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Not enough

von

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Unglück

Sora seufzte auf und neigte den Kopf, als zwei anzugtragende Männer in das Café eintraten und spülte dann eilig weiter.

Es war zwar kaum etwas los, aber trotzdem war der Rotschopf extrem unmotiviert. Die dumme Seife, die ihr nach all dem häufigen und regelmäßigen Gebrauch langsam anfing ihre gereizte Haut aufzureißen. Die bescheuerte Weste, die ihre Brüste zusammendrückte und ihr das Atmen erschwerte.

Aus irgendeinem Grund nervte sie heute alles.

„Kannst du mal bitte mit deinem scheiß Gepfeife aufhören?“, knurrte sie mit zusammengebissenen Zähnen. Ihr Kollege Ken neben ihr sah von dem Kaffeefilter, den er gerade auswechselte, auf.

„Oh, entschuldige bitte! Ich habe das gar nicht bemerkt!“, er grinste und kratzte sich am Kopf, dann machte er einfach weiter.

„Oh man ey…“, Sora fragte sich einen Moment wie der Kleine so gut drauf sein konnte, dann wurde die Eingangstür aufgerissen. Gelangweilt sah sie auf und wollte zur Begrüßung ansetzten, als sie in  Sekundenschnelle reagierte und sich duckend hinter dem Tresen versteckte. Das Wasser, in dem sie Sekunden zuvor nach die schmutzigen Tassen abgespült hatte, plätscherte noch und sie wischte sich eilig die nassen Hände an ihrer Arbeitskleidung ab.

Was machte die schon wieder hier?!

Ein kurzer Moment, indem sie einfach nur eine zierliche Gestalt entdeckt hatte, die eine sich im Licht spiegelnde Sickelbrille trug, reichte aus um sie in diese Lage zu bringen.

„Eh?“, Ken sah verwirrt zu ihr und öffnete den Mund, als Sora den Zeigefinger an ihre Lippen legte und ihn eindringlich ansah. Er erwiderte den Blick, dann ertönte hinter Sora eine fröhliche Stimme.

„Hallo, guten Morgen!“

„Oh, eh, guten Morgen!“, Ken trat näher an den Tresen, so dass seine unten kauernde Freundin ihn berühren könnte. „Ist denn keine Schule?“, fragte er höflich und lächelte verschwitzt.

Marry wiegte ihren Kopf erst auf die eine dann auf die andere Seite und erwiderte den Gesichtsausdruck mit rosa geschminkten Lippen. „Natürlich ist Schule, keine Sorge, ich bin brav und gehe hin.“, sie kicherte hinter vorgehaltener Hand. „Es ist nur Freistunde.“

„Oh, na dann ein Kaffee zum mitnehmen, hm?“, er neigte den Kopf.

„Hmmm, eher wollte ich fragen ob Sora da ist?“

„Sora?“, fragte er verwirrt nach, dann sah er einmal kurz nach unten. Vielleicht sogar etwas zu auffällig, das dachte die Ghoula in dem Moment und schlug ihm mit der flachen Hand gegen das Bein und schüttelte den Kopf.

„Eh die…“, aufgrund des Schlags stockte er.

„Ja?“, Marry musterte ihn aufmerksam, als er die Lippen aufeinander drückte.

„Sora ist heute nicht da, tut mir sehr leid.“

Die Schülerin gab ein schweres Seufzen von sich und schaute traurig drein.  In diesem Moment fühlte Ken ein großes Schuldgefühl gelogen zu haben und musste den Blick abwenden. „Soll ich dir trotzdem einen Kaffee machen?“

„Ich trinke eigentlich nur Tee…“

„Oh, soll ich dir dann einen Tee machen?“

„Nein, danke…“, Marry strich sich durchs Haar und wandte sich ab. „Ich möchte nur Tee von Sora haben.“

Bevor der Junge etwas antworten konnte, hob sie kurz die Hand und ging wieder hinaus.

„Scheiße, zum Glück hat´s geklappt.“, seufzte Sora und rappelte sich wieder auf, richtete ihre Kleidung und atmete tief ein.

„Was war das denn bitte?“, wollte der Jüngere sofort wissen und verschränkte die Arme.

Einer der beiden anzugtragenden Männer, die vor Marrys Besuch in das Kaffee gekommen waren, räusperte sich ungeduldig und die Kellnerin nickte ihnen zu.

„Ich habe mich vor dem Gör versteckt.“, sie nahm ihren Notizblock auf.

„Wie wäre es mir einem “Danke“? Ich habe für dich gelogen.“

„Danke.“, sagte Sora halbherzig und rauschte an ihm vorbei um die Kunden zu bedienen.

Am Nachmittag schlenderte Sora ihren Weg nach Hause und machte sich Gedanken darüber, was sie den Tag über noch tun könnte. Es kam selten vor, dass sie in der Frühschicht eingetragen war, weswegen sie den Vormittag über schlief und dann einfach den Rest des Tages arbeitete.

„Oh, Entschuldigung!“, quietschte ein junges Mädchen, in das Sora soeben hereingelaufen war. Auch wenn es ihre eigene Schuld gewesen war, strafte sie die Schülerin mit einem bösen Blick und lief weiter.

Diese türkise Sailorschuluniform kannte sie doch…?

Als sie den Blick hob, bemerkte sie die vielen Jugendlichen, die denselben Anzug trugen.

Na toll, diese Schule hatte sie immer erst nach Unterrichtszeit passieren müssen. Mit einem Augenrollen schlich sie leichtfüßig an dem Großteil vorbei, als nur noch vereinzelte Schüler und Schülerinnen ihren Weg säumten. Die wollten schließlich auch nur nach Hause kommen, also konnte Sora sich schlecht darüber aufregen.

„Hast du gestern auch die neue Asuka Ciel gekauft?!“

Sora schreckte auf und sah vor sich ein Mädchen in der Schuluniform einer Mittelschülerin. Auch wenn es nur von hinten war, Marry erkannte sie schon alleine von der Stimme her.

Einen Moment fragte sich die Ghoula, ob das Mädchen, das ihr von jetzt auf gleich die Liebe gestanden hatte, mit sich selber sprach, doch dann entdeckte sie, das Handy, das sie sich an ihr Ohr hielt. Noch immer hatte sie Sora nicht bemerkt, deren ganze Körper plötzlich angespannt war.

Weshalb musste sie diese Irre gleich zweimal an einem Tag treffen? Warum lag ihre Schule ausgerechnet auf Soras Heimweg?

„Ja?! Ja du auch?!“, Marry quietschte ganz aufgeregt in ihr Telefon. „Das neue Kapitel von Sekaiichi Hatsukoi ist einfach…!! Einfach…! Mir fehlen die Worte!“

Fast hätte Sora über diesen Satz lachen können. Ihrer Erfahrung nach hielt das Mädchen keine drei Minuten ihren Mund, es sei denn sie war über ihre Bücher gebeugt.

„Ja, ich hätte nie gedacht, dass die beiden mal sowas machen würden! Aber Takano-san sieht ja so hübsch aus, hach…“

Ohne Vorwarnung schwärmte Marry weiter und ging plötzlich scharf nach links auf die vielbefahrene Straße.

„Eh?!“, Soras Körper reagiert schneller als ihr Verstand und bewegte sich ruckartig in dieselbe Richtung.

Die naive Schülerin bemerkte erst jetzt ihren Fehler und riss die Augen auf, ließ ihr Handy fallen und schrie auf, als sie ein Auto auf sich zugerast kommen sah.

„Idiotin!“, schrie Sora auf und zerrte sie zurück, so schnell, dass sie nach hinten auf den Bürgersteig fiel und die Brünette gleich auf sich drauf riss. Beide sahen noch in der gleichen Sekunde, wie das Telefon überrollt wurde und zu mehreren Splittern bearbeitet wurde.

„Kyaaaaah?!“, Marry heulte auf und schlug die die Hände in das Gesicht, Sora schubste sie nur sofort von sich runter und sah sie aus verengten Augen an. „Was sollte denn diese Scheiße?!“

„Sora-chan?!“, völlig geschockt sah die Kleinere auf und ließ Tränen ihre Wange herunter prasseln. „I-ich weiß auch nicht!!“

„Rennst einfach auf die behinderte Straße und dann?!“, einige Leute sahen schon herüber. Die Schüler, die in der Nähe gestanden hatten, versammelten sich nun in einer Gruppe und tuschelten miteinander. Sora hörte es bis zu ihr hin. Das einzige, das lauter war, waren die vorbeirauschenden Autos und Marrys noch lauteres Geweine.

Das Mädchen musste sich wirklich erschrocken haben.

„Steh auf!“, befahl Sora und erhob sich zeitgleich. Doch Marry blieb völlig verloren sitzen und schlang langsam die Arme um die Beine.

„Hallo?“, fauchte der Rotschopf und fixierte sie böse, als sie bemerkte, dass das Mädchen nicht aufstehen würde.

„I-ich bin da gerade f-fast…“

„Verreckt? Ja.“

Marry zuckte kurz zusammen, als Hände unter ihre Arme gelegt wurden und sie mit einem Ruck hoch zogen. Dann stand die Schülerin wieder.

„Du solltest heimgehen.“, riet sie ihr, aber die Brünette schüttelte den Kopf.

„Nein, ich habe Angst.“

„Ich bitte dich...das ist doch nicht dein Ern-“

„Sora-chan! Bitte, du musst mich begleiten!“

„Okay.“, sie war einen Moment von dieser Dummheit paralysiert. „Jetzt verarscht du mich aber.“

Marry schüttelte den Kopf und blinzelte die Tränen aus ihren großen Augen.

Anhaltend presste Sora ihre Lippen fest aufeinander und fragte sich was das sollte. Weshalb sie das tat.

Mitleid?

Ganz sicher. Jedenfalls nicht, weil sie ein guter Mensch oder so etwas war.

„Danke, Sora…chan.“

„Halt lieber deine Klappe, sonst drehe ich mich um und verschwinde wieder.“

Von der Seite sah sie die Schülerin lächeln. „Das glaube ich nicht.“

„Woher willst du das wissen? Vorlaute Göre…“

„Weil du lieb bist.“

Wie als wäre sie soeben beleidigt worden, drehte Sora sich zu ihr und sah sie bitterböse an. „Hör auf damit.“

Marry kicherte sie an. „Na gut, ich mache alles was du willst!“

„Außer mal den Mund halten…“

„Wir müssen jetzt hier rein!“, bevor Sora reagieren konnte packte die Jüngere sie beim Arm und zog sie in den Vorhof eines Wohnhauses.

„Okay okay, jetzt kannst du ja auch alleine bleiben, ja? Ich verschwinde endlich.“

„Warte Sora-chan! Nur noch ein ganz kleines Stück! Dann weißt du ja auch wo ich wohne!“

„Das will ich gar nicht wissen.“

Marry sah zu ihr auf und grinste. „Ich habe nicht gedacht, dass du schüchtern bist, Sora-chan!“

Gerade wollte die Ghoula etwas erwidern, da krachte die nicht nach vorne sehende Brünette mit einem lauten Aufschlag gegen eine Tür und kippte nach hinten um.

Es geschah so plötzlich, dass Sora erst stehen blieb und einige Male blinzelte, sich dann hinunter beugte und die Kleinere ansah.

„Aua! Aua aua aua!“, sie drückte die Hände an den Kopf und sah mit Tränen auf.

Heulte sie schon wieder…

Soras Miene rührte sich nicht und kurz fragte sie sich, ob Marry das extra machte. Ein kurzer Blick zu der heulenden Gestalt machte ihr jedoch klar, dass dem so nicht war.

„Komm jetzt, du bist doch schon fast da…“

Sie streckte ihr beide Hände entgegen und nach einem Zögern nahm Sora sie entgegen und zog Marry auf, die sich dann an sie klammerte und den Weg zu der Haustür eines Apartments ging. Sora wunderte sich etwas und sah zu, wie die Kleine aus ihrer Schultasche einen Schlüssel zog und ihn vergeblich unter starkem Zittern versuchte, in das Schloss einzuführen. Sie seufzte, riss ihr den Bund aus den Händen und schloss selber auf.

Marry drückte den Türknauf herunter und stolperte herein, neugierig sah Sora an dem Mädchen vorbei in eine aufgeräumte, bunt dekorierte Wohnung.

„Mach die Tür bitte zu, Sora-chan… Sonst wird es hier ja noch kälter als draußen!“

Die Ghoula gehorchte und beschimpfte sich innerlich dafür, hereingekommen zu sein. Weshalb hatte sie das getan?

Marry setzte sich auf den Boden und zog sich im Eingangsbereich die Schuhe aus, als sie sich mit der Hand über den Pony strich, sah man, dass ihre Stirn von dem Aufprall noch rot war.

Sora zog sich nicht die Schuhe aus und ging an Marry vorbei in den winzigen Wohnraum, indem sowohl Wohn- und Esszimmer, als auch Küche vertreten waren. Von hier aus führten zwei Schiebetüren in andere Zimmer und Sora bezweifelte, dass noch welche folgen würden.

„Wohnst du alleine hier?“

Die Brünette hinter ihr erhob sich und lief in ihren Overknees leichtfüßig über das Tatami. „Ja, ich mach uns einen grünen Tee, in Ordnung?“

„Ich möchte keinen.“

„Aber Sora-chan, ich mach doch schon einen für uns beide.“

Die Ghoula beobachtete sie dabei, wie sie die Kanne gerade erst herausholte, dann sah sie sich etwas in der Wohnung um. Von der Familie fand sie kein Bild aber ganz viel bunten, kindischen Quatsch, wie Kissen, wie zum Beispiel ein durch große Augen und kleinen Mund verniedlichten Toast darstellten. Zeug bei dem Lolitas den Kopf zur Seite neigen und “kawaiii!!“, klatschen würden.

War Marry möglicherweise eine von dene ? In der Schule herrschten strenge Regeln für die Bekleidung und das Verhalten, also würde man das niemals in ihrem Schulalltag erkennen.

„Ich freue mich wirklich total, dass du hier bist, Sora-chan.“

Marry drehte sich zu ihr herum und lächelte, der Schreck war anscheinend ganz verschwunden und man vernahm etwas anderes in ihrem Gesicht, das leicht gerötet war, wobei ihre blasse Haut eher rosa als rote Wangen zeigte. Sie musterte die Schülerin noch einmal genauer, sah hinter die runde Brille mit dem hellbraunen Gestell, zu den dicht getuschten Wimpern und den geschickt gezogenem Lidstrich. Eine Sekunde tat sie dies zu lange und plötzlich stand die Schülerin direkt vor Sora und strahlte sie an.

„Das ist ja fast wie eine Verabredung, oder?“

„Vergiss es.“, sie wich keinen Schritt von der näher kommenden Marry weg.

„Ich bin ja so aufgeregt, ich sage das sonst wirklich nicht so schnell, aber… aber Sora-chan, ich mag dich wirklich sehr gerne…

… so gerne, dass ich manchmal am Abend…“, sie sah kurz weg. „Unanständige Gedanken habe.“

Sora sah sie einen Moment entgeistert an, dann fing sie sich schnell und verschränkte die Arme voreinander.

„Wie lange braucht grüner Tee zum Ziehen? 60 Sekunden? 120?“

„Oh ja, ich vergaß!“, sofort eilte sie zurück an den Herd und in dem Moment, als sie die Teekanne von der Platte nahm, fiel die Tür ihrer Wohnung  zu.

Sora flüchtete beinah aus dem Wohnhaus und die Straße entlang. Warum war sie überhaupt mit rein gegangen?

Am nächsten Tag trat Sora, ihre Kopfhörer einwickelnd, zu ihrer Arbeit durch die Tür des Antiks, als plötzlich Marry gegen sie krachte. Noch bevor sie irgendwie reagieren konnte flackerten die Augen der Schülerin aufgeregt zu ihr rauf, dann rannte sie an ihr vorbei weiter.

„Haltet sie!“, schrie Ken aufgeregt und sprintete etwas langsamer hinterher. 

Die Ghoula konnte nur verwirrt sehen bleiben, alle Gäste sahen auf und keine zwei Minuten später trat ihr hechelnder Kollege herein. „Ich konnte sie nicht mehr fangen…“

„Was war das denn?“

„Irgendwie ist sie in unser Hinterraum eingebrochen und hat unsere Arbeitspläne und Daten geklaut.“

Mehr als eine ausdruckslose Miene konnte sie nicht zeigen.

Dafür würde Marry noch büßen, das nahm sie sich fest vor.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Vielen Dank an alle die mich unterstützen T^T Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Avocado
2017-04-16T22:20:24+00:00 17.04.2017 00:20
Da klaut die die Schichtpläne! Hätte diese plötzliche Wendung eher nicht erwartet. Eher so ein Verkupplungsversuch von Ken 😂😂😂
Wieder deine Avocado 😃


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