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Nur mit dir, für dich

von

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Aufwachen

Oscar erwachte bei Morgengrauen. Die ersten Sonnenstrahlen kündigten sich bereits an und breiteten sich in ihrem Zimmer aus. Für Oscar war das die gewohnte Zeit zum Aufstehen. Sie setzte sich auf und streckte sich ausgiebig. Dabei rutschte ihr die Decke vom Leib und sie stellte staunend fest, dass sie halbnackt war. Und nicht nur das! Sie trug auch noch ihre gestrige Tageshose und der Hosenbund war ganz offen! Bevor Oscar sich darüber wundern konnte, fiel ihr wieder alles ein. Wärme der Geborgenheit umhüllte sogleich ihr Herz und ihre Wangen überzogen sich mit einer zarten Röte. Vor sich hin schmunzelnd stieg sie aus dem Bett, ließ ihre Hose die langen Beine herabgleiten und ging splitternackt zu der Waschschüssel, die auf der Kommode in ihrem Bettzimmer immer mit einem vollen Krug Wasser und frischen Tüchern bereit stand.

 

Oscar goss sich das Wasser ein und tauchte ihren Kopf hinein, mitsamt ihre schulterlangen Haare. Das Wasser war kalt, aber gut genug, um ihre Sinne auf den richtigen Platz zu rücken. Oscar zählte bis zehn und schnellte mit ihrem Kopf aus dem Wasser. Sie warf ihn nach hinten und ihre tropfnasse Haare klatschten ihr gegen die Schulterblätter. Die Wassertropfen liefen in Strömen den Rücken hinab und bildeten große Pfützen auf dem Boden. Den Rest des Wassers benutzte Oscar für die Morgenwäsche.

 

Frischgewaschen und kräftig abgetrocknet, zog sie ein frisches Hemd an und knöpfte es vor dem Spiegel zu. Da entdeckte sie unerwartet eine Rötung an ihrer Halsbeuge. Oscar betrachtete sie erst erschrocken, aber dann entspannte sie sich und verdrehte die Augen. „Musste das sein, André? Zum Glück hat meine Uniform einen hohen Kragen und kann solche Stellen gut verdecken!“

Nach dem Hemd folgten die weiße Hose und die schwarzen Stiefel. Zuallerletzt auch die, mit Orden und Rangabzeichnung versehene, weiße Uniformjacke. Der Kragen stand ihr bis zum Kinn hoch und verdeckte noch weitere Kuss Spuren, die sie außerdem noch entdeckt hatte.

 

Oscar betrachtete sich erneut im Spiegel, kämmte ihr feuchtes Haar und nickte dann zufrieden. Jetzt sah sie wieder wie der Kapitän der königlichen Garde aus und es erinnerte nichts mehr an die leidenschaftliche Frau von heute Nacht.

 

Jemand klopfte an der Tür im Salon. Oscar setzte noch schnell ihren undurchschaubaren Gesichtsausdruck auf und rief kühl: „Herein!“

 

Im Salon entstanden raschelnde Schritte und im nächsten Augenblick betrat Sophie mit zwei weiteren Dienstmädchen den Bettraum. Sofort weiteten sich bei allen die Augen. „Wie sieht es denn hier aus?!“, entfuhr es Sophie laut und sie kam besorgt auf Oscar zu. „Ihr müsst sehr schlecht geschlafen haben!“

 

„Nein“, räumte diese schnell und ausdruckslos ein. Sie beschaute flüchtig die zerknüllte Bettwäsche und die zerstreuten Kleider auf dem Boden. Zum Glück hatte André seine Sachen mitgenommen. Von ihm entdeckte sie nichts auf ihrem Zimmer und atmete auf. „Ich habe heute Nacht bestens geschlafen, Sophie. Ich fühle mich sogar wie Neuerschaffen!“

 

Sophie beäugte sie skeptisch und zog eine Braue nach oben. „Mir braucht Ihr nichts vormachen, Lady Oscar!“

 

„Wieso?“ Oscars Stirn legte sich in Falten. Irgendwie fühlte sie sich ertappt.

 

Die alte Kinderfrau scheuchte die Dienstmädchen, das Zimmer aufzuräumen und widmete sich wieder ihrem Schützling zu. „Wenn Ihr Alpträume habt, Lady Oscar, dann könnt Ihr mit mir ruhig darüber reden.“

 

„Ich habe aber keine Alpträume!“, versicherte ihr Oscar leicht verdutzt, aber auch aufrichtig.

 

„Ich sehe, was ich sehe, Lady Oscar.“ Sophie seufzte schwer. Es war ein Fehler, dieses Kind wie einen Jungen zu erziehen. Mit den Jahren wurde Oscar so hartherzig, dass sie nicht einmal so eine Kleinigkeit wie schlechte Träume zugab. Sophie gab entrüstet auf, weiter nachzuhaken. „Ich habe das Frühstück für Euch mitgebracht. Es steht auf Eurem Tisch.“

 

„Danke, Sophie.“ Oscar schenkte ihr ein versöhnliches Lächeln und marschierte wie ein Soldat in den Salon. Auf dem Tisch standen zwei Tabletts: Eines mit dem Tee von gestern und das andere mit dem Frühstuck von heute. Oscar schmunzelte in sich hinein. Es würde für André besser sein, wenn er jetzt seine Großmutter mied.

 

Sophie kam ihr nach und räumte schimpfend das gestrige Tablett ab: „Dieser Nichtsnutz von Enkel! Wenn ich ihn erwische, dann kann er sich auf einiges gefasst machen! Was fällt ihm ein, hier alles stehen zu lassen und nicht abzuräumen!“

 

Oscar setzte sich gemütlich an den Tisch und begann mit dem Frühstuck. „Sei bitte nicht so streng mit ihm, Sophie. Ich hatte ihn gestern frühzeitig entlassen. Er sah mir zu müde aus.“

 

„Sage ich doch: Ein Faulpelz und Langschläfer! Und Ihr verteidigt ihn auch noch, Lady Oscar!“ Sophie verdrehte ihr buchstäblich die Worte im Mund und rückte ihre leicht verrutschte Brille zurecht, bevor sie weiter den Tisch abräumte.

 

Oscar biss sich auf der Lippe. Egal was sie sagte, wendete sich bei Sophie alles gegen André. „Ich werde darauf achtgeben, dass er in Versailles nicht dazu kommt“, versprach sie stattdessen, um die alte Haushälterin milde zustimmen.

 

Das schien zu wirken. Sophie nahm das Tablett von gestern und lächelte Oscar, bevor sie ging, gütig an. „Ihr solltet lieber gut essen, Lady Oscar. Ihr braucht Eure Kräfte.“

 

 

 

 

 

André seinerseits war schon längst auf den Beinen. Ja, er schlief meistens länger als die anderen, aber nicht heute. Heute zählte er sich zu einem der glücklichsten Menschen auf der ganzen Welt! Schon bei Sonnenaufgang hatte er einen Ausritt zum See unternommen, war dort etwas geschwommen und kehrte nun gutgelaunt zurück. Vor sich hin pfeifend, betrat er das Anwesen und ging leichtfüßig in die Küche. Er wollte schnell noch etwas essen, bevor er mit Oscar nach Versailles aufbrach. Mit seiner Oscar! Sie gehörte ihm! Zwar hatten sie sich nicht ganz vereint, aber trotzdem. Sie hatte endlich seine Liebe erwidert! Die fünf Jahre seiner Liebesqual gehörten nun der Vergangenheit an! Kurz vor der Küche hörte er mit Pfeifen auf und kaum dass er sie betrat, sah er auch schon seine Großmutter. Sie wusch gerade das Tablett und das Geschirr und war sehr verärgert. André überlegte weshalb, während er leise auf sie zuging. Bei Betrachtung des Geschirrs wurde ihm der Grund immer einleuchtender. Er hatte gestern vergessen abzuräumen, nach dem Oscar mit ihrem Tee fertig war! Wie konnte er nur daran denken, wenn er doch so sehr mit ihr beschäftigt war!

 

André erreichte die alte Dame und legte sanft seine Arme um sie. „Guten Morgen, liebste Großmutter...“

 

„Damit kommst du mir nicht durch!“, fauchte diese und wand sich heftig aus seiner Umarmung. André ließ von ihr ab, Sophie drehte sich ganz zu ihm und zog ihm am Ohr. „Deine Schmeicheleien kannst du dir sparen, mein werter Enkel! Für dein Versäumnis bekommst du kein Frühstuck!“ Sogleich ließ sie sein Ohr los und bedachte ihn mit einem tadelnden Blick. Aber so richtig böse, wie sie es vorgab, war sie allerdings nicht. Im Grunde genommen, liebte sie ihren Enkel aus tiefsten Herzen wie ihr eigenes Kind. Sie wollte nur sein Bestes und deshalb behandelte sie ihn so.

 

Von der Türschwelle erscholl ein helles Lachen. „Lass ihm doch sein Frühstuck, Sophie! Sonst fällt er mir aus dem Sattel, noch bevor wir Versailles erreicht haben!“

 

Großmutter und Enkel fuhren überrascht herum. André rieb sich das Ohr und machte einen verlegenen Gesichtsausdruck. Aber seine grüne Augen leuchteten vor Freude. „Danke, Oscar.“

 

Oscar zog sofort eine ernste Miene, als ihre Blicke sich trafen. „Nichts zu danken, André. Iss etwas und dann brechen wir auf. Ich beauftrage einen der Knechte, unsere Pferde zu satteln.“ Sie sprach kühl und distanziert, aber ein gewisses Aufleuchten in ihren blauen Augen konnte sie dennoch nicht verbergen. Sie drehte sich abrupt um und ging mit langen Schritten davon.

 

„Du hast mehr Glück als Verstand, mein Junge.“ Sophie holte etwas von dem kalten Braten, Brot und Haferbrei. „Lady Oscar meint es immer gut mit dir und ich wünschte, du würdest das nicht ausnutzen.“

 

„Das tue ich doch gar nicht, Großmutter“, empörte sich André erbost. Wie kam sie denn überhaupt auf so etwas Absurdes?!

 

„Das will ich hoffen, mein Junge“, sagte Sophie und kehrte zu ihren Aufgaben zurück.

 

André verstand sie nicht. Was hielt sie denn von ihm? Er würde doch niemals im Leben Oscar ausnutzen! Denn sie war sein Leben! Seine Liebe! Er frühstückte schnell, bedankte sich bei seiner Großmutter und hastete in den Stall. Oscar wartete schon auf ihn und hielt zwei gesattelte Pferde bei den Zügeln. „Musstest du lange warten?“, fragte André außer puste und nahm die Zügel seines Braunen an sich.

 

„Nein.“ Oscar stieg geschickt auf ihren Schimmel und ritt langsam an, ohne auf ihn zu warten. Das war ein gewohntes Verhalten von ihr und André beeilte sich, ihr nachzukommen.

 

Gemeinsam passierten sie die Toren, ritten auf die Straße im gemächlichen Trab und nahmen den altbekannten Weg nach Versailles. Oscar saß wie immer stolz und gerade im Sattel. Sie ließ sich ihre Gefühle oder Empfindungen nicht anmerken. André war sich auf einmal nicht mehr so sicher, ob das ihre Tarnung war oder ob sie die Nacht mit ihm bereute. Letzteres schien ihm absurd zu sein, denn er hatte etwas anderes in ihren entflammten Blicken herausgelesen, trotz all ihrer kühlen Beherrschtheit. Und gesprächig war sie auch nicht. André seufzte. Wenn sich Oscar schon in ihr eisiges Schweigen einhüllte, dann rief er sich lieber die vergangene Nacht mit ihr ins Gedächtnis. Im geistigen Auge überflog er all ihre feurige Ausstrahlung und Leidenschaft, die ungekünstelt und ganz natürlich war. Unbewusst spielten seine Finger mit dem Sattelknauf und seine Mundwinkel verzogen sich dabei zu einem verträumten Lächeln.

 

Oscar entging sein Verhalten nicht. Sie konnte sich durchaus vorstellen, an was er dachte, denn sie war selbst schon kurz davor. Ein vergnügdes Schmunzeln umspielte ihre Lippen, aber sogleich rief sie sich zu Ordnung und ermahnte ihren Geliebten halbherzig: „Du siehst wie ein verliebter Narr aus, André. Reiße dich zusammen, sonst verlierst du deinen Kopf noch bevor wir in Versailles angekommen sind.“

 

„Von wem denn?“ Aus seinen Träumereien gerissen, schaute sich André in der Gegend um. „Ich sehe niemanden.“

 

„Jetzt ist ja außer uns auch keiner da. Aber wir könnten auf Passanten treffen. Oder schlimmstenfalls auf die königliche Abordnung.“

 

„Mach dir darüber keine Sorgen, Oscar“, beruhigte André sie leichthin und richtete sich im Sattel noch gerader auf. „Ich werde schon aufpassen, wenn es soweit ist. Aber bis dahin möchte ich noch etwas von uns träumen. Du bist ja wieder ein unnahbarer Kapitän der königlichen Garde und versteckst deine weibliche Gefühle unter der Uniform...“

 

„André!“, fuhr ihn Oscar barsch an: „Was denkst du, weshalb ich das tue?! Wenn jemand über uns etwas mitbekommt, dann landen wir schnell in Teufelsküche! Diese Intriganten am Hofe warten nur darauf, ihre Opfer in den Dreck zu ziehen! Du bist mein wunder Punkt und so lange es keiner weiß, sind wir sicher! Vor allem du!“

 

„Ist ja gut, Oscar...“, unterbrach André nachgiebig: „Du hast ja recht. Ich entschuldige mich und werde mich fortan wie früher benehmen...“

 

„Ach, André...“ Oscar tat es schon leid, ihn so angefahren zu haben. Er kam ihr wieder verloren vor und um ihn aufzuheitern, zügelte sie unvermittelt ihr Pferd.

 

André hielt direkt neben ihr und sah sie verwundert von der Seite an. „Was ist los?“

 

„Nichts“, sagte Oscar und sah ihn auf einmal schelmisch an. Bevor André ihren Blick deuten konnte, packte sie ihn am Kragen und zog ihn zu sich. Und bevor er sich versah, presste sie ihm ihre Lippen auf den Mund. Aber nur für kurz. Bis André ihre Tat realisieren konnte, ließ Oscar schon von ihm ab und trieb ihren Schimmel wieder an.

 

Baff wie er war, holte André sie unverzüglich ein. „Was war das gerade gewesen, Oscar?“

 

„Nichts besonderes, André.“ Oscar zuckte beiläufig mit den Schultern und lächelte geheimnisvoll. „Ich wollte mich nur bei dir bedanken. Für Gestern. Und für deine Liebe.“ Sie schnalzte mit der Zunge, gab ihrem Pferd die Sporen und galoppierte davon.

 

André sah nur ihre wehende Haarmähne und den Schweif ihres Schimmels. Er befühlte seine Lippen mit den Fingern und vom neuen Glücksgefühl beseelt, ritt er seiner Geliebten geschwind nach.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  YngvartheViking86
2016-10-25T17:25:24+00:00 25.10.2016 19:25
Ein klasse Kapitel. Oscar scheint innerlich ja richtig aufzugehen :D Allein schon der Kuss mitten auf der Straße ;)
LG Chris
Antwort von:  Saph_ira
26.10.2016 18:50
Vielen lieben Dank und ja, das hast du alles gut erkannt. ;-) :-)
Liebe Grüße,
Ira
Von:  chrizzly
2016-10-24T18:34:52+00:00 24.10.2016 20:34
Nach war das schön. Ruhig entspannend und so süß. Ich finde es immer wieder klasse wie du die kleinen Details beachtest, z.b. Wie Sophie den Tisch abräumt und ihre Brille zurecht rückt. Super. Das macht es alles so schön anschaulich. Freu mich schon weiter lesen zu können. Kussi meine liebe 😍😍😍😚😚😚😚😚
Antwort von:  Saph_ira
24.10.2016 21:16
Ein herzliches Dankeschön für deine Worte. Ich freue mich, dass es dir gefällt. Kuss und Gruß zurück. :-) ;-) :-*


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