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Tales of the real Ghostbusters

von

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Night of the Wendigo

Einen Monat später – Bighorn Mountain - Colorado…
 

Ein heftiger Sturm zieht plötzlich auf und presst die beiden Männer hart gegen den kalten Stein des Bergs. Verzweifelt versuchen sie im aufkommenden Schneetreiben nicht den Halt zu verlieren und abzustürzen. Völlig mit ihren Kräften am Ende, versuchen sie einen Unterschlupf zu finden und den Sturm abzuwarten. Doch die Schneeflocken gewinnen rapide an Größe und versperren ihnen schnell die Sicht. Nahezu blind gelingt es den beiden Bergsteigern eine kleine Höhe zu erreichen. Der Ohnmacht nahe retten sie sich dort hinein und beten dafür, dass sich das Wetter bald bessert. Doch das Schicksal meint es nicht gut mit ihnen. Tage vergehen, in denen immer mehr Schnee fällt und schon bald ist die kleine Höhle völlig verschwunden. Von der Außenwelt abgeschnitten, verharren die beiden Männer frierend und hungrig. Niemand weiß, dass sie hier oben eingeschlossen sind und es gibt keine Möglichkeit, sich bemerkbar zu machen.
 

Hilflose Gedanken beginnen ihren Geist zu dominieren. Der nackte Wille zu überleben raubt ihnen fast die Sinne. Die Tatsache ihrer jahrelangen Freundschaft rückt immer weiter in den Hintergrund, wird zu etwas völlig Absurdem, etwas Unnötigem. Beiden ist klar, dass sie nicht mehr lebend von diesem Berg runterkommen werden, zumindest nicht gemeinsam. Doch für einen von ihnen stehen die Chancen besser, allerdings muss er dafür etwas tun, dass die tiefsten und grausamsten Instinkte im Menschen weckt. Stumm blickt Sascha zu seinem Kollegen hinüber, der erschöpft mit geschlossenen Augen neben ihm kauert. Es geht ihm schlecht, er hat Fieber und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er sterben wird, doch solange kann Sascha einfach nicht mehr warten. Der Hunger ist zu groß, die Verzweiflung zu allumfassend. Beinahe gierig leckt er sich mit der Zunge über die wunden Lippen.
 

Unbemerkt ergreift er seine Spitzhacke, umklammert sie ganz fest und hebt sie hoch. Bereit zum Schlag, verweilt er einen Augenblick. Kann er das wirklich tun? Immerhin ist Tristan sein Freund. Sie kennen sich schon so lange und haben unzählige Berge zusammen bestiegen, alles ertragen. Doch nie war es so schrecklich wie jetzt. Also bleibt ihm nichts Anderes übrig! Mit zusammengepressten Augen holt er aus und rammt seinem kraftlosen Mitstreiter die Spitzhacke direkt in den Schädel. Das scharfgeschliffene Metall erzeugt ein widerliches Geräusch, als es den Knochen schier mühelos durchdringt und das Hirn darunter aufspießt. Zitternd verharrt Sascha mit der Hacke in der Hand und starrt auf Tristan hinab. Dieser öffnet plötzlich die Augen, reißt sie förmlich auf und blickt ihn erschrocken und vorwurfsvoll an. Ein unartikulierter Laut verlässt seine Kehle, zuckend hebt sich seine rechte Hand, als wolle sie nach ihm greifen. Dann sinkt sie kraftlos zu Boden, die Augen fallen ihm wieder zu und er kippt einfach um.
 

Fassungslos starrt Sascha ihn an. Tränen beginnen seine Augen zu füllen. „Was habe ich nur getan…?“, haucht er in die eisige Stille der Höhle hinein. Dann erstarrt sein Blick plötzlich, heftet sich an die Leiche seines Freundes. Feine Dampfwölkchen steigen von der warmen Blutlache auf, die langsam aus Tristans Schädel fließt. Schnell ist die kalte Luft der Höhle vom beißenden Kupfergestank des Lebenssafts erfüllt. Eigentlich müsste ihm davon schlecht werden, doch dem ist nicht so. Blut hat noch nie so verlockend gerochen, wie in diesem Moment. Unweigerlich beginnt sein Magen laut zu knurren. Ein völlig wahnsinniges Grinsen breitet sich auf dem ausgezehrten Gesicht des Bergsteigers aus, das schnell zu seinem irrsinnigen Lachen anschwillt. Wie von Sinnen streift sich Sascha seine Handschuhe ab und taucht seine Finger in das auskühlende Blut. Dickflüssig benetzt es seine Haut wie rote Farbe. Gierig führt er die Finger zu seinem Mund und nuckelt den köstlichen Saft davon, als wäre es geschmolzene Schokolade.
 

Unbemerkt durchlebt sein Körper dadurch eine Wandlung. Seine Augen verfärben sich plötzlich rot und beginnen zu glühen. Der unbändige Appetit nach Fleisch überwältigt ihn schier. Nicht mehr Herr seiner Selbst stürzt er sich auf die Leiche seines Freundes, rammt seine Zähne in das weiche Fleisch und stillt seinen Hunger. Ja, endlich kann er sich sattessen, endlich! Mit jedem Bissen wächst das Fremde in ihm heran, bemächtigt sich seines Körpers, nimmt ihn ein und verwandelt ihn in etwas Schreckliches. Und als wäre diese Tatsache nicht schon furchtbar genug, beginnt der Schnee um ihn herum langsam zu schmelzen. Als schließlich die Nacht anbricht, ist von dem vernichtenden Sturm nichts mehr geblieben, als ein paar Knochen in der Höhle. Das Wesen, das einst der Bergsteiger Sascha war, erhebt sich im Schein des Vollmondes und verlässt nach so langer Zeit endlich sein Gefängnis. Ohne einen Gedanken an Reue zu verschwenden, tritt es in die Welt hinaus. Schnüffelnd hält es seine Nase in den Wind, wittert das Fleisch ahnungsloser Menschen und macht sich auf den Weg hinab ins Tal…
 

Einen Monat später – Hauptquartier der Ghostbusters – Manhattan…
 

Ungläubig starrt Peter auf den Zettel, den Janine ihm vor die Nase hält. „Colorado? Willst du mich veralbern?“, fragt er skeptisch. Die Rothaarige hebt eine Augenbraue und mustert den jungen Mann vor sich. „So was würde ich doch nie tun, Dr. Venkman. Aber jetzt mal ehrlich, die Adresse liegt wirklich in Colorado und es hat sich sehr dringend angehört. Der Anrufer redete irgendwas von einem Wendigo oder so was Ähnlichem…“, berichtet sie gelassen. „Sagtest du Wendigo?“, ertönt nun Ray´s Stimme hinter Peter. „Ja, genau das sagte ich. Ist das etwa ein Problem?“, hakt die toughe Frau nach. Der Mechaniker tritt näher an den Tisch heran und besieht sich den Zettel. „Man könnte es als Problem ansehen. Wendigos sind schreckliche Gestalten, die sich von Menschenfleisch ernähren. – Das traurige an ihnen ist aber, dass sie selbst einmal Menschen waren, die in größter Not schwebten und keinen anderen Ausweg mehr sahen, als zum Kannibalen zu werden…“
 

Entgeistert sieht Peter seinen Kollegen an. „Kannibalen? Oh Mann, kann es eigentlich noch schöner werden?“ Ernst sieht der Jüngere ihn an. „Ja, kann es und deswegen müssen wir auch nach Colorado, ehe diese Bestie im Blutrausch ein Dorf nach dem anderen zu Grunde richtet!“ Eindringlich sieht der Kleinere ihn an, versucht seine Bedenken und möglichen Ängste zu zerstreuen. Und tatsächlich sitzt Venkman beim Gedanken an einen Menschenfresser die Angst tief im Nacken. Doch Ray´s schokoladenfarbenen Kulleraugen kann er nur schwer etwas abschlagen. Selbst wenn er es tun würde, hätte es eh keinen Sinn. Die Beseitigung solchen Monstrositäten ist nun mal ihr Job, egal wie gefährlich es auch sein mag. Daher versucht der Brünette sich seine Bedenken nicht ansehen zu lassen und seufzt stattdessen schwer. Ein kleiner Trost bleibt ihm allerdings. Für die weite Anfahrt bekommen sie ein extra Honorar und das ist doch auch schon mal was. „Ok, schau mich nicht so an, sondern hol die anderen, damit wir es hinter uns bringen können!“
 

Der Weg zum Ziel erweist sich als viel weiter, als sie es vorher angenommen haben, weshalb Janine für die Jungs ein Flugzeug chartern muss. Geschlagene fünf Stunden hocken sie in der Frachtmaschine, inklusive all ihrer Ausrüstung und Ecto-1. Vom Flughafen Colorado Springs fahren sie dann noch einmal fast vier Stunden durch die Pampa, ehe sie den Nationalpark erreichen, in dem sich der Berg Bighorn Mountain befindet. Als der ehemalige Miller Meteor endlich zum Stehen kommt, ist es eine Erleichterung für alle. Ziemlich fertig verlassen die Jungs den Wagen und betrachten das Stück Land, das sich vor ihnen erstreckt. Dichte Tannenwälder dominieren die Sicht, durchbrochen von einem kristallklaren See. Abgerundet wird das Schauspiel von den Bergen in der Ferne, auf deren Spitzen der letzte Schnee in der abendlichen Sonne glühend glitzert. „Wahnsinn, was für eine Aussicht!“, schwärmt Ray begeistert. „Mir wäre ein weiches Bett weit lieber, nach dieser Holpertour hierher…“, mault Peter und reibt sich den verspannten Rücken.
 

Nur kurz darauf wird die Stille des Parks von lauten Rufen durchbrochen. Irritiert sehen die Jungs einen Mann heraneilen, dem die Aufregung deutlich ins Gesicht geschrieben steht. „Da sind sie ja endlich! Ich hatte schon befürchtet, dass sie es heute nicht mehr schaffen…“, entkommt es ihm atemlos. „Nur, weil wir hier sind, heißt das ja nicht, dass wir auch einsatzbereit sind…“, erwidert ihm Peter und streckt sich murrend, wobei sein geschundener Rücken ein unschönes Knacken von sich gibt. Verwirrt sieht ihn der andere Mann an. „Beachten sie meinen Kollegen gar nicht. Es war eine – gewöhnungsbedürftige Reise bis hierher und wir sind etwas mitgenommen.“, erläutert Egon schließlich. „Oh ja, klar. Die Straße hier rauf ist leider in keinem so guten Zustand mehr, aber sie soll nächstes Jahr repariert werden.“, entschuldigt sich der Wildhüter. „Na, was für eine Freude. Dann sollten wir unbedingt wiederkommen und nach weiteren Monstern suchen!“, kommentiert Venkman angesäuert und kassiert dafür auch gleich mal einen Rippenstoß von Winston.
 

Die beiden Geisterjäger mustern sich verärgert, ehe Raymond sie auseinanderschiebt. „Lasst den Blödsinn, wir haben zu tun.“, weist er sie an. „Ach, wo bleiben bloß meine Manieren? Ich bin übrigens Frank Dodd, der Wildhüter hier. Dort drüben ist meine Hütte. Lassen sie uns doch rübergehen, dann können sie sich ausruhen, etwas Essen und wir reden über das Ganze.“ Nur allzu gern folgen sie Frank zu seiner Behausung. Hütte trifft es allerdings nicht wirklich. Vielmehr ist es ein hübsches Holzhaus und für die Tatsache, dass Dodd hier ganz allein wohnt, doch erstaunlich groß. Es gibt sogar ein sehr geräumiges Gästezimmer, indem die Jungs die Nacht verbringen werden. Aber jetzt sitzen sie erst mal um einen großen Tisch herum, essen einen überraschend leckeren Eintopf, den Frank gekocht hat und lassen sich von ihm die Einzelheiten erläutern.
 

„Das Ganze begann vor zirka einem Monat. Damals sind zwei Wanderer verschwunden. Sie wurden auf Bighorn von einem Schneesturm überrascht. Als das Wetter besser wurde, ist ein Suchtrupp losgezogen, um sie zu finden. Allerdings war es da schon zu spät. In einer Höhle auf dem Berg hat man die sterblichen Überreste eines der Wanderer gefunden. Es sah aus, als wären Wölfe über ihn hergefallen. Die Knochen waren alle fein säuberlich abgenagt. Nur anhand seiner Sachen konnten wir ihn überhaupt identifizieren. – Von dem anderen Wanderer fehlt bis heute jede Spur. Wir wissen nicht, ob er noch am Leben ist oder wohlmöglich dem Wendigo zum Opfer gefallen ist…“ „Woher wissen sie denn, dass es ein Wendigo ist?“, fragt Winston, dem bei der Geschichte langsam der Appetit vergeht. „Ich habe ihn gesehen und einige andere Leute ebenfalls. Er streifte nur wenig später durch die Wälder. Zudem sind immer mehr Menschen verschwunden und man fand nur ihre Knochen. Mittlerweile haben wir den Park sogar für Besucher geschlossen, bis sie dem Einhalt gebieten.“ „Und warum haben sie uns erst jetzt gerufen, wenn das Ganze schon vor einem Monat angefangen hat?“, hakt Peter nach.
 

„Das ergibt die Logik der Wesenheit, Peter. Wendigos sind ausschließlich in Vollmondnächten aktiv, sowie eine Nacht davor und eine danach. Den Rest der Zeit verstecken sie sich. Sie bilden ein Äquivalent zum Werwolf, erst recht, da sie auch eine menschliche Gestalt annehmen können.“, erklärt Egon. „Außerdem ist morgen die Nacht vor dem nächsten Vollmond.“, ergänzt Ray. „Das macht irgendwie Sinn, aber wie sollen wir das Vieh denn in einem so riesigen Park finden, falls er sich hier überhaupt noch aufhält?“, will Venkman wissen. „Ich denke schon, dass er noch hier im Park ist. Wendigos sind doch ziemlich heimatverbunden, wenn man den Legenden glauben darf. Und da sich außer euch und mir niemand hier aufhält, bin ich sicher, dass der Wendigo euch schon finden wird, wenn ihr in den Wald geht.“, kommt es von Frank. „Das sind ja prima Aussichten…“, seufzt Winston.
 

Eine Weile später sitzen die Jungs erschöpft in ihren Betten im Gästezimmer und unterhalten sich über die bevorstehende Aufgabe. Peter hingegen, zieht es vor, ins Land der Träume abzudriften, unbemerkt der ernsthaften Diskussion um ihn herum. „Sehe ich das richtig? Der Wendigo ist kein Geist oder? Und somit können wir ihn auch nicht einfangen…“, stellt Winston fest. „Das stimmt. Ein Wendigo ist eine wahrhaft existierende und überaus lebendige Lebensform, auch wenn er nicht unbedingt so aussieht und kann daher von uns nicht einfangen werden.“, bestätigt Egon seine Befürchtung. „Du meintest aber, dass er einem Werwolf sehr ähnlich ist, weil er auch eine menschliche Gestalt annehmen kann.“, kommt es von Ray. „Durchaus. Der Wendigo gehört zur Kategorie der Gestaltwandler, ähnlich dem Berggeist, den wir bezwungen haben. Allerdings ist er in seiner Wandlung begrenzt. Er kann eine menschenähnliche Form annehmen, wobei seine Augen aber glühendrot bleiben und er auch weiterhin Reißzähne hat.
 

Zweitens kann er eine tierische Gestalt annehmen, die dem uns bekannten Yeti ähnelt. Mit dem Unterschied, dass das Fell des Wendigo sehr viel länger ist und er einen langen, löwenähnlichen Schwanz hat, zudem kann er sowohl aufrecht, als auch auf allen vieren gehen. Dieses Aussehen bevorzugt er in schneereichen Gegenden oder im Winter. Zumeist ist er aber in seiner sogenannten Schattenform unterwegs. Dabei handelt es sich um ein rotwildähnliches Wesen, dass fast nur aus nackten Knochen besteht. In dieser Gestalt verschmilzt er förmlich mit dem Unterholz.“ „Also werden wir das Biest auf jeden Fall erkennen, wenn es vor uns steht, egal in welcher Form das auch immer sein wird. Doch wie können wir so ein Wesen besiegen? Hat es einen Schwachpunkt, wie Silber bei einem Werwolf?“, fragt Winston zweifelnd. Aufmerksam blättert Raymond durch den Geisterführer. „Laut Tobin haben alle Formen des Wendigo eine Gemeinsamkeit und das ist ihr Herz. Es besteht völlig aus Eis und um den Wendigo zu besiegen, muss es geschmolzen werden.“, liest der Mechaniker vor.
 

„Dann sind unsere Strahler also nicht vollkommen nutzlos!“ Ein gewisser Tatendrang überkommt Winston, gemischt mit einem Hauch Erleichterung. „Die Protonenstrahler sind wahrscheinlich sogar unsere einzige Möglichkeit, ihm das Herz zu schmelzen, ohne ihm zu nahe zu kommen. Man wird nämlich nicht nur zu einem Wendigo, wenn man Menschenfleisch isst, sondern auch, wenn man von ihm verletzt wird oder mit seinem Speichel in Berührung kommt.“, mahnt Egon. „Genau. Und wir können nur hoffen, dass es hier nicht mehr als einen davon gibt. Denn ähnlich wie bei einem Vampir müssen wir den ersten Wendigo erledigen, damit alle von ihm infizierten Personen sich wieder zurück verwandeln…“, ergänzt der Mechaniker. Unweigerlich schwindet die Erleichterung aus Winston und er seufzt auf. „Na dann hoffen wir mal auf das Beste…“
 

Am nächsten Abend…
 

Die Sonne ist schon fast völlig hinter den Bergen versunken und ihr gegenüber erhebt sich der Mond in einer nahezu perfekten Kugel. Langsam betreten die vier Geisterjäger den Tannenwald. *Das Tageslicht erlischt mit einer Geschwindigkeit, die Egon an die Tropen erinnert, und wenig später besteht die dicht bewucherte Landschaft um sie herum nur noch aus schwarzen Schemen. Der Weg ist jedoch klar zu erkennen, jedenfalls vorläufig noch – ein sechzig Zentimeter breiter, grauer Streifen, der sich durch die Schatten windet -, aber wenn der Mond nicht aufgehen würde, würden sie wahrscheinlich noch tiefer in der Tinte sitzen, als ohnehin schon. Unruhe, beinahe greifbar, breitet sich in jedem Einzelnen von ihnen aus. Die Bäume stehen so dicht, dass sie das letzte Licht förmlich verschlucken. Wenden sie ihren Blick in die Richtung, aus der sie gekommen sind, können sie sehen, dass es außerhalb des Tannenwaldes noch verhältnismäßig hell ist.
 

Mit einem ziemlich mulmigen Gefühl schalten sie ihre Taschenlampen ein und richten sie gen Boden, um nicht allzu offensichtlich ihre Anwesenheit zu verkünden. Schweigen liegt über der kleinen Truppe, doch sie müssen auch nichts sagen. Der Wendigo hat eine ganz ausgezeichnete Nase und wird sie viel schneller wittern, als dass er ein Geräusch von ihnen vernimmt. Nervös schweben ihre Finger über dem Abzug der Protonenkanonen. Überall um sie herum raschelt es, wenn nächtliche Tiere aufgeschreckt die Flucht ergreifen. Eulen rufen bedrohlich in die Dunkelheit hinein. Plötzlich jedoch ist es vollkommen still. Erschrocken bleiben die vier stehen und lauschen in die Nacht hinein. „Das ist nicht gut…“, gibt Peter von sich und seine Stimme, so schneidend in dieser Stille, erschreckt die anderen nur noch mehr. Doch ehe sie ihn dafür strafen können, ertönen schwere Schritte. Äste knicken ächzend um, sogar ein ganzer Baum fällt krachend zu Boden. Dann erhebt sich ein gewaltiger Schatten über den Wipfeln der Tannen und ein bösartiges, durch und durch animalisches Heulen hallt durch die schlagartig eiskalte Luft.
 

In die Seelennacht entschwunden

Vergessen

Verloren in den Nebeln hinter der Sterblichkeit
 

Wie versteinert stehen die Ghostbusters aneinandergedrängt da und starren auf den Schatten, der ihnen unaufhörlich näherkommt. In der Zwischenzeit steht der Mond hoch am Himmel, sodass sein Licht nun auf das Wesen fällt und seine Gestalt preisgibt. Vor ihnen erhebt sich eine Bestie, die mindestens sechs, wenn nicht gar acht Meter misst. Der Wendigo wirkt wie eine grauenhafte Mutation eines Hirsches. Der riesige, vom Fleisch abgeschälte Schädel glänzt knochenweiß im Mondschein und ruht auf einem breiten, sehr muskulösen Hals, der dick mit zottigem Fell überzogen ist. In den gewaltigen Augenhöhlen befinden sich keine sichtbaren Sehorgane, dennoch glüht in ihnen ein rotes Licht, das ihm das Sehen ermöglicht. Entgegen seines vegetarisch anmutenden Äußeren, ist das knöcherne Maul des Wendigos gespickt mit dolchartigen Fangzähnen, von denen unablässig klebriger Speichel zu tropfen scheint. Zwei lange Ohren bewegen sich unabhängig voneinander hin und her und suchen nach dem kleinsten Geräusch. Auf dem gewaltigen Schädel thront ein enormes Geweih, das dem Wesen mindestens noch drei Meter an Höhe gönnt.
 

Und doch mehr als tausend Gesichter berührt

Unbemerkt

Nie gesehen von den Augen der Sterblichkeit
 

Der Oberkörper der Bestie lässt die blanken Rippen sehen. Doch im Gegensatz zum knochenweißen Schädel sind sie von einer dünnen, braunen Haut überzogen, so wie der Rest des schlaksigen, langgestreckten Körpers. Die Leere hinter den Rippen und der Bauch sind rötlich gefärbt, als wären sie in Blut getränkt worden. Und zwischen alledem funkelt glitzernd das Herz aus purem Eis. Geräuschlos schlägt es in der Brust des Wesens. Der Wendigo steht auf langen, dürren Beinen, die in drachenähnlichen Füßen enden. An jeder der fünf Zehen sprießt eine lange, sichelförmige Klaue, die sich in den weichen Boden des Waldes eingräbt. Die Arme sind überdimensional in die Länge gezogen, sodass sie ausgestreckt den Boden berühren, obwohl das Wesen aufrecht steht. Vier lange Finger enden ebenfalls in riesigen Klauen, die beim Laufen über den Grund kratzen und dabei ein abstoßendes Geräusch erzeugen.
 

Oft gefühlt und nie erreicht

Ungreifbar für die Hände der Sterblichkeit

Unverhüllt im Kleid der Nacht
 

Ein tiefes Heulen erfüllt erneut die Umgebung und verjagt gänzlich die letzten Tiere in der Umgebung. Mit offenem Mund starren die Ghostbusters dieses gewaltige Untier an, völlig außer Stande sich zu rühren. Das Wesen kommt näher heran, wobei es bei jedem Schritt die Erde zum Zittern bringt. Für einen Augenblick hoffen die Jungs, dass die Bestie sie noch nicht gewittert hat und einfach an ihnen vorbeigehen wird. Doch dann richtet der Wendigo seine leeren, rotglühenden Augenhöhlen auf sie und öffnet gierig das Maul. Er hat zwar keine Zunge, doch sie ist auch gar nicht nötig, um den Jungs klarzumachen, dass sie nun auf der Speisekarte stehen. Ein Schwall blubbernden, zähflüssigen Speichels rinnt aus dem geöffneten Maul heraus und landet mit einem widerlichen Klatschen auf dem Waldboden. Die Erde darunter beginnt augenblicklich zu qualmen, als wäre sie von starker Säure getroffen worden.
 

Auf Geisterwegen

Ins Grab geleitet

Mehr als tausend Leben
 

Dieser Anblick verstärkt die Unsicherheit der Jungs nur noch mehr. Sie können sich nicht erinnern, jemals einer solch gewaltigen Bedrohung gegenüber gestanden zu haben und dabei ist die ungeheure Größe der Bestie nicht mal das Schlimmste. Wie sollen sie damit nur fertig werden? Wie hypnotisiert stehen sie da und starren dem Wendigo in die leeren, rotglühenden Augenhöhlen, unfähig sich zu rühren. Das Untier hebt einen Fuß und kommt einen Schritt näher und endlich löst sich die Starre der Geisterjäger. Der Boden erzittert unter ihren Schuhen und plötzlich wieder Herr über den eigenen Körper, landen sie alle auf ihren vier Buchstaben. „Unfassbar…“, flüstert Ray, schwankend zwischen grenzenloser Begeisterung und lähmender Angst. „Das kannst du laut sagen. Das Biest ist unfassbar hässlich…“, entgegnet ihm Peter angewidert. „Ich würde es eher als unfassbar tödlich bezeichnen.“, kontert Winston. „Meiner Meinung nach ist es unfassbar wichtig, dass wir es besiegen, sonst wird eine unfassbare Tragödie geschehen, meine Herren!“, beendet Egon das unfreiwillige Spielchen.
 

Und jeder Tropfen Blut erfüllt

Der von des Alten Sense tropfte

Geist in des Mondes zweitem Gesicht
 

Gerade noch rechtzeitig kommen die vier wieder auf die Füße, ehe der Wendigo mit weit geöffnetem Maul nach ihnen schnappt. Das Geräusch, mit dem seine dolchartigen Zähne im fleischlosen Kiefer aufeinanderschlagen, klingt unbeschreiblich. Es ähnelt entfernt dem Laut, den ein umstürzender Baum von sich gibt, der so mit Wasser vollgesaugt ist, dass er einfach nicht mehr stehen kann – irgendwie tropfnass und doch trocken, hölzern. „Du hast also Hunger, du hässlicher Bettvorleger? Dann probier doch mal das hier!“, grölt Venkman dem Wendigo wütend entgegen und zielt mit dem Protonenstrahler auf ihn. Der erhitzte Lichtblitz trifft das Wesen mitten zwischen die Augen. Eine kleine, verbrannte Stelle wird auf der Stirn des Knochenschädels sichtbar. Aber noch während sich Peter über seinen Treffer freut, können die vier beobachten, wie diese Wunde wieder verschwindet, als wäre sie nie dagewesen. Unweigerlich muss Ray an einen Mutanten aus seinen Comicheften denken, der über unglaubliche Selbstheilungskräfte verfügt und ein mindestens genauso unberechenbares Wesen hat, wie der Wendigo und ein Schauer jagt unweigerlich seinen Rücken hinunter.
 

Namenlose Orte

Fangen deinen Atem in dieser Welt

Totengesänge hallen endlos durch die Zeit
 

„Seine einzige Schwachstelle scheint wirklich sein Herz zu sein, also müssen wir versuchen, es zu treffen!“, wirft der Mechaniker schließlich ein. Die anderen nicken und gemeinsam laden sie ihre Protonenkanonen durch. Sie bilden eine Linie und zielen auf das eisige, pulsierende Herz zwischen den braunen Rippen. Doch so leicht lässt sich das Untier nicht in die Enge treiben. Als die Ghostbusters mit ihrem Beschuss beginnen, holt die Bestie mit ihrem langen Arm aus und schlägt nach ihnen. Nur der Entfernung haben es die Jungs zu verdanken, dass sie von der tödlichen Pranke nicht erwischt werden, aber darauf schien es das Wesen auch gar nicht abgesehen zu haben. Tatsache ist, durch diese simple Bewegung entsteht eine Art Sog in der Luft und die vier jungen Männer werden von einem kräftigen Windstoß wieder von den Füßen gerissen. Triumphierend heult der Wendigo auf.
 

Und doch ist dein Atem dort

Für mich nur Fleisch und Blut

Wie lange werden wir noch auf getrennten Wegen reisen?
 

„Ich schätze, so wird das nichts. Wir sollten uns verteilen und ihn von vier Seiten angreifen. Dann ist zwar die Chance geringer, dass wir sein verfluchtes Herz treffen, aber er ist dann abgelenkt genug, damit es wenigstens einem von uns gelingt.“, weist sie der Brünette an und rappelt sich schwerfällig wieder auf. Angeschlagen kommen auch die anderen wieder auf die Füße und nehmen ihre Plätze ein. Nun haben sie den Wendigo umzingelt und setzen erneut zum Angriff an. Um den Überraschungsmoment zu sichern, schießen sie nicht alle gleichzeitig auf das Vieh. Stattdessen trifft Egon ihn im Rücken, um so seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Der Blonde erntet ein verstimmtes Heulen als Antwort. Nun wäre Winston dran, dem Wendigo in die Seite zu schießen und so Verwirrung in ihm auszulösen. Doch ehe er einen Schuss abfeuern kann, dreht sich das Skelettwesen so schnell herum, dass der Bauarbeiter sich nur noch auf die Knie fallen lassen kann, um seinen Klauen auszuweichen.
 

Wie lange wirst du noch

Jenseits von Lebenstoren wandeln

Von Ewigkeit zu Ewigkeit?
 

Doch der Angriff galt gar nicht Winston, wie sie nun erschrocken feststellen müssen, sondern Egon. Überrumpelt wird der Tüftler von der langfingrigen Hand zu Boden gerissen und dort festgehalten. Eine der messerscharfen Krallen kratzt dabei über die Wange des Genies und besiegelt sein Schicksal. Fassungslos betrachten die übrigen Geisterjäger das Schauspiel. „Nimm sofort deine dreckigen Pfoten von ihm!“, gebärt sich Peter und schießt der Bestie direkt in den Allerwertesten. Heulend wendet sich das Monster zu ihnen um und gibt Egon wieder frei. Reglos liegt dieser auf dem Boden, während sich die Seuche des Wendigo in seinem Körper ausbreitet. Peter und Winston nehmen das Vieh unter Beschuss, während Ray zu dem Verletzten hinüber eilt. Er lässt sich neben ihm auf die Knie fallen und rüttelt zaghaft an ihm. „Egon? Nun sag doch was, bitte!“ Langsam öffnet der Angesprochene die Augen.
 

Und doch fühlen wir schon längst

Die Nähe des schwarzen Traums
 

Doch es sind nicht mehr die Augen des Tüftlers, die stets Wissen und Geduld ausgestrahlt haben. Nein, nun sind sie rot und glühen bedrohlich in der Dunkelheit. Erschrocken weicht Ray zurück und gibt einen erstickten Laut von sich. Ruckartig setzt sich Egon auf und grinst seinen Kollegen auf eine Art und Weise an, die abstoßender kaum sein könnte. Der Ausdruck auf seinem verzerrten Gesicht trieft geradezu vor wildem Appetit und blanker Gier. Lange Reißzähne drängen sich in seinem Mund zusammen, Speichel rinnt ihm über die Lippen und er lässt die Zunge heraus hängen, wie ein Hund an einem heißen Sommertag. Ein unartikuliertes Geräusch verlässt seine Kehle. Mit einer beängstigenden Geschwindigkeit stürzt sich der Blonde auf den Mechaniker. Dieser kann nicht mehr rechtzeitig ausweichen und wird von dem Tüftler gegen einen Baum gepresst. Die Kraft, die Egon dabei an den Tag legt, ist jenseits von allem, zudem er unter normalen Umständen in der Lage wäre. Mit gebleckten Zähnen grinst er Raymond entgegen.
 

Ein schwarzer Traum

Die Grabinschrift des Lebens

Zu Wasser wird er werden
 

Verzweifelt versucht sich der Rothaarige aus dem Griff des anderen zu befreien, doch das scheint völlig unmöglich. Stattdessen verlässt ihn immer mehr die Kraft und seine Arme, die Egon fest umklammert hält, werden allmählich gefühllos. „Egon, bitte! Komm zu dir! Du tust mir weh…“, kommt es hilflos von dem Jüngeren. Doch der Blonde hält nichts von seinen Worten, hat nur dieses abgrundtief böse Grinsen für ihn übrig. Verloren wendet Ray den Blick zu Peter und Winston. Von ihnen kann er jedoch im Moment wohl keine Hilfe erwarten. Sie haben alle Hände voll damit zu tun, den angriffslustigen Wendigo auf Abstand zu halten. Also muss es dem Mechaniker irgendwie gelingen sich selbst zu helfen. „Egon, hör mir doch zu! Ich weiß, du bist irgendwo da drin!“, fleht er schon beinahe. Die einzige Antwort, die er bekommt, ist aber nur ein unartikulierter Laut, der entfernt an ein finsteres Lachen erinnert. Dann überbrückt Egon den letzten Abstand zu seinem gefangenen Kollegen.
 

Und in die Nebel fliegen

Wo das zweite Gesicht des Mondes wandelt

Und niemals wiederkehren
 

Mit weit geöffnetem Mund und gebleckten Zähnen steht er ihm gegenüber. Seine speicheltriefende Zunge schnellt hervor. Sie gleitet mit einer quälenden Langsamkeit über die Wange des Mechanikers, als wolle sie probieren, ob er auch so köstlich schmeckt, wie er in seinen Augen gerade aussieht. Der virale Speichel fühlt sich unglaublich heißt auf Ray´s Haut an. Ein nagendes Kribbeln breitet sich davon aus und überzieht seinen ganzen Körper in Windeseile. Hilflos erliegt er der Seuche, die sich in ihm ausbreitet, wie ein Buschfeuer. Egons Hunger gewinnt die Oberhand, er kann nicht mehr länger warten. Seine Zähen wollen Blut spüren und Fleisch zerreißen. Er drückt den wehrlosen Mechaniker noch fester gegen den Baum und will seine Fänge in dessen zarte Haut rammen, doch da ist Ray´s Transformation schon abgeschlossen.
 

Blut wird weiter tropfen

Totengesänge hallen in der Zeit

Ewigkeiten werden sterben
 

Kraftvoll stößt der Rothaarige seinen Angreifer von sich weg. Überrumpelt starrt Egon sein Gegenüber an, erkennt jedoch schnell das veränderte Wesen, man könnte sagen einen Verbündeten. Statt ihn also fressen zu wollen, deutet er auf die beiden Männer, die hoffnungslos versuchen, ihren Schöpfer zu vernichten. Nun steigt auch in Ray das unbändige Verlangen nach süßem Blut und dampfendem Fleisch auf. Seine glühendroten Augen fixieren die beiden ahnungslosen Menschen und er leckt sich gierig über die speichelglänzenden Lippen. Gemeinsam mit dem Blonden stapft er auf die abgelenkten Geisterjäger zu.
 

In schwarzer Herrlichkeit

Denn selbst die Zeit kann nicht für immer trennen

Was bestimmt war eins zu sein
 

Nun endlich gelingt es Winston einen Treffer auf das Herz der Bestie zu landen. Getroffen heult der Wendigo auf und sinkt auf alle viere. Wütend knurrt er die beiden Männer an und weicht ein paar Schritte zurück. Er muss erst wieder Kraft schöpfen und dann wird er sie vernichten! Oder vielleicht muss er sich auch gar nicht die Mühe machen. Seine Nachkommenschaft ist hungrig und wird die beiden mit Sicherheit zur Strecke bringen, oder aber solange ablenken, damit er wieder auf die Füße kommt. „Volltreffer!“, jubelt Winston noch, während sich der angeschlagene Wendigo zurückzieht. Doch seine Freude schlägt schnell in blankes Entsetzen um, als er Egon und Ray auf sich zuwanken sieht. „Oh mein Gott, nein…“ Schnell versteht auch Peter den Ernst der Lage, doch was sollen sie jetzt machen? Sie können ja schlecht auf ihre Freunde schießen…
 

Kein Herz wird jemals wieder schlagen

Denn das zweite Gesicht des Mondes

Wird das meine sein
 

Unschlüssig sehen sich die zwei verbliebenen Geisterjäger an und wiegen ab, was jetzt am Sinnvollsten wäre. Ray und Egon können ihnen sehr gefährlich werden. Wenn sie von ihnen berührt werden, ist alles aus. Dann werden sie gemeinsam mit dem Wendigo durch die Nacht wandeln und wehrlose Leute töten, immer vorausgesetzt, sie werden von ihren ehemaligen Kollegen nur verwandelt und nicht aufgefressen. Und der Ursprung all diesen Übels, der echte Wendigo, liegt auch ganz in der Nähe und wird sicher bald wieder zu Kräften gekommen sei und erneut auf sie losgehen und dann ist das Chaos perfekt. Schlussfolgernd muss ihnen dringend etwas einfallen, bevor das Vieh wieder auf die Beine kommt. „Winston, sieh zu, dass du die zwei ein bisschen beschäftigen kannst. Ich werde diesem hässlichen Vieh noch eins über den Pelz brennen, damit wir etwas mehr Zeit zum Nachdenken haben!“, weist Peter den Schwarzhaarigen an. Skeptisch sieht der Bauarbeiter von ihm zu Egon und Ray, die unaufhörlich näher kommen. „Und wie soll ich das machen?“, fragt er. „Dir wird schon was einfallen…“, kommt es gehetzt von Venkman, der sich dann abwendet.
 

Und die Seelennacht

Wird nie zu Ende gehen…
 

Fieberhaft denkt Winston nach, was er tun kann. Auf sie schießen kann er keinesfalls, das würde sie umbringen, selbst in ihrer verwandelten Form. Auf Worte reagieren sie auch nicht, also was tun? Plötzlich fällt ihm auf, dass nur noch Egon in seinem Sichtfeld ist und sich Ray klammheimlich davongemacht hat. Unbescholten steuert der Mechaniker auf den Brünetten zu, als sich mit Winston zu beschäftigen. „Na großartig…“, murmelt der Dunkelhäutige und vergisst den Tüftler für einen Augenblick. Dies entgeht dem Blonden aber keinesfalls und er nutzt seine Chance. Als Winston ihm den Rücken zukehrt, um Ray wieder zu sich zu locken, packt er ihn und wirft ihn zu Boden. Mit erstaunlicher Kraft pinnt Egon ihn auf den Grund. Ein gieriges Grinsen breitet sich auf dem Gesicht des Tüftlers aus und er bleckt hungrig die Zähne. Winston ist ihm hilflos ausgeliefert. Er kann sich nicht einmal bewegen. „Peter! Hilf mir!“, ruft er seinem Anführer verzweifelt entgegen und vergisst dabei sogar, dass er ihn nicht mehr beim Vornamen nennen wollte.
 

Der Angesprochene hatte sich dem Wendigo gerade so weit genähert, dass er gut hätte zielen können, als er die Stimme des anderen vernimmt. Überrascht dreht er sich um und besieht sich Winstons Problem. „Verdammt!“, gibt er von sich und will schon loslaufen, als die Bestie eine ihrer Pranken hebt und ihm mitten in den Rücken schlägt. Überrumpelt wird der Brünette zur Seite geschleudert und knallt hart auf den Waldboden. Benommen stemmt er sich etwas hoch und blickt sich um. In seinem Kopf dreht sich alles, doch er hat Glück gehabt. Der Wendigo hat seine blanke Haut nicht getroffen und auch sein Overall ist heil geblieben, sodass er nicht befürchten muss, sich ebenfalls in einen Menschenfressen zu verwandeln. „Peter!“, ertönt erneut die verzweifelte Stimme des Schwarzhaarigen. Es ist ihm zwar gelungen, seine Protonenkanone zwischen sich und Egons zuschnappenden Zähnen zu bringen, doch das wird ihm nicht lange helfen. Ein kleiner Kratzer reicht schon aus oder ein Tropfen Speichel auf der Haut.
 

Schwerfällig kommt Peter wieder auf die Beine und wirft dem Wendigo einen zornigen Blick zu. Dieser hat sich wieder zusammengekauert und schöpft noch immer Kraft. Gut, solange er von ihm fernbleibt, hat er wohl nichts zu befürchten. Er merkt nicht, wie sich Ray ihm langsam nähert. Im Moment hat er nur Augen für seinen Kollegen und das Ding, das aussieht wie Egon. Venkman eilt zu den beiden hinüber und versucht den Tüftler von Winston runterzuziehen. Allerdings gelingt ihm das nicht. Unter normalen Umständen ist Egon zwar der Größte von ihnen, aber auch ein echtes Fliegengewicht. Doch jetzt kommt es Peter so vor, als würde er versuchen wollen, ein Auto von Winston zu stemmen. Der Blonde rührt sich keinen Zentimeter, nähert sich seinem wehrlosen Opfer aber mit tödlicher Präzision. Peter hat nur von wenige Sekunden, um sich zu entscheiden, bevor es Winston erwischen wird. Verzweiflung macht sich in dem Anführer breit. Sein Herz rast und seine Schläfen beginnen schmerzhaft zu pochen. Er findet einfach keinen klaren Gedanken!
 

Panik breitet sich in ihm aus und er greift zum einzigen Mittel, das ihm einfällt. Weit holt er mit der Protonenkanone aus. Mit einem dumpfen Knall schlägt die gehärtete Spitze des Strahlers auf Egons Hinterkopf. „Vergib mir, Egon…“; flüstert Peter, als sein langjähriger und bester Freund ohnmächtig auf dem Waldboden zusammenbricht. Mit einer Mischung aus Schock und Erleichterung sieht Winston zu ihm auf. „Danke, Mann. – Ist er…?“, presst der Bauarbeiter hervor. Besorgt geht Peter auf die Knie und fühlt Egons Puls. In seinem verwandelten Zustand ist er jedoch vor möglichem Schaden bewahrt worden. Nicht mal eine Beule scheint zu wachsen. Erleichtert stellt Peter fest, dass es Egon soweit gutzugehen scheint. „Der schläft bloß…“, gibt er bedrückt zurück und betrachtet den Blonden wehmütig. Er hätte nie gedacht, dass er Egon gegenüber mal handgreiflich werden müsste und das macht ihn doch ziemlich fertig.
 

Mühsam kommt der Bauarbeiter wieder auf die Beine, doch er sieht ihn zu spät. „Peter, Achtung!“ „Was?“ Er dreht sich zu ihm herum und als sich ihre Blicke treffen, landet ein harter Schlag in Venkmans Rücken. Getroffen geht er zu Boden und spürt gleich darauf ein Gewicht auf sich, das ihn fixiert. Unartikulierte Geräusche dringen an sein Ohr und heißer Atem gleitet über seine Haut hinweg. In all der Aufregung mit Egon, ist es Ray gelungen sich unbemerkt anzuschleichen und so den Brünetten zu überwältigen. „Verdammt! Winston, nimm ihn weg, schnell!“, fährt er den anderen verkrampft an und versucht sich aus seinem Griff zu befreien. Allerdings wird ihm schnell klar, dass das nichts bringt. Zielstrebig ergreift der Schwarzhaarige seinen Strahler und holt aus. Dann jedoch hält er abrupt inne. Nicht gerade überrascht, stellt er fest, dass er einfach nicht zuschlagen kann. Wieso auch? Er liebt diesen Mann und er hat schon genug gelitten, damit sie zusammenfinden konnten, da kann er ihm doch jetzt unmöglich eine überbraten!
 

Stattdessen versucht er den Rothaarigen zu sich zu locken. Vielleicht kann er ihn ja irgendwie fesseln oder so. „Hey Ray! Sieh doch mal, was ich hier Schönes hab!“, ruft er seinem besessenen Freund zu. Dieser hebt auch tatsächlich den Kopf ein Stück an und durchbohrt ihn förmlich mit seinen rotglühenden Augen. Als er denkt, dass er die Aufmerksamkeit des Jüngeren hat, schiebt sich Winston langsam den Ärmel seines Overalls hoch und entblößt seine schokoladenbraune Haut. Ray´s Augen werden daraufhin so groß, wie die Augen eines Kindes, das allein in einem Süßigkeitengeschäft steht. Er gibt einen gierigen Laut von sich und erhebt sich bedächtig. „Ja, so ist es gut, Ray. Hol dir das Leckerli!“, ermutigt ihn der Schwarzhaarige und lotzt ihn weg von Venkman. Mit ausgestreckten, klaubenden Fingern kommt der Mechaniker ihm immer näher. Doch plötzlich ertönt ein dumpfes Geräusch und Ray bricht bewusstlos zusammen. Fassungslos starrt Winston auf seinen Freund und dann auf Peter, der langsam den Strahler sinken lässt.
 

„Warum, in Gottes Namen, hast du das gemacht?“, brüllt er Venkman entgegen. „Warum wohl? Damit er dich nicht frisst, du Genie!“, blafft Peter zurück. „Das hätte er nicht gemacht! Ich hatte einen Plan, verdammt!“ Wütend kommt Winston auf ihn zu. „Ach ja? Aber wenn dein toller Plan nicht vorsieht, dass er ein Nickerchen macht, dann ist es auch kein Plan!“, entgegnet der Brünette standhaft. „Du bist so ein gefühlloses Arschloch!“ Winston holt mit der Faust aus, doch Peter weicht ihm aus. Diesmal sieht er sich durchaus im Recht und sieht daher auch nicht ein, warum er sich von ihm schlagen lassen soll. Diesmal ist es nicht seinen Schuld, nicht so wie damals im Krankenhaus, wo er bereit war, Prügel für seinen Fehler zu beziehen. „Hör auf mit dem Scheiß! Ich bin immer noch dein Chef und ich sage, die beiden machen jetzt ein Schläfchen! Außerdem tragen sie in dieser Form keinen Schaden davon, also was soll´s?“ „Das ist doch völlig egal! Es geht hier ums Prinzip, verflucht noch mal!“ „Dein Prinzip ist mir vollkommen egal. Wir müssen uns um diesen Bettvorleger kümmern, ehe die beiden aufwachen und ihre Verwandlung weiterfortschreitet!“, entgegnet ihm Peter streng. Wütend funkeln sich die beiden Männer an. Keiner von ihnen sieht ein, warum er nachgeben soll.
 

Ihr Streit droht endgültig zu eskalieren, als hinter ihnen ein tiefes Knurren zu hören ist. Erschrocken drehen sich die beiden Geisterjäger herum und erblicken den Wendigo, wieder Herr seiner Kräfte und angriffslustiger denn je. Brüllend kommt die Bestie auf sie zu. Dickflüssiger Speichel fliegt durch die Luft wie Regentropfen. Der Waldboden erzittert. „Ok, ok. Es tut mir leid, dass ich so grob zu ihm war. Und so bescheiden es auch klingt, aber wir müssen jetzt zusammenarbeiten. Aber du kannst mir ja eine runterhauen, wenn wir es überstanden haben!“, setzt Peter nach, ehe er seinen Strahler einschaltet. Während er es ihm gleichtut und das Monster ins Visier nimmt, wirft Winston ihm einen strengen Blick zu, als wolle er sagen, dass sich Venkman darauf ganz sicher verlassen kann.
 

Kurz darauf jagen die hochenergetischen Protonenstrahlen durch den sonst so friedlichen Wald und verwandeln ihn in ein obskures Lichtspektakel alla Krieg der Welten. Trotz seiner gewaltigen Größe, gelingt es dem Wendigo ein ums andere Mal den Strahlen auszuweichen und sich so immer näher an die Jungs heranzutasten. In die Ecke getrieben, wissen sie nicht, wie sie dem noch länger standhalten sollen. „Was sollen wir bloß machen? Das Vieh macht sich doch bloß lustig über uns…“, wirft Peter ein. „Was fragst du mich das? Du willst doch immer der große Anführer sein, also lass dir auch was einfallen!“, harscht Winston ihn an. „Wenn ich gewusst hätte, was das für ein mieser Job ist, hätte ich Egon die Führung überlassen…“ „Das würde uns jetzt aber auch nichts nutzen, da er ja ausgeknockt ist.“, erinnert ihn Winston.
 

Als Antwort auf diese unschöne Tatsache ertönt von dem Brünetten nur ein erschöpftes Schnauben. „Hast recht. – Ok, schieß in die Bäume. Vielleicht können wir ihn noch etwas mehr reizen, wenn die Äste auf ihn fallen.“ Mit erhobener Augenbraue sieht Winston ihn an. „Was soll das bringen?“ Keck grinst Peter und zielt. „Das wirst du schon sehen.“ Nicht wirklich überzeugt, kommt der Bauarbeiter dennoch seiner Anweisung nach und schießt auf die großen Äste der Bäume im Umkreis. Polternd und krachend treffen sie den Wendigo. Sein wütendes Heulen zerreißt die Nacht wie ein stumpfes Messer. Aufgebracht gebärt sich das Wesen, wirft den Kopf in den pelzigen Nacken und brüllt zum Himmel hinauf. Darauf hat Peter nur gewartet. „Jetzt! Sein Herz!“ Plötzlich versteht Winston, was der Brünette gewollt hat und korrigiert die Stellung der Protonenkanone.
 

Die glühend heißen Strahlen treffen punktgenau auf das Eisherz des Wendigo und bringen es augenblicklich zum Schmelzen. Aus dem Wutgeheul des Skelettwesens wird ein Schmerzensschrei. Dieses Geräusch klingt so erbärmlich und elend, als würde man einen Welpen mit einer Zeitung verhauen, weil er wieder auf den Teppich gepinkelt hat. Es passt so gar nicht zu der riesenhaften, furchteinflößenden Gestalt des Menschenfressers. Langsam verringern die Jungs den Abstand zu dem Vieh. Der Wendigo versucht ihnen auszuweichen, doch er ist bereits zu schwer angeschlagen. Seine Bewegungen sind müde, unkontrolliert. Kleine Rinnsale aus eisigem Wasser ergießen sich unterhalb der Rippen und tropfen zu Boden.
 

Schließlich verlässt das Wesen die letzte Kraft und es sinkt heulend und winselnd auf die Knie. Unter dem anhaltenden Beschuss der Ghostbusters, bricht er dann endlich zusammen. Ein letzter Schwall kalten Wassers ergießt sich auf den Waldboden und die Jungs stellen das Feuer ein. Mit erwartungsvollem Herzklopfen starren sie auf das Untier. Dann beginnt der sterbende Körper des Wendigo zu dampfen. Eine Wolke bildet sich über den sterblichen Überresten und entschwindet dann in den nächtlichen Himmel. Die Seele des Wendigo verflüchtigt sich, der Fluch ist gebrochen!
 

Sekunden später beginnen die Knochen der Bestie zu zerfallen, als würden sie schon viele Jahre hier liegen. Ein großer Haufen weißbrauner Staub bleibt zurück, den der Wind schnell zwischen den Bäumen verteilt. Zurück bleibt der Körper des verschwundenen Wanderers. Mit spürbarer Erleichterung schlägt Peter Winston auf die Schulter. „Oh Mann, wer hätte das gedacht? Wie haben es tatsächlich geschafft!“ Ein kleines, müdes Lächeln huscht über das Gesicht des Bauarbeiters. „Ja, das haben wir…“ „Was – was ist passiert…?“, erklingt es auf einmal hinter ihnen. Schwach richten sich Ray und Egon wieder auf und sehen sich verwirrt um. „Wo ist der Wendigo?“, fragt der Tüftler. „Da. Aber ich glaube, um den müssen wir uns keine Sorgen mehr machen!“, erläutert Peter und deutet dabei auf den jungen Mann, der ebenfalls langsam wieder zu sich kommt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Zitat: *Das Tageslicht erlischt mit einer Geschwindigkeit, die Egon an die Tropen erinnert, und wenig später besteht die dicht bewucherte Landschaft um sie herum nur noch aus schwarzen Schemen. Der Weg ist jedoch klar zu erkennen, jedenfalls vorläufig noch – ein sechzig Zentimeter breiter, grauer Streifen, der sich durch die Schatten windet -, aber wenn der Mond nicht aufgehen würde, würden sie wahrscheinlich noch tiefer in der Tinte sitzen, als ohnehin schon.
Stephen King – Regulator – 1996

*Lied: Lunar Aurora – Der Geist des Grausamen

den berg bighorn mountain gibt es wirklich in Colorado, der rest der Story ist aber frei erfunden. so, hier mal noch ein bild von dem wendigo, wie er den jungs gegenübergetreten ist in seiner skelettform:
https://darksilvania.deviantart.com/art/Wendigo-376299699 Komplett anzeigen

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