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Die Wölfe 4 ~Die Rache des Paten~

Teil IV
von

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~Küsse unter Tränen~

Die ganze Woche schon gehe ich Toni aus dem Weg. Immer wenn er ankommt um mit mir zu sprechen, senke ich den Blick und flüchte in irgend eine Arbeit oder verlasse das Haus. Seit dem Zwischenfall im Badezimmer, habe ich kein Wort mehr mit ihm gewechselt. Doch er lässt einfach nicht locker. Auch jetzt steht er wieder in der Tür meines Zimmers und hält mich am Arm fest.

„Enrico, bitte, red endlich mit mir! Was habe ich denn so schlimmes verbrochen?“ Wieder antworte ich ihm nicht und löse lediglich seine Finger von meinem Arm. Als ich mich umwende, um zu gehen, packt er mich dieses Mal an beiden Armen und dreht mich zu sich. Eindringlich mustert er mich und sucht vergeblich meinen Blick. Ich schaffe es einfach nicht, ihn anzusehen, stur betrachte ich den Boden.

„Enrico, bitte!“, fleht er.

„Bitte lass mich los! Lui und Jan warten auf mich“, sage ich kleinlaut. Toni betrachtet mich noch einen Moment lang, dann seufzt er ergeben und gibt meine Arme frei. Ohne noch einmal den Blick zu erheben, drehe ich mich um und verlasse das Haus.
 

Lui packt gerade einen Koffer in den Wagen, während Jan die Fahrertür öffnet. Als ich mit den Händen in den Hosentaschen zu ihnen gehe, richten sich ihre Blicke auf mich.

„Er will wohl nicht mitkommen?“, will Lui wissen.

„Ich habe ihn nicht gefragt und ich will ihn auch nicht dabei haben.“ Wenigstens wenn wir bei Robin und ihrer Cousine sind, will ich mal meine Ruhe vor ihm haben. Lui schließt den Kofferraum, während sich Jans Blick irgendwo hinter mir verliert. Skeptisch betrachtet er etwas und sagt schließlich ungläubig: „Heult der Kerl etwa?“

Irritiert folge ich seinem Blick. Toni sitzt auf der Bank hinter dem Haus und schnitzt an einem Stück Holz herum, immer wieder wischt er sich mit dem Handrücken übers Gesicht. Es sieht wirklich so aus, als wenn er heulen würde. Ein schlechtes Gewissen frisst sich in meinen Magen und lässt mich schwer durchatmen. Lui kommt zu mir, er legt mir seine Hand auf die Schulter.

„Bleib doch das Wochenende hier und klär das mit ihm, dann habt ihr wenigstens mal die Ruhe dafür“, rät er.

„Aber wir wollten doch zu Robin. Mit ihr muss ich auch noch so einiges klären“, halte ich dagegen.

„Mit Robin hast du noch Zeit. Er aber bleibt nicht ewig hier.“

Ich schaue von Lui zurück auf Toni. Er sitzt wirklich wie ein Häufchen Elend auf der Bank und vielleicht ist das Wochenende allein mit ihm, eine gute Gelegenheit mal ungestört zu reden.

„Enrico, ich halte das für keine gute Idee“, mischt sich Jan ein, „Was willst du machen, wenn er wieder handgreiflich wird? Dann ist keiner von uns hier.“

„Ich bin das letzte Mal auch allein mit ihm fertig geworden“, sage ich und kann meinen Blick nicht von Toni lassen. Ich kann mich nicht erinnern, ihn je heulen gesehen zu haben.

„Fahrt ohne mich!“, entscheide ich schließlich.

„Aber Enrico!“, versucht Jan mich noch immer aufzuhalten. Ich ignoriere ihn und richte mich an Lui: „Sag Robin bitte, dass ich sie am nächsten Wochenende besuchen komme und wir uns dann in Ruhe unterhalten. Grüßt Eliano und die Familie von mir!“ Lui nickt und lächelt zufrieden.

„Enrico!“, ruft Jan dazwischen.

„Steig endlich in den Wagen und halt die Klappe!“, schnauzt Lui ihn schroff an, „So langsam gehst du mir gehörig auf die Nerven. Wenn du dich nur mal so intensiv um mich kümmern würdest, wie du versuchst, die Beziehung der Beiden zu sabotieren. Steig endlich ein!“

Erstaunt schaue ich von einem zum anderen. Jan steigt in den Wagen. „Bist du etwa eifersüchtig?“, will er wissen.

„Habe ich denn einen Grund dazu?“ Lui steigt zu Jan in den Wagen und schlägt die Tür zu. Der Wagen setzt sich in Bewegung, Jan lenkt ihn auf die Straße. Ich sehen ihnen nach, bis sie hinter dem Hügel verschwinden. Von der Straße richte ich meine Aufmerksam zurück zur Bank. Sie ist inzwischen leer. Suchend sehe ich mich nach Toni um, doch außerhalb des Hauses kann ich ihn nicht finden. Na toll, jetzt muss ich den Blödmann auch noch suchen.

Ich trete den Rückweg an und gehe zur Bank. Als ich sie erreiche, fällt mein Blick auf die Glasschüssel. Sie hat sich inzwischen gut gefüllt. Neben der Lok und den Schienen sind etliche Tiere und ein Automobile dazu gekommen. Ich lächle zufrieden, bis mir in den Sinn kommt, dass er sicher nur so viel schnitzt, um auch wirklich in drei Monaten von hier weg zu kommen. Der Gedanke schmerzt. Eigentlich will ich mir gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn er nicht mehr da ist. Ich weiß doch erst durch ihn, was mir die ganze Zeit gefehlt hat. So viel Aufregung, wie in den letzten paar Tagen, hatte ich die ganzen Jahre nicht. Das möchte ich gar nicht mehr missen, so anstrengend es auch ist.

Im Wohnzimmer bewegen sich Schritte, im Augenwinkel kann ich einen Schatten sehen, der sich auf dem Sofa nieder lässt. Ich atme noch einmal tief durch, dann trete ich durch die offene Verandatür und lehne mich an den Türrahmen. Mit verschränkten Armen sehe ich Toni an. Er hat eine Bierflasche in der Hand und setzt sie sich die Lippen.

„Du hast gelogen“, spreche ich ihn an.

Sein Blick dreht sich erschrocken nach mir um. Er nimmt die Flasche wieder runter, fragend sieht er mich an, dann werden seine Gesichtszüge finster.

„Oh, redet der Herr jetzt wieder mit mir?“, sagt er abwertend.

„Ich kann auch wieder gehen, wenn dir das lieber ist.“

Er schweigt und atmet schwer. Eine gefühlte Ewigkeit braucht er um endlich zu antworten: „Wobei habe ich bitte gelogen?“

„Als ich dich gefragt habe, wie wir zueinander stehen, hast du mich angelogen“, sage ich und stoße mich vom Türrahmen ab. Mit verschränkten Armen betrete ich das Wohnzimmer und bleibe vor dem Tisch stehen.

Er mustert mich von oben bis unten, schließlich sagt er kühl: „Du hättest die Wahrheit doch gar nicht verkraftet.“

„Was ist denn die Wahrheit?“

Kritisch schaut er unter seinen dunklen Haaren herauf. „Weißt du das immer noch nicht?“

„Ich bin mir noch nicht sicher, von wem von uns Beiden die ganze Sache eigentlich kommt.“

„Also so, wie du in der Wanne meinen Namen gestöhnt hast, geht das wohl nicht nur von mir aus“, sagt er selbstgefällig und prostet mir zu, während er noch einen Schluck nimmt. Ich spüre wie mir die Hitze in den Kopf steigt. Nur mit aller Mühe gelingt es mir, meinen Blick nicht wieder zu senken. Das Thema ertrage ich nicht länger nüchtern. Ich greife über den Tisch und reiße ihm die Flasche aus der Hand.

„Hey!“, beschwert er sich.

„Sauf nicht so viel!“, tadle ich, „Mit Alkohol bist du unausstehlich!“ Die Flasche setze ich selbst an die Lippen und trinke den Rest darin leer. Toni sieht mir mit hochgezogener Augenbraue dabei zu, schließlich will er ernst wissen: „Sagst du mir jetzt vielleicht, was an dem Abend passiert ist?“

„Kannst du dich da immer noch nicht dran erinnern?“

„Würde ich sonst fragen?“

„Na, dann weist du wenigstens mal, wie es mir immer geht.“

„Das ist keine Antwort!“

„Na schön.“ Klangvoll stelle ich die leere Flasche auf den Tisch ab und gehe um ihn herum. Argwöhnisch beobachtet Toni mich, während ich mich ihm nähere. Unruhig rutsch er auf dem Sofa zurück. Ich setze mich auf seinen Schoß und dränge ihn am Brustkorb in die Lehne.

„Du Mistkerl hast mich ausgezogen und wolltest über mich herfallen!“

Toni schluckt schwer, seine grünen Augen mustern mich wild. Scheu sieht er mich an.

„Enrico, dass … ich“, beginnt er zu stottern. Zufrieden betrachte ich ihn und seinen wundervollen Augen. Wenn er so verlegen und unsicher schaut, ist er noch süßer.

„Du verdammter Scheißkerl“, hauche ich ihm auf die Lippen und kann nichts gegen den verträumten Blick tun, der sich mir ins Gesicht zwingt, „Mein Scheißkerl!“, säusle ich und lege ihm meine Hände um beide Wagen. Ich küsse seine weichen Lippen. Sie sind warm und treiben aufregende Unruhe in mein Herz.

„Das wollte ich schon die ganze Zeit machen“, gebe ich zu und lächle ihn an.

Ungläubig betrachtet er mich eine Moment lang, dann wandern seine Hände meinen Rücken hinauf. Er zieht mich an sich und küsst mich seinerseits.

„Ach du verdammter Idiot. Glaubst du ich nicht?“, nuschelt er zwischen zwei Küssen. Ich lächle und such mit meiner Zunge nach seiner. Das alles ist so unendlich lange her. Ich will es wieder haben, dieses aufregende Gefühl, das Herzflattern, die Geborgenheit, die ich nur in seinen Armen finden kann. Toni drückt sich von der Lehne ab und dreht sich mit mir seitlich aufs Sofa. Er wirft mich unter sich und hält mich doch so sicher, dass ich gar nicht spüre, wie ich falle. Während er sich über mich legt, küsse ich ihn weiter, kann einfach nicht genug von seinem heißen Atem und dem vertrauten, holzig, wilden Duft bekommen. Meine Arme lege ich ihm über die Schultern und den Rücken und ziehe ihn enger zu mir. Ich will seine Wärme und Kraft, einfach alles an ihm spüren, mich von dieser Sehnsucht endlich erlösen.

Toni unterbricht unser wilden Küsse. Ich kann mich nur schwer von seinen Lippen trennen und ihn sprechen lassen.

„Aber, warum jetzt auf einmal?“

„Weil wir jetzt endlich mal allein sind und ich doch sowieso nichts dagegen tun kann. Ich hab's versucht. Wirklich!“ Ich hake meinen Zeigefinger in seiner Kette ein und ziehe ihn daran zu mir. Bevor ich wieder zu Sinnen komme und begreife, was ich hier tue, will ich seine Lippen schmecken.

„Eigentlich“, meint er zwischen unseren Küssen, „eigentlich sollte ich … ich dich hier einfach liegen lassen. So wie dus die ganze Zeit mit mir gemacht hast.“ Flehend sehe ich ihn an und versuche ihn mit einem langen Zungenkuss vom Gegenteil zu überzeugen.

„Bitte … bitte nicht. Dann trau ich mich so was hier, nie wieder.“ Mit zitternden Fingern greife ich den obersten Knopf seines Hemdes und öffne ihn.

„Du bringst mich um den Verstand, ist dir das klar?“

„Na das will ich doch stark hoffen“, entgegne ich atemlos und suche wieder seine Lippen, während ich den zweiten Knopf öffne.

„Wehe du beschwerst dich hinterher wieder!“

„Wenn du wirklich so gut bist, wie in meinen Erinnerungen, bestimmt nicht“, versichere ich ihm und öffne nach einander alle restlichen Knöpfe. Hastig schiebe ich ihm den Stoff von den Schultern.

Abrupt unterbricht Toni unsere Küsse und stemmt sich vom Sofa, bis sich unsere Körper nicht mehr berühren.

„Moment mal, was soll das heißen, deinen Erinnerungen?“

Ich lächle ihn versöhnlich an und fahre seinen schönen Oberkörper mit beiden Händen ab. Von der Brust über jeden einzelnen Bauchmuskel. Alles an ihm ist fest und so verlockend. Ich lege den Kopf schief und antworte ihm: „Ich konnte es sehen.“ Mit dem Zeigefinger fahre ich in kleinen Kreisen um seine Bauchmuskeln und spüre, wie mir die Hitze in den Kopf steigt. Ich wage nicht ihm ins Gesicht zu sehen, als ich weiter spreche: „Als du betrunken über mich herfallen wolltest, war es, als wenn ich jede Nacht mit dir noch einmal erlebe. Ich weiß, was wir alles miteinander getrieben haben und seit her geht es mir nicht mehr aus dem Kopf.“ Scheu suche ich seinen Blick, doch dort ist kein Lächeln mehr, er schaut durch mich hindurch. Schließlich erhebt er sich ganz und setzt sich auf. Sein Hemd zieht er sich über die Schultern und richtet den Kragen.

„Wenn du die ganze Zeit alles weißt, wieso behandelst du mich dann, wie den letzten Dreck?“, will er zähneknirschend wissen. Ich senke schuldbewusst den Blick und setzte mich ebenfalls auf.

„Es tut mir leid. Ich konnte damit einfach nicht umgehen.“

„Ach und jetzt kannst du's auf einmal?“

„Ich weiß nicht“, gestehe ich kleinlaut und wage nur zögernd wieder aufzusehen, „Ich hab keine Ahnung was ich hier eigentlich tue.“

„Dann solltest du es lassen!“, murrt er und wendet sich ab. Er schließt die Knöpfe an seinem Hemd. Wehmütig sehe ich ihm dabei zu und lege schließlich meine Hand über seine, um ihn zu stoppen. Eindringlich sehe ich ihn an und knie mich ins Sofa direkt neben ihn.

„Bitte Toni, sei nicht so ein Arsch, wie ich es war. Stoß mich nicht weg, wo ich doch gerade begreife, was ich schon die ganze Zeit will.“

„Ach und was soll das bitte sein?“

Ich schaue ihn schief von unten an.

„Dich, du Idiot!“, murre ich und setze mich auf seinen Schoß. Meine Arme schlinge ich um seinen Hals und sehe ihn offen an.

„Ich weiß dass ich dir weh getan habe, die ganze Zeit über.“

Tonis Augen werden gläsern, seine Mundwinkel beginnen zu zucken. Eine erste Träne rollt ihm über die Wange.

„Du Arsch, du weißt gar nicht wie sehr!“, bricht es aus ihm heraus, „So lange habe ich gedacht du seist tot. Ich habe gedacht, ich habe dich für immer verloren und dann komme ich hier her und du bist auf einmal wieder da. Und ich darf dich nicht berühren, kann kaum vernünftig mit dir sprechen.“ Immer mehr Tränen fallen ihm von den Wangen. Seine Arme legt er mir um die Talie und zieht mich an sich. Er hält mich so fest, das mir das Atmen schwer fällt.

„Ich habe dich so entsetzlich vermisst!“, schluchzt er und beginnt hemmungslos zu heulen. Bei seiner verzweifelten Stimme kommen auch mir die Tränen. Ich lege ihm meine Hand in den Nacken und lehne seinen Kopf an meinen Brustkorb. Mein Gesicht vergrabe ich in seinen weichen Haaren und gebe ihm einen Kuss hinein.

„Es tut mir leid. Ich bin nicht ich selbst gewesen. Ich habe so sehr versucht ein normales Leben zu führen und habs an dir ausgelassen. Das hast du nicht verdient.“

Unter meinen Worten schluchzt er nur noch mehr. Seine Tränen dringen warm durch mein Hemd, seine Umarmung wird noch fester.

„Auch wenn ich mich nicht erinnern konnte, hat mir die ganze Zeit etwas wichtiges gefehlt. Jetzt weiß ich, dass du das warst“, flüstere ich in seine weichen Haare.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Tales_
2017-02-15T19:20:28+00:00 15.02.2017 20:20
Huhu,
Jetzt bin ich hier am ende angekommen und ich muss sagen dass mir das Lesen wieder sehr viel Spaß gemacht hat. Es war wirklich ein auf und ab der Gefühle!
Toni tat mir wirklich Leid!
Ich bin so froh das Enrico endlich einen großen Schritt auf ihn zugemacht hat!

Ich freu mich aufs nächste Kapitel
Lg shanti
Antwort von:  Enrico
16.02.2017 06:18
Hey Shanti,

man bist du schnell in zwei Tagen 27 Kapitel.
Echt beeindruckend.
Es freut mich wirklich zu hören, dass ich dieses auf und ab der Gefühle noch hin bekomme. All zu viel Aktion gibt es ja in dem Teil nicht und trotzdem scheint es ja spannend genug zu sein. Da bin ich echt erleichtert.
Toni hatte in dem Teil wirklich zu leiden ^-^. Aber ab jetzt wird besser, versprochen.
Das nächste Kapitel ist in Arbeit.

Wölfe Grüße
Enrico


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