wollten. Montags hatten sie nie Training und es bot sich geradezu perfekt an. Und dann... Ja, dann würde er ihm im romantischen Sonnenuntergang seine Liebe gestehen.
Dieses Unterfangen war im Grunde genauso leicht, wie Tobio und den Rest seiner Mannschaft zu schlagen.
(Es war wirklich ein Kinderspiel gewesen Karasuno im Vorentscheid zu besiegen – zumindest behauptete Tooru das gerne. Tobios Gesichtsausdruck war Gold wert gewesen. Zu seinem Ärger verpasste Iwaizumi ihm jedes Mal einen Dämpfer und erinnerte ihn an sein eigenes blödes Gesicht, als sie dann gegen Ushijima verloren hatten. Iwa-chan war wirklich kein großer Romantiker...)
Als die Schulglocke läutete, ging er noch einmal seinen Plan gründlich durch, Schritt für Schritt. Mit allen Konsequenzen. Im Schulflur wartete Tooru auf Iwaizumi, fing einen Smalltalk über den ach so anstrengenden Schultag an und fragte dann ganz beiläufig, ob sie nicht in die Stadt gehen wollten.
Sein Sandkastenfreund wies ihn ab.
Er hatte schon was vor. Tooru merkte, dass sein gut durchdachtes Vorhaben doch nicht so gut durchdacht war wie angenommen. Damit hatte er nämlich nicht gerechnet. Er war auch nicht davon ausgegangen, dass Iwaizumi keine Zeit hatte, da er sich bereits mit jemandem traf. Tooru sträubte sich direkt zu fragen, ob es ein Date war. Er wusste, dass ihm die Antwort womöglich nicht gefallen würde. Also entschied sich Tooru das zu tun, was er sonst auch immer tat.
„Iwa-chan, du kannst mir ruhig sagen, dass du dich mit deiner Oma trifft. Da musst du doch kein Geheimnis draus machen.“
Iwaizumi stieß ihm den Ellenbogen hart in die Seit und Tooru musste kurz nach Luft schnappten.
„Du bist immer so brutal, Iwa-chan! So bekommst du nie eine Freundin.“
„Sagst der, der von seiner letzten Freundin fallen gelassen wurde.“
„Das ist was vollkommen anderes, Iwa-chan!“
Bis sie den Schulhof betraten diskutierte Tooru einseitig darüber, dass seine Beziehungen überhaupt nicht vergleichbar waren. Er hatte seinen Freundinnen immer die nötige Aufmerksamkeit geschenkt. „Und trotzdem machen sie immer mit dir Schluss.“, war das Totschlagargument von Iwaizumi gewesen. Tooru resignierte und kam zum eigentlichen Thema zurück.
„Mit wem triffst du dich denn, Iwa-chan?“
Er hatte alles in seinem grandiosen Plan bedacht. Er hatte damit gerechnet, dass Iwaizumi ihm sagte, er solle aufhören zu spinnen, wenn er von seinen Gefühle erfuhr. Er hatte sich emotional darauf vorbereitet abgewiesen zu werden, sich mit Iwaizumi sogar zu streiten, weil er ihn nicht ernst nahm. Tooru hatte sich die schlimmsten Konsequenzen ausgemalt. Dass sie sich Tagelang aus dem Weg gingen, dass sie kaum noch miteinander sprachen und-
„Kageyama“, antwortete Iwaizumi, als sei es selbstverständlich.
Tooru hatte wirklich alles in Betracht gezogen. Alles. Bis auf das.
Und er hatte keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte.