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Digimon 00001100 <Twelve>

Samsara Madness [Video-Opening online]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
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Im Netz des Chaos

Auf der von blutigem Abendlicht übergossenen Felsebene brach ein Lichterspektakel los. Die erste aufblitzende Farbe war grellweiß, als Cyberdramon seine Ausradierkralle abschoss. Der Strahl fuhr durch das tintenschwarze Spinnennetz, das immer noch so über der Wirklichkeit lag, als hätte jemand durch die Windschutzscheibe eines modernen Autos geschossen, aber keiner der dunklen Stränge schien auch nur davon berührt zu werden.

Aber Cyberdramon gab nicht auf. Als Nächstes nahm es sich Asuramon selbst zur Brust. Es vollführte einen seichten Anflug und riss seine glühenden Klauen vor den Kopf. „Ausradierkralle!

Mit Asuramon geschah etwas Seltsames. Es drehte sich nur halb um – dann verwandelte sich einer seiner drei Köpfe plötzlich und eine orange Kürbisfratze grinste Cyberdramon entgegen. „Halloween-Streich!“, rief eine Quietschestimme, und noch ehe der Schrei verklungen war, war ein Kürbis vor Asuramon erschienen, groß wie ein Haus. Die Ausradierkralle fraß sich ihren Weg hinein, verlor aber dabei an Energie … Glühende Risse zerfurchten die Haut der Riesenfrucht und ließen sie in Schleim und Fruchtfleisch zerplatzen, und aus dem orangegelben Regen kam Asuramon gesprungen, prallte gegen Cyberdramon und ließ seine vier Fäuste fliegen, deckte Taneos Partner mit einem Hagel aus Schlägen ein, und dann, noch ehe sie beide landeten, verwandelte sich auch der linke seiner Köpfe, wurde zu Karatenmons Rabenschädel, und das Schwert, das es plötzlich aus seinen Rückenflammen hervor riss, zog eine schimmernde Linie über Cyberdramons Brust, die den Drachen zu Boden schleuderte.

„Das würde ich eine gelungene Rache nennen“, stellte Asuramon grollend fest.

Im nächsten Moment musste es herumwirbeln, da Triceramon auf es zustürmte. Mit dem Schwert blockte es einen Krallenhieb des Dinosauriers ab. Die Klinge wurde ihm aus der Hand geprellt. „Pack es!“, schrie Jagari.

Triceramon stieß ein tiefes Knurren aus und stieß Asuramon die Pranken in die Hüften, fixierte es.

„Jetzt, Tageko! Blossomon!“ Jagari war so angespannt, dass seine Stimme ein heiseres Krächzen war.

Blossomon hatte sich schwerfällig hinter Asuramon gebracht, aber nun schleuderte es seine Spiralblumen von sich. Von zwei Seiten schnitten die Kreisel durch die Luft, so gezielt, das sie Triceramon nicht einmal berühren würden.

Diesmal verwandelten sich die beiden seitlichen Köpfe von Asuramon gleichzeitig. Einer wurde der Schlangenkopf von Orochimon, der andere zu dem von FlaWizardmon; zudem erschien in einer seiner Hände eine Art Streichholz-Zauberstab. Beide Köpfe schrien, kaum verständlich, die Namen von Attacken, und zwei wahre Wände aus Feuer fraßen Blossomons Angriff, bis nur mehr verkohltes Laubwerk zu Boden tanzte.

„Ihr steht auf verlorenem Posten“, verkündete Asuramons mittlerer Kopf, und während er sprach, verwandelte auch er sich und seine Stimme wurde ein ächzendes Knochenschaben. SkullScorpiomon, ihr ältester Feind, schien aus seinem Grab zurückgekehrt zu sein. Aus nächster Nähe feuerte es Tausende von Lichtnadeln aus seinem Rachen, die gegen Triceramons gepanzerte Schnauze prasselten, bis das Digimon das Asura losließ und mit einem gewaltigen Krachen rücklings umfiel.

„Verdammt!“, zischte Taneo, während Jagari laut den Namen seines Partners schrie und von Tageko zurückgehalten werden musste, als er auf den Kampfplatz stürmen wollte.

„Es kann sich also in die anderen Asuras verwandeln“, stellte Fumiko düster fest. „Und auch ihre Attacken benutzen.“

„Nicht in alle“, schränkte Kouki ein. „Nur in die, deren Daten es bekommen hat.“

„Oh, toll, was für ein Unterschied!“, rief Renji schrill aus.

„Das hat keinen Sinn“, sagte Taneo. „Wir waren nicht vorbereitet, und wir haben schon keine Formation mehr. Parallelmon soll uns hier rausbringen; wir überlegen uns eine Strategie und schlagen dann zurück. Vielleicht können wir Asuramon auch in die Feuerwand stoßen.“

Fumiko nickte und berührte Parallelmon am Bein. Dann erbleichte sie plötzlich. „Es … es sagt, es geht nicht.“

„Was soll das heißen, es geht nicht?“, rief Renji. „Wenn es nicht geht, sind wir am Arsch!“

Asuramon trat langsam näher, sein Frontgesicht war wieder wie vorher und grinste brutal.

„Sag schon! Was heißt, es geht nicht?“, schrie Renji, als das Digimon näher kam.

„Es heißt einfach genau das!“, schrie Fumiko zurück. „Parallelmon sagt, es kann seine Kraft nicht einsetzen!“

Wie um seine stummen Worte zu untermauern, feuerte Parallelmon einen krallenartigen Schuss aus seinem Auge ab, der Asuramon einhüllte – und in einem Regen aus Datensplittern zerbarst. „Natürlich funktioniert es nicht“, erklärte ihr Feind hämisch. „Parallelmon. Ein gefährliches Digimon. Und doch gänzlich ungeeignet als Gegner von Apocalymons Chaos!“

„Was soll das heißen?“, fragte Tageko scharf. Sie schwitzte. Momentan versuchte sie nur Zeit zu schinden. Volcanomon stand als letzte Barriere zwischen dem Asura und den DigiRittern – und Gatomon, aber das besaß noch weniger Schlagkraft. Immerhin waren die anderen nicht zurückdigitiert, als sie getroffen worden waren – sie hatten durch all die Kämpfe an Ausdauer gewonnen.

Asuramon gab bereitwillig Auskunft, breitete gebieterisch seine vier Arme aus und deutete auf das Spinnennetz, in dem sie kämpften. Die Fäden glänzten violett in der hereinbrechenden Dunkelheit. „Die Stränge des Chaos. Ein Netz aus dunkler Energie. Apocalymons schiere Existenz störte einst Zeit und Raum. Auch die Meister der Dunkelheit verformten die DigiWelt nach ihren Vorstellungen. In diesem Netz, das die Grenzen der Welten durcheinanderbringt, zwischen den Welten umherspringen zu wollen, ist lächerlich, findet ihr nicht? Dein Parallelmon ist nutzlos, Kleine!“

„Das … das kann nicht …“, brachte Fumiko heraus, als Parallelmon mit seinen gigantischen, drahtigen Beinen Asuramon mit nur einem Schritt erreichte. Seine Faust krachte aus zehnstöckiger Höhe auf das Asura nieder, zertrümmerte noch den Felsenboden unter ihm. Risse fraßen sich durch das Gestein, eine enorme Staubwolke wallte auf.

„Du hast es!“, rief Kouki. „Spitze!“ Dem konnte Asuramon nicht entkommen sein …

War es auch nicht.

Parallelmon legte plötzlich den Kopf schief, und man konnte Asuramon sehen, das sich mit vier Armen gegen den Schlag stemmte. „Nun wollen wir sehen, ob du nicht deine eigene Medizin schlucken wirst.“ Das bösartige Digimon hatte seine drei Gesichter in die drei Köpfe von Cerberusmon verwandelt. „Höllentor!

Unter Parallelmons Füßen tauchte ein kreisrundes Loch mit grün glühenden Rändern auf, in das Parallelmon bis zur Hüfte hinein sackte. Tageko fluchte, Fumiko rief entsetzt seinen Namen. Diese Attacke des Höllenhundes hatten die DigiRitter schon fast vergessen, dabei hatte sie ihnen schon einmal das Leben schwer gemacht …

„Ein Digimon, so groß, dass nur die Hälfte von ihm in der Hölle Platz hat?“, scherzte Asuramon gut gelaunt mit Cerberusmons Stimme. „Dann lasst es uns kleiner machen!“

Die Ränder des Loches zogen sich zusammen wie eine glühende, runde Klinge. „Mach, dass du da rauskommst! Parallelmon!“, schrie Fumiko aufgelöst, die plötzlich Angst hatte, ihren Partner nach der kurzen Zeit wieder zu verlieren.

Parallelmon machte seine Pranke von Asuramon los und ergriff die Ränder des Lochs mit beiden Armen, versuchte sie zurückzudrücken. Helle Blitze knisterten, wo es zugepackt hatte. Es schien nicht aus dem Loch herausspringen zu können, aber irgendwie schien seine Weltenreise-Fähigkeit mit Cerberusmons Attacke zu resonieren, und es konnte die Öffnung aufstemmen.

Im selben Moment wurde Asuramon von hinten gepackt. „Ha! Du hast mich vergessen, was?“, rief Volcanomon. „Big-Bang-Stimme!“ Die Schallwelle rüttelte Asuramon aus nächster Nähe durch. Die Steinchen in dem Krater, in dem es stand, begannen zu tanzen.

„Mach es fertig, Volcanomon!“, feuerte Renji sein Digimon an. Auch Cyberdramon und Triceramon hatten sich wieder aufgerappelt. Gemeinsam mit Blossomon kreisten sie das Asura ein.

Doch während Volcanomon nur zwei von Asuramons Armen blockieren konnte, streckte es die anderen beiden über die Schultern. „Mystische Feuerfaust!“ Zwei lodernde Feuerbälle trafen Volcanomons Kopf, das seinen Schrei unterbrach. Und gleich im Anschluss wurde eines der Gesichter zu Orochimons Schlangenkopf, wand sich nach hinten und spie einen weiteren Schwall Feuer auf Renjis Partner, der ihn endgültig von den Füßen riss.

„Jetzt wir“, knurrte Cyberdramon. Gemeinsam mit Triceramon trampelten sie auf ihren Feind zu, bereit, ihn mit ihren Krallen zu zerreißen … Asuramons mittlerer Kopf wurde zu dem von DunkelWereGarurumon und das Digimon sprang, schaffte trotz seines Leibesumfangs irgendwie einen Roundhouse-Kick, der eine schneidende Klinge erzeugte und die beiden Riesenechsen ganz einfach von den Füßen fegte.

„Das gibt’s doch nicht!“, rief Jagari. „DunkelWereGarurumon war gar nicht so stark!“

„DunkelWereGarurumon nicht“, meinte Fumiko mit zusammengebissenen Zähnen. „Aber Asuramon anscheinend schon.“ Sie hatte den Blick auf ihren Partner fixiert, der sich immer noch aus dem Höllentor zu befreien versuchte. Ein Schweißtropfen lief über ihre Schläfe.

Eine Wand aus grünem und rotem Feuer hinderte Blossomon am Näherkommen, während sich Asuramon wieder umdrehte, langsam, als wollte es seine Feinde verhöhnen. „Ich erlöse dich von deiner Mühsal“, erklärte es und schnippte mit den Fingern.

Das Loch, das Parallelmon gefangen hatte, verschwand, zersplitterte ins Nichts. Parallelmons Füße standen wieder auf dem Felsenboden – doch der plötzliche Wechsel seines Untergrunds ließ das riesige Digimon das Gleichgewicht verlieren. Sein Kopf drehte sich überrascht, als es fast aberwitzig langsam kippte und dann mit einem lauten Krachen auf dem Boden aufschlug, erneut Staub aufwirbelnd.

Fumiko keuchte auf und stürmte los. Tageko übernahm wieder die Rolle der Vernünftigen und packte sie an der Schulter, aber ein einziger funkelnder Blick von Fumiko ließ sie innehalten. Das Mädchen rannte zu ihrem Partner.

Sie kam zu spät. Ein Hagel aus glühenden Splittern ging auf Parallelmons knochigen Körper nieder und erinnerte unangenehm an den Tag, an dem die DigiRitter beinahe gegen Karatenmon verloren hatten. Sie nagelten das Digimon mit fauchenden Geräuschen auf dem Boden fest, helle Substanz spritzte auf, als wäre es ein starker Regenschauer. „Parallelmon!“, schrie Fumiko, obwohl von ihrem Partner nur mehr eine Nebelwolke zu sehen war, in die eben von oben Asuramon stürzte. Dann war es plötzlich ruhig.

Fumiko blieb neben dem ausgestreckten Arm von Parallelmon stehen und starrte mit leerem Blick dorthin, wo sich eben der weiße Dampf klärte. Asuramon stand auf Parallelmons Helm, das Schwert von vorhin mit zwei Händen gepackt und die Klinge in Parallelmons Augapfel versenkt. „Nein!“, schrie Fumiko, sprang auf den Arm ihres Digimons und wollte nach oben zu seinem Brustkorb klettern. Hinter sich hörte sie ihre Freunde rufen, doch es war ihr egal. Parallelmon durfte nicht tot sein, es durfte einfach nicht!

Sie lief so schnell, dass sie halb ausglitt und sich mit der Hand abstürzen musste. Als ihre Finger Parallelmons Panzer berührte, spürte sie seine Stimme in ihren Gedanken. Vor Erleichterung sackte sie vollends in die Knie. Es lebte noch! Parallelmon war am Leben. Sie spürte, dass es durchhalten würde … auch wenn es sich entschuldigte, nicht mehr kämpfen zu können.

Asuramon sprang zurück in die Mitte seines Spinnennetzes, um sich wieder um die anderen zu kümmern, und Fumiko blieb auf Parallelmon hocken, sandte ihrem Digimon all ihre Gedanken. Es war ob ihrer Sorge gerührt.

 

„Schnappt es euch endlich!“, rief Renji heiser. „Das Ding ist so dick, das kann unmöglich so schwer zu erwischen sein!“

„Versuch es doch selber“, knurrte Cyberdramon und schoss wieder eine Ausradierkralle ins Leere.

„Es hat Parallelmon ausgeknockt“, murmelte Taneo. „Und das ist auf dem Mega-Level … Asuramon ist doch aber immer noch ein Ultra-Digimon, oder?“

„Angeblich.“ Kouki hatte die Analyzer-Brille auf. „Ultra, ja. Aber angereichert mit den Daten seiner gefallenen Kameraden, würde ich sagen.“

„Nicht nur das. Es ist dieses Netz“, sagte Tageko. „Ist euch aufgefallen, dass Asuramon immer so weit wie möglich in seinem Zentrum stehen will? Es wird sicher auch irgendwie davon versorgt.“

„Es hat keinen Sinn! Wir sind erledigt!“, rief Jagari plötzlich. Er presste die Hände gegen die Schläfen und kauerte sich zusammen. „Ohne Parallelmon sind wir verloren!“

„Mach hier verdammt nochmal keine solche Stimmung!“, knurrte Renji. „Wir schaffen das schon, klar?“

„Nein“, stöhnte der Junge. „Wir kommen nicht gegen es an! Wir werden hier sterben!“

„Reiß dich zusammen!“ Kouki zog ihn in die Höhe und zwang ihn damit, ihn anzusehen. Dann lächelte er den Jüngeren an. „Hast du vergessen? Ehe wir Parallelmon hatten, konnten wir auch nicht so einfach fliehen. Und wir haben’s trotzdem überlebt, oder nicht? Sieh mich an und zeig mir, dass du ein DigiRitter bist.“

Jagaris Wangen zierten glitzernde Tränenspuren. Mit offenem Mund starrte er Kouki an, als hätte er es tatsächlich vergessen. Schließlich schluckte er hörbar und nickte vorsichtig. „Okay … sorry.“

Kouki nickte zurück. „Gut. Gatomon, komm. Wir müssen hier wohl ein bisschen Aufmunterungsarbeit leisten!“

„Macht nichts Unüberlegtes!“, rief Tageko ihnen hinterher, als Partner und Digimon auf den Kampfplatz zuliefen.

„Wir doch nicht“, lachte Kouki.

„Es ist bewundernswert, dass er noch so gute Laune hat“, stellte Tageko trocken fest.

„Er fürchtet sich genauso wie wir“, sagte Taneo. „Er zeigt es nur auf eine etwas andere Weise.“

„Was heißt hier wie wir?“, empörte sich Renji. „Als ob ich mich fürchten würde!“

Taneo blickte ihn verdutzt an, dann lächelte er schief. „Ach ja. Hab ich wohl vergessen.“ Renji lachte, Tageko schüttelte den Kopf und Jagari fuhr sich verlegen über die Augen.

 

Cyberdramon musste ein haarscharfes Ausweichmanöver fliegen, als direkt vor ihm, in der Luft, ein Höllentor erschien. Es kriegte gerade noch so die Kurve – und flog dann direkt in Asuramons nächsten Schwerthieb. Die Klinge drang knirschend in die Brust des Drachendigimons, das brüllend zu Thunderboltmon zurückdigitierte.

„Na warte!“ Triceramon stürmte wieder auf es zu. Asuramon tänzelte mit neuem Elan vor ihm davon und schleuderte ihm Kürbis um Kürbis entgegen. Kürbis um Kürbis wurde von Triceramons Hörnern zermatscht, aber das Digimon wurde jedes Mal kurz aus dem Gleichgewicht gebracht. Eine besonders große Frucht erwischte es in die Flanke und warf es zu Boden. Asuramon fing Volcanomons Hieb mit einem seiner viel zu vielen Armen ab und warf das Digimon auf den Dinosaurier, nur um beide in ein Flammenmeer zu tauchen.

Nun kamen Kouki und Gatomon hinzu. „Zeit aufzuräumen, oder, mein Freund?“, fragte er.

Gatomon nickte. „Zeit, dem Kerl mal eins zu verpassen, mein Freund.“

„Was schlägst du vor?“

„Rabbitmon. Erst mal schnell und lästig sein“, erwiderte es mit einem katzischen Grinsen.

„Alles klar.“ Kouki zückte sein DGX-Terminal. „DigiArmorEi der Freundschaft, erstrahle!“

Und schon hoppelte Rabbitmon zwischen Asuramons Beinen hindurch und deckte es dabei mit Schüssen aus seiner Stirn ein. Asuramon grunzte überrascht und versuchte instinktiv auf Abstand zu gehen, sprang in die Höhe …

„DigiArmorEi des Wissens, erstrahle!“

Rabbitmon wechselte zu Butterflymon und flog dem Asura lästig wie eine Klette hinterher, seinen Fäusten geschickt ausweichend.

„Wir halten es auf! Regeneriert eure Kräfte!“, rief Kouki laut. „Taneo! Lass dir besser schnell ‘ne Strategie einfallen!“

„Wird gemacht!“, rief der Jüngere.

„Nur Schwächlinge spielen auf Zeit“, grollte Asuramon. „Sake-Power!“ Orochimons Kopf spie einen Feuerschwall – doch Kouki hatte, kaum dass er erschienen war, das ArmorEi des Mutes erstrahlen lassen. Lynxmons brennendes Fell absorbierte das Feuer noch mitten in der Luft, ohne dass es ihm etwas ausmachte. Dann ließ Kouki es drei Sekunden später zu Nefertimon werden, das Asuramon aus nächster Nähe explosive Edelsteine entgegenwarf.

„Ja!“, jubelte Renji. „Weiter so! Macht den Mistkerl fertig!“

„Es reicht“, knurrte Asuramon dreistimmig. Unter seinen Füßen erschien ein Kürbis, den es als Sprungbrett benutzte, dann noch einmal – und dann ließ es einen von der Größe eines Fußballfeldes auftauchen, groß genug, um fast die ganze Felsenebene zu begraben. Wie ein abstürzender Mond fiel die Frucht auf die DigiRitter herab.

In dem Moment stand Parallelmon wieder auf. Sein Auge hatte sich wohl wieder geheilt; es war keine Wunde zu sehen. Das Digimon streckte die Arme aus und fing den Meteor ganz einfach auf. Seine Füße sanken knirschend in die felsige Erde ein und seine dürren Gliedmaßen zitterten. Kouki stieß einen Pfiff aus. Fumikos Digimon überraschte ihn immer wieder von Neuem. Er warf einen Blick nach oben. Der Riesenkürbis verdeckte die Sicht, aber er wusste, dass Nefertimon an dessen Oberseite immer noch Asuramon auf die Nerven ging.

Parallelmons Knie knickte ein. Es würde den Kürbis nicht mehr lange halten können; fast sah es so aus, als drückte jemand von oben dagegen. „Taneo!“, rief Kouki.

„Ja, ja, ich überleg ja schon …“ Der DigiRitter kniff die Augen zusammen. „Wir versuchen es so …“

Blossomons Spiralblumen schnitten ein kleines Loch in die Frucht, sodass Volcanomon bis zu deren Zentrum klettern konnte. Gelblicher Matsch regnete auf die DigiRitter herab.

„Das müsste reichen“, sagte Taneo.

„Alles klar! Showtime, Volcanomon!“, rief Renji.

Big-Bang-Stimme!“, hörte man gedämpft aus dem Inneren des langsam herabsinkenden Riesenkürbisses. Dann, ebenfalls gedämpft, aber nichtsdestotrotz ohrenbetäubend laut, ertönte das Summen seiner Attacke. Der ganze Kürbis vibrierte, dann noch heftiger, Parallelmons Arme erzitterten, und dann zerplatzte das Ding endlich und die DigiRitter standen erst recht knietief in hellem Fruchtblut. Ihre Klamotten waren vollständig durchnässt, aber sie jubelten. Die Attacke war abgewehrt.

Dann landete Asuramon wieder auf dem Felsenfeld und ihr Jubel erstarb. Mit einer Hand hielt es Salamon gepackt, das voller Schrammen und offensichtlich bewusstlos war. „Salamon!“, rief Kouki.

„Das passiert, wenn man mir auf die Nerven fällt“, knurrte Asuramon und warf es in Koukis Arme. Schlaff war es, reagierte nicht auf seine Finger, die den kleinen Hund verzweifelt rüttelten. „Ich bin jedoch so gnädig und lasse euch gemeinsam sterben.“ Es hob seine vier Arme, jeder mit einem Streichholz-Zauberstab, wie FlaWizardmon sie benutzt hatte.

„Ja. Oder so ähnlich“, sagte jemand abfällig. Kouki wandte sich überrascht um und sah Taneo neben sich stehen, einen grimmigen Gesichtsausdruck aufgesetzt. Die Narbe über seiner Nase schimmerte bleich im Licht des Mondes, der aufgegangen war.

„Taneo“, murmelte Kouki. „Das heißt ja wohl hoffentlich …“

„Genau.“ Der Junge lächelte. „Ihr beide habt uns genügend Zeit erkauft. Die Rollen sind verteilt. Haltet euch alle die Ohren zu!

Auf seinen Ruf hin presste Kouki die Hände gegen den Kopf. Dann landete Volcanomon plötzlich direkt vor Asuramon. Kouki fragte sich, wie es sich so lange in der Luft hatte halten können, sah dann jedoch den flimmernden Schatten, der dort oben lauerte. Thunderboltmon. So ist das also.

Volcanomon stieß Asuramon zurück, kniete nieder und schien mit seinem Mikrofon den Boden anzubrüllen. Die Erschütterung ließ Koukis Zähne klappern. Wäre die Attacke auf ihn gerichtet gewesen, hätten die Vibrationen sicher seinen Körper zerfetzt … zum Glück standen sie weit genug entfernt … Aber warum war der Schall auf den Boden gerichtet?

Volcanomons Schrei dauerte länger und länger, wurde lauter und lauter, alles vor Koukis Augen zitterte und bebte, seine Beine begannen taub zu werden und er spürte, wie Blut aus seiner Nase lief … Die Steinchen auf dem Boden tanzten, dann größere Felstrümmer, die einfach abbröckelten … Der kleine Vulkan auf Volcanomons Rücken brach aus, feurig rot in der Dunkelheit.

Asuramon brüllte etwas, kam aber nicht näher. Dann, als Volcanomon endlich die Puste ausging, fegte es Renjis Partner mit vier Feuerstrahlen davon. Es überschlug sich und wurde wieder zu Candlemon. Kouki fragte sich, was das für ein Plan war, den die anderen während seinem Ablenkungsmanöver ausgearbeitet hatten.

Asuramon schien sich dasselbe zu fragen, denn es zögerte erst. Dann lachte es. „Die Verzweiflungstaten Wahnsinniger.“

„Wie ich schon sagte: Ja, oder so ähnlich“, meinte Taneo trocken.

Und dann schossen direkt aus dem Boden Blossomons Pflanzenranken hervor und wickelten sich um Asuramon. Die Spiralblumen an ihren Enden rotierten, schnitten tief in die schwarze Haut des Digimons und kreischten funkensprühend auf seinen goldenen Schmuckstücken. Asuramons schrille Stimme kreischte.

Kouki verstand. Volcanomons Big-Bang-Stimme hatte besser gewirkt als jedes Ackergerät. Der Felsboden war so locker geworden, dass Blossomon Asuramon aus dem Hinterhalt hatte angreifen können.

„Also dann, Triceramon!“, rief Jagari.

Und Triceramon stürmte los, senkte seine drei Hörner, Asuramon wand sich in seinen Fesseln, zerriss Ranken, verspritzte grünen Pflanzensaft …

Das mittlere von Triceramons Hörnern bohrte sich in seine Brust und riss es endgültig aus der grünen Umklammerung. Als das Dinosaurierdigimon stehen blieb, war das letzte der Asuras auf seinem Horn aufgespießt. Rotes Blut lief über den feisten Wanst des Digimons.

Die DigiRitter vollführten Luftsprünge. „Endlich“, meinte Kouki lächelnd, nein, lachend. Er klopfte Taneo auf die Schulter. „Gut gemacht, Alter.“

„Die meiste Arbeit haben die Digimon gemacht.“

„Trotzdem.“

Die anderen liefen lachend heran. Tageko und Fumiko fielen einander in die Arme, Renji und Kouki klatschten ein, Candlemon hoppelte heran, sich beschwerend, dass es zu wenig Aufmerksamkeit bekam, und Asuramon … regte sich plötzlich wieder.

„Ihr kleinen Plagegeister …“ Diese Stimme hatten sie noch nie von ihm gehört, sie klang tief, aber menschlicher als seine übrigen. Das mittlere Gesicht schlug die Augen auf, die wütend funkelten.

„Es lebt immer noch?“, rief Renji entsetzt.

„Was müssen wir denn noch tun, damit es endlich vorbei ist?“, stöhnte Tageko.

Asuramons Körper löste sich auf, bis auf das Gesicht, das zurück ins Zentrum des schwarzen Spinnennetzes flog. Kouki fragte sich unbewusst, ob das vielleicht eine Fähigkeit war, die es von LordMyotismon geklaut hatte.

„So weit habt ihr es gebracht!“, fluchte das Digimon. „So viel ist von mir noch übrig! Ich hasse euch! Ich verfluche euch! Selbst der Tod ist zu schade für euch!“

„Dann gib doch auf“, sagte Renji großspurig. „Sieh dich an; es ist nur mehr ein Kopf von dir übrig!“

Asuramon kicherte. „Ein Kopf? Ich bin Asuramon mit den tausend Gesichtern! Ich dachte, ich könnte euch ganz normal erledigen, aber ich muss wohl erneut die Macht Apocalymons antasten. Zerrinnt, Zeit und Raum! Beugt euch, verdreht euch, knickt ein!“, befahl es herrisch – und plötzlich erschien sein Gesicht auf jedem einzelnen Knotenpunkt des schwarzen Chaosnetzes. Asuramon in hundertfacher Ausführung.

„Was geht da vor?“, fragte Tageko scharf.

„Ich glaube, ich weiß es“, murmelte Jagari. „Wurmlochtheorie oder so ähnlich. Es hat von Zeit und Raum geredet. Wenn Zeit und Raum stark genug gekrümmt werden, spiegelt sich quasi die Wirklichkeit … glaube ich. Ich hab mal so eine Theorie gelesen. Keine Ahnung, ob sie stimmt, aber ich kann es mir nur so erklären.“

„Hä? Was heißt das?“, fragte Renji. „Eins von den Gesichtern ist das echte, die anderen sind Spiegelbilder?“

„Ich fürchte, so einfach ist es nicht“, murmelte Jagari. „Ich könnte mir auch vorstellen, dass sie alle aus verschiedenen Zeitachsen kommen, gerade ein paar Sekunden auseinander, oder …“ Als er die ratlosen Blicke der anderen sah, schüttelte er den Kopf. „Einfach gesagt kann es auch sein, dass es sich wirklich gerade vervielfältigt hat, sozusagen.“

Asuramon lachte. Seine Stimme kam von überallher. „Schlauer Junge. Nun wisst ihr wenigstens, was euch getötet hat.“

Jedes der finsteren Gesichter öffnete weit den Mund, aus dem ein helles Strahlen kam. „Vorsicht“, rief Tageko noch, aber sie standen mitten zwischen den vielen Köpfen. Dann hagelten SkullScorpiomons glühende Stacheln heraus, aus jedem einzelnen Mund, eine wahre Salve aus mehreren Richtungen, ein sinnverwirrendes Kreuzfeuer, vor dem es kein Entrinnen gab.

Kouki schloss geblendet die Augen, spürte, wie etwas seinen Kopf streifte, die Analyzer-Brille wurde fortgerissen, etwas bohrte sich schmerzend in seinen Fuß, der Boden unter ihm zerbröckelte weiter, und der massige Pflanzenkörper von Blossomon warf sich schützend über die DigiRitter, gefolgt von dem riesigen Brustkorb Parallelmons.

 

Als das rauschende Stakkato endlich verebbte, war es totenstill. Renji hustete qualvoll und zwang seine Augen auf. Alles tat ihm weh, aber immerhin schien er nicht schwer verletzt, auch wenn sowohl seine Kleidung als auch seine Haut schon deutlich bessere Tage gesehen hatten. Seine Schleimhäute juckten unerträglich und seine Augen brannten. Bis sich der Staub gelegt hatte, dauerte es noch viel länger, aber das gab ihm immerhin Zeit, sich zu orientieren.

Sie lagen alle auf einem Haufen. Irgendein Schuh drückte Renji ins Gesicht; wohl der von Jagari. Ein Gewicht lag auf seinem Rücken; als er sich regte, wälzte sich stöhnend Fumiko von ihm herunter. Direkt neben ihm war Mushroomon gelandet; es war bewusstlos.

Ein Grollen ertönte. Parallelmon, das halb über sie gebeugt kauerte, drehte sich zur Seite, ehe es kraftlos in sich zusammensackte. Hätte es einen Moment früher das Bewusstsein verloren, hätte es die DigiRitter wohl zermatscht.

Hustend kamen nun auch die anderen auf die Beine. Sie waren Asuramons Attacke noch einmal entkommen, aber die Bilanz war ernüchternd. Ihre Digimon waren zu Salamon, Mushroomon und Candlemon zurückdigitiert; ein paar Meter weiter hatte der Lichthagel auch Triceramon erwischt und es wieder zu Elecmon werden lassen. Parallelmon war bewusstlos. Und Asuramons Gesichter starrten sie immer noch aus den Knotenpunkten dieses verfluchten schwarzen Netzes an …

„Leute, seid ihr alle noch ganz?“, fragte Kouki.

„Wir schon“, murmelte Fumiko bitter.

„Mushroomon, kannst du mich hören?“ Tageko rüttelte ihren Partner.

„Was jetzt? Was tun wir jetzt?“ Jagaris Stimme zitterte weinerlich.

„Es ist nur mehr ein Digimon. Wenn wir es besiegen, haben wir gewonnen, und trotzdem … Es geht einfach nicht“, knurrte Taneo.

„Scheiße“, fluchte Renji, um auch etwas zu sagen.

„Lasst den Kopf nicht hängen, wir finden schon einen Ausweg“, sagte Candlemon und hüpfte motivierend auf und ab. Die anderen taten jedoch genau das: den Kopf hängen lassen.

„Findet euch mit eurem Schicksal ab. Die Macht der Finsternis kann nicht so einfach von ein paar dahergelaufenen Menschen besiegt werden“, ertönte Asuramons neue Stimme aus Hunderten von Kehlen.

„Klar kann sie das! Andere vor uns haben es auch geschafft!“, rief Kouki.

„Richtig. Das waren andere“, erwiderte Asuramon abfällig. „Und nach diesem Tag ist das bedeutungslos. Dank der Macht von uns Asuras werden die Schutzdigimon nicht wieder erwachen. Wegen den Lichtsamen kann ich mein Chaosnetz vielleicht nicht über die gesamte DigiWelt ausbreiten – aber glaubt mir, ich verstehe es, mich zu rächen. Alles, was es nicht erreichen kann, wird bitter dafür büßen.“

„Verdammt!“ Jagari biss die Zähne zusammen. „Dabei waren wir so nah dran …“

„Nahe dran?“ Asuramons Lachen beschallte sie dröhnend und betäubend laut. „Ihr wart dem Sieg nie ferner.“

„Du verdammtes Biest!“, fluchte Renji. „Was müssen wir denn noch tun, um dich zu besiegen? Wir haben dich über’n Haufen geschossen, ein Riesenmonster hat dich in den Boden geprügelt, wir haben dich verdammt noch mal aufgespießt – was braucht es, damit du endlich erledigt bist?“

„Nichts“, erwiderte das Asura kühl. „Denn ihr könnt mich nicht besiegen. In diesem Netz aus Chaos regiere ich allein.“

„Dieses Scheiß-Netz, klar“, knurrte Renji und hieb wütend gegen einen der dunkelvioletten Stränge, die in der Nacht kaum noch auszumachen waren. Sein Faust glitt einfach durch das Licht hindurch, als wäre es genau das – Licht. Oder eben Finsternis. Renji hatte die schwarzen Flecken auf den Lichtsamen schon hässlich gefunden, aber das hier war eine ganz neue Dimension von Hässlichkeit. Als hätte sich der Ausschlag auf den Lichtern nun über diese Ebene ausgebreitet …

Da kam Renji plötzlich eine Idee.

 

„Ihr seid von meinen Mitstreitern und mir lange genug auf den Tod vorbereitet worden, DigiRitter“, sagte Asuramon. „Es wird Zeit.“ Seine hundert Münder klappten wieder auf. Grünes Feuer züngelte daraus hervor, so viel, dass selbst der Himmel grün glühte. Wenn das Böse ein Gesicht hat, dachte Jagari, dann genau das hier. Eine schwarze Dämonenfratze mit glühenden Augen, feuerrotem Haar, und sie spie grünes Feuer und war überall.

Etwas sauste heran; Tageko fühlte, wie eine plötzliche Bö ihr Haar zerzauste. Rasend schnell bewegte sich Thunderboltmon um die DigiRitter; das Einzige von ihnen, das offenbar noch kämpfen konnte. Die grünen Flamen wurden verweht, bildeten einen Strudel und verloren sich, kurz bevor sie nach den DigiRittern greifen konnten.

Thunderboltmon wurde so langsam, dass man es wieder sehen konnte, dann sank es erschöpft in Taneos Arme. „Tut mir leid, Taneo … Ich kann nicht mehr …“

„Schon okay“, murmelte er und strich ihm über das Köpfchen. „Du warst toll. Und du hast uns wirklich geholfen.“

„Es tut mir leid“, wiederholte das Digimon piepsig.

„Eure Zähigkeit muss legendär sein“, sagte Asuramon. „Wäre ich Karatenmon, würde ich dafür sorgen, dass man hinterher immerhin Jubellieder über eure Tapferkeit singt. Doch ich bin nicht Karatenmon. Ich bin Asuramon mit der Macht all meiner Mitstreiter, und ich hasse euch.“

Wieder öffnete es die Münder. Die DigiRitter duckten sich – alle, bis auf Renji.

„Hey, Asuramon“, sagte er. „Was passiert eigentlich, wenn ich das hier mache?“

 

Die Idee war ihm ganz plötzlich gekommen, und er hielt sie selbst für hirnrissig. Wenn auch für ein klein wenig logisch. Aber hätte er die Wahl gehabt, hätte er es ohnehin nicht darauf angelegt.

Tatsächlich wartete Asuramon mit seinem neuerlichen Angriff, schwieg aber.

„Weißt du was?“, meinte Renji. „Ich versuch’s einfach, und dann wissen wir es alle.“

Er hielt sein DigiVice dicht zu dem Strang aus dunkler Energie.

Und das DigiVice erstrahlte.

Renjis Gesicht hellte sich auf. „Was … tust du da?“ Tageko und die anderen starrten ihn ungläubig an. Vielleicht, weil ausgerechnet er auf diese Idee gekommen war – oder sie wussten einfach nicht, was vor sich ging.

Dabei war es simpel. Der Gedanke war ihm gekommen, als er sich an die Sache mit den Lichtsamen erinnert hatte. Oft genug hatte er Gennai oder die Asuras davon reden hören, dass sie die Lichtdinger in die Chaossaat hatten umwandeln wollen. Die Schwärze, die über sie gekrochen war, hatte sich ähnlich angefühlt wie in diesem Spinnennetz zu stehen – und auch das hier war irgendeine Chaosenergie oder so. Aber das Wichtigste war: Die Lichtsamen hatten sie mit der heiligen Kraft ihrer DigiVices gereinigt. Warum sollte es nun nicht ebenso funktionieren?

Und das Wunder geschah. Der schwarzviolette Spinnenfaden verfärbte sich, begann in einem hellen Weiß zu leuchten. Das Licht wanderte über den Strang bis zum nächsten Knotenpunkt. Das Gesicht Asuramons, das darauf hockte, stieß ein Zischen aus und verschwand, und das Licht verteilte sich von dem Knoten ausgehend weiter im Netz.

„Macht alle mit“, rief Renji. „Kommt schon!

Sofort sprangen die DigiRitter auf, zückten ihre DigiVices.

„Das lasst ihr schön bleiben!“, keifte Asuramon. Wieder kam Feuer aus den übrigen Mündern, rotes diesmal.

Parallelmons Arm schlang sich um die DigiRitter, wehrte die meisten Attacken ab. Es war nur kurz ohnmächtig gewesen. Fumiko berührte es sanft, um ihm seine Dankbarkeit und ihre Bewunderung für sein Durchhaltevermögen mitzuteilen.

„Wir müssen auch was tun!“, rief Elecmon. „Kaufen wir ihnen so viel Zeit wie möglich!“ Thunderboltmon warf seinen Körper auf die Flammen, die durch ihre Verteidigung kamen, Candlemon versprühte heißes Wachs, um ihre Richtung zu ändern. Auch Mushroomon und Salamon waren mittlerweile wieder zu sich gekommen. Mushroomon warf seine Pilze im Kreis, sodass die Staubwolken, die bei den Explosionen entstanden, Asuramons Sicht behinderten. Die DigiRitter konnten somit zwar auch kaum etwas sehen, aber das Licht wurde von jedem Strang des Netzes weitergeleitet, also konnten sie von hier aus weiter heilige Energie in die Fäden pumpen. Wiederholtes Gefluche und Geschrei kündigten an, dass sich Asuramons Gesichter aus den Knotenpunkten zurückzogen, die nicht mehr der Macht des Chaos unterstanden. Immer heller wurde es auf der Ebene.

„Das ist dein Ende, Asuramon!“, schrie Renji. In einem gleißenden Lichtblitz wurde der Kampfplatz taghell erleuchtet. Alle wussten, was das bedeutete. Das Netz war vollständig gereinigt.

„Jetzt hat dein Zeit-und-Raum-Beugen ein Ende!“, rief Jagari eifrig.

„Tja, Pech gehabt, du konntest ja nicht ahnen, dass Renji mal eine Glanzminute hat“, grinste Kouki.

„Unterschätze nie die DigiRitter“, fügte Taneo noch hinzu.

Du!“ Die Stimme kam diesmal aus einer bestimmten Richtung. In dem geradezu zauberhaft von Licht durchdrungenem Staubnebel wurde ein Schemen sichtbar – im nächsten Moment erkannte man Asuramons Gestalt.

Es hatte irgendwie seinen Körper zurückbekommen – wahrscheinlich hatte das Ausharren in dem Netz seine Wunden geheilt. In der Hand hielt es mal wieder das Schwert mit dem pikförmigen Knauf. Es griff aus einem Winkel an, in dem Parallelmon seine schützende Hand nicht ausstrecken konnte … und sein Ziel war Renji.

„Stirb, Mensch!“, fauchte der Anführer der Asuras.

Renjis Herz pochte ihm bis zum Hals, als das Digimon näher kam … Aus dem leuchtenden Netz stieg etwas empor, etwas, das er schon oft gesehen hatte, etwas, das andeutete, dass es tatsächlich gereinigt war, dass die dunkle Energie in etwas Kraftvolles, Helfendes umgewandelt worden war … Er streckte die Hand aus und zerquetschte die Lichtblase zwischen den Fingern.

 

Eine Lichtsäule fuhr auf Renji hernieder, wie Kouki es noch nie gesehen hatte.

„Renji!“ Candlemon warf sich Asuramon entgegen, und das Licht sprang auf es über wie ein Funken, der eine neue Digitation entfachte. Für den Dauer eines Herzschlags sah Kouki Meramon, dann Volcanomon … und dann hatte Asuramon Renji erreicht und holte mit dem Schwert aus, und die Klinge kreuzte sich mit dem Blatt einer gewaltigen Axt.

Gebannt starrten die DigiRitter auf das neue Digimon, das sich ihren Augen bot. Selbst Renji glotzte so ungläubig, als würde es ihn von allen am meisten überraschen. Koukis Finger tasteten nach der Analyzer-Brille auf seiner Stirn, berührten aber nur geborstenes Metall und scharfe, wackelige Scherben. Asuramons letzte Attacke musste sie erwischt haben – aber selbst ohne den Analyzer begriff Kouki, was geschehen war. Candlemon hatte das getan, was LordMyotismon immer gewollt und Persiamon als Erstes geschafft hatte: Es hatte das Mega-Level erreicht.

Die Panzerung, die Volcanomon buckelig hatte erscheinen lassen, war verschwunden und gab den Blick auf einen muskelbepackten, grünhäutigen Oberkörper frei, der von zahlreichen Metallteilen gepierct war. Seine Hosen bestanden aus dunklem Leder, eine fetzige, rote Frisur stand schräg vom Kopf ab, und vor dem Gesicht prangte eine metallene Maske. Asuramons Schwert und die riesige, stählerne Axt zitterten knapp davor.

„Gestatten? Boltmon“, sagte das Digimon. Asuramon grunzte zornig. Boltmon stieß es regelrecht weg und das Asura stolperte beinahe über seine eigenen Füße. Lässig wechselte Boltmon die Axt von einer Hand in die andere.

„Du bist immer noch kein Gegner für mich“, knurrte Asuramon, doch nun schien seine schrille Stimme wieder die Oberhand gewonnen zu haben, und die tat der Glaubwürdigkeit seiner Worte Abbruch. Die beiden Digimon sprangen aufeinander zu, kreuzten erneut die Klingen, sodass Funken sprühten.

„Ha! Bist du sicher?“, fragte Boltmon, und man hörte deutlich Candlemons schalkhafte Natur heraus. Wieder versuchten beide Digimon das jeweils andere fortzudrücken, doch Asuramon verlor beständig an Boden. „Du redest ja dauernd von Chaos und dass es die DigiWelt beherrschen soll. Ich will dir mal was sagen: Chaos ist das, was immer in Renjis Zimmer herrscht, und das ist viel schwerer zu bereinigen als das komische Netz hier oder die Lichtsamen!“

Asuramon stieß ein wortloses Wutgeheul aus. Boltmon schubste es von sich, schlug erneut zu und diesmal schmetterte seine Axt ihm das Schwert aus der Hand. Es bohrte sich irgendwo in den porösen Boden. Asuramon fiel wenig elegant auf seine vier Buchstaben.

„Mach es fertig, Boltmon!“, schrie Jagari.

„Einmal noch! Einen ordentlichen Treffer, und wir haben endlich gewonnen!“ Tageko hatte bang die Hände ineinander verkrampft, als würde sie beten.

„Zeig’s ihm!“, brüllte Kouki mit allem, was er hatte.

„Los, Boltmon!“, kommandierte Renji.

In seinen Ruf hinein stieß Asuramon eine Verwünschung aus, breitete die Arme aus, bereitete weiße Nadeln, grünes und rotes Feuer in seinen Mündern vor und ließ Flammenzauberstäbe in seinen vier Händen erscheinen. Boltmon packte seine Axt beidhändig und schleuderte sie mit voller Kraft.

Die Waffe rotierte so schnell, dass man sie nur als eisgraue Scheibe sah, und bohrte sich mit solcher Wucht durch Asuramons Körper, dass dieser senkrecht gespalten wurde. Mit einem lauten, trockenen Tschack grub sich die Axt hinter ihm in den Felsenboden, und das alles in einem Sekundenbruchteil.

Asuramons ohnmächtiges Wutgeheul wurde so schrill, dass es in den Ohren wehtat, aber es schien keine Tricks mehr in petto zu haben. Als sein Körper von den Wundrändern aus begann, sich in Daten aufzulösen, strömten so viele funkelnde Splitter himmelwärts, dass wohl auch die der anderen Asuras darunter sein mussten. Diesmal jedoch schlugen sie keine bestimmte Richtung ein, sondern vergingen gleichmäßig am samtschwarzen Himmel, als wären es Tausende und Abertausende neuer Sterne.

Die Freunde sahen ihnen seltsam schweigend hinterher, und erst als der letzte verglommen war, wagten sie es, ein ausgelassenes Jubelgeschrei anzustimmen. Es war endlich vorbei. Sie hatten gewonnen.

In ihrer Freude packten sich die DigiRitter an den Schultern und sprangen im Kreis auf und ab, schrien zusammenhanglose Sätze und lachten wie schon lange nicht mehr.

„Und was ist mit mir?“, fragte Kyaromon, zu dem Boltmon wieder geworden war. Offenbar hatte die Digitation sehr viel Energie verbraucht. „Der Held der Stunde bin ja wohl ich!“

„Klar“, erklärte Renji grinsend. „Und so, wie ich das verstanden habe, räumst du künftig das Chaos in meinem Zimmer auf, oder?“

Kyaromon fauchte empört, die Freunde lachten. Dann umkreisten die Digimon das kleine Meerschweinchen und überschütteten es mit Lob und Bewunderung, und bald hüpften alle, die auf der staubigen, vom Kampf zerrütteten Ebene waren, fröhlich im Kreis und bejubelten die neugewonnene Freiheit der DigiWelt.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Und das war er: der Endkampf. Hoffe, er hat euch gefallen :) Als kleinen Bonus habe ich eine Zitatesammlung aus Twelve hochgeladen. Ihr findet sie hier in meinem Weblog.
Demnächst kommt noch der Epilog, der da heißt - erraten, "Abschied". Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Fuchspinsel
2017-09-03T12:16:42+00:00 03.09.2017 14:16
Geiles Kapitel - mehr gibt's dazu nicht zu sagen ^^

Ich hatte zwar nicht erwartet, dass jemand noch ne Megadigitation hinlegt und erst Recht nicht Candlemon, aber das war echt cool :D

Freu mich schon auf den Epilog ;)
Antwort von:  UrrSharrador
04.09.2017 20:31
Danke für deinen Kommentar :) Klar doch, Megadigitation muss sein :D
Von:  PattMaster
2017-09-01T14:42:30+00:00 01.09.2017 16:42
Ein spannender Kampf und das am Ende Renji's Einfall den Sieg bringt, wer hätte das gedacht. Aber da hatte er auch mal einen erleuchtenden Moment.
Antwort von:  UrrSharrador
04.09.2017 20:30
Er ist eben auch für Überraschungen gut^^
Danke für deinen Kommi!
Von:  EL-CK
2017-08-31T08:55:23+00:00 31.08.2017 10:55
Ein toller Endkampf.... Mit einem super Ende...
Antwort von:  UrrSharrador
04.09.2017 20:29
Danke dir :)


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