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Die Wölfe 4 ~Die Rache des Paten~

Teil IV
von

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~Allein mit einem Dieb~

Irgendwie seltsam, mit ihm auf so engem Raum allein zu sein. Ob wir wohl schon oft gemeinsam auf Tour waren?

Als er den Wagen startet und wir losrollen, rutscht etwas schweres gegen meinen Sitz. Zwei Koffer liegen auf der Rückbank, einer davon hat die Form eines Musikinstrumentes.

„Du spielst Gitarre?“, will ich von ihm wissen.

„Du erinnerst dich wirklich an nichts, oder?“

„Glaubst du ich habe mir das nur ausgedacht?“ Er schweigt nachdenklich, dann wandert seine Aufmerksamkeit von der Straße auf meine verbundenen Hände.

„Was ist mit deinen Händen passiert?“

„Ich habe es bei der Arbeit in der Werkstatt etwas übertrieben. Halb so schlimm.“

„Und warum humpelst du?“ Ich seufze und schiebe den Stoff meiner Hose bis zu den Knien. Toni wirft beiläufig einen Blick darauf.

„Verstehe“, sagt er lediglich. Mit den Gedanken ist er auf einmal ganz weit weg und auch ich sehe für einen Moment die brennende Lagerhalle und glaube das Feuer spüren zu können, dass sich in meine Beine frisst. Wir hängen einen Moment lang unseren Erinnerungen nach, bis mir meine Frage wieder in den Sinn kommt.

„Wie stehen wir beide eigentlich zueinander?“, versuche ich es noch einmal. Toni weicht meinem fragenden Blick aus. Er braucht eine gefühlte Ewigkeit, bis er endlich antwortet: „Du bist mein bester Freund.“ Ich mustere seinen scheuen Blick aufmerksam, schließlich wendet er sich ab. Mein bester Freund, ja? Bisher habe ich Robin, Jan und Lui dafür gehalten. Immerhin haben sie mich die ganze Zeit begleitet, aber wirklich wohl, habe ich mich in ihrer Gesellschaft nie gefühlt. Und bei ihm? Ich werde gerade, mit einem geklauten Wagen entführt und bin die Ruhe selbst. Das Sommerhaus ist schon nicht mehr zu sehen und vor uns liegt die Einöde des Niemandslandes. Wo bleibt das Misstrauen, dass mich sonst bei jedem anderen Menschen begleitet.

„Ich kann es einfach nicht fassen“, unterbricht er meine Gedanken.

„Was denn?“

„Das du das überlebt hast. Sie haben dir im Krankenhaus direkt in die Brust geschossen.“ Reflexartig taste ich nach der Narbe.

„Ich hatte wohl einfach Glück, dass die Kugel von meinen Rippen abgelenkt wurde.“

„Du hattest schon immer mehr Glück als Verstand!“

„Bin ich denn so oft angegriffen worden?“ Bisher habe ich angenommen, der Mordversuch in der Lagerhalle und im Krankenhaus waren einmalig gewesen.

„Naja, ich kenne dich eigentlich nur mit irgendwelchen Verbänden.“ Ich hebe belustigt meine Hände.

„Na da scheint sich ja zumindest in dem Punkt nichts verändert zu haben.“ Wir müssen beide lachen, doch nur all zu schnell wird er wieder ernst.

„Ich habe wirklich gedacht, ich hätte dich für immer verloren. Wahrscheinlich wache ich morgen früh irgendwo in der Gosse auf und das hier, ist alles nur ein Traum.“ Seine Stimme wird zunehmend brüchiger, seine Augen bekommen einen gläsernen Glanz. Kurzentschlossen schlage ich ihm kraftvoll auf den Oberarm. Er zuckt erschrocken zusammen und sieht mich ärgerlich an.

„Aua! Hey, wofür war das?“

„Das tat doch weh, oder? Also träumst du nicht! Wobei ich es auch echt merkwürdig finde, dich außerhalb meiner Träume sehen und mit dir sprechen zu können. Sag mal, wie lange kennen wir uns eigentlich schon?“ Er überlegt einen Moment.

„Wenn du die letzten vier Jahre mitzählst, neun Jahre.“ Also haben wir gerade mal fünf Jahre zusammen verbracht? Seltsam, mir kommt es fast wie ein ganzes Leben vor.

„Wie haben wir uns kennen gelernt?“ Ein Schmunzeln huscht ihm über die Lippen.

„Du wolltest unbedingt Basketball gegen mich spielen und hast zehn zu null verloren..“

„Basketball?“

„Hast du das auch vergessen?“ Ich schaue entschuldigend unter seinem forschenden Blick hinweg.

„Ich hab noch nie von dieser Sportart gehört.“

„Man wirft da einen Ball in einen Korb, der an einer hohen Stange angebracht ist“, erklärt er. Ich schüttle wehmütig mit dem Kopf.

„Noch nie von gehört.“

„Ehrlich? Du musst echt mal raus kommen, aus der Pampa hier!“

„Wo wollen wir überhaupt hin?“, will ich wissen, als das Dorf in Sichtweite kommt. Er zuckt mit den Schultern.

„Keine Ahnung. Du kennst dich doch hier aus. Gibt es hier denn irgendwas interessantes?“ Gute Frage. Mal abgesehen von der Werkstatt und dem Lebensmittelgeschäft, habe ich das Dorf nicht wirklich erkundet.

Als wir auf die befestigte Straße wechseln und die ersten Häuser an uns vorbei ziehen, betrachte ich ratlos die Umgebung. Es gibt gerade mal zwei Orte, die ich benennen kann: „In dem hellen Haus dort hinten, arbeiten Jan und Lui. Sieht etwas mickrig aus, aber für den kleinen Ort reicht die Wache offensichtlich. In der Werkstatt dahinter arbeite ich.“

„Du arbeitest also wirklich?“ Seine Stimme klingt überrascht.

„Ja, ich repariere Fahrzeuge. Hab ich das früher nicht gemacht?“

„Doch schon, aber eher als Hobby nebenbei.“

„Und was hab ich hauptberuflich gemacht?“

„Du hast Menschen umgelegt!“, haut er trocken raus.

„Ha, ha, sehr witzig.“

„Na gut, manchmal haben wir auch einfach nur geklaut und Erik beim Pokern abgezogen.“

„Du verscheißerst mich doch, oder?“ Toni schmunzelt amüsiert.

„Nicht wirklich, die Wahrheit ist viel zu amüsant dafür.“ Ich glaub ihm kein Wort.

„Wer soll denn dieser Erik bitte sein?“, versuche ich in Erfahrung zu bringen. Den Namen hat er sich doch gerade ausgedacht.

„Er besitzt ein Bordell. Du warst Stammkunde bei ihm.“

„Nein! Ganz sicher nicht!“, halte ich dagegen, doch Toni verzieht keine Mine.

„Wir waren beinah jeden Tag dort. Wir haben bei ihm als Türsteher gearbeitet. Du bist manchmal selbst in der Arbeitszeit mit einer seiner Mädels verschwunden. Klingelt da wirklich nichts bei dir?“

„Nein!“, protestiere ich energisch.

„Du verarschst mich doch, oder?“ Jan hat ja schon angedeutet, dass ich es wohl mit der Treue nicht so ernst genommen habe, dabei kann ich mir das jetzt gar nicht mehr vorstellen. Ich habe neben Robin, die ganzen Jahre keine andere Frau angesehen.

„Nein, ich bin verheiratet.“ Demonstrativ erhebe ich meine Hand, mit dem Ring, bis mir einfällt, dass er unter dem Verband gar nicht zu sehen ist. Toni sieht mich erst fragend und dann mit einem immer breiter werdenden Grinsen an, schließlich beginnt er herzhaft zu lachen.

„Was ist daran bitte so witzig?“, will ich ärgerlich wissen.

„Willst du mir allen ernstes weiß machen, dass du die letzten vier Jahre in keinem Bordell warst und keine Frau hattest?“

„Nein!“

„Nicht mal mit Robin?“ Was ist das denn für eine blöde Frage?

„Sicher hatte ich was mit ihr. Sie ist schließlich meine Frau!“

„Aha!“ Irritiert betrachtet er mich. „Wie hast du dich denn als Toter scheiden lassen, um sie zu heiraten?“

„Hä? Scheiden lassen? Wozu? Ich bin doch schon immer mit ihr verheiratet.“ Die Fröhlichkeit weicht gänzlich aus Tonis Gesicht. Mit einer erhobene Augenbraue, sieht er mich fragend an.

„Hat sie dir das erzählt?“

„Ja, sicher. Ich erinnere mich ja nicht. Worauf willst du überhaupt hinaus?“

„Hat sie auch einen Ring?“ Bei dieser Frage schläft mir das Gesicht ein. Gedankenverloren murmle ich: „Nein. Sie hat behauptet ihn bei dem Brand verloren zu haben. Wir haben ihr einen neuen gekauft ...“

„Ich glaube, du hast viel mit ihr zu bereden, wenn wir zurück sind.“

„Allerdings!“ Finster betrachte ich meinen Ringfinger.

„Wenn ich nicht mit ihr verheiratet bin, mit wem dann?“ Den Ring trage ich, seit ich aus dem Koma aufgewacht bin. Er war mir die erste Zeit viel zu groß, als wird Robin ihn mir sicher nicht während des Komas gekauft und übergezogen haben. Ich muss ihn schon vor dem Überfall besessen haben.

„Mit ihrer Schwerster“, erklärt er.

Mit was für Menschen lebe ich eigentlich schon seit vier Jahren zusammen? Ist denn wirklich alles eine Lüge gewesen? Immer verbissener schaue ich vor mich hin, bis Toni den Wagen parkt.
 

„Schau mal, das ist doch sicher ne Bar oder? Kommt! Du siehst aus, als wenn du nen Drink brauchen könntest.“ Er steigt aus und sieht mich auffordernd an.

„Du lässt es zu, dass ich was trinke?“, will ich irritiert wissen. Jan, Lui und Robin haben penibel darauf geachtet, das ich keinen Alkohol in die Finger bekomme, doch Toni zuckt nur unbekümmert mit den Schultern.

„Klar, wieso? Verträgst du nichts mehr?“

„Dich sauf ich noch immer unter den Tisch!“, kommt mir spontan über die Lippen. Endlich mal nicht an all die Regeln halten, mal nicht wie ein schwer kranker Krüppel behandelt werden. Daran könnte ich mich gewöhnen. Schwerfällig schiebe ich meine Beine aus dem Auto und erwarte jeden Moment, das Toni zu mir kommt und mir hilft, doch er läuft bereits auf den Eingang zu. Irritiert sehe ich ihm nach. Das nicht sofort eine helfende Hand zur Stelle ist, ist ungewohnt. Ich mühe mich allein aus dem Auto und schließe zu ihm auf. Er sieht durch die Glasscheibe der Tür ins Innere.

„Sieht ziemlich dunkel aus.“

„Es ist erst neun. Wer will schon um die Zeit in eine Bar?“

„In New York haben die Geschäfte den ganzen Tag offen.“ Ich zucke mit den Schultern.

„Mhm, lohnt sich hier nicht. Und nun?“ Toni sieht an an dem Gebäude entlang.

„Gibt's noch nen Hintereingang?“, will er wissen.

„Sicher, aber der ist doch bestimmt auch abgeschlossen“, vermute ich. Trotzdem setzt er sich in Bewegung. Ich folge ihm in langsamen Schritt und verstaue meine Hände in den Hosentaschen. Wir erreichen eine Tür auf der Rückseite des Gebäudes. Toni rüttelt einmal am Türknauf, doch nichts geschieht. War ja klar, dass auch hier abgeschlossen ist. Ich wende mich um, um den Rückweg anzutreten, da klickt und knarrt es leise. Als ich mich umdrehe schiebt Toni die Tür auf und verstaut ein Taschenmesser in seiner Jackentasche.

„Nach dir!“, bittet er mich mit einer ausfallende Handbewegung einzutreten. Als ich zögerere, wird sein Blick herausfordernd.

„Was denn? Hast du etwa Schiss von Lui und Jan verhaftet zu werden?“ Gutes Argument. Die Beiden werden mich einen Kopf kürzer machen, wenn sie das hier erfahren, aber sicher eine Ausrede finden, weswegen ich in der Bar war. Das dürfte also mein kleinstes Problem sein, trotzdem, am helllichten Tag irgendwo einbrechen? Andererseits wäre das nach den langweiligen Nachmittagen im Haus, echt mal eine Abwechslung. Die Vorstellung gegen alle Regeln der Vernunft zu verstoßen, beginnt mir zu gefallen.

„Kommst du jetzt, oder nicht?“, drängt er. Ich gehe zu ihm.

„Du bist also nicht nur Dieb, sondern auch ein Einbrecher?“, will ich wissen, als ich mich an ihm vorbei schiebe. Er zuckt mit den Schultern.

„Ich habe eben viele Talente. Außerdem kommt so ein Vorschlag für gewöhnlich von dir!“ Jetzt bin ich mir ganz sicher, dass er mich nur auf den Arm nehmen will.

„Netter Versuch, aber ich bin noch nie irgendwo eingebrochen!“

„Von wegen! Du brichst doch gerade ein!“, ruft er mir nach, als ich die Bar betrete.

„Mag sein, aber es werden deine Fingerabdrücke sein, die man findet, nicht meine.“

„Ach so, läuft das jetzt?“ Er folgt mir.
 

Die Bar besteht aus einem einzigen großen Raum. Alle Stühle sind hoch gestellt, die Lampen an den Decken sind aus. Hinter der Bar stehen vereinsamte Gläser und Flaschen.

„So, und weiter?“, werfe ich in den leeren Raum. Toni verschafft sich einen groben Überblick, dann steuert er einen Billardtisch an. Auf ihm liegen zwei Stöcke gekreuzt übereinander. Er nimm sich einen davon und wirft ihn mir zu.

„Lust auf ne Runde?“

„Wenn du mir zeigst, wie es geht.“ Während ich ihm zum Tisch folge, richtet Toni die Kugeln aus.

„Langsam nervt deine Amnesie, weißt du das?“ Ich ignoriere sein Kommentar und richte die Spitze des Stocks auf die weiße Kugel. Mit einem kräftigen Ruck, stoße ich sie an. Die bunten Kugeln verteilen sich in alle Richtungen, eine Rote rollt ins hintere rechte Loch. Dunkel überkommt mich die Erinnerung an eine Regel: Die erste versenkte Kugel gibt vor, welche ich als nächstes Anspielen darf. Von jetzt an, darf ich nur noch die vollen einlochen.

Ich suche mir die gelbe Eins aus und versenke sie über eine Bande in der linken unteren Ecke. Auch die blaue Zwei verschwindet kurz darauf im selben Loch.

„Wer hat eigentlich bestimmt, dass du anfangen darfst?“, murrt Toni

„Angst zu verlieren?“, entgegne ich herausfordernd und fixiere die orange Fünf.

„Ich dachte du weist nicht, wie es geht?“

„Habe ich bis vor einer Minute auch noch gedacht!“, erwidere ich breit grinsend und versenke auch diese Kugel.

„Es macht mehr Spaß, wenn wir zusammen spielen und jemand anderen abziehen, als wenn du das bei mir tust!“, meint Toni während ich die lila Sieben anspiele. Sie prallt gegen zwei Banden und bleibt dann vor dem Loch in der Mitte der rechten Bande liegen.

„Wie gnädig von dir“, meint Toni und tritt an den Tisch.

„Ja, hin und wieder kann ich großzügig sein.“ Das ich eigentlich ein ganz anderes Loch anspielen wollte und nur zu wenig Schwung genommen habe, muss er ja nicht wissen. Während Toni seine erste halbe Kugel versenkt, kommt es mir so vor, als wenn ich ihn, so über den Spieltisch gebeugt, schon unendlich oft gesehen habe. Auf dem Tischrand haben überall Gläser gestanden und Geldscheine gelegen. Wir waren von unheimlich viel Lärm und jungen Männern umgeben.

„Sonst haben wir um Geld gespielt, oder?“, will ich noch ganz in Gedanken wissen.

„Stimmt. Meistens nach Feierabend gegen Erik und Maik oder in der Fabrik mit den Jungs.“

„Maik war der Barkeeper, oder?“, erinnere ich mich.

„Ja.“ Krampfhaft versuche ich mich an die Gesichter der beiden Männer zu erinnern, doch mir kommen nur die roten Lampen über den Tischen in den Sinn. Also gab es dieses Bordell wirklich, und ich war da Stammkunde und Türsteher? Bei Toni kann ich mir diesen Job ja noch vorstellen. Er ist gut einen Meter neunzig groß und hat ein breites Kreuz. Ich bin einen Kopf kleiner als er und wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich immer nur einen schwächlichen Krüppel, der kaum alleine aufstehen kann.

„Träum nicht! Du bist dran!“, holt mich Tonis Stimme zurück. Er hat zwei Kugeln versenkt, die Dritte ist in der Mitte des Tisches liegen geblieben und versperrt mir den direkten Weg zur lila Sieben vor dem Loch.

„Bis du immer noch Türsteher?“, will ich wissen, als ich die Kugel über die Bande anspiele. Sie braucht nur einen kleinen Anstoß um ins Loch zu fallen, doch mein Anstoß war zu kraftvoll und wirft sie zurück aufs Feld.

„Nein. Bin schon ewig nicht mehr bei Erik gewesen. Hat mich zu sehr an dich erinnert“, erklärt er und stößt die weiße Kugel an. Seine Haare fallen ihm dabei tief ins Gesicht, zwischen ihnen hindurch schauen mich seine tiefgrünen Augen direkt an. Ein warmherziges Lächeln liegt auf seinen Lippen. Je länger ich ihn ansehe, um so unruhiger werde ich. Die Weiber müssen ihm in Scharren hinter laufen. Groß, gut gebaut und mit einem Hauch Gefahr umgeben.

Toni umrundet den Tisch, um eine bessere Position für seinen nächsten Stoß zu finden. Als er ganz nah an mir vorbei kommt und hinter mir verschwindet, trommelt sich die Unruhe in mein Herz und lässt meinen Puls in jeder Ader heftig schlagen.

„Hab jetzt die letzten Jahren für nen Hungerlohn an den Docks geschuftet“, erzählt er, „Muss man echt nicht haben. Bin ganz froh über die paar Wochen Urlaub jetzt!“

„Also bleibst du ne Weile bei uns?“, kommt mir überraschen enthusiastisch über die Lippen.

„Wenn ich darf, gern! Daheim wartet gerade nichts auf mich, und außerdem, bist du hier!“ Wieder sieht Toni mich so seltsam warmherzig an und zwingt mir damit ein Lächeln ins Gesicht. Noch mehr Unruhe schleicht sich in meinen Pulsschlag. Vor dem Kerl muss ich mich unbedingt vorsehen, irgendwas stimmt mit ihm nicht. Ich schüttle den Gedanken ab und wende mich meinem nächsten Stoß zu.

„Wie ist es in New York so? Hast du Familie?“, will ich wissen. Toni lässt den Blick sinken, das Strahlen verschwindet aus seinen Augen und das Lächeln von seinen Lippen. Er schweigt meinen ganzen Zug lang. Erst als ich die weiße Kugel versenke und er dran ist, ringt er sich zu einer Antwort durch: „Ich hab ne Tochter. Sie ist letzte Woche vier geworden. Aber sie lebt bei ihrer Mutter und die will im Moment nichts mit mir zu tun haben.“

„Was hast du ausgefressen?“ Er schmunzelt amüsiert, dann wehmütig.

„Ihr hat die Art nicht gefallen, mit der ich mein Geld verdiene.“

„Was ist so falsch an Hafenarbeit?“

„Nichts! Ihr hat nicht gefallen, dass ich Geld genommen habe, um deine Mörder zu beklauen.“ Seine Gesichtszüge werden ernst und verbissen. „Wobei ich sie lieber erschossen hätte, wenn du nicht dazwischen...“ Er stoppt sich selbst mitten im Satz und betrachtet mich nachdenklich, schließlich winkt er ab. „Ach schon gut, vergiss es.“

„Meine Mörder? Du weist wer mir das angetan hat?“, will ich aufgebracht wissen.

„Du nicht?“ Ich betrachte ihn mahnend.

„Wenn du diese Kerle beklauen konntest, laufen sie also noch frei herum? Sind sie denn für die Brandstiftung und den Mordversuch nie verurteilt wurden?“ Nie wäre mir in den Sinn gekommen, dass diese Menschen noch auf freiem Fuß sind.

„Das ist wirklich dein Ernst, oder? Das ist nicht nur einer deiner blöden Späße, du weißt tatsächlich nicht wer wir sind, und wer uns nach dem Leben trachtet, oder?“ Ich schüttle mit dem Kopf und warte angespannt auf eine Erklärung, doch Toni sagt nichts. Er legt lediglich den Kö über den Tisch und geht zur Bar.

„Wer sind diese Typen?“, harke ich nach. Toni nimmt sich eine der Flaschen und zwei Gläser, er stellt sie auf den Tisch und füllt sie mit Scotch.

„Die japanische Mafia!“ Ich muss schwer schlucken.

„Schulden wir den Typen Geld, oder so?“, will ich wissen und gehe zur Bar. Bei dem Thema ist ein Trink keine schlechte Idee. Ich nehme mir einen der Hocker vom Tresen und setze mich.

„Nicht ganz.“ Was können sie sonst für Gründe haben, uns nachzustellen? Bei so Kerlen geht es doch immer nur ums Geld. Auffordernd sehe ich Toni an, und setzte das Glas an die Lippen. Als ich einen Schluck nehme, sagt er schließlich belustigt: „Du hast ihren Chef auf dem Gewissen, so was nehmen die persönlich.“ Seinen Worte erschrecken mich so sehr, dass ich den Trink in einem Schwall, quer über den Tresen spucke. Toni lacht amüsiert und wuschelt mir durch die Haare.

„Du müsstest dein Gesicht sehen“, lacht er.

„Also ziehst du mich nur auf?“, will ich erleichtert wissen. Toni nimmt sein volles Glas und kehrt zum Billardtisch zurück.

„Du glaubst mir doch sowieso kein Wort. Los komm, lass uns weiter spielen!“ Was denn nun, stimmt was er sagt, oder nicht?

„Jetzt schau nicht wie sieben Tage Regenwetter, das steht dir nicht!“ Wieder blickt er mich durch seine schwarzen Haare hindurch, lächelnd an, wieder schlägt mir das Herz bis zum Hals. Wie macht er das nur? Ich dränge das seltsame Gefühl in mir bei Seite und stehe auf.

„Aber was stimmt denn nun?“, will ich energisch wissen und gehe mit meinem Glas zu ihm. Toni meidet meinen Blick und nimmt den Kö vom Billardtisch.

„Lass uns die alten Geschichten für heute mal vergessen, okay?“, bittet er. Ich hole Luft um zu protestieren, doch als er mich wieder mit diesem seltsamen Lächeln ansieht, atme ich stumm aus.

„Na schön“, gebe ich ihm nach.



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