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Prince and Pea

A nohrian reenactment. Kind of.
von
Koautor: Arcturus

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I‘ll do what no one else can!

„Denkst du, du kannst mich mit Gulaschsuppe bestechen?“

Normalerweise lautete die Antwort nicht ‚Ja‘, sondern ‚Wie viel?‘ und gezahlt wurde in ganzen Mahlzeiten.

Beide Brüder starrten auf die dampfende Terrine, die Jakob zwischen sie gestellt hatte. Es war zweifellos eine seiner besten Suppen, mit ebenmäßig geschnittenen Rindfleischwürfeln, besonders vielen Tomaten und einem Klecks Sahne. In der Regel wäre Leo allein vom Geruch, der aus der Schüssel aufstieg, das Wasser im Munde zusammengelaufen.

Der heutige Tag entsprach nicht der Regel.

Er presste die Lippen aufeinander.

„Ich kann und werde heute keine Antwort von dir erwarten“, antwortete Xander ihm, die Stimme gesenkt und betont sachlich. „Ich wünsche mir lediglich, dass du mich ausreden lässt.“

Neben ihnen griff Jakob nach einem Weißbrot und tat so, als würde er ihr Gespräch nicht einmal hören. Mit routinierten Bewegungen schnitt er den Laib in dicke, fluffige Scheiben. Die Kruste knackte bei jedem Schnitt und verströmte dabei den Geruch von frisch gebackenem Brot.

Leo zog die Augenbrauen zusammen.

Es wäre gelogen gewesen, hätte er behauptet, er habe nicht mit diesem Gespräch gerechnet. Er hatte es bereits erwartet. Wenn ihn eines überraschte, dann nur, dass Xander sich damit so viel Zeit gelassen hatte.

Doch das hieß nicht, dass es ihm deshalb auch nur einen Deut besser gefiel.

„Vor einem Jahr hätte ich sehr viel dafür gegeben, sie unter Brynhildrs Ranken zu begraben und ihnen dabei zuzusehen, wie sie langsam ersticken. Sie alle.“

„Wir waren im Krieg.“

Die steilen Falten zwischen seinen Augenbrauen wurden tiefer. Der Geruch von Gulasch wich dem Geruch von Schweiß, Feuer, versengten Haaren.

„Das waren wir“, presste Leo zwischen seinen Zähnen hervor. „Ich hätte beinahe ein Loch in ihren zweiten Prinzen gebrannt.“

„Wir haben in der Vergangenheit alle Dinge getan, die wir nicht tun wollten.“

Leo blickte von der Terrine auf, die Farbe der Suppe plötzlich unerträglich. Ein stummes Flehen spiegelte sich in Xanders Augen. Ein Flehen, das Xander wohl bedacht aus seiner Stimme hielt.

„Ich wollte es tun, Xander. Jede Geste, jeden Zauber. Und wäre Vater nicht gefallen, hätten sie nicht– Ich hätte noch viel mehr als das getan. Erwarte nicht von mir, dass ich das vergesse. Erwarte nicht, dass die Hoshiden es tun.“

„Leo.“

Erst jetzt bemerkte er, dass er, aus Ermangelung von Brynhildr – die Zeiten, in denen er den Folianten selbst beim privaten Essen mit seinen Geschwistern bei sich trug, waren hoffentlich endgültig vorüber – nach dem bereitliegenden Messer gegriffen hatte. Entgeistert starrte er es an.

Einen Moment lang war ihm, als starre das Messer zurück.

Betont langsam legte er es zurück an seinen Platz zwischen Suppenlöffel und Teller. Er schlug die Augen nieder.

„Verzeih. Ich habe mich gehen lassen.“

Am Rande seines Blickfelds sackte sein Bruder ein klein wenig in sich zusammen.

„Ich bin derjenige, der um Entschuldigung bitten muss. Ich verlange dir zu viel ab.“

Leo ließ seinen Blick zurück zu der Gulaschsuppe gleiten, doch das bisschen Appetit, das er sich seit dem Beginn ihres Gesprächs bewahrt hatte, war ihm vergangen.

Er schüttelte den Kopf.

„Nein“, erwiderte er. „Du hast recht.“

Den Blick immer noch gesenkt, sah Leo nicht mehr, als Xanders rechte Hand, die, zur Faust geballt, neben dem Besteck ruhte. Die Anspannung in seinen Fingerknöcheln verstärkte sich. Leo wusste, dass sich seine Fingernägel in seine Handfläche bohrten – das Überbleibsel vergangener Unsicherheiten, die Leo nur aus Erzählungen kannte.

Plötzlich, fast so, als habe er Leos Blick gespürt, lockerte Xander seinen Griff. Es war eine kontrollierte Geste. Behutsam löste er Finger für Finger, bis er seine Hand, Handfläche nach oben, auf den Tisch legte.

Auch ohne Xanders Gesicht zu sehen, ahnte Leo, dass seine Züge zarter geworden waren, die Stirnfalten weniger prominent, die Lippen weniger fest aufeinander gepresst, der Blick weicher. Mehr sein Bruder, weniger sein König.

Entschieden sah Leo auf.

Beide Brüder tauschten einen Blick, der Leos Vermutungen bestätigte. Es war sein Bruder, der seinen Blick erwiderte, nicht sein König. Und so ungelegen dieser Umstand für ihr Gespräch auch kam, sorgte er doch dafür, dass er sich ein wenig entspannte. Er spürte förmlich, wie die Spannung in seinen Schultern ein wenig nachließ.

„Nohrs politische Lage ist prekär“, warf Leo ein, bevor einer von ihnen auf die Idee kommen konnte, das Thema fallenzulassen. „Die Politik der letzten Jahre hat unsere Bündnisse innenpolitisch wie außenpolitisch zerrüttet und der Krieg zu viele Verbündete in fremde Lager getrieben. Die, die blieben, stehen deinem Kurswechsel kritisch gegenüber. Eine sichere Allianz mit Hoshido würde nicht nur unsere Ostgrenze stabilisieren, sondern auch das Vertrauen in den Grenzmarken stärken. Zudem ist sie als Grundlage für die Wiederaufnahme von Handelsbeziehungen nicht nur mit Hoshido unabdingbar. Wenn eine Heirat diese Allianz erschließen kann, dann soll es so sein.“

Xander nahm sich Zeit, bevor er antwortete. Leo spürte, wie er ihn studierte, seine Haare, seine Mimik, seinen Kragen, der hoffentlich nicht falsch herum war. Er mochte es nicht, so genau gemustert zu werden, hatte es nie gemocht, doch er wusste es besser, als jetzt ungeduldig zu werden. Auch dann, wenn sich die feinen Härchen in seinem Nacken aufstellten und vor Nervosität kribbelten.

„Wie lange hast du dich auf dieses Gespräch vorbereitet?“

Die Wahrheit war – komplex.

Fakt war, bei den Verhandlungen, die seit Kriegsende stattfanden, hatten sowohl die nohrischen als auch die hoshidischen Delegierten das Thema einer möglichen, politischen Ehe bislang so strikt gemieden, wie die Teilnahme an einem Best Hair Contest.

Fakt war aber auch, dass es bei den Verhandlungen beinahe seit der ersten Stunde im Raum stand, wie der sprichwörtliche rosafarbene Wyvern.

Seitdem die hoshidische Königsfamilie ihre Teilnahme an den Feierlichkeiten zu Xanders Krönungsjubiläum zugesagt hatte, verfolgte es Leo bis in den Schlaf.

„Eine Weile.“

Sein Bruder spürte die Lüge, das sah Leo an Xanders Blick, doch die Rüge blieb aus.

„Ich bleibe dabei – ich werde heute keine Entscheidung von dir erwarten.“

„Und dafür bin ich–“

Ein Aufschrei drang durch die Tür.

Leo war in Bewegung, noch bevor er vollständig verstand, was geschah. Automatisch griff er nach der Halterung, in der er Brynhildr normalerweise bei sich trug. Das vertraute Gefühl von Leder und Eisenbeschlägen unter seinen Fingern blieb aus. Erst, als er ins Leere fasste, erinnerte er sich daran, Brynhildr in seinen Gemächern gelassen zu haben.

Einen Wimpernschlag später hörte er Niles, seine Stimme durch die Tür zu gedämpft, um Worte auszumachen. Eine andere Stimme antwortete ihm, ebenfalls zu undeutlich. Nur den Tonfall hörte er dieses Mal heraus.

Nicht panisch. Nur empört.

Weitere Schreie blieben aus.

Trotzdem griff er nach einer Waffe. Bewusst, dieses Mal, nicht nach Brynhildr, sondern nach dem Stahlschwert, das an seiner Hüfte ruhte. Er trug es nur des Ranges wegen, trotzdem beruhigte das Gefühl des Schwertgriffs unter seiner Hand seinen Puls. Unsicher warf er einen Blick zu Xander.

Beinahe hätte er geglaubt, sein Bruder habe sich nicht gerührt, hätte er nicht das Fehlen seiner Schwerthand auf dem Tisch bemerkt.

„Elise“, stellte Xander fest, die Stimme zu rau, um beruhigend zu sein.

Leo nickte.

Einen Moment lang lauschte er dem Gespräch vor der Tür. Als er sich sicher war, dass Niles seinem Befehl Folge leisten würde, richtete er seinen Stuhl. Er wusste, jetzt wo Elise ihre Heimlichtuerei bemerkt hatte, blieb ihnen nicht mehr viel Zeit. Nicht, wenn sie wollten, dass Elise nicht mehr Obszönitäten lernte, als unvermeidbar war.

Er setzte sich wieder.

„Jedenfalls – wenn nicht ich, wer dann? Du?“, Leo schnaubte. „Machen wir uns nichts vor. Wenn wir den nohrischen Adel wieder an die Königsfamilie binden wollen, wird dir nichts anderes übrig bleiben, als eine ihrer Töchter zu heiraten.“

Xander öffnete den Mund zum Protest, doch Leo war nicht bereit, sich ins Wort fallen zu lassen. Er hob die Hand, wie sein Bruder es früher immer getan hatte, wenn seine Geschwister stritten. Es funktionierte.

„Die Nohren werden keine Hoshidin als ihre Königin akzeptieren. Das weißt du so gut, wie ich. Nicht jetzt, nicht nach dieser Niederlage. Bleiben Camilla, Elise, Azura und ich.“

Er knickte den Daumen seiner immer noch erhobenen Hand ein. Xander verfolgte die Geste mit einem Stirnrunzeln, doch er schluckte den Protest.

„Elise wäre eine vernünftige Wahl, wäre sie ein paar Jahre älter. So jedoch fehlt ihr die politische Erfahrung und die nötige Reife. In einer politischen Ehe würde sie heute kaum mehr sein, als ein Spielball in den falschen Händen.“

Xander runzelte noch immer die Stirn, finsterer, jetzt. Der Streit vor der Tür wurde lauter, doch für den Moment ignorierten sie ihn beide.

„Sie aus dem Haus zu schicken, zu einem Mann, den sie weder kennt, noch liebt“, antwortete sein Bruder ihm schließlich, den Blick auf seiner Hand, „kannst du genauso wenig wie ich.“

„Natürlich kann ich das nicht.“ Unzeremoniell knickte Leo den kleinen Finger ein. „Sie ist unsere kleine Schwester. Ich könnte mir das nie verzeihen – und Camilla uns auch nicht.“

Leo suchte Xanders Blick nicht, aber er ahnte auch so, woran sein Bruder bei der Erwähnung von Camilla in diesem Kontext dachte. Es war scharf, zur besseren Handhabung auf einen Stahlschaft montiert und hörte auf den betörenden Namen Ruby Glimmer.

„Was Camilla selbst anbelangt, so hat sie sicher die Erfahrung, an der es Elise noch mangelt. Ich bin auch zuversichtlich, dass sie die Bürde auf sich nehmen würde und kann, aber wir kennen ihr Temperament.“

Erneut blitzte Ruby Glimmer vor seinem inneren Auge auf. Doch so befriedigend die Vorstellung einer Axt im Schädel eines bestimmten Hoshiden auch war, so sehr war ihm daran gelegen, eine derartige Eskalation zumindest zum jetzigen Zeitpunkt zu vermeiden. Ein Blickwechsel mit Xander bestätigte seine Sorge. Ohne einen weiteren Kommentar krümmte er auch den Ringfinger.

„Bei Azura hingegen hege ich keine Zweifel, dass sie mit einem hoshidischen Ehemann auskommen würde und sie besitzt zweifellos genügend Kalkül, um sich durchzusetzen. Dafür fehlt ihr der Rückhalt hier in Nohr.“

Gerne hätte Leo behauptet, dass ihr nur der Rückhalt des nohrischen Adels fehlte, doch er sah keinen Sinn darin, Xander – und sich selbst – etwas vorzumachen. Ihre Stiefschwester mochte nach dem Krieg, nach dem Ende ihrer und Corrins Zeit als Geiseln, nach Nohr zurückgekehrt sein, doch das allein machte sie kaum zu einer der ihren. Und so sehr Leo im vergangenen Jahr auch den Kontakt zu ihr gesucht hatte, war die Distanz zwischen ihnen doch kaum geringer geworden.

Er bog auch den Ringfinger zur Faust.

„Bleibe ich übrig. Ich habe im Krieg Entscheidungen getroffen, wegen derer mir viele Hoshiden nach wie vor grollen. Ich bin nicht der charismatische Prinz in strahlender Rüstung, den sich eine Prinzessin Sakura sicher erhofft. Ich werde es nie sein. Und du hast selbst mit angesehen, was aus meinem kläglichen Versuch einer Liebesheirat geworden ist.“

Über Selena zu sprechen, schmerzte noch immer. Alles aus einer sachlichen Perspektive zu sehen half, aber nicht viel.

„Leo–“

„Was ich sagen will ... Ich mag nicht die perfekte Wahl sein, vermutlich nicht einmal die richtige. Aber ich bin deine – Nohrs –“

„Leo.“

Xanders Einwurf war nicht lauter, als der erste. Es war der Tonfall, der Leo zum Schweigen brachte. Ohne seinen Satz zu beenden, schloss er den Mund. Suchend musterte er Xanders Mimik, doch er konnte nicht sagen, ob aus ihm sein Bruder oder sein König sprach.

„Was ich sagen will“, erwiderte Xander, als er sich seiner Aufmerksamkeit sicher war, „ist – danke. Ich bin unendlich dankbar, dich an meiner Seite zu haben. Du bist nicht nur einer der besten, sondern auch mein treuester Berater. Ich schätze deine Entschlossenheit genauso, wie ich deine Opferbereitschaft bewundere. Ich weiß, dass ich mich blind auf dich verlassen kann.“

Leo spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg, doch er unterbrach seinen Bruder nicht. Zu gut taten seine Worte, zu sicher vertrieben sie die Zweifel, die an ihm nagten, zumindest für den Augenblick.

„Ich weiß allerdings auch, dass es Opfer gibt, die ich weder als dein König, geschweige denn als dein Bruder von dir verlangen kann. Diese Entscheidung ist deine, nur deine, und ich möchte, dass du sie mit Bedacht triffst. Die hoshidische Königsfamilie wird die nächsten Wochen in Nohr verbringen. Ich möchte, dass du dich während dieser Zeit um sie kümmerst. Ich bin mir sicher, du weißt diese Gelegenheit zu nutzen.“

Leo schloss die Augen und atmete tief durch. Zugegeben, mit dieser Anweisung hatte er rechnen müssen, spätestens seit Beginn ihres Gespräches. Er wusste auch um die Notwendigkeit. Das jedoch machte die Vorstellung, den hoshidischen Gästen in den nächsten Wochen jeden Wunsch von den Augen ablesen zu müssen, nicht reizvoller. Nicht bei den Gästen, die sie erwarteten.

Er öffnete den Mund.

Das Klicken des Türschlosses ließ Leo verstummen, noch bevor er seine Worte in Gedanken formulieren konnte. Er hatte gerade noch genügend Zeit, den Kopf zum Eingang zu drehen, bevor die Tür gegen die Wand knallte.

Camilla ignorierte es. Hoch erhobenen Hauptes und die Arme vor der Brust verschränkt stolzierte sie in den Raum. Ruby Glimmer schwang im Takt ihrer Schritte, ein bedrohliches Schimmern auf der Klinge. Jedes Klackern ihrer Absätze kündete von Ärger.

Leo blinzelte. Einmal, dann noch einmal.

„Verzeiht, Mylord“, hörte er Niles aus der Vorhalle rufen, „Die Axt war schärfer als das Wort.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  mor
2016-10-31T09:53:28+00:00 31.10.2016 10:53
Das Kappie macht Neugierig auf mehr ^^
Antwort von: Arcturus
02.11.2016 09:18
Hallo,

danke für den Kommentar. Ich hoffe, dir gefällt Kapitel 2 auch.

lG
Arcturus


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