Zum Inhalt der Seite

Als du gingst

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 19

~Bian~
 

Ich stand an einer Kreuzung, die Wege führten in zwei völlig verschiedene Orte. Der Eine, in die Realität, zu meiner Familie, zum ECHTEN Leben, ins ungewisse...

Der Andere, in eine zerbrochene Welt, die nichts mehr mit der Realität zutun hatte. In eine Welt ohne Ende, ohne Tod, ohne Sorgen... Etwas völlig Unreales und doch so viel vertrauter als die andere Welt...

Bei dem Ersten Weg, streckten mir mein Bruder und Nathaniel die Hände entgegen. Beide hatten einen flehenden Blick, schienen nach mir zu rufen, aber ich hörte sie nicht.

Beim Zweiten stand Anthea, auch ihr Blick hatte etwas flehendes, aber sie hielt mir nicht die Hand hin, sie schüttelte nur den Kopf. Ihre Lippen formten die Worte: "Tu es nicht..."

Ich sah hin und her, gebe ich mich auf? Oder kämpfe ich?

Wieder stand ich am Abgrund, sollte ich dieses mal nach vorn gehen? Oder wieder durch den Seitenausgang fliehen?

Nur wer sich wehrt, ist wirklich frei.
 

Völlig verschwitzt wachte ich auf, es war nur ein Traum... Mein Bettlaken war zerwühlt. Zess hob verschlafen den Kopf und gähnte. "Schlaf weiter...", flüsterte ich ihn zu und kletterte aus dem Bett.

Ich schwankte leicht und musste mich an der Wand stützen, warum war ich so geschwächt? Alles war dunkel im Haus, mein Bruder und meine Eltern schliefen. Wie spät es wohl war?
 

Ich tastete mich den Wänden entlang nach draußen und atmete die kühle Luft ein. Es klärte meine Gedanken auf und ich sah auf den, vom Mond schwach beleuchteten Hof. Nicht mal die Katzen rannten mir entgegen, alles war still.

Schnell schnappte ich mir blind Schuhe und Jacke und zog mir Beides über. Die Schuhe waren zu groß, es waren die meines Bruders, die Jacke duftete nach dem Parfüm meiner Mutter, dieser süße Geruch, der an Frühling erinnerte.

Gedankenverloren griff ich zu der Mütze, die mein Vater immer trug, wenn er das Haus verließ. Warum ich nicht meine eigenen Sachen nahm, war mir nicht ganz bewusst.
 

Wie in Trance verließ ich den Hof, fest entschlossen den Weg zu gehen, den ich für mich gewählt hatte. Aber welcher war das?

Es war mir nicht klar, obwohl mein Schritt doch so sicher war... Wo wollte ich überhaupt hin?
 

Ich ging in den Wald, auch wenn ich kaum etwas sah, konnte ich den Weg zur Lichtung selbst blind finden.

Auf der Lichtung stand er, lange war es her das ich ihn gesehen hab. Seine Haut war blass, sein Lächeln siegessicher. Seine schwarze Kleidung verschwand völlig im dunklen der Nacht.

Langsam streckte er die Hand nach mir aus, doch ich ergriff sie nicht sofort. "Was hält dich auf?", flüsterte seine kühle Stimme in die Nacht.

Mein Blick ging noch kurz zurück, zurück zu meinen Haus, meiner Familie. "Vieles... Aber es hindert mich nicht...", erwiderte ich betrübt, endlich dessen bewusst, für welchen Weg ich mich entschieden hatte.

Sein Lächeln war fast sanft, aber ich wusste, das es nur Schein war. "Komm endlich zu mir. Ich warte doch schon lang genug.", meinte er sehnsüchtig und ich streckte die Hand aus.
 

Ich wusste eigentlich das da niemand stand, da war nur ich... Doch ich wollte dem Ende eine Gestalt geben, eine Stimme die mich rief.

Doch ich war allein, nur ich und diese Lichtung...
 

Anthea, als du gingst, hinterlist du ein tiefes Loch in mir, eine Kluft... Ich hab mir eingebildet es überstehen zu können... Doch ich hatte mich geirrt...

Ich war schwach, ich rannte weg... Nur diesen weg kannte ich.

Mama, Papa, Bruder, Zess, Saya... Nathaniel... Verzeiht mir...

Ich weiß, es ist egoistisch, ich weiß, man hat nur dieses eine Leben...

Es ist mir klar, das der Wunsch nach einer zweiten Chance unerfüllt bleibt...

Und trotzdem, wünsche ich mir noch ein Leben, denn in diesem hab ich mich verloren...
 

~Nathaniel~
 

Ich wurde wach, noch bevor mein Wecker klingelte. Irgendwie war mir schlecht, mein Magen schnürte sich zusammen und mein Kopf schien sich zu drehen.

Das war ein ganz schlechter Morgen!

Zum ersten Mal, verspürte ich keine Lust zur Schule zu fahren. Was war das nur? Etwas sagte mir, das es heute Zweitrangig war.
 

Verschlafen schleppte ich mir runter in die Küche. Meine Eltern waren schon weg, Amber kam gerade aus dem Bad.

"Morgen, man siehst du scheiße aus! Schlecht geschlafen?" Was für eine Begrüßung! "Morgen... Ja irgendwie schon... Ich fühl mich nicht gut..." "Solltest zum Arzt, bist ganz blass.", sagte sie, während sie sich eine Schüssel aus dem Schrank holte.

Ich nickte nur und ließ mich auf den Stuhl sinken. "Auch was?", fragte mich meine Schwester und hielt mir Müsli hin. Angeekelt schüttelte ich den Kopf und seufzte. "Ich geh lieber gleich zum Arzt... Könntest du in der Schule bescheid sa... Ach vergiss es, du tust es ja doch nicht... Ich ruf nach dem Arzt dort an."
 

Nach dem Arzttermin und den Anruf in der Schule, ging ich am Bahnhof vorbei. Bian schwänzte heute bestimmt wieder... Aber ich war krank geschrieben! Ich konnte doch nicht durch die Gegend fahren!

Doch trotz dieser Gedanken, stieg ich in den Zug und lehnte mich zurück. Ich hatte komischerweise nicht mal ein schlechtes Gewissen! Etwas in mir sagte, das ich zu ihr hin MUSSTE!
 

Als ich ankam, sah ich in traurige, verzweifelte Gichter. Ich Bruder hatte Zess an der Leine, der winselnd von einer Pfote zur anderen tänzelte, während Maghnus mit ausdrucksloser Miene, mit einen Polizisten sprach.

Irritiert war ich stehen geblieben. "Hay! Du bist doch der Hübsche, der sich hier in letzter Zeit rum getrieben hatte!", hörte ich eine Stimme, mit starken Dialekt sprechen.

Verwundert drehte ich mich um und sah die Frau, die mir bei meinen ersten Besuch hier den Weg zu Bians Haus beschrieben hatte.

"Ja... Ähm... Was ist denn hier los?", fragte ich unsicher und die Frau schüttelte nur traurig den Kopf.

"Die Arme Familie... Schon das zweite Kind... Sie haben sie im Wald gefunden... Das arme Mädchen... Ohne den Hund hätten sie sie wohl nie entdeckt... Die armen Eltern... Die Mutter ist völlig am Ende." Sie drehte sich um und ging, immer wiederholte sie die Worte: "Das arme Mädchen."

Fragend sah ich ihr nach, drehte mich zu Bians Bruder, der mich jetzt auch sah und nur traurig den Blick senkte.
 


 

Ich biss mir die Unterlippe blutig, als ich vor den Stein stand. »Bian Runa Desens« Dieser eingravierte Name versetzte mir einen so tiefen Stich, den ich nicht beschreiben konnte.

Ich spürte eine Hand, die sich auf meine Schulter legte und sah hoch zu Maghnus. Mit einen traurigen Lächeln hockte er sich hin, den Blick nur auf den Stein gerichtet. "Ich wünsch dir noch ein Leben...", sagte er auf, als hätte er es auswendig gelernt.

"Ihr seit so unfair... Alle Beide...", nuschelte er und wischte sich über die Augen. Dann stand er auf und ließ mich allein, ging zu seinen Eltern und tröstete seine Mutter.

Ich sah zum Friedhofstor, wo Zess und Saya auf mich warteten. Mein Blick ging zum Stein, der in seiner Schlichtheit irgendwie passte. "Ich passe auf die Beiden auf...", nuschelte ich, schluckte schwer und drehte mich um.
 

Dieses Mädchen... Ich kannte sie nicht gut, doch wenn ich die Hunde sah, war es, als würde sie vor mir stehen.

Bian, als du gingst, wurde mir erst bewusst, das du mir fehlen wirst...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück