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Was es heißt, zu siegen

Shiratorizawa Girls' Volleyball Club
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
verarbeitetes Thema: ein bestimmtes Lied (Wataridori von Alexandros) Komplett anzeigen

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Akira - Managerin (Wing Spiker)

Akira würde lügen, wenn sie sagen würde, dass sie nicht mehr an ihre Niederlage vor zwei Tagen dachte. Es war ihr erstes Match gegen eine andere Schule gewesen, nachdem sie bei der Inter High ausgeschieden waren, und obwohl Akira wusste, dass sie nicht verloren hatten, weil ihnen die Fehler der Inter High noch im Nacken saßen, hätte sie das gerne als Grund vorgeschoben. So hätte sie sich nämlich keine Gedanken darüber machen müssen, warum sie wirklich versagt hatten.

Eigentlich war es ohnehin nicht mehr ihre Aufgabe, über die Gründe für ihre Niederlage nachzudenken. Dafür war Chihiro jetzt zuständig, schließlich war sie der neue Captain, doch Akira wusste wohl am besten, warum ihre Freundin aus Kindheitstagen für diese Position nicht geeignet war. Chihiro hatte einen passablen Vize abgegeben, weil sie Akiras Ehrgeiz gut mit ihrer Güte hatte ausgleichen können, aber ohne Akira als treibende Kraft dahinter war sie nichts weiter als eine Repräsentationsfigur, die keine wirkliche Funktion hatte.
 

Akira seufzte und schüttelte den Kopf, um auf andere Gedanken zu kommen. Seit ihrem Unfall gegen Ende ihres zweiten Jahres hatte sie sich vorgenommen, nicht mehr über ihr Team, das Training oder Volleyball allgemein nachzudenken, sobald sie die Sporthalle verlassen hatte und sich auf dem Heimweg befand. Alte Angewohnheiten ließen sich jedoch nur schwer ablegen, und so versuchte sie, ihren Kopf mit Musik frei zu bekommen. Das funktionierte immer, und auch heute entspannte sie sich sofort, nachdem sie ihre Kopfhörer aufgesetzt hatte. Für eine gute Viertelstunde war das Einzige, auf das sie sich konzentrieren musste, den Weg von ihrer Schule nach Hause zu finden.

Bis ihr Shuffle einen Strich durch die Rechnung machte und das eine Lied spielte, von dem sie sich immer wieder fragte, warum sie es nicht endlich von ihrem MP3-Player löschte. Akira schluckte hart und wäre fast auf dem schmalen Gehweg stehen geblieben, hin und hergerissen ob sie das Lied überspringen sollte oder nicht. Als jedoch der Sänger einsetzte, brachte sie es nicht mehr übers Herz, einfach weiterzuklicken. Mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen beschleunigte sie ihren Schritt und sah hilflos dabei zu, wie ihre Gedanken in die eine Richtung drifteten, in die sie nie mehr blicken wollte.
 

Nichts machte Akira so sehr zu schaffen wie die Tatsache, dass sie kein Volleyball mehr spielen konnte. Sie war der Stützpfeiler ihres Teams gewesen, nicht nur der Captain, sondern auch der andere Wing Spiker, der neben Mei die meisten Punkte in einem Spiel geholt hatte. Sie hatte Talent für den Sport und glaubte, ihn mehr zu lieben als jede andere von ihnen. Sie war die Letzte, die es verdient hatte, dass man ihr einen Teil ihres Lebens so grausam entriss.

Noch heute gab es Nächte, in denen sie aus Albträumen schreckte und danach vor Frustration in ihr Kissen weinte, bis der Phantomschmerz in ihrem Knie nachgelassen hatte. Und noch heute dachte Akira nach jeder Niederlage ihres Teams darüber nach, was passiert wäre, wenn sie stattdessen auf dem Spielfeld gestanden und gekämpft hätte. Denn egal, ob sie immer noch das Training leitete und den anderen Anweisungen gab – ihre Anstrengungen würden nichts bringen, wenn ihre Teamkameradinnen nicht in der Lage waren, es umzusetzen.

Volleyball war ein Sport, bei dem man entweder flog oder fiel, und sobald man nicht mehr fliegen konnte, hatte man seinen Wert verloren. Es war ebenso simpel wie grausam.
 

Chihiro hatte ihr helfen wollen, damals, als sie den schlimmsten Tiefpunkt ihres Lebens erreicht hatte. Sie hatte für sie da sein und die Last mit ihr tragen wollen, so wie gute Kindheitsfreunde das eben taten. Akira versuchte, ihr das hoch anzurechnen, doch jedes Mal, wenn Chihiro sie hatte aufmuntern wollen, hatte sie daran denken müssen, dass Chihiro eigentlich nur angefangen hatte Volleyball zu spielen, weil sie Akira seit jeher versuchte nachzueifern. Sie hatte doch nicht die geringste Ahnung, wie sie sich fühlte, woher denn auch? Sie würde niemals verstehen, wie es sich anfühlte, nicht mehr das tun zu können was man liebte, weil der eigene Körper nicht mehr mithalten konnte.
 

›Chihiro hat es viel eher verdient, nie mehr Volleyball spielen zu können als ich.‹

Als dieser Gedanke ihr das erste Mal durch den Kopf gegangen war, hatte sie sich so sehr über sich selbst erschrocken, dass ihr Tränen in die Augen gestiegen waren.
 

Deswegen wollte Akira aufbrechen, sobald es ging. Nachdem sie ihren Schulabschluss gemacht hatte, würde sie nichts mehr in Japan halten können, weder ihre Eltern, noch ihre Freunde, und schon gar nicht die Erinnerungen an das, was sie hätte haben können. Sie wollte ihre gebrochenen Flügel ausbreiten und davonfliegen, und wenn sie das nicht aus eigener Kraft konnte, dann würde ein Flugzeug in ein fremdes Land reichen müssen.

Sie musste herausfinden, wie ihre Geschichte enden würde, und wenn sie dafür alles zurücklassen musste, dann war sie bereit dazu. Irgendwann würde Akira zurückkehren, das wusste sie. Zurück zu Shiratorizawa, zurück zu der Halle und dem Moment, in dem man ihr alles genommen hatte, und zurück zu Chihiro, deren Bemühungen niemals ausgereicht hatten.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das Internet hat keine gute, akkurate Übersetzung zu dem Songtext ausgespuckt (und ich war zu faul, es selbst zu tun), aber dieses englische Cover ist ziemlich gut, sowohl von der Übersetzung her als auch generell.
Bei den einzelnen Abschnitten von Wataridori ist es so, als würden Akira und Chihiro abwechselnd zur jeweils anderen sprechen bzw. an sie denken. Es ist auch das erste Lied, an das ich bei Akira denken musste und hat darüber hinaus noch einen sehr hohen emotionalen Wert für mich, weil eine meiner kleinen Gastschwestern aus Japan es mir vorgespielt hat. Also hört ruhig mal ins Original rein, den Link gibt es in der Beschreibung. ;) Komplett anzeigen

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